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Urteil Kantonsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:BZ.2008.3
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kantonsgericht
Kantonsgericht Entscheid BZ.2008.3 vom 15.08.2011 (SG)
Datum:15.08.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 82 IPRG (SR 291); Art. 62 OR (SR 220) und Aktivlegitimation. Wer Vertragspartner eines Kontokorrentvertrages ist, ist zur Klage in Bezug auf die Kontoguthaben aktivlegitimiert. Eines Nachweises, dass er der wirtschaftlich Berechtigte an den Guthaben ist, bedarf es dafür nicht.
Schlagwörter : Klägerin; Beklagte; Kredit; Eltern; Rechts; Beklagten; Kindes; Vermögen; Guthaben; Genehmigung; AaO; Anlage; Vertrag; Aktien; Deutsche; Vertretung; Gesetzlich; Vertreter; Vermögens; Gültig; Halten; Stellt; Geschäft; Schweiz; Beschränkt; Gesetzliche
Rechtsnorm: Art. 117 IPRG ; Art. 128 IPRG ; Art. 2 ZGB ; Art. 318 ZGB ; Art. 319 ZGB ; Art. 327 ZGB ; Art. 398 OR ; Art. 398 ZGB ; Art. 401 OR ; Art. 424 ZGB ; Art. 62 OR ; Art. 64 OR ; Art. 66 OR ; Art. 82 IPRG ; Art. 85 IPRG ;
Referenz BGE:100 II 200; 114 II 152; 133 III 37; 134 III 151; 45 II 451;
Kommentar zugewiesen:
Recht , Basler Kommentar, 4 und Art. 424 ZGB, Art. 424 ZGB, 1829
Holzhauer, Handkommentar, 2. Band, Art. 424 ZGB, 1989
Botschaft, Zürcher Kommentar, N 7 zu Art. 82 und N 54 zu Art. 85 IPRG, Art. 85 IPRG ; Art. 318 ZGB, 1626
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Hat ein unmündiges Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, untersteht die Beziehung zwischen ihm als Vertretenem und seinen Eltern als gesetzlichen Vertretern deutschem Recht. Nach diesem Recht bestimmt sich somit, ob und unter welchen Bedingungen die Eltern für das Kind gültig Rechtsgeschäfte mit der Bank schliessen konnten. Die Vertretungsbefugnis der Eltern in Bezug auf die Verwaltung des Kindesvermögens ist beschränkt, die Vertretungsmacht jedoch grundsätzlich unbeschränkt. Das deutsche Recht macht von Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht allerdings insofern eine Ausnahme als die Kreditaufnahme auf den Namen des Kindes der Genehmigung durch das Familiengericht bedarf. Fehlt die Zustimmung des Familiengerichts, so ist die aufgrund eines ungültigen Kreditvertrags empfangene Darlehenssumme nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten. Liegt dem klageweise in US-Dollar geforderten Betrag eine Forderung in Schweizer Franken zu Grunde, so kann das Gericht nicht eine Summe in US-Dollar zusprechen (Kantonsgericht St. Gallen, Entscheid der III. Zivilkammer, 15. August 2011, BZ.2008.3).

Sachverhalt (Kurzfassung)

Sowohl der Vater B.F. wie auch die Mutter A.F. der 1989 geborenen Klägerin C.F. unterhielten mit der Beklagten eine Bankbeziehung. 1995 gab der Vater den Auftrag zur Saldierung seines USD-Kontos und zum Übertrag des Guthabens auf die damals sechs Jahre alte Klägerin. Vom gleichen Tag datiert ein vom Vater unterzeichnetes Formular "Kontoeröffnung" für ein auf den Namen der Klägerin lautendes USD-Konto. Weiter

unterzeichnete der Vater für die Bankbeziehung der Klägerin einen "Auftrag zur Zurückbehaltung der Korrespondenz" und einen "Treuhandvertrag (für mehrmalige Anlagen)". Mit einer Vollmacht vom selben Datum wurden die Eltern der Klägerin je mit Einzelunterschrift als zeichnungsberechtigt erklärt. 1997 wurde für die Klägerin ein auf britische Pfund lautendes Konto sowie ein Privatkonto eröffnet. Für dieses Privatkonto unterzeichnete der Vater gleichentags auf den Namen der damals acht Jahre alten Klägerin als Kreditnehmerin einen Kreditvertrag. Die Beklagte gewährte einen Kontokorrentkredit von Fr. 207'000.-. In der Folge wurde die Kreditlimite auf dem Privatkonto der damals zehn Jahre alten Klägerin erhöht, und zwar auf Fr. 500'000.-. 1998 wurde für die Klägerin ein Wertschriftendepot eröffnet. Von 1995 bis 2003 erfolgten zahlreiche Transaktionen. 2003 verwertete die Beklagte die verpfändeten Wertschriften, da die Belehnungslimite überschritten sei und keine weiteren Mittel eingeschossen worden seien. Von den 1995 auf die Klägerin übertragenen Fr. 390'000.- und den 1997 zusätzlich übertragenen Fr. 170'000.- waren ca. 7,5 Jahre später noch knapp Fr. 40'000.- vorhanden. Die Differenz von ca. Fr. 520'000.- resultiert im Wesentlichen aus einem - von der Klägerin bestrittenen - Bezug ihres Vaters im Jahr 1997 über rund Fr. 200'000.- und aus Börsenverlusten von rund

Fr. 310'000.-.

III.

  1. Die Klägerin geht davon aus, dass die Vermögenswerte, die bei der Beklagten angelegt waren, ihr zuzurechnen seien und Kindesvermögen darstellten. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei mangels Aktivlegitimation der Klägerin abzuweisen, da die fraglichen Vermögenswerte nicht als Vermögen der Klägerin zu qualifizieren seien. Die Vermögensübertragung des Vaters auf die Klägerin sei nicht zu Eigentum, sondern offenkundig nur treuhänderisch erfolgt; das Depot und die Konten seien nur formell und damit nur fiduziarisch auf die Klägerin überschrieben worden.

