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Urteil Versicherungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2017.113
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:-
Versicherungsgericht Entscheid VSBES.2017.113 vom 22.03.2018 (SO)
Datum:22.03.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Krankenversicherung KVG
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Taggeld; Beschwerdegegnerin; Leistung; Recht; Taggelder; Arbeitsunfähigkeit; Leistungsdauer; Taggeldversicherung; Unfall; Beschwerdeführers; Bezug; Erwerbstätigkeit; Gesetzlich; Taggeldern; SALARIA; Vereinbarung; Einsprache; Medizinisch; Bezugsdauer; Leistungen; Bezog; Police; Gesetzliche; Versicherungsbedingungen; Einspracheentscheid
Rechtsnorm: Art. 43 ATSG ; Art. 53 ATSG ; Art. 6 ATSG ; Art. 72 KVG ;
Referenz BGE:102 V 83; 111 V 239; 114 V 286; 142 V 337;
Kommentar zugewiesen:
Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Auflage, Zürich, 2015
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 22. März 2018

Es wirken mit:

Präsident Flückiger

Oberrichterin Weber-Probst

Oberrichter Marti

Gerichtsschreiber Isch

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann

Beschwerdeführer

Gegen

Helsana Versicherungen AG

Beschwerdegegnerin

betreffend Krankenversicherung KVG (Einspracheentscheid vom 28. März 2017


zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.       

1. A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer), geb. 1956, verfügt bei der Helsana Krankenversicherung AG (nachfolgend Beschwerdegegnerin) über eine Taggeld-Versicherung «SALARIA» nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) für ein Taggeld in der Höhe von CHF 5.00 pro Tag bei einer Wartefrist von 0 Tagen. Für die Folgen von attestierten Arbeitsunfähigkeitsperioden (vgl. HA 20) erbrachte die Beschwerdegegnerin ab dem 27. Februar 2014 die versicherten Krankentaggeldleistungen (vgl. HA 21). Mit Verfügung vom 22. Dezember 2016 (HA 11) hielt die Beschwerdegegnerin fest, die Taggelddeckung sei per 24. November 2016 automatisch aufgehoben worden, weil der Beschwerdeführer den maximalen Taggeldanspruch von 720 Tagen infolge unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bezogen habe und keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehe. Die dagegen am 20. Dezember 2016 erhobene Einsprache (HA 10) hiess die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 28. März 2017 (A.S. [Akten-Seite] 1 ff.) insofern gut, dass der Beschwerdeführer bis zum 28. Januar 2017 weitere Taggeldleistungen aus seiner Einzelversicherung SALARIA KVG erhalte. Danach erlösche die Taggeldversicherung automatisch.

2. Dagegen erhebt der Beschwerdeführer am 22. April 2017 fristgerecht Beschwerde beim Versicherungsgericht (A.S. 5). Innert erstreckter Frist lässt der nun vertretene Beschwerdeführer am 29. Mai 2017 eine Beschwerdeergänzung einreichen (A.S. 17 ff.) und folgende Rechtsbegehren stellen:

1.    Der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 28. März 2017 sei aufzuheben und die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 22. April 2017 sei vollumfänglich gutzuheissen.

2.    Dem Beschwerdeführer seien über den 28. Januar 2017 hinaus und weiterhin, mindestens aber bis zum massgeblichen Zeitpunkt des Einspracheentscheides per 28. März 2017, die gesetzlichen und vertraglichen Leistungen zzgl. eines Verzugszinses zu 5 % seit wann rechtens auszurichten.

3.    Es seien bei der Beschwerdegegnerin die vollständigen Verfahrensund Versichertenakten (inkl. anwendbare Versicherungspolice und anwendbare AVB sowie einer vollständigen und detaillierten Übersicht über die bisher erbrachten Leistungen) gerichtlich zu edieren und diese sodann dem unterzeichneten Rechtsanwalt zur Einsichtnahme zukommen zu lassen.

4.    Es seien die Akten des Versicherten gerichtlich bei der Unia Arbeitslosenkasse, [...], zu edieren und diese sodann dem unterzeichneten Rechtsanwalt zur Einsichtnahme zukommen zu lassen.

5.    Nach erfolgter Zustellung der Versichertenakten gemäss Ziff. 3 und 4 hiervor sei dem unterzeichneten Rechtsanwalt eine angemessene Nachfrist zur allfälligen Beschwerdeergänzung anzusetzen.

