Zusammenfassung des Urteils SGSTA.1995.53: Steuergericht
X. machte sich am 1. Januar 1991 selbständig, nachdem er zuvor unselbständig gearbeitet hatte. Er verlangte die Auszahlung seiner gebundenen Vorsorgegelder bei einer Bank und von seiner früheren Arbeitgeber-Vorsorgeeinrichtung, um sein eigenes Geschäft aufzubauen. Er schloss Versicherungspolicen ab und zahlte regelmässig Prämien ein. Die Steuerbehörde verweigerte jedoch den Abzug der Beiträge zur Vorsorge und besteuerte die Kapitalleistungen. X. reichte Rekurs ein, um die Beiträge abzuziehen und die Kapitalleistungen steuerfrei zu stellen. Das Steuergericht entschied zugunsten von X., hob die vorherige Veranlagung auf und wies die Behörde an, die Steuern neu zu berechnen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | SGSTA.1995.53 |
Instanz: | Steuergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 19.08.1996 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Besteuerung von Kapitalleistungen aus gebundener Selbstvorsorge |
Schlagwörter : | Vorsorge; Quot; Säule; Kapital; Kapitalleistung; Versicherung; Veranlagung; Selbstvorsorge; Erwerb; Auszahlung; Einkauf; Steuerverordnung; Kapitalleistungen; Einrichtungen; Geschäfts; Leistung; Risikoversicherung; Leistungen; Vorsorgeeinrichtung; Arbeitgeber; Vorsorgepolice; Jahresprämie; Beiträge; Police; Einkommen; Veranlagungsbehörde; Vorsorgequot; |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 119 Ia 247; |
Kommentar: | - |
Sachverhalt:
1. X. machte sich per 1. Januar 1991 selbständig. Vorher war er als Unselbständigerwerbender tätig gewesen. Ende Oktober 1990 verlangte er wegen Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit die Barauszahlung seiner bei einer Bank getätigten gebundenen Vorsorge (Säule 3a), die ihm per 31. Dezember 1990 im Betrag von Fr. 19'409.20 geleistet wurde. Aus der Vorsorgeeinrichtung seiner früheren Arbeitgeber (2. Säule) wurden ihm zudem am 7. Mai 1991 Fr. 22'642.25 und am 16. Juli 1991 Fr. 772.10 bar ausbezahlt (ebenfalls auf seinen Wunsch und wegen Wechsels zur selbständigen Erwerbstätigkeit).
Per 1. Januar .1991 schloss der Steuerpflichtige bei der Basler Lebensversicherungsgesellschaft eine Vorsorgepolice (Nr. 2.226.521, temporäre Todesfallversicherung und Erwerbsunfähigkeits-Versicherung) mit einer Jahresprämie von Fr. 5'096.-ab. Per 15. Dezember 1991 ersetzte er diese Versicherung durch die Vorsorgepolice Nr. 2.249.872 (gemischte Versicherung, Todesfallversicherung und Erwerbsunfähigkeits-Versicherung) mit einer Jahresprämie von Fr. 7'066.70 und die Vorsorgepolice Nr. 2.249.873 (temporäre Todesfallversicherung, Erwerbsunfähigkeits-Versicherung) mit einer Jahresprämie von Fr. 478.-- und Fr. 6'000.-- (Zielsparprämie). An diese Policen bezahlte der Steuerpflichtige am 7. Mai., 6. Juni, 7. August und 8. November 1991 je Fr. 1'312.20, total Fr. 5'249.-- (Nr. 2.226.521), am 30. Dezember 1991 Fr. 7'072.--, Fr. 7'000.-- und Fr. 478.--, total Fr. 14'550.-- (Nr. 2.249.872 und 2.249.873). Die Beträge im Total von Fr. 19'799.-sind als im Jahr 1991 geleistete Beiträge an die Säule 3a bescheinigt. Ab dem Jahr 1992 bezahlte der Steuerpflichtige jährlich Fr. 7'067.-- (Police Nr. 2.249.872) und Fr. 6'478.-- (Police Nr. 2.249.873) sowie zusätzlich zwischen Fr. 7'000.-- und Fr. 13'500.-an eine Vorsorgepolice bei einer Bank.
Der Steuerpflichtige verlangte anlässlich der Besprechung seines ersten Geschäftsabschlusses Veranlagung der Auszahlung der 3. Säule zum Rentensatz getrennt vom Einkommen (Sonderveranlagung nach StG § 47) und der Auszahlung der 2. Säule zum Rentensatz zusammen mit dem übrigen Einkommen. Die Veranlagungsbehörde veranlagte am 15. Dezember 1994 die Auszahlung der 2. Säule separat zum Rentensatz, verzichtete auf eine Besteuerung der Auszahlung der 3. Säule und verweigerte im Gegenzug den Abzug der 1991 einbezahlten Beiträge an die 3. Säule bis auf die Differenz von Fr. 397.-im Steuerjahr 1992. Gewährt wurde für das Steuerjahr 1991 der allgemeine Versicherungskostenabzug in Höhe von Fr. 2190.--, für 1992 der reduzierte von Fr. 1'100.--. In den Einspracheentscheiden vom 7. Juni 1995 hielt die Veranlagungsbehörde in diesen Punkten an den Veranlagungen fest.