    1. Der Vater eröffnete für die Klägerin verschiedene Konti und ein Wertschriftendepot. Sowohl der Vater wie auch die Klägerin selber haben Wohnsitz in Deutschland, während die Beklagte ihren Sitz in der Schweiz hat. Damit liegt ein internationales

      Verhältnis vor. Gemäss Ziffer 16 der Allgemeinen Bedingungen der Beklagten ist auf das Vertragsverhältnis schweizerisches Recht anwendbar, was im Ergebnis auch dem allgemeinen Grundsatz entspricht, wonach sowohl auf den Kontokorrent- wie auch auf den Depotvertrag oder ein Bankdarlehen das Recht am Sitz der Bank anwendbar ist, da diese die vertragstypische Leistung erbringt (Keller-Kren Kostkiewicz, Zürcher Kommentar, N 100 bzw. 134 zu Art 117 IPRG; BGE 133 III 37 E. 2).

    2. Sowohl die Kontokorrent- wie auch die Depotverträge lauten auf den Namen der Klägerin. Sie wird in den Unterlagen ausdrücklich als Vertragspartnerin bezeichnet und damit gegenüber der Beklagten berechtigt und verpflichtet. Dass das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten lediglich simuliert war, behauptet auch die Beklagte nicht. Vielmehr anerkennt sie die Bankbeziehung zur Klägerin ausdrücklich. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass die Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten anzusehen ist. Sie ist damit auch legitimiert, Ansprüche aus Vertragsverletzungen geltend zu machen. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die Gelder treuhänderisch auf die Klägerin übertragen wurden (wie die Beklagte behauptet) oder eine Schenkung vorliegt (wie die Klägerin behauptet). Ist die Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten infolge Schenkung auch die wirtschaftlich Berechtigte an den Guthaben, so ist die Aktivlegitimation zweifelsfrei gegeben. Sie fällt allerdings selbst dann nicht dahin, wenn die Guthaben nur fiduziarisch auf die Klägerin übertragen worden wären. Die wirtschaftliche Berechtigung an den Vermögenswerten ist für die Aktivlegitimation grundsätzlich bedeutungslos. Das Verhältnis zwischen der Bank und ihren Kunden wird - unabhängig der wirtschaftlichen Berechtigung an den Vermögenswerten - durch den Bankvertrag geregelt. Wer Partei dieses Vertrages ist, ist aktivlegitimiert.

    3. Soweit die Beklagte im Übrigen sinngemäss vorbringt, die Klägerin sei als Treuhänderin nicht aktivlegitimiert, einen allfälligen Schadenersatzanspruch des Treugebers geltend zu machen, gilt es zu berücksichtigen, dass sowohl die Klägerin wie auch ihr Vater Wohnsitz in Deutschland haben. Auf ihre Rechtsbeziehung ist deutsches Recht anwendbar. Danach steht dem (beauftragten) Treuhänder das Recht zu, den Schaden des Treugebers gegen den zum Schadenersatz verpflichteten Vertragspartner (Dritten) geltend zu machen (Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Beck'sche Kurz-Kommentare, Band 7, 62. Aufl., München 2003, Vorb. v.

      § 249 Rn 115). Die von der Beklagten vertretene Auffassung, wonach die Aktivlegitimation der Klägerin eine Schenkung voraussetze, kann demnach nicht gefolgt werden. Nichts anderes ergäbe sich im Übrigen nach schweizerischem Recht, ist doch derjenige, der in eigenem Namen durch Vertrag mit einer Bank ein Konto eröffnet gegenüber der Bank alleiniger Partner, selbst wenn den Vertragspartnern bekannt ist, dass die Gelder für Dritte verwaltet werden. Braucht die Bank einerseits keine Rücksicht auf die Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer zu nehmen (so BGE 100 II 200, E. 8 ff.), so kann sie andererseits daraus auch keine Rechte ableiten. Dies jedenfalls solange der Treugeber der Bank nicht notifiziert, dass er Rechte an den Guthaben geltend macht (vgl. Art. 401 OR; vgl. Weber, Basler Kommentar, N 11 zu Art. 401 OR). Die von den Parteien angesprochene Frage der Beweislastverteilung, wer die Schenkung und wer das Treuhandverhältnis nachweisen müsste, stellt sich somit im Zusammenhang mit der Aktivlegitimation nicht. Das von der Beklagten beantragte Einholen eines Amtsberichtes des zuständigen Steueramtes ist entbehrlich. Allenfalls wird bei der Frage, ob die Guthaben als Kindesvermögen zu betrachten sind, darauf zurückzukommen sein.

    4. Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist von Amtes wegen zu prüfen (Baumann, Zürcher Kommentar, N 42 zu Art. 2 ZGB m.w.H.). Doch selbst wenn man davon ausginge, dass die Vermögenswerte dem Vater zustehen sollten, könnte der Tochter kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden, wenn sie nun Rechte aus den Verträgen ableiten will. Die Beklagte hat die Klägerin nämlich als Vertragspartnerin akzeptiert und das Guthaben auf deren Namen geführt. Die Beklagte hat auch die Kreditverträge auf den Namen der Klägerin geschlossen. Dass die Beklagte erst später vom von ihr behaupteten Konstrukt erfahren haben soll, nämlich dass die Klägerin nur vorgeschoben worden und deshalb nicht aktivlegitimiert sei, ist nicht erstellt. Die Beklagte würde sich demnach selber dem Vorwurf des widersprüchlichen Handelns aussetzen, wenn sie zu der von ihr behaupteten rechtlichen Konstruktion Hand geboten hätte, dessen Wirkungen sie nun gegen sich nicht gelten lassen will.

