Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2006/197 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 13.09.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 21 Abs. 5 ATSG. Sistierung einer IV-Rente während des Massnahmenvollzugs. Aufgrund der im Kanton St. Gallen geltenden Regelung über die Kostenbeteiligung von Eingewiesenen im Straf- und Massnahmenvollzug kann eine Rentensistierung nur in Frage kommen, wenn der invalide Eingewiesene im Vollzug einer Arbeit nachgehen und dafür ein Einkommen erzielen kann, das es ihm u.a. erlaubt, eine Rücklage für die Zeit nach dem Vollzug zu bilden (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. September 2007, IV 2006/197). |
Schlagwörter : | Massnahme; Versicherte; Massnahmen; Arbeit; Vollzug; Massnahmenvollzug; Versicherten; Renten; Beschwerde; Vollzugs; Kosten; Person; Gallen; Strafoder; IV-Rente; Rentensistierung; Sistierung; Gericht; Massnahmenvollzugs; Beschwerdegegnerin; Verfahren; Verwahrung; Arbeitsentgelt; Januar; Versicherte; Invalide; August |
Rechtsnorm: | Art. 21 ATSG ; Art. 380 StGB ; Art. 81 StGB ; Art. 83 StGB ; Art. 90 StGB ; |
Referenz BGE: | 133 V 1; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Entscheid vom 13. September 2007
In Sachen
A. sel., Beschwerdeführerin, nämlich:
S.
vertreten durch die Amtsvormundschaft der Stadt St. Gallen, Bahnhofplatz 1, Post- fach 23, 9001 St. Gallen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Sistierung der IV-Rente im Freiheitsentzug (Massnahmenvollzug) hat das Versicherungsgericht in Erwägung gezogen:
I.
A.- a) A. sel., bezog ab Dezember 1986 bei einem Invaliditätsgrad von 100% eine ganze Rente der Invalidenversicherung (IV). Er litt an einer chronischen paranoiden Schizophrenie (IV-act. 35; 38). Im Zeitraum März 1994 bis Oktober 1995 wurden die Rentenleistungen aufgrund eines Aufenthalts im Bezirksgefängnis H. und in der Strafanstalt B. sistiert (IV-act. 60; 62). Nach einer Verlegung des Versicherten ins Psychiatriezentrum C. im November 1995 wurde die Rente wieder ausgerichtet (IV- act. 63). Im Juli 1996 wurde der Versicherte in die Psychiatrische Klinik verlegt. Nach einer Brandstiftung wurde er am 21. August 1996 ins Bezirksgefängnis H. eingewiesen, von wo aus er am 9. September 1996 ins Psychiatriezentrum C. zurückverlegt wurde.
b) Im Januar 2006 leitete die IV-Stelle ein Rentenrevisionsverfahren ein. In diesem Rahmen erteilte die Amtsvormundin des Versicherten der IV-Stelle mit Schreiben vom
27. Juli 2006 u.a. die Auskunft, der Versicherte befinde sich nach langjähriger Verwahrung im Psychiatriezentrum C. seit 10. Februar 2005 wieder in der Strafanstalt B. , wo er auf unbestimmte Zeit bleibe (IV-act. 88). Daraufhin verfügte die IV-Stelle am 29. August 2006 die Sistierung der IV-Rente ab 1. März 2005 mit der Begründung, während des Freiheitsentzugs werde die Rente sistiert (IV-act. 92). Mit Verfügung vom 31. August 2006 forderte sie seit März 2005 zu viel bezahlte Renten in der Höhe von Fr. 28'908.- zurück (IV-act. 93).
B.- a) Diese Verfügungen focht die Amtsvormundin des Versicherten am 28. September 2006 mit zwei Beschwerden an. Sie beantragt die Aufhebung der Verfügungen und die
weitere Ausrichtung der IV-Rente. Die Sistierung setze voraus, dass auch eine nichtbehinderte Person während des Freiheitsentzugs keine Möglichkeit habe, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und die Vollzugsart nicht überwiegend durch die Behinderung der versicherten Person bedingt sei. Beim Versicherten sei die Verwahrung im strafrechtlichen Massnahmenvollzug überwiegend durch seine Invalidität bedingt. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung sei eine sichere Unterbringung nötig und eine besondere Behandlungsbedürftigkeit liege vor. Demzufolge sei die IV-Rente nicht zu sistieren (act. G 1).