6.    Es sei bei Dr. med. B.___ ein aktueller Bericht betreffend der von ihm anlässlich der telefonischen Besprechung mit dem unterzeichneten Rechtsanwalt vom Mai 2017 erwähnten Demenzerkrankung sowie aktuelle Arztzeugnisse betreffend attestierter Arbeitsunfähigkeit auch nach dem 12. Februar 2017 gerichtlich zu edieren.

7.    Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

3. Mit Beschwerdeantwort vom 21. August 2017 (A.S. 28 ff.) stellt die Beschwerdegegnerin den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, sofern darauf einzutreten sei.

4. Mit Stellungnahme vom 17. Oktober 2017 (A.S. 37 ff.) reicht der Beschwerdeführer weitere Unterlagen ein.

5. Mit ergänzender Stellungnahme vom 3. November 2017 (A.S. 54 ff.) hält die Beschwerdegegnerin an ihrem Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest.

6. Mit Stellungnahme vom 13. Februar 2018 (A.S. 69 ff.) lässt sich der Beschwerdeführer abschliessend vernehmen und reicht weitere Unterlagen ein.

7. Auf die Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird nachfolgend, soweit notwendig, eingegangen.

II.

1. Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. Der Präsident des Versicherungsgerichts beurteilt sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 30'000.00 als Einzelrichter (§ 54bis Abs. 1 lit. a Kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation / GO, BGS 125.12). Im vorliegenden Fall sind Taggeldzahlungen von CHF 5.00 pro Tag strittig, womit es fraglich ist, ob diese Grenze in der Gesamtsumme erreicht wird. Es handelt sich jedoch um eine Streitsache von grundsätzlicher Bedeutung (s. E. II. 5 hiernach), weshalb der Präsident die Angelegenheit dem Gesamtgericht zur Beurteilung in Dreierbesetzung überträgt (§ 53 Abs. 1 Satz 2 und § 54bis Abs. 2 GO).

3.

3.1 Gemäss Art. 72 Abs. 2 KVG entsteht ein Taggeldanspruch, wenn die versicherte Person mindestens zur Hälfte arbeitsunfähig ist. Im vorliegenden Fall hat die Helsana von der Möglichkeit, reglementarisch schon bei einer Arbeitsunfähigkeit von unter 50 % einen Taggeldanspruch zu statuieren, Gebrauch gemacht und in Art. 9.1 ihrer Versicherungsbedingungen (VB; HA 1) für die Helsana SALARIA freiwillige Taggeldversicherung nach KVG festgehalten, dass das Taggeld bei einer nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit von 25 % ausgerichtet wird. Gemäss Art. 72 Abs. 3 KVG ist das Taggeld für eine oder mehrere Erkrankungen während mindestens 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen zu leisten.

3.2 Als arbeitsunfähig im Sinne von Art. 72 KVG gilt eine Person, die infolge eines Gesundheitsschadens ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr, nur noch beschränkt oder nur unter Gefahr, ihren Gesundheitszustand zu verschlimmern, ausüben kann (BGE 111 V 239 mit Hinweisen; Alfred Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel, 1996, S. 114, mit Hinweisen). In diesem Zusammenhang gilt die in Art. 6 ATSG festgelegte Umschreibung des Begriffs (vgl. BBl 1999 V 4687 f., 4696), wobei bereits unter dem bisherigen Recht auf die in allen Sozialversicherungszweigen analog verstandene Definition der Arbeitsunfähigkeit abgestellt wurde, nämlich der Arbeitsunfähigkeit als eine Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen (BGE 114 V 286 E. 1c), wobei nicht die medizinisch-theoretische Schätzung massgebend ist (BGE 111 V 239 E. 1b), sondern die Frage, in welchem Mass die versicherte Person aus gesundheitlichen Gründen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich nicht mehr nutzbringend tätig sein kann (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2015, Rz 3 ff., und 60 ff. zu Art. 6). Demnach haben auch im Krankenversicherungsbereich nach KVG die von der Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit herausgebildeten Grundsätze unter der Herrschaft des ATSG prinzipiell weiterhin Geltung.