    Die Aktivlegitimation der Klägerin ist somit zu bejahen.

  2. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass die Klägerin bis zum Erreichen des

18. Altersjahrs unmündig und damit nicht handlungsfähig war. Strittig ist hingegen, wer

die Klägerin bis zur Volljährigkeit gegenüber der Beklagten bei welchen Rechtsgeschäften unter welchen Bedingungen gültig vertreten konnte.

  1. Eine gewillkürte Vertretung steht vorliegend ausser Frage. Die ausschliesslich auf Gesetz beruhende Vertretung des Kindes durch seine Eltern beurteilt sich nach Art. 82 IPRG, wonach die Beziehungen zwischen Eltern und Kind dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes unterstehen. Der Vorbehalt des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA Art. 82 Abs. 3 i.V.m. Art. 85 Abs. 1 IPRG) ist vorliegend bedeutungslos. Weder die gesetzlichen Vertretung (Botschaft, 375; Siehr, Zürcher Kommentar, N 7 zu Art. 82 und N 54 zu Art. 85 IPRG) noch die Verwaltung des Kindesvermögens durch die Eltern (Art. 318 ZGB respektive § 1626 Abs. 1 BGB) sind Schutzmassnahmen im Sinne des Abkommens (Siehr, a.a.O., N 9 zu Art. 82 IPRG). Ebenso wenig ist das MSA auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen von Rechtsgeschäften anwendbar, deren Erforderlichkeit und Voraussetzungen nur dem für die gesetzliche Vertretungsmacht massgebenden Statut zu entnehmen sind (Heldrich in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Beck'sche Kurz-Kommentare, Band 7, 62. Aufl., München 2003, Anh zu EGBGB 24 Rn 14).

    Die Anknüpfung am Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes birgt für Dritte, welche auf die Vertretungsmacht der Eltern vertrauen, Risiken (Siehr, a.a.O., N 10 zu Art. 82 IPRG). Dabei handelt es sich allerdings um einen bewussten Wertungsentscheid des Gesetzgebers, der die Schutzvorschriften am Wohnort des Kindes höher wertet als den Schutz des Vertrauens eines Dritten in einen vom Vertreter geschaffenen Rechtsschein. Damit soll zum einen den Eltern verunmöglicht werden, sich den Vorschriften am Wohnsitz des Kindes zu entziehen, indem sie auf Kosten des Kindes Rechtshandlungen in Ländern vornehmen, in denen das Kind einen geringeren Schutz geniesst. Zum anderen entspricht es auch der allgemeinen Regelung, wonach der Vertretene nur im Umfang der dem Vertreter (gesetzlich) verliehenen Vertretungsmacht verpflichtet werden kann (Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 641 f.).

  2. Die Klägerin hatte und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, weshalb

    die Beziehung zwischen ihr als Vertretener und ihren Eltern als Vertretern deutschem

    Recht untersteht. Ob und unter welchen Bedingungen die Eltern der Klägerin für diese gültig Rechtsgeschäfte mit der Beklagten abschliessen konnten, bestimmt sich somit nach deutschem Recht. Den Eltern steht die elterliche Sorge gemeinsam zu (Diederichsen in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Beck'sche Kurz-Kommentare, Band 7, 62. Aufl., München 2003, § 1626 Rn 7, § 1626a Rn 1). Nach § 1629 Abs. 1

    Satz 1 BGB umfasst die elterliche Sorge die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind in der Regel gemeinschaftlich (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie sind nur gemeinsam vertretungsberechtigt (Diederichsen, a.a.O., § 1629 Rn 10). Auch bei der Gesamtvertretung bleibt es den Eltern hingegen in Sorgerechtsangelegenheiten überlassen, sich gegenseitig zu bevollmächtigen (Diederichsen, a.a.O., § 1629 Rn 9). Letztere Bevollmächtigungen können ausdrückliche oder auch Duldungs- und Anscheinsvollmachten sein.

  3. Soweit der Vater die Klägerin gegenüber der Bank alleine vertreten hat, ist aufgrund der Umstände von einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht der Mutter auszugehen, mit welcher der Vater ermächtigt wurde, die Klägerin gegenüber der Beklagten alleine zu vertreten. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Mutter bei diversen Besprechungen mit der Beklagten anwesend war, so beispielsweise bei der Eröffnung der Bankbeziehung am 3. November 1995 sowie den Besprechungen am 3. Februar 1997, am 25. September 1997 und am 6. Oktober 1998. Dieses Verhalten ist als Anscheins- respektive Duldungsvollmacht für die Einzelvertretung der Klägerin durch den Vater der Beklagten gegenüber zu verstehen.

  1. Was die Kontoeröffnung anbelangt, so handelt es sich dabei um einen Kontokorrentvertrag (auch Kontoeröffnungsvertrag genannt). Neben der Kontoeröffnungsabrede enthält der Kontokorrentvertrag mit der Bank - stillschweigend oder ausdrücklich vereinbarte - auftragsrechtliche Elemente, so etwa die Pflicht der Bank zur Buchführung und periodischen Abrechnung (Emch/Renz/Arpagaus, Das schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl., Rz. 572). Die Kontoeröffnung selber ist grundsätzlich nicht genehmigungsbedürftig. Nur wenn eine Kreditlimite vereinbart und das Konto überzogen wird, kann sich die Frage stellen, ob eine genehmigungspflichtige Kreditaufnahme vorliegt (Diederichsen, a.a.O., § 1822 Rn 8; MünchKommBGB/ Wagenitz, § 1822 RdNr. 52).