Die Verfahrensleitung des Versicherungsgerichts sistierte am 4. Oktober 2006 das Verfahren IV 2006/198 betreffend Rückforderung bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Frage der Sistierung der IV-Rente im vorliegenden Verfahren (IV 2006/197).
In der Beschwerdeantwort vom 7. Dezember 2006 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Einer allfälligen Beschwerde ans Bundesgericht sei die aufschiebende Wirkung zu entziehen. Der Beschwerdeführer befinde sich seit dem 10. Februar 2005 (wieder) im Straf- und Massnahmenvollzug. Falls er gesund wäre, könnte er zurzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Die angefochtene Verfügung sei nicht zu beanstanden (act. G 4).
Am 26. Januar 2007 informierte die Beschwerdegegnerin das Gericht darüber, dass der Beschwerdeführer am 14. Januar 2007 gestorben ist (act. G 7.1). Der zuständige Amtsvormund teilte dem Gericht mit Schreiben vom 29. Juni 2007 mit, dass die einzige vorhandene Erbin sich im vorliegenden Verfahren durch ihn vertreten lasse (act. G 10).
Mit Schreiben vom 7. August 2007 stellte das Gericht dem Leiter der Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons St. Gallen Fragen unter anderem zur Kostenbeteiligung im Straf- und Massnahmenvollzug sowie zum Erwerbseinkommen eines voll arbeitsfähigen Inhaftierten (act. G 12). Der Leiter jener Abteilung antwortete mit Schreiben vom 9. August 2007 (act. G 13).
II.
1.- An die Stelle von im Verlaufe des Verfahrens verstorbenen Leistungsansprechern treten auch im öffentlich-rechtlichen Verfahren grundsätzlich die Erben, welche die
Erbschaft nicht ausgeschlagen haben, sofern es nicht um eine Streitigkeit um höchstpersönliche Rechte geht (vgl. Urs Peter Cavelti/ Thomas Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen - dargestellt an den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, 2. Aufl., St. Gallen 2003, S. 185 f.; Werner E. Hagmann, Die st. gallische Verwaltungsrechtspflege und das Rechtsmittelverfahren vor dem
Regierungsrat, St. Gallen 1979, S. 142; AHI 1995 S. 92 mit Hinweisen; ARV 1980 Nr. 30
S. 62). Auf die Aufforderung der Gerichtsleitung hin, diese Erben und sich selbst als bevollmächtigte Vertretung der Erbengemeinschaft auszuweisen, reichte der zuständige Amtsvormund die durch eine Nichte des verstorbenen Versicherten ausgestellte Vollmacht zur Vertretung der Erbengemeinschaft und das Erbenverzeichnis ein. Gemäss letzterem ist die Nichte S. einzige gesetzliche Erbin, die die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat (act. G 10.2). Mit dem Tod des Versicherten ist an seiner Statt diese (nicht ausschlagende) Erbin Partei geworden.
2.- a) Strittig ist vorliegend, ob die IV-Rentenauszahlung zu Recht auf den dem Wiedereintritt des Versicherten in die Strafanstalt B. folgenden Monat März 2005 sistiert wurde. Gemäss Art. 21 Abs. 5 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) kann einer versicherten Person während der Dauer eines Straf- oder Massnahmenvollzugs die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbscharakter ganz oder teilweise eingestellt werden; ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3. Unter dem vom Bundesgericht verwendeten und auch in der Lehre anzutreffenden Begriff der "Sistierung" bzw. "Rentensistierung" ist ein eigentlicher Auszahlungsstopp zu verstehen. Das bedeutet, dass die Ausrichtung der Rente für eine gewisse Zeit - vorliegend für die Dauer des Massnahmenvollzugs - ganz oder teilweise eingestellt wird, wobei dem Versicherten nach Aufhebung des Auszahlungsstopps kein Anspruch auf Nachzahlungen zusteht, sondern die Rentenauszahlungen mit Wirkung ex nunc wieder aufgenommen werden.