4. Gemäss den Ausführungen des Beschwerdeführers gehe weder aus der Versicherungspolice KVG der Beschwerdegegnerin von Oktober 2015, gültig ab 1. Januar 2016, noch aus den Versicherungsbedingungen (VB) SALARIA die freiwillige Taggeldversicherung gemäss Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) vom 18. März 1994 eine begrenzte Leistungsdauer von 720 Tagen hervor. Der Beschwerdeführer bestreite den Ablauf einer vertraglichen Leistungsdauer und somit die Aussteuerung in seinem Fall. Die Implementierung einer gesetzlichen zeitlichen Minimaldauer von mindestens 720 Tagen in Art. 72 Abs. 3 KVG bedeute nicht, dass diese als dispositives Recht automatisch Anwendung finde, wenn der Versicherer eine Regelung der Leistungsdauer wie hier unterlassen habe. Die Regelung in Ziff. 18.1 der Versicherungsbedingungen (VB 2014), wonach die Leistungsdauer in der Police aufgeführt werden müsse, spreche ebenfalls gegen den subsidiären Beizug von Gesetzesrecht. Bei der Beschwerdegegnerin sei es sodann allgemein üblich, die Leistungsdauer in der Police festzuhalten, was hier offensichtlich unterlassen worden sei. Somit sei die Bezugsdauer unklar und deshalb in dubio contra stipulatorem nach oben resp. mindestens bis zum massgeblichen Zeitpunkt des Einspracheentscheides per 28. März 2017 offen. Für das Bestehen einer solchen Suspensivbedingung sei die Beschwerdegegnerin beweispflichtig, denn für die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung trage derjenige die Beweislast, der aus deren Eintritt Schuldbefreiung behaupte. Nach Ziff. 9.1 VB SALARIA KVG bestehe Anspruch auf (Taggeld-) Leistungen bei einer ausgewiesenen Arbeitsunfähigkeit von mindestens 25 %, die einen Erwerbsausfall zur Folge habe. Nach Ziff. 10.3 habe die versicherte Person den Nachweis von Erwerbsausfall zu erbringen. Der Beschwerdeführer sei gemäss telefonischer Aussage seines Hausarztes Dr. med. B.___ vom 22. Mai 2017 an Demenz erkrankt. Den Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Versicherte weiterhin eine Demenzproblematik aufweise, was ihm mit Sicherheit zumindest teilweise verunmöglicht habe, vernunftsgemäss zu handeln. Seine Aussage in der Unfallmeldung vom 8. August 2016, wonach er «keiner Erwerbstätigkeit» nachgehe, habe deshalb von Beginn an auf ihre Werthaltigkeit hinterfragt werden müssen, dies zumal die Beschwerdegegnerin im Bereich des KVG nach Art. 43 Abs. 1 ATSG an den Untersuchungsgrundsatz gebunden sei. Es könne im Übrigen keinen Zweifel daran geben, dass der Versicherte einer weiteren Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre, wenn er nicht arbeitsunfähig geworden wäre, habe er sich doch bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet, respektive habe er auch entsprechende ALV-Leistungen bezogen. Dies sei dem angerufenen Gericht aus dem Urteil vom 13. September 2017 (VSBES.2017.164) hinlänglich bekannt. Damit sei der Nachweis des Erwerbsausfalls erbracht. Rechtsmissbräuchlich und treuwidrig sei sodann die Behauptung der Beschwerdegegnerin, wonach aufgrund des Arbeitsunfähigkeitszeugnisses von Dr. med. B.___ vom 1. Juni 2015 die Aussteuerung «eigentlich bereits anfangs Mai 2016» eingetreten wäre, habe doch die Beschwerdegegnerin unbestritten erst ab 23. Dezember 2014 Leistungen erbracht. Zwischen dem 19. Mai 2014 und dem 23. Dezember 2014 habe die Beschwerdegegnerin gemäss den eigenen ins Recht gelegten Leistungsabrechnungen gar keine Leistungen erbracht. Würde man der Argumentation der Beschwerdegegnerin folgen, müsse diese somit seit dem 19. Mai 2014 mindestens bis am 28. März 2017 Leistungen erbringen. Schliesslich sei aufgrund des Berichts der C.___ vom 3. Oktober 2017 erstellt, dass im Zeitpunkt der Unfallmeldung vom 8. August 2016 beim Beschwerdeführer eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit bestanden habe. Damit sei davon auszugehen, dass seine Fähigkeit, komplexe juristische Zusammenhänge und Folgen zu erkennen, massiv eingeschränkt gewesen sei, als er sich angeschickt habe, «keine Erwerbstätigkeit» in die Unfallmeldung vom 8. August 2016 zu schreiben. Des Weiteren könne den Akten entnommen werden, dass der Beschwerdeführer zwischen Februar und Juni 2017 Arbeitslosentaggeldleistungen bezogen habe und zudem im Zeitraum vom 31. Dezember 2012 bis 10. Januar 2014 gearbeitet habe. Er sei also nicht erwerbslos gewesen. Trotzdem habe er in der IV-Anmeldung vom 19. Januar 2013 vermerkt, dass er «erwerbslos» sei, was nochmals die medizinisch bedingte Unzuverlässigkeit seiner Angaben belege.