2. Mit Rekurs vom 10. Juli 1995 beantragte der Steuerpflichtige, es seien die Vorsorgebeiträge von Fr. 19'799.-für die Veranlagungen der Staatssteuer 1991 und 1992 im gesetzlich zulässigen Betrag zum Abzug zuzulassen, es sei die ausbezahlte Kapitalleistung von Fr. 19'409.20 als einmaliges Einkommen mit Vorsorgecharakter zu besteuern und es sei der Versicherungsprämienabzug vollumfänglich zuzulassen. Die ausbezahlten Vorsorgekapitalien seien nicht zum Einkauf in die neue Vorsorgeeinrichtung, sondern zum Aufbau des eigenen Geschäfts verwendet worden. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Auszahlung der Kapitalien und den Prämienzahlungen. Das ausbezahlte Kapital der 3a-Säule stamme zudem von einer Bankvorsorge, während neu nur eine Risikoversicherung bestehe. Es liege kein Tatbestand von § 8 Abs. 2 der Steuerverordnung Nr. 12 und keine Steuerumgehung vor.
Die Veranlagungsbehörde beantragte Abweisung des Rekurses. Aus der gesetzlichen Regelung von § 8 Abs. 3 der Steuerverordnung Nr. 12 müsse abgeleitet werden, dass eine derartige Verwendung von steuerbefreiten Kapitalleistungen nicht vom Einkommen abgezogen werden könne. Aus der vorübergehenden Verwendung der Kapitalleistung für andere Zwecke könne nicht abgeleitet werden, dass § 8 Abs. 3 nicht zur Anwendung gelange. Ein Abzug sei nicht zulässig, da keine neuen Leistungen erbracht worden seien. Zum Geschäftsaufbau sei der Steuerpflichtige zudem nicht auf die Verwendung des Vorsorgekapitals angewiesen gewesen, habe er doch über genügend freies Vermögen aus Wertschriften und schon bald über genügend Einnahmen aus der Geschäftstätigkeit verfügt.
Erwägungen:
1. Der Sachverhalt ist klar. Unzutreffend ist die Behauptung des Rekurrenten, er habe die neue Vorsorgevereinbarung erst nach einigen Monaten getroffen, als er den Geschäftsgang absehen konnte. Vertragsbeginn war am 1. Januar 1991 mit der Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit. Es bestand demnach ein lückenloser Versicherungsschutz mindestens gegen die Risiken Tod und Invalidität. Unzutreffend ist ebenso die Behauptung, das ausbezahlte Kapital der beruflichen Vorsorge (2. Säule) sei für die Einrichtung des Geschäftes und zur Finanzierung der ersten Monate der Geschäftstätigkeit verwendet worden; das BVG-Kapital wurde erst im Mai bzw. Juni 1991 ausbezahlt. Nicht richtig ist weiter, dass ein Wechsel von einer reinen Kapitalzu einer reinen Risikoversicherung erfolgte. Die ursprünglich reine neue Risikoversicherung wurde, wie dargelegt, per 15. Dezember 1991 in eine gemischte Versicherung umgewandelt.
2. Nach § 32 Abs. 1 lit. c des Gesetzes über die Staatsund Gemeindesteuern (StG; unter dem Marginale " II. Steuerfreie Einkünfte") sind steuerfrei:
"Kapitalleistungen, die bei Stellenwechsel vom Arbeitgeber von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge ausgerichtet werden, soweit sie der Empfänger in der Regel innert Jahresfrist zum Einkauf in eine steuerbefreite Einrichtung der beruflichen Vorsorge in der Schweiz zum Erwerb einer Freizügigkeitspolice verwendet;"
Die Steuerverordnung Nr. 12 "Berufliche Vorsorge" bestimmt in § 8 Abs. 3 unter dem Marginale "V. Besteuerung der Vorsorgeleistungen, 2. Gebundene Selbstvorsorge":
"Kapitalleistungen aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge sind steuerfrei, soweit sie, in der Regel innert Jahresfrist, zum Einkauf in eine steuerbefreite Vorsorgeeinrichtung für eine anerkannte Form der gebundenen Selbstvorsorge verwendet werden."
Die Gesetzgebung unterscheidet unter dem Oberbegriff "berufliche Vorsorge" zwischen der beruflichen Vorsorge im engern Sinn (2. Säule) und der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a). So wird in § 30 StG unter dem Marginale "Einkünfte aus beruflicher Vorsorge" unterschieden zwischen Renten und Kapitalleistunggen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge offensichtlich der 2. Säule einerseits und Leistungen aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) anderseits.