Gefährdete ein Täter infolge seines Geisteszustands die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise, so wurde vom Richter gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 der bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung des Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311) seine Verwahrung angeordnet, wenn diese Massnahme notwendig war, um ihn vor weiterer Gefährdung anderer abzuhalten. Die Verwahrung wurde in einer geeigneten Anstalt
vollzogen. Nach der seit 1. Januar 2007 in Kraft stehenden Fassung des Allgemeinen Teils des StGB ist eine Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen (Art. 56 Abs. 1 lit. a StGB), ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert (lit. b) und die Voraussetzungen der Artikel 59-61, 63 oder 64 erfüllt sind.
Der Versicherte wurde gemäss Entscheid des damaligen Bezirksgerichts vom
24. November 1994 gestützt auf aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verwahrt, wobei der Vollzug der Massnahme am 8. März 1995 begann (act. G 1; act. G 13 Ziff. 1). Der aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangte den Vollzug der Verwahrung in einer geeigneten
Anstalt. Diese brauchte nicht unter ärztlicher Leitung zu stehen. Auch eine Strafanstalt wurde diesen Anforderungen gerecht und diente in den häufigsten Fällen als Einrichtung für den Vollzug von Verwahrungen (mit Quellenangaben BSK StGB I- Marianne Heer, Basel 2003, Art. 43 Rz. 191). Der Versicherte wurde nach Lage der Akten seit 1995 bis zu seinem Tod im Januar 2007 durchgehend verwahrt. Die Verwahrung wurde während dieser Jahre in der Strafanstalt B. , in den Sicherheitsabteilungen des Psychiatriezentrums C. und der psychiatrischen Klinik sowie im Bezirksgefängnis H. vollzogen. Weshalb die Beschwerdegegnerin die Rente nur während des Aufenthalts des Versicherten in der Strafanstalt B. bzw. im Bezirksgefängnis H. sistierte, ist nicht ersichtlich. Ob der Versicherte sich in einer Strafanstalt oder in einer psychiatrischen Klinik befand, kann für die Sistierung nicht entscheidend sein. Vielmehr ist nach Art. 21 Abs. 5 ATSG einzig massgebend, ob sich die versicherte Person im Straf- bzw. Massnahmenvollzug befindet; vor der gesetzlichen Normierung bestand eine entsprechende Gerichtspraxis. Da es sich vorliegend bei der Verwahrung des Versicherten um eine Massnahme i.S.v. Art. 21 Abs. 5 ATSG handelte, waren die Voraussetzungen zur Rentensistierung grundsätzlich gegeben. Der Versicherte war seit 1995 ununterbrochen im Massnahmenvollzug
(act. G 13 Ziff. 1), weshalb sich die von der Beschwerdegegnerin ohne Begründung
getroffene Differenzierung nach dem Vollzugsort kaum rechtfertigen lässt.
3.- a) Zu prüfen bleibt, ob die Rente tatsächlich sistiert werden konnte. Bei Art. 21 Abs. 5 ATSG handelt es sich um eine "Kann-Vorschrift". Das bedeutet, dass die vollständige oder partielle Einstellung einer Rentenzahlung während des Straf- oder
Massnahmenvollzugs nicht in jedem Fall zwingend anzuordnen ist. Die Einstellung oder
Einschränkung einer Rentenzahlung während des Straf- oder Massnahmenvollzugs lässt sich hauptsächlich durch die Tatsache rechtfertigen, dass ein invalider Gefangener keinen wirtschaftlichen Vorteil aus dem Vollzug ziehen soll, da der nichtinvalide Gefangene ebenfalls in der Regel sein Erwerbseinkommen verliert (vgl. BGE 133 V 1, Erw. 4.2.4.1). Mit anderen Worten soll mit einer gestützt auf Art. 21 Abs. 5 ATSG angeordneten Rentensistierung eine Leistungsausrichtung unterbunden werden, die zu einer stossenden Besserstellung des Versicherten führt; einer stossenden Besserstellung gegenüber nichtinvaliden Inhaftierten bzw.
Strafgefangenen, aber auch gegenüber invaliden Versicherten, die sich nicht im Straf- oder Massnahmenvollzug befinden und mit ihrer Rente ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Ob eine vollständige oder partielle Rentensistierung für die Dauer des Straf- oder Massnahmenvollzugs angezeigt ist, bedarf somit einer einzelfallbezogenen Prüfung der konkreten Umstände. Die Weiterausrichtung eines Teils der oder der ganzen Rente dürfte jedenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn eine stossende Besserstellung des Versicherten gar nicht eintreten kann. Dies gilt umso mehr, als die Rentenberechtigung im Allgemeinen nicht davon abhängen kann, wie die betreffende Person lebt, ob als gefangene, nichterwerbstätige oder erwerbstätige Person im Rahmen der verbleibenden Erwerbsmöglichkeit.