  2. Die Übertragung von Vermögen vom Vater auf die Tochter ist nach deutschem Recht nicht völlig unproblematisch, verbietet es doch den Eltern ganz generell sogenannte In-Sich-Geschäfte (§ 181 und § 1795 BGB), unter anderem ist ihnen das Selbstkontrahieren verboten (Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn 1). Die Bestimmung findet auch auf den gesetzlichen Vertreter Anwendung (Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn 3). Ausnahmsweise sind In-Sich-Geschäfte allerdings zulässig, so etwa wenn das Geschäfte für das Kind bloss vorteilhaft ist und keine nennenswerten Risiken beinhaltet (Diederichsen, a.a.O., § 1795 Rn 11). Diese Voraussetzung ist offensichtlich erfüllt, wenn die Eltern unbelastetes Vermögen auf Konten ihrer Kinder übertragen.

    1. Was die Berechtigung am Kontoguthaben betrifft, so bestreitet die Beklagte den Schenkungswillen der Eltern und hält dafür, diese vermöchten den Beweis für ihre Schenkungsabsicht nicht zu erbringen. Für den schenkungsweisen Erwerb brauche es neben der Vermögensübertragung (traditio) auch einen gültigen Erwerbsgrund (ex iusta causa). Ein solcher sei von der Klägerin nicht bewiesen. Die minderjährige Klägerin habe die Vermögenswerte vielmehr bloss treuhänderisch erhalten.

    2. Der Beklagten ist allerdings entgegen zu halten, dass die in einem Bankvertrag als Kontoinhaberin bezeichnete Person gegenüber der Bank zivilrechtlich als Berechtigte zu betrachten ist. Die öffentlich-rechtliche Figur des wirtschaftlich Berechtigten ist auf der privatrechtlichen Ebene zwischen Bank und Kunde ohne Relevanz (Emch/Renz/ Arpagaus, Das Schweizerische Bankgeschäft, Rz. 376; Boemle et al., Geld-, Bank- und Finanzmarktlexikon der Schweiz, Wirtschaftlich Berechtigter, Ziff. 3, S. 1118). Die Klägerin erwarb somit die Guthaben mit der Erklärung des Vaters, diese an die Tochter abtreten zu wollen und der Gutschrift auf ihrem Konto. Einer weiteren Legitimation bedarf es nicht. Namentlich steht es der Bank nicht zu, die Guthaben wie solche zu behandeln, die dem Vater zustehen. Ein solcher "Durchgriff" auf den wirtschaftlich Berechtigen ist ausgeschlossen (Emch/Renz/Arpagaus, Das Schweizerische Bankgeschäft, Rz. 568). Das Verhältnis zwischen der minderjährigen Kundin und ihrem Vater brauchte die Bank nicht zu interessieren. Aber ebenso wenig wie sich die Bank im Bezug auf die Guthaben darum kümmern muss, welches - der Bank unbekannte - Rechtsverhältnis zwischen ihren Kunden und Dritten besteht, ebenso wenig kann sie dieses zu ihrem eigenen Schutz anrufen.

    3. Damit ist davon auszugehen, dass die Klägerin die in den Jahren 1995/1997 bei

    der Beklagten auf ihren Namen übertragenen Guthaben von USD 337'957.69, DEM

    906.53 und GBP 80'203.56 rechtsgültig erworben hat, und der Vater die mit den Kontoeröffnungen zusammenhängenden Verträge mit Wirkung für seine damals noch minderjährige Tochter und heutige Klägerin gültig unterzeichnen konnte. Da die Vertragspartnerin der Beklagten minderjährig war, musste die Beklagte alle Regeln beachten, die es im Bankenverkehr im Verhältnis zu minderjährigen Kunden zu beachten gilt.

  3. Die Parteien sind sich uneinig darüber, wer im Folgenden die Anlageentscheidungen für das in den Jahren 1995/1997 von der Klägerin erworbene Vermögen getroffen hat bzw. wer über das Vermögen verfügt hat. Die Klägerin bringt vor, ihr Vater habe die Gelder in konservativen Festgeldanlagen investiert. Die späteren Aktien- und Optionenspekulationen seien, ohne dass dahingehende Instruktionen von ihr bzw. ihren gesetzlichen Vertretern erteilt worden wären, eigenständig von der Bank getätigt worden. Die Beklagte behauptet demgegenüber, die Transaktionen seien von der Klägerin bzw. deren gesetzlichem Vertreter in Auftrag gegeben worden. Soweit die Umstände der jeweiligen Auftragserteilung nicht (mehr) durch Belege zu beweisen seien, greife die Genehmigungsfiktion. Erst der angekündigte Notverkauf sei von ihr zur Deckung der offenen Postionen selber vorgenommen worden.

  1. Das klägerische Portfolio bestand seit Beginn der Bankbeziehung im Jahre 1995 bis zum Herbst 1998 zur Hauptsache aus Treuhandanlagen und Obligationen. Die im Namen der Klägerin getätigten Anlagen können aber nicht als so konservativ bezeichnet werden, wie dies von der Klägerin geschildert wird. Vielmehr wurden die Treuhandanlagen in den verschiedensten Währungen getätigt und immer wieder in andere Währungen überführt. Damit handelt es sich nicht bloss um risikoarme Geldanlagen. Vielmehr war mit den Geschäften eine risikoreiche Währungsspekulation verbunden. Durch die Anlage in USD, GBP und DEM stieg der Wert der im November 1995 (USD 338'000.-) und 3. Februar 1997 (GBP 80'000.-) auf die Klägerin übertragenen Guthaben von insgesamt ca. Fr. 560'000.- innerhalb von knapp zwei Jahren auf Fr. 710'000.- bzw. DEM 833'000.- (Stand am 9. April 1997). Dies ergibt eine Jahresrendite von weit über 13% p.a.. Dieses Ergebnis liegt einiges über der Rendite, die üblicherweise mit vorsichtigen Geldanlagen erzielbar ist.