Demgegenüber vertritt die Beschwerdegegnerin die Ansicht, der Beschwerdeführer sei in folgenden Zeiträumen wegen Krankheit oder Unfall zu 100 % arbeitsunfähig gewesen: 27. Februar 2014 - 6.April 2014 (39 Tage); 15. Juni 2014 - 24. Juni 2014 (10 Tage); 16. Juli 2014 - 17. August 2014 (33 Tage), 24. November 2014 - 21. Dezember 2014 (28 Tage). Die volle Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Unfalles am 22. Dezember 2014 ab 23. Dezember 2014 bis 17. Mai 2015 sei bereits mit Beilage 12 belegt worden. Durch die Leistung von 110 Taggeldern im Zeitraum vom 27. Februar 2014 bis 21. Dezember 2014, 545 Taggeldern im Zeitraum vom 23. Dezember 2014 bis 19. Juni 2016 und 117 Tagen vom 31. Juli 2016 bis 24. November 2016 (gesamthaft 772 Taggelder) habe die Beschwerdegegnerin ohne Zweifel keine Leistungspflicht bis mindestens am 28. März 2017, wie dies vom Beschwerdeführer verlangt werde. Damit sei die Leistungszusprechung von weiteren 65 Taggeldern gemäss Einspracheentscheid vom 28. März 2017 offensichtlich unrichtig gewesen. Unter diesen Umständen wäre, sofern auf die Beschwerde vom 28. März 2017 eingetreten werde, eine reformatio in peius zu prüfen. Sodann sei aufgrund der gesetzlichen Ausführung zur Leistungsdauer in Art. 72 Abs. 3 KVG eine Nennung der Leistungsdauer in der Police und in den Versicherungsbedingungen nicht notwendig. Die gesetzliche Bezugsdauer dürfe durch Vereinbarung verlängert werden (SBVR XIV-Eugster, Soziale Sicherheit, 3. Auflage, Rz. 1470), eine solche sei in casu unter den Parteien nicht getroffen worden. Gemäss Art. 72 Abs. 3 KVG gelte grundsätzlich zwingend eine einheitliche maximale Rahmenund Bezugsdauer, selbst wenn mehrere Krankheiten aufträten (Häberli, Husmann, Krankentaggeld, versicherungsund arbeitsrechtliche Aspekte, Ausgabe 2015, N 302 S. 93). In diesem Sinne habe die Beschwerdegegnerin bei einer Krankentaggeldversicherung nach KVG weder in der Police noch in den (Allgemeinen) Versicherungsbedingungen die Leistungsdauer zu definieren. Gemäss Ziff. 5.4 VB SALARIA KVG erlösche die Taggeldversicherung automatisch, wenn die maximale Leistungsdauer erreicht sei und die versicherte Person keine Erwerbstätigkeit mehr ausübe. Die Aussteuerung sei am 21. Januar 2017 eingetreten und der Beschwerdeführer habe der Beschwerdegegnerin mit Unfallmeldung vom 8. August 2016 mitgeteilt, dass er keiner Erwerbstätigkeit nachgehe. Somit seien die Voraussetzungen laut Ziff. 5.4 VB erfüllt und die Taggeldversicherung sei am 21. Januar 2017 automatisch erloschen. Der Beschwerdeführer sei im März 2015 im C.___ medizinisch geriatrisch und neuropsychologisch untersucht worden. Diagnostisch sei eine leichte kognitive Beeinträchtigung festgestellt worden. Die untersuchenden Ärzte wiesen im Bericht vom 1. April 2015 darauf hin, dass der Beschwerdeführer aufgrund jahrelanger Arbeitslosigkeit von regulären kognitiven Anforderungen entwöhnt sei. Vermutungsweise werde angedeutet, dass eine neurodegenerative-demenzielle Erkrankung nicht völlig ausgeschlossen werden könne. In der Folge hätten ausweislich der Akten bis zur Abklärung im Oktober/November 2017 keine Behandlungen stattgefunden. Eine Demenzerkrankung sei medizinisch bis heute nicht nachgewiesen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, er habe aufgrund der Demenzproblematik die Unfallmeldung vom 8. August 2016 nicht vernunftgemäss ausfüllen können, seien als reine Schutzbehauptungen zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer habe hingegen das Unfallformular umfassend und mit ergänzenden, klaren Anmerkungen ausfüllen können, was nicht für eine «Überforderung» spreche. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er wäre einer weiteren Erwerbstätigkeit nachgegangen, wäre er nicht arbeitsunfähig gewesen, werde bestritten. In der Unfallmeldung vom 8. August 2016 weise dieser darauf hin, dass er bei der ALV ausgesteuert sei und im Bericht des C.___ vom 1. April 2015 werde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seit langer Zeit arbeitslos sei. Eine Erwerbstätigkeit sei durch den Beschwerdeführer nachzuweisen. Es sei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts hinzuweisen, dass es beim Bezug von Taggelder der versicherten Person obliege, konkrete Indizien (z.B. konkret bezeichnete Stelle) vorzubringen, dass sie, auch wenn sie nicht erkrankt wäre, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde (BGE 102 V 83; RKUV 1998 K 789 S. 117; RKUV 1994 K 932 S. 65 E. 3). Der Beschwerdeführer könne diesen Nachweis nicht erbringen. Ebenso wenig könne der Beschwerdeführer demnach einen Nachweis von Erwerbsausfall beibringen (Ziff. 10.3 VB SALARIA KVG).