Nach der Ansicht von Maeschi steht die Einstellung der Rentenzahlungen nicht im freien Ermessen der (Militär-)Versicherung. Sofern die im Gesetz genannten Tatbestände gegeben sind, sei von einer Sistierung nur ausnahmsweise abzusehen, wenn hierfür besondere Gründe vorlägen. Diese könnten nebst dem Strafvollzug in Form der Halbgefangenschaft oder Halbfreiheit etwa darin liegen, dass die versicherte Person für die Kosten eines Massnahmenvollzugs aufzukommen hat (vgl. Jürg Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom
19. Juni 1992, Bern 2000, Art. 13 Rz. 8 mit Hinweis auf ZAK 1989, S. 464; vgl. zum Ganzen auch den im Internet publizierten, noch nicht rechtskräftigen Entscheid IV 2006/83 des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Februar 2007, Erw. 5).
Zu berücksichtigen gilt es diesbezüglich auch, dass ein Strafgefangener gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB (Art. 37 Ziff. 1 Abs. 2 alt StGB) zur Arbeit verpflichtet ist und gestützt auf Art. 83 Abs. 1 StGB für seine Arbeit ein von seiner Leistung abhängiges
und den Umständen angepasstes Entgelt erhält. Ist eine Person im Massnahmenvollzug arbeitsfähig, so wird sie nach Art. 90 Abs. 3 StGB zur Arbeit angehalten, soweit ihre stationäre Behandlung oder Pflege dies erfordert oder zulässt. Die Artikel 81-83 sind sinngemäss anwendbar. Gemäss Art. 83 Abs. 2 StGB kann der Gefangene während des Vollzuges nur über einen Teil seines Arbeitsentgeltes frei verfügen. Diese Bestimmung präzisiert Art. 28 Abs. 2 der st. gallischen Verordnung über die Gefängnisse und Vollzugsanstalten (sGS 962.14) insofern, als dem Gefangenen in der Regel die Hälfte der Arbeitsentschädigung zum persönlichen Verbrauch gutgeschrieben wird. Gemäss Ziff. 4.2 i.V.m. Ziff. 4.3 der Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission über das Arbeitsentgelt in Strafvollzugsanstalten vom 7. April 2006 werden dem Freikonto der eingewiesenen Person 50-70% des Arbeitsentgelts gutgeschrieben. Aus dem anderen Teil ist gemäss Art. 83 Abs. 2 StGB für die Zeit nach der Entlassung eine Rücklage zu bilden. Damit soll ein Startkapital für die Zeit nach der Haftentlassung erspart werden (BBl 1999, 2117), das weder gepfändet noch mit Arrest belegt noch in eine Konkursmasse einbezogen werden darf (Art. 83 Abs. 2 StGB). Art. 28 Abs. 2 der st. gallischen Verordnung über die Gefängnisse und Vollzugsanstalten legt überdies fest, dass der Rest des Arbeitsentgelts - also jener Teil, der dem Gefangenen nicht zum persönlichen Verbrauch gutgeschrieben wird - zur Erfüllung von Unterstützungspflichten, zur Schuldentilgung, zur Deckung der Verfahrenskosten oder der Kosten der Heimschaffung verwendet wird. Damit darf allerdings die Bildung der bundesrechtlich vorgeschriebenen Rücklage für die Zeit nach der Entlassung nicht gänzlich unterlaufen werden. Nach Ziff. 4.2 der Richtlinien über das Arbeitsentgelt gelangen 30-50% des Arbeitsentgelts auf das Sperrkonto.
d) Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass ein Verurteilter gemäss Art. 380 Abs. 2 StGB in angemessener Weise an den Kosten des Vollzuges zu beteiligen ist, entweder durch Verrechnung mit seiner Arbeitsleistung im Straf- oder Massnahmenvollzug (lit. a); nach Massgabe seines Einkommens und Vermögens, wenn er eine ihm zugewiesene Arbeit verweigert, obwohl sie den Vorgaben der Artikel 81 oder 90 Abs. 3 StGB genügt (lit. b); oder durch Abzug eines Teils des Einkommens, das er auf Grund einer Tätigkeit im Rahmen der Halbgefangenschaft, des Arbeitsexternats oder des Wohn- und Arbeitsexternats erzielt. Nach den erwähnten Richtlinien über das Arbeitsentgelt beträgt dieses Fr. 26.- bei einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden und
durchschnittlicher Leistung (Ziff. 2). Dies gilt für Eingewiesene im Normalvollzug einer
Konkordatsanstalt. Ein voll arbeitsfähiger Insasse verdient damit durchschnittlich
Fr. 550.- bis Fr. 600.- im Monat (vgl. auch act. G 13). Bei der voll arbeitsfähigen eingewiesenen Person wird im Kanton St. Gallen die Kostenbeteiligung durch das im Vergleich zur freien Wirtschaft klar unterdurchschnittliche Arbeitsentgelt geleistet. Darüber hinaus ist die voll arbeitsfähige Person nicht an den Kosten zu beteiligen. Art. 291 Abs. 1 des st. gallischen Strafprozessgesetzes (StP; sGS 962.1) regelt, dass der Staat die Kosten des Vollzugs von Freiheitsstrafen, stationären therapeutischen Massnahmen und der Verwahrung trägt. Vorbehalten bleibt die Kostentragung durch Versicherungen und Sozialhilfebehörden. Konkret bedeutet dies, dass beim
eingewiesenen IV-Rentner aus der Rente Kosten wie die Krankenkassenprämien und - selbstbehalte, Nebenkosten der Vollzugseinrichtung, Versicherungsprämien, Steuern etc. bezahlt werden und ein Überschuss als Beitrag an die Vollzugskosten einverlangt wird. Gemäss der Auskunft des JPD soll der IV-Rentner seinen laufenden Verpflichtungen nachkommen können, mit der Rente aber kein Vermögen äufnen. Meist werde die Rente einer Behörde ausbezahlt (Vormundschaftsbehörde, Sozialamt, Bewährungshilfe) und das JPD rechne mit dieser ab (act. G 13, Ziff. 3).
e) Bei der Entscheidung über die Rentensistierung während des Straf- oder Massnahmenvollzugs ist mithin zu berücksichtigen, inwiefern der Versicherte aufgrund seiner Invalidität in der Lage ist, eine Arbeit gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB zu verrichten und sich damit ein Startkapital für die Zeit nach der Entlassung zu ersparen (Art. 83 Abs. 2 StGB). Weiter gilt es zu beachten, inwiefern er gemäss Art. 380 Abs. 2 StGB an den Vollzugskosten beteiligt wird. Wie erläutert, wird nach der st. gallischen Regelung zumindest ein Teil der weiterhin ausgerichteten IV-Rente zur Deckung der Vollzugskosten verwendet. Ist eine eingewiesene Person während des Straf- oder Massnahmenvollzuges invaliditätsbedingt nicht in der Lage, durch eine Arbeitsleistung für die Zeit nach ihrer Entlassung eine Rücklage gemäss Art. 83 Abs. 2 StGB zu bilden, so ist eine gänzliche Sistierung ihrer Rente in der Regel nicht gerechtfertigt, birgt doch diese Konstellation keine Gefahr einer geradezu stossenden Besserstellung der versicherten Person während des Vollzuges in sich - im Gegenteil. Der invalide Inhaftierte, der invaliditätsbedingt keiner Arbeit gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB nachgehen kann, würde bei vollständiger Rentensistierung nach der Entlassung aus dem Straf- oder Massnahmenvollzug ohne Startkapital dastehen und wäre gegenüber dem
nichtinvaliden Inhaftierten, der während des Vollzugs gearbeitet und sich damit ein Startkapital erspart und gegebenenfalls Schulden getilgt bzw. finanzielle Wiedergutmachung geleistet hat, insofern benachteiligt; mit Sicherheit aber nicht in stossender Weise besser gestellt. Eine Einstellung einer IV-Rente während des Straf- oder Massnahmenvollzuges rechtfertigt sich somit im Prinzip nur insoweit, als der versicherte Eingewiesene gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB einer Arbeit nachgehen und sich gemäss Art. 83 Abs. 2 StGB ein Startkapitel für die Zeit nach seiner Haftentlassung ersparen kann. Ist ein versicherter Inhaftierter dazu allerdings invaliditätsbedingt nicht oder nicht zu 100% in der Lage, so ist diese Einschränkung durch die gänzliche oder teilweise Ausrichtung der IV-Rente während des Straf- oder Massnahmenvollzuges zu kompensieren. Dabei ist mit der Rente gemäss Art. 83 Abs. 2 StGB analog zu verfahren, mithin der versicherten Person nur ein Teil zur freien Verfügung auszubezahlen und mit dem anderen Teil für die Zeit nach der Entlassung eine Rücklage zu bilden.