  2. Soweit es in der Folge zu Aktien- und Optionskäufen kam, sind die Umstände des Kaufs und des Verkaufs in der Anfangszeit noch einigermassen dokumentiert. Es liegen befristete Auftragsbestätigungen vom 25. November 1998 zum Kauf von Aktien der LM AG sowie der JK AG im Recht. Auch für den Verkauf von Aktien dieser beiden Firmen liegen befristete Auftragsbestätigungen vom 26. März 1999 vor. Zudem liegt eine Auftragsbestätigung vom 1. Juni 1999 zum Verkauf von Aktien der I AG vor sowie eine Anzeige, dass ein Auftrag zum Verkauf von Aktien der NO AG ablief. Diese Unterlagen sprechen eindeutig gegen die Behauptung der Klägerin, ihr Vater habe bei der Beklagten nie Aktientransaktionen in Auftrag gegeben. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum sich die Beklagte selber Aufträge zum Kauf und Verkauf von Aktien der Klägerin gegeben haben sollte. Die Bestätigungen sind vielmehr ein klares Indiz, dass die Beklagte von aussen Aufträge erhielt, deren Eingang sie in der Folge bestätigte. Dabei ist aufgrund der Umstände am nahe liegendsten, dass die Aufträge vom Vater der Klägerin stammten. Weiter spricht für diese Annahme, dass der Vater - entgegen den anderslautenden Vorbringen der Klägerin - nicht völlig ahnungslos sein konnte und sich bis hin zum Notverkauf mit den getätigten Geschäften identifizierte. So konnte er am

    8. Februar 1999 bei der Unterzeichnung des zweiten Kreditvertrags die banklagernde Korrespondenz entgegen nehmen. Diese enthielt bereits fünf Börsenabrechnungen über Aktientransaktionen, zwei der genannten Auftragsbestätigungen sowie die Konto- und Depotübersichten für das Jahr 1998. Aus den Unterlagen waren die getätigten Transaktionen ohne weiteres ersichtlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vater die erwähnten Transaktionen bemängelt hätte. Von jemandem, der ausdrücklich keine Aktienkäufe wünscht und aufgrund seiner Treuhandanlagen in Anlagegeschäften nicht als völlig unerfahren zu gelten hat, wäre aber nun zu erwarten gewesen, dass er sich erkundigt, was es mit den Transaktionen auf sich hat und sich schriftlich gegen die unerwünschten Aktiengeschäfte verwahrt. Wenn der Vater jegliche Nachfrage unterliess, kann dies eigentlich nur dahingehend gedeutet werden, dass er den Transaktionen kein besonderes Augenmerk schenkte, da er sie selber in Auftrag gegeben hatte. Dies gilt umso mehr, als er kurze Zeit danach, am 13. April 1999, eine Erklärung abgab, mit der er ausdrücklich bestätigte, das Verzeichnis per Ende 1998 geprüft und für richtig befunden zu haben. Diese schriftliche Erklärung erfolgte, nachdem er der banklagernden Korrespondenz bereits drei neue limitierte und

    befristete Verkaufsaufträge entnehmen konnte. Die Behauptung, der Vater sei über die Transaktionen überhaupt nicht informiert gewesen, ist damit falsch.

  3. Weiter spricht für die Annahme, die Transaktionen seien vom Vater in Auftrag gegeben worden, dass dieser als gesetzlicher Vertreter der Klägern am 18. Juni 1998 einen Devisen-/Edelmetall-Optionsvertrag und am 14. Juni 1999 einen Rahmenvertrag betreffend Options-, Termin- und Futuresgeschäfte unterzeichnete. So nimmt etwa Ziffer 5 des Rahmenvertrags betreffend Options-, Termin- und Futuresgeschäfte klar auf Kundenaufträge Bezug ("Der Kunde verpflichtet sich, der Bank nur solche Aufträge zu erteilen "). Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Vater die Dokumente vorbehaltlos hätte unterzeichnen sollen, wenn er gar keine solchen Geschäfte wünschte. Aus dem zeitlichen Ablauf der Erklärungen ergibt sich zudem, dass die Beklagte den Vater mit steigendem Risiko auf die Gefahren aufmerksam machte und ihn entsprechende Erklärungen persönlich unterschreiben liess. Dies bis hin zur Erklärung vom 12. April 2000, mit welcher der Vater unterschriftlich bestätigte, er wünsche Anlagen zu tätigen, die nicht der verfolgten Anlagepolitik der Bank - nämlich eine risikobegrenzte Vermögensanlage sicherzustellen - entsprechen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen den Erklärungen und den Wertschriftentransaktionen spricht somit klar für die Annahme, der Vater der Klägerin habe entsprechende Aufträge erteilt.

  4. Diese Annahme wird im Weiteren dadurch gestützt, dass später neue Geldmittel in Aussicht gestellt wurden, um die Positionen halten zu können und nicht verkaufen zu müssen. Der Vater als Vertreter der Klägerin liess anfänglich nicht den Kauf der Wertschriften bemängeln, sondern deren - nach seiner Ansicht überstürzten - Verkauf. So sollten etwa die TU-Aktien auf keinen Fall verkauft werden, da sich der Vater einen positiven Kursverlauf erhoffe. Ein Standpunkt, der sich auch in den späteren Rechtsschriften wieder findet. Dies entspricht nicht dem Verhalten einer Person, die sich mit den getätigten Transaktionen nicht identifiziert und keine Aktien im Portefeuille wünscht, weil sie das Risiko scheut. Erst im Jahre 2003 begann sich der Vater von der ganzen Anlagestrategie zu distanzieren. Dies ist unverständlich spät für jemanden, der gemäss heutigem Prozessstandpunkt nur Treuhandanlagen zu kaufen wünschte und stets Wert auf eine risikoarme Anlagestrategie gelegt haben will.