5. Streitig ist somit, ob der Beschwerdeführer weiterhin Anspruch auf Taggeldleistungen der Beschwerdegegnerin hat. Vorweg ist die Frage zu prüfen, ob der Beschwerdeführer seinen Taggeldanspruch allenfalls ungeachtet der medizinischen Sachlage schon ausgeschöpft hat, da er bereits mehr als die in Art. 72 Abs. 3 KVG statuierten 720 Taggelder bezogen hat.

5.1 Aus den vorliegenden Akten ergeben sich folgende Taggeldbezüge des Beschwerdeführers: Vom 27. Februar 2014 - 6. April 2014, vom 15. Juni 2014 - 24. Juni 2014, vom 16. Juli 2014 -17. August 2014 sowie vom 14. November 2014 - 21. Dezember 2014 bezog der Beschwerdeführer insgesamt 110 Taggelder von der Beschwerdegegnerin (HA 21). Sodann erhielt der Beschwerdeführer vom 23. Dezember 2014 bis 19. Juni 2016 durchgehend Taggeldleistungen der Beschwerdegegnerin. Dies ergibt einen zusätzlichen Leistungsbezug von 545 Tagen (vgl. HA 12). Sodann bezog der Beschwerdeführer wiederum durchgehend Taggelder vom 31. Juli 2016 bis 27. November 2016, woraus sich weitere 117 ausbezahlte Taggelder ergeben. Dies ergibt im Resultat einen Totalbezug von 772 Taggeldern.

5.2 Mit dem Bezug von 772 Taggeldern ist die gesetzlich in Art. 72 Abs. 3 KVG festgehaltene Mindestdauer von 720 Taggeldern bereits überschritten worden. Demnach ist nachfolgend zu prüfen, ob vorliegend die Mindestdauer von 720 Taggeldern zur Anwendung kommt oder ob im Vertragsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin eine längere Anspruchsdauer gilt. Der Beschwerdeführer stellt sich in diesem Zusammenhang auf Standpunkt, die Implementierung einer gesetzlichen zeitlichen Minimaldauer von mindestens 720 Tagen in Art. 72 Abs. 3 KVG bedeute nicht, dass diese als dispositives Recht automatisch Anwendung finde, wenn der Versicherer eine Regelung der Leistungsdauer wie hier unterlassen habe. Vorliegend sei die Bezugsdauer nach oben offen.