4.- Im vorliegenden Fall bescheinigen die medizinischen Akten dem Versicherten während über 20 Jahren eine volle Arbeitsunfähigkeit. Somit ist davon auszugehen, dass er während des Massnahmenvollzugs keine Arbeit ausführen konnte. Auch nach Inkrafttreten des Strafprozessgesetzes am 1. Juli 2000 war er während der Zeit, in der die IV-Rente nicht sistiert war, also bis Ende Februar 2005, an den Kosten des Massnahmenvollzugs beteiligt. Das JPD hält in den Vollzugsregelungen und Kostengutsprachen gegenüber den Vollzugseinrichtungen standardmässig fest, dass der Kanton St. Gallen für die Aufenthaltskosten in der betreffenden Vollzugseinrichtung nur insoweit aufkommt, als sie nicht durch die Krankenkasse oder Leistungen der IV gedeckt werden können (act. G 13, Ziff. 3). Ein ungerechtfertigtes Anhäufen von Vermögen durch die weitere Ausrichtung der IV-Rente war beim Versicherten also zu keiner Zeit möglich. Damit entfällt auch jeder denkbare Grund für eine Rentensistierung. Mit einer Sistierung der Rente würde der Versicherte, der im Gegensatz zum gesunden Gefangenen keine Möglichkeit hatte, ein Entgelt (von
Fr. 550.- bis Fr. 600.- monatlich) zu erzielen, in ungerechtfertigter Weise schlechter gestellt und damit unzulässigerweise ungleich behandelt wie der arbeitsfähige Gefangene. Aufgrund der im Kanton St. Gallen geltenden Beteiligung von IV- Rentenbezügern an den Vollzugskosten ist somit im konkreten Fall eine Rentensistierung nicht gerechtfertigt. Vielmehr hätte dem Versicherten die Rente bis zu
seinem Tod im Januar 2007 durchgehend ausgerichtet werden müssen. Dies wird die Beschwerdegegnerin für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum Tod des Versicherten im Januar 2007 nachholen müssen. Die Rente ist wohl direkt der Vormundschaftsbehörde auszubezahlen. Diese hat die notwendigen Kosten wie Krankenkassenprämien und -selbstbehalte, Versicherungsprämien, Steuern sowie die Nebenkosten der Vollzugseinrichtung von der Rente in Abzug zu bringen. Die Differenz dieses Betrages zum vom Versicherten nicht erzielbaren Arbeitsentgelt von Fr. 550.- bis Fr. 600.- ist dem Versicherten gutzuschreiben. Der verbleibende Rest der Rente hat der Deckung der Vollzugskosten gemäss Art. 291 Abs. 1 StP zu dienen. Einzig diese Regelung gewährleistet eine Gleichstellung von invaliden und gesunden Eingewiesenen.
5.- a) Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde unter Aufhebung der Verfügung vom 29. August 2006 gutzuheissen und die Rentensistierung für den Zeitraum von März 2005 bis Januar 2007 aufzuheben.
b) Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.- bis Fr. 1000.- festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.- erscheint als angemessen. Die Beschwerdegegnerin unterliegt vollumfänglich. Da sie gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b des st. gallischen Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (sGS 350.1) Teil der Sozialversicherungsanstalt und damit Teil einer selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt ist, kommt Art. 95 Abs. 3 VRP (Befreiung von der Pflicht zur Übernahme amtlicher Kosten) nicht zur Anwendung (vgl. Urs Peter Cavelti/Thomas Vögeli, a.a.O., Rz 792). Die Beschwerdegegnerin hat deshalb die gesamte Gerichtsgebühr von
Fr. 600.- zu bezahlen. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.- wird der
Amtsvormundschaft zurückbezahlt. Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 29. August
2006 aufgehoben.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.- wird der Amtsvormundschaft
zurückerstattet.
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