  5. Aufgrund des Ergebnisses dieser Beweiswürdigung ist deshalb, ohne die Genehmigungsfiktion bemühen zu müssen, davon auszugehen, die Transaktionen seien auf Anweisung des gesetzlichen Vertreters der Klägerin erfolgt. Es kann damit namentlich ausgeschlossen werden, dass die Beklagte die Transaktionen selbständig und in weitgehender Unkenntnis des Vaters tätigte, wie dies von der Klägerin behauptet wird.

  1. Es ist damit erstellt, dass der Vater mit dem Vermögen der Klägerin die spekulativen Wertschriftengeschäfte getätigt hat. Die Beklagte hat selber keine Anlageentscheidungen getroffen, womit auch erstellt ist, dass weder ein Vermögensverwaltungsvertrag vorliegt noch die Beklagte sich einen solchen angemasst hat. Eventualiter behauptet die Klägerin - erstmals in der Berufung - einen Schaden aus einem Anlageberatungsvertrag. Die Klägerin führt sinngemäss aus, es sei zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen, da die Beklagte Geschäfte ohne ausdrücklichen Auftrag ihres Vaters ausgeführt und diese dann ihrem Vater zur Kenntnis gegeben habe. Mit den Käufen und Verkäufen ohne entsprechenden Auftrag habe die Beklagte zumindest Anlageempfehlungen abgegeben. Ob tatsächlich (konkludent) ein Anlageberatungsvertrag zwischen den Parteien zustande kam, kann jedoch offen gelassen werden. Aufgrund der erwähnten Beweiswürdigung muss davon ausgegangen werden, die Beklagte habe bei den Transaktionen nicht selbständig, sondern auf Anweisung des Vaters der Klägerin gehandelt. Soweit sich die Beklagte dabei zur Beratung in Anlagegeschäften verpflichtet hätte, hätte sie sich im Rahmen eines solchen Anlageberatungsvertrags jedenfalls keine Verletzung ihrer Aufklärungs- und Informationspflicht vorwerfen zu lassen: Der Vater unterzeichnete am 18. Juni 1998 für die Klägerin einen Devisen-/ Edelmetall-Optionsvertrag mit entsprechender Risikoerklärung. Am 14. Juni 1999 unterzeichnete B.F. für die Klägerin einen Rahmenvertrag betreffend Options-, Termin- und Futuresgeschäften, in dem er bestätigte, die Merkmale und Risiken solcher Geschäfte zu kennen und eine entsprechende Broschüre erhalten und gelesen zu haben. Am 25. April 2000 unterzeichnete er für die Klägerin eine Risikoerklärung, mit der er bestätigte, er wolle Anlagen tätigen, welche nicht der verfolgten Anlagepolitik entsprächen und er sei von der Beklagten über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden. Die Bank hat den Vater der Klägerin somit schrittweise und angemessen über die Risiken seines Handels aufgeklärt. Weitergehende Aufklärungs-

    oder Informationspflichten hätten die Beklagte weder nach Art. 11 Abs. 1 BEHG noch nach allgemeinem Auftragsrecht (Art. 398 Abs. 2 OR) getroffen.

  2. Als Zwischenergebnis gilt es somit festzuhalten, dass die Vertragspartnerin der Beklagten minderjährig war, es die entsprechenden Regeln zu beachten galt und der Vater mit den auf den Namen der Klägerin lautenden Guthaben spekulative Anlagegeschäfte tätigte. Für die Entscheidung, ob die spekulativen Geschäfte rechtswirksam sind, ist es allerdings nicht von Bedeutung, ob die Guthaben, die am

4. April 1997 einen Stand von DEM 833'320.02 aufwiesen, als Kindesvermögen der damals acht jährigen Klägerin zu betrachten sind. Sowohl nach deutschem wie auch nach schweizerischem Recht ist zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Eltern über das Kindesvermögen insofern beschränkt, als die Eltern sich bei dessen Verwaltung an gewisse Regeln zu halten haben. So haben die Eltern nach schweizerischem Recht die flüssigen Mittel in üblicher Form anzulegen (Breitschmid, Basler Kommentar, N 9 zu Art. 318 ZGB) und sind grundsätzlich zu sorgfältiger Verwaltung verpflichtet (vgl. Art. 324 Abs. 1; Art. 327 ZGB i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR). Nach deutschem Recht haben die Eltern das ihrer Verwaltung unterliegende Geld des Kindes nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen (§ 1642 BGB) und dürfen bei Spekulationsgeschäften nicht das gleiche Risiko eingehen wie bei der Anlage des eigenen Vermögens (Diederichsen, a.a.O., § 1642 N 2). Namentlich ist es den Eltern nur in sehr beschränktem Umfang gestattet, Kindesvermögen für eigene Bedürfnisse (§ 1649 Abs. 3 BGB) oder zumindest den gemeinsamen Haushalt (Art. 319 ZGB) zu verwenden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verfügungsmacht grundsätzlich unbeschränkt ist. Die elterliche Vertretungsmacht ist zwar dem Kindeswohl verpflichtet, nach aussen besteht sie jedoch unbeschränkt, soweit sie nicht durch gesetzliche Regelungen (z.B. durch gerichtliche Genehmigungspflichten) begrenzt wird (Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl., München 1994, § 57 IV 2, S. 879; Gerhardt/ v.Heintschel-Heinegg/Klein, Familienrecht in gerichtlicher und anwaltlicher Praxis, Berlin 1995, S. 131 N 28 ff.). Im deutschen Recht bestehen solche Beschränkungen im Wesentlichen für Grundstücke und Schiffe (§ 1643 i.V.m. § 1821 BGB) sowie für kaufmännische Gewerbe (§ 1643 i.V.m. § 1822 Ziff. 3 BGB), nicht aber für Wertschriften, Kontokorrentguthaben oder Bargeld. Auch nach schweizerischem Recht haben die Eltern unbeschränkte Verfügungsmacht über die Guthaben ihrer Kinder (Art.

304 i.V.m. Art. 318 ZGB). Die Eltern können somit über Kontoguthaben und Depotwerte ihrer Kinder unbeschränkt verfügen, namentlich die Gelder abheben. Ebenso können die Eltern die Guthaben in Wertschriften anlegen. Soweit sie allerdings ihre durch das Familienrecht beschränkten Befugnisse überschreiten, namentlich bei diesen Geschäften nicht die nötige Sorgfalt und Vorsicht walten lassen, werden die Eltern gegenüber ihren Kindern schadenersatzpflichtig (zum schweizerischen Recht Art. 327 ZGB i.V.m. Art. 398 Abs. 2 ZGB; zum deutschen Recht: Michalski, in: Erman BGB- Handkommentar, 2. Band, 8. Aufl., Münster 1989, § 1642 Rdz 4; MünchkommBGB/ Huber, § 1642 RdNr. 10). Über eine allfällige Schadenersatzpflicht der Eltern gegenüber der Klägerin aus Missachtung der Regeln über die Verwaltung von Kindesvermögen bzw. der Überschreitung der ihnen zustehenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Es kann somit bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass der Vater als Vertreter der Klägerin mit dem Kauf und Verkauf von Aktien, Fondsanteilen sowie Optionen rechtsgültig über deren Guthaben bei der Beklagten verfügt hat.

  1. Von der erwähnten grundsätzlich unbeschränkten Verfügungsmacht der Eltern über die Guthaben ihrer Kinder gilt es die Kreditaufnahme auf den Namen des Kindes zu unterscheiden. Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, die Kreditaufnahmen seien mangels Zustimmung der Mutter gemäss § 1629 BGB und mangels Genehmigung durch das zuständige deutsche Familiengericht gemäss § 1643 Abs. 1

    i. V. m. § 1822 Ziff. 8 BGB nicht gültig zustande gekommen. Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Klägerin sei bei ihren Geschäften mit der Beklagten familienrechtlich in jeder Hinsicht rechtsgenüglich vertreten gewesen. § 1643 Abs. 1 BGB komme nicht zur Anwendung, weil die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Klägerin dem schweizerischen Recht unterständen. Zudem handle es sich nicht um die Aufnahme von Geld im Sinne von § 1822 Ziff. 8 BGB, weil gar kein Geld aufgenommen worden sei. Entweder sei das Geschäft als nicht genehmigungsbedürftiger Kredit- oder Abzahlungskauf zu betrachten, weil der Kredit als Lombardkredit zum Kauf von Wertschriften gedient habe. Oder es handle sich um einen Teil einer zulässigen Vermögensverwaltung, bei der im Übrigen nie die Gefahr einer Nettoüberschuldung bestanden habe.

    1. Nach deutschem Recht ist die Aufnahme von Geld auf Kredit des Kindes genehmigungspflichtig (§ 1643 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1822 Ziff. 8 BGB). Das deutsche Recht beschränkt somit die Verfügungsmacht der Eltern insoweit, als es für diese Geschäfte einer gerichtlichen Genehmigung bedarf. Es handelt sich nicht um eine blosse Beschränkung der Vertretungsbefugnis, sondern um eine Beschränkung der Vertretungsmacht (Diederichsen, a.a.O., § 1643 Rn 1). Die Vorschrift ist eine Ausnahme vom Grundsatz der elterlichen Autonomie, welche die gesamte Vertretungsmacht für das Kind beinhaltet (Huber, a.a.O., § 1643 RdNr. 1) und entfaltet damit Aussenwirkung. Die Beklagte bestreitet in diesem Zusammenhang zu Unrecht die Anwendbarkeit des deutschen Rechtes mit den Argumenten, das Bankverhältnis unterstehe schweizerischem Recht und in den Bankverträgen sei die Anwendbarkeit des schweizerischen Rechts ausdrücklich vereinbart worden. Für die Antwort auf die Frage, nach welchem Recht sich der Umfang der gesetzlichen Vertretungsmacht der Eltern richtet, kann auf die vorherigen Ausführungen (vgl. Erwägung 2) verwiesen werden. Als Teil der Wirkungen des Kindesverhältnisses wird somit die Bestimmung des Umfangs der Vertretungsmacht gesetzlicher Vertreter von Minderjährigen internationalprivatrechtlich - gesondert vom Obligationenrecht - im Familienrecht geregelt (Art. 79 ff., 112 ff. IPRG). Im Rahmen der Wirkungen des Kindesverhältnisses ist das anwendbare Recht der Parteiautonomie entzogen (Art. 82 IPRG). Dies

      entspricht im Übrigen auch dem allgemeinen Grundsatz, dass sich nicht Vertreter und Dritter zu Lasten des Vertretenen auf eine Ausdehnung einer gegen aussen beschränkten Vollmacht einigen können.

    2. Schliessen die Eltern einen Kreditvertrag ohne die erforderliche Genehmigung des Familiengerichts ab, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der nachträglichen Genehmigung des Familiengerichts ab (§ 1643 Abs. 3 BGB i. V. m. § 1829 Abs. 1 BGB). Ist das Kind volljährig geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Familiengerichts (§ 1643 Abs. 3 BGB i. V. m. § 1829 Abs. 3 BGB).

    3. Dass die Kreditverträge vom Familiengericht nach § 1643 Abs. 3 BGB i. V. m.

      § 1829 Abs. 1 BGB genehmigt worden sind, wird nicht behauptet. Seit der Volljährigkeit der Klägerin ist ohnehin Letztere für die Genehmigung zuständig (§ 1643

      Abs. 3 BGB i. V. m. § 1829 Abs. 3 BGB). Daraus, dass die Klägerin nach Erreichen ihrer

      Volljährigkeit bei der Vorinstanz eine Vollmacht zu Gunsten ihres Rechtsvertreters

      eingereicht hat, den Prozess "wie bisher" weiterzuführen, ist zweifelsfrei zu schliessen, dass die Klägerin die Kreditverträge nicht genehmigte. Es ist damit davon auszugehen, dass keine Genehmigung vorliegt.

    4. Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei den Kreditverträgen bzw. den festen Vorschüssen um genehmigungsbedürftige Geschäfte handelte, es sich mithin eine "Aufnahme von Geld auf Kredit" des Kindes im Sinne der genannten Bestimmung handelt. Dabei ist entscheidend, dass das Geschäft der Beschaffung von Geld dient, für dessen Rückzahlung das Kind einzustehen hat (Diederichsen, a.a.O., § 1822 Rn 18).

    aa) Bei sämtlichen vom Vater unterzeichneten Kreditverträgen ist die Klägerin Kreditnehmerin und muss als solche persönlich und mit ihrem ganzen Vermögen für die Rückzahlung der beanspruchten Kredite einstehen. Für die Annahme, dass im vorliegenden Fall gegenüber der Bank nicht das Kind, sondern der Vater Vertragspartner sei und für die Rückzahlung einzustehen hat, gibt es keine Anhaltspunkte. Auch eine Simulation wird weder behauptet, noch wäre sie bewiesen. Die Beklagte hat sich denn auch zur Tilgung der Kreditschuld im Frühling 2003 umgehend an die bei ihr liegenden Guthaben der Klägerin gehalten.

    bb) Die Genehmigungsbedürftigkeit ist im Übrigen auch nicht vom Verwendungszweck der aufgenommenen Gelder abhängig. Es ist somit unbeachtlich, dass der Kreditrahmen zu grossen Teilen zum Kauf von Wertschriften benutzt wurde. Der Kauf von Wertschriften macht die Darlehensaufnahme nicht zum Kredit- oder Abzahlungskauf. Der Abzahlungskauf setzt voraus, dass der Verkäufer der Aktien den Kaufpreis kreditiert. Dies war offensichtlich nicht der Fall. Vielmehr haben die Verkäufer der Aktien den Kaufpreis umgehend erhalten. Ebenso wenig handelt es sich um einen - gemäss herrschender deutscher Lehre (MünchKommBGB/Wagenitz, § 1822 RdNr. 53) ebenfalls genehmigungsbedürftigen - Kreditkauf. Die Kreditmittel wurden nämlich nicht im Zusammenhang mit den Aktienkäufen zur Verfügung gestellt, sondern einem Konto der Klägerin zur grundsätzlich freien Verfügung gutgeschrieben. Dies zeigt sich am deutlichsten am ersten Kreditvertrag vom 25. September 1997. Am gleichen Tag, an dem der Kreditvertrag über Fr. 207'000.- unterzeichnet wurde, wurde dem Vater der Klägerin ein Betrag von Fr. 206'750.- in bar ausgehändigt (vgl. dazu hinten Erwägung 10c/bb). Im Übrigen fällt nicht nur die Aufnahme von Bargeld unter § 1822 BGB. Auch

    die Darlehensaufnahme im Kontokorrentverkehr wird von der Bestimmung erfasst (Holzhauer in: Erman BGB Handkommentar, 2. Band, Münster 1989, § 1822 Rdz 20; Gernhuber/Coester-Waltjen, a.a.O., § 60 VI 9, S. 976, MünchKommBGB/Wagenitz, § 1822 RdNr. 52; Diederichsen, a.a.O., § 1822 Rn 18 f; teilweise mit Hinweisen auf die deutsche Rechtsprechung).

    cc) Die Genehmigungsbedürftigkeit entfällt nicht, wenn die Aufnahme der Gelder auf Kredit des Kindes im Rahmen der Verwaltung des Kindesvermögens geschieht und namentlich keine Überschuldungsgefahr besteht. Zwar liegt der Zweck der Beschränkungen der Verfügungsmacht darin, dass die Eltern ihre Kinder nicht mit erheblichen, in Ausübung der Verfügungsmacht aufgenommenen Schulden in die Selbständigkeit entlassen (Gerhardt/v.Heintschel-Heinegg/Klein, a.a.O., S. 132, N 30) und es erscheint in der Tat widersprüchlich, den Eltern die unbeschränkte Verfügungsmacht zum Verkauf von Wertschriften aus dem Kindesvermögen einzuräumen, jedoch die Kreditaufnahme gegen Belehnung der Wertschriften genehmigungspflichtig zu erklären. Die Rechtslage ist jedoch eindeutig. Ob der Kredit dinglich gesichert wird, das heisst der Kreditsumme entsprechende Sachwerte gegenüberstehen, ist für die Genehmigungsbedürftigkeit unerheblich (MünchKommBGB/Wagenitz, § 1822 RdNr. 52). Die Regeln von § 1643 i.V. m § 1821 f. BGB sind zudem als Schranken des allgemeinen Rechts der Eltern zur Verwaltung des Kindesvermögens (Michalski, a.a.O., § 1643 RdNr. 1) bzw. der gesetzlichen Vertretungsmacht (MünchKommBGB/Huber, § 1643 RdNr. 1) zu betrachten. Der Umkehrschluss, die allgemeine Vermögenssorge bzw. die allgemeine Vertretungsmacht erweitere die gesetzliche Vollmacht, ist deshalb unzulässig.

  2. Fehlt es endgültig an der erforderlichen Genehmigung der Kreditverträge, so sind diese nichtig (Gernhuber/Coester-Waltjen, a.a.O., § 60 IV 11