5.3 Die freiwillige Taggeldversicherung ist im Gegensatz zur OKP vom KVG nicht durchnormiert. Das KVG setzt bei der freiwilligen Taggeldversicherung nur die tragenden Eckpunkte. Alles Übrige kann in Versicherungsbedingungen vereinbart werden (BGE 125 V 112; SBVR XIV-Eugster, Soziale Sicherheit, 3. Auflage, Rz. 1429). Wie dem Wortlaut von Art. 72 Abs. 3 KVG zu entnehmen ist, handelt es sich bei den 720 Tagen um eine Mindestbezugsdauer. Das heisst, diese darf nicht verkürzt, jedoch verlängert werden. Eugster stellt sich diesbezüglich nachvollziehbar auf den Standpunkt, es bedürfe zur Verlängerung der Bezugsdauer einer Vereinbarung (Eugster, a.a.O., Rz. 1470). Eine solche Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin in Reglement, Statuten oder Police besteht vorliegend unbestrittenermassen nicht. Die Argumentation des Beschwerdeführers, dass mangels Vereinbarung die Bezugsdauer nach oben offen sei, überzeugt ebenfalls nicht. So darf es als anerkannter Grundsatz gelten, dass in Bereichen, in welchen das Gesetz den Vertragsparteien eine gewisse Dispositionsfreiheit einräumt, dennoch die Gesetzesregelung zur Anwendung gelangt, falls wie vorliegend von der Dispositionsfreiheit nicht Gebrauch gemacht wurde, also keine von der gesetzlichen Mindestregelung abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ist in den Versicherungsbedingungen zur Krankentaggeldversicherung SALARIA KVG zudem auch keine Bestimmung enthalten, wonach die Leistungsdauer in der Police aufgeführt werden müsse. Der Verweis des Beschwerdeführers auf die AVB für die Helsana Business Salary Kollektiv-Taggeldversicherung ist diesbezüglich nicht weiterführend, da diese AVB nicht die vorliegende Taggeldversicherung betreffen und damit nicht anwendbar sind. Ebenso vermag der Beschwerdeführer seine Behauptung, bei der Beschwerdegegnerin sei es allgemein üblich, die Leistungsdauer in der Police festzuhalten, nicht weiter zu belegen. Gegen die Auslegung des Beschwerdeführers, die Bezugsdauer in der Taggeldversicherung nach KVG sei mangels Vereinbarung nach oben offen, spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die freiwillige Taggeldversicherung lediglich das Risiko eines vorübergehenden Lohnausfalles bei einer teilweisen oder vollen Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Mutterschaft oder Unfall abdecken soll. Für eine längerdauernde bzw. fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bzw. Invalidität sind die Invalidenund/oder die Unfallversicherung zuständig. Damit gilt mangels abweichender Vereinbarung im vorliegenden Fall die gesetzliche Mindestbezugsdauer von 720 Tagen, womit der Beschwerdeführer diese mit seinen bereits bezogenen 772 Taggeldern überschritten hat. Demnach hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf weitere Taggeldzahlungen, weshalb die übrigen streitigen Punkte unter anderem zum medizinischen Sachverhalt nicht weiter geprüft werden müssen. Somit ist die Beschwerde abzuweisen.

Im Übrigen kann auf die beantragte Einholung der Unia-Akten sowie eines Berichtes bei Dr. med. B.___ verzichtet werden, zumal der medizinische Sachverhalt für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht relevant war.

6. Auf die von der Beschwerdegegnerin zur Diskussion gestellte reformatio in peius hat das Gericht mit Blick auf BGE 142 V 337 E. 3.1 S. 339 f. verzichtet. Danach ist von der Möglichkeit der reformatio in peius zurückhaltend Gebrauch zu machen und diese auf Fälle zu beschränken, in welchen der angefochtene Entscheid offensichtlich unrichtig und die Korrektur von erheblicher Bedeutung ist. Es gelten somit bei leicht anderem Wortlaut die gleichen strengen Voraussetzungen wie bei der Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen oder Einspracheentscheide gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG. Vorliegend ist die erhebliche Bedeutung nicht gegeben. So hat die Beschwerdegegnerin 772 statt 720 Taggelder à CHF 5.00 bezahlt, womit sich der zu viel bezahlte Betrag auf CHF 260.00 beläuft, was nicht als erheblich im Sinn von Art. 53 Abs. 2 ATSG bezeichnet werden kann.

7. Bei diesem Verfahrensausgang besteht kein Anspruch auf Parteientschädigung.

Grundsätzlich ist das Verfahren kostenlos. Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Es werden weder eine Parteientschädigung zugesprochen noch Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vorund Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 oder 93 BGG zu beachten.

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Präsident Der Gerichtsschreiber

Flückiger Isch



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