§ 32 Abs. 1 lit. c StG spricht von Kapitalleistungen, die beim Stellenwechsel vom Arbeitgeber von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge ausgerichtet werden und meint damit ebenfalls Leistungen aus der 2. Säule. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, nämlich dem einheitlich verwendeten Begriff "Einrichtung der beruflichen Vorsorge", sondern geht auch ganz klar aus der zweiten Voraussetzung für eine Steuerbefreiung hervor, nämlich dass diese Kapitalleistung zum Einkauf in eine steuerbefreite Einrichtung der beruflichen Vorsorge verwendet werden muss. Steuerbefreite Einrichtungen der beruflichen Vorsorge sind nach § 90 lit. e StG Einrichtungen der beruflichen Vorsorge von Unternehmen ..., soweit die Mittel der Einrichtung dauernd und ausschliesslich der beruflichen Vorsorge dienen. Der klare Bezug zu Unternehmen bzw. zur Berufsarbeit zeigt, dass damit die 2. Säule gemeint ist. § 2 der Steuerverordnung Nr. 12 bestätigt dies, wenn er als derartige Unternehmen die Personalvorsorgeeinrichtungen, die Verbandsvorsorgeeinrichtungen sowie die Personalvorsorgeeinrichtungen des öffentlichen Rechts bezeichnet, ausserdem Stiftungen und Genossenschaften mit dem ausschliesslichen Zweck, Vermögen steuerbefreiter Vorsorgeeinrichtungen anzulegen und zu verwalten sowie Beiträge der Arbeitgeber an steuerbefreite Personalvorsorgeeinrichtungen zu leisten.
3.a) Der Rekurrent hat keine Kapitalleistungen zum Einkauf in eine steuerbefreite Einrichtung der beruflichen Vorsorge (2. Säule) verwendet, er hat sich nicht einer Verbandsvorsorgeeinrichtung (für Selbständigerwerbende) angeschlossen. Die entsprechende gesetzliche Voraussetzung von § 32 Abs. 1 lit. c StG ist deshalb nicht erfüllt, eine Steuerbefreiung der ausbezahlten Leistungen nach Gesetz nicht möglich.
b) § 8 Abs. 2 der Steuerverordnung Nr. 12 dehnt allerdings den Steuerbefreiungsgrund von § 32 Abs. 1 lit. c StG auf Kapitalleistungen aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge aus. Eine gesetzliche Grundlage für diese Ausdehnung ist nicht ersichtlich; eine Kompetenz des Regierungsrates, einen weiteren Steuerbefreiungsgrund zu schaffen (also eine entsprechende Delegationsnorm), liegt nicht vor; sie ergibt sich weder aus § 118 Abs. 2 StG, noch aus § 264 Abs. 2 StG. Die Steuerverordnung Nr. 12 ist eine reine Vollzugsverordnung und hat sich deshalb an das Gesetz zu halten.
Oder gibt allenfalls § 41 Abs. 1 lit. h StG dem Regierungsrat die Kompetenz zum Erlass von § 8 Abs. 3 der Steuerverordnung Nr. 12 (der Regierungsrat kann "ergänzende Bestimmungen, insbesondere über den Einkauf von Beitragsjahren" erlassen) Die Delegationsnorm bezieht sich aber nur auf die "nach Gesetz, Statut Reglement geleisteten Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von Ansprüchen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge nach Massgabe des Bundesrechts", sagt jedoch nichts über Ansprüche/Leistungen aus der Säule 3 a. Art. 3 Abs. 2 lit. b BVV 3, welcher die Barauszahlung von Einrichtungen der gebundenen Selbstvorsorge als zulässig erklärt (wenn ....), regelt nicht die Besteuerung, sondern nur die Voraussetzungen solcher Auszahlungen. Die steuerliche Behandlung aber ist bundesrechtlich geregelt, dies im Sinne eines Eingriffs in die kantonalen Steuerhoheiten (BGE 119 Ia 247). Deshalb sind Auszahlungen grundsätzlich steuerbar, und Ausnahmen davon haben sich ebenfalls nach Bundesrecht zu richten.
4. Im übrigen hat der Rekurrent die ausbezahlte Kapitalleistung aus der gebundenen Selbstvorsorge auch nicht zum Einkauf in eine neue gebundene Selbstvorsorge verwendet. Er hat innert Jahresfrist zwei Jahresprämien seiner neuen gebundenen Selbstvorsorgeversicherung beglichen, nämlich zunächst in vier Raten die Risikoversicherung für das Jahr 1991 (Police Nr. 2.226.521), dann kurz vor Ablauf des Jahres 1991 die Prämien für die geänderte Risikoversicherung (Nr. 2.249.872) und die zusätzliche Kapitalversicherung (Nr. 2.249.873) für die Periode vom 15.12.1991 - 15.12.1992.
Der Rekurs erweist sich als begründet. Veranlagung und Einspracheentscheid sowie die separate Veranlagung der Leistung aus der beruflichen Vorsorge sind aufzuheben. Die ausbezahlten Kapitalleistungen sind nach StG § 47 zu besteuern und die Prämienzahlungen als Abzüge zu gewähren, soweit sie innerhalb der zulässigen Maximalbeträge nach BVG liegen. Entsprechend sind zudem die (reduzierten) allgemeinen Versicherungskostenabzüge zu gewähren. Die Akten sind zur neuen Veranlagung im Sinne dieser Erwägungen an die Veranlagungsbehörde zu überweisen.
Steuergericht, Urteil vom 19. August 1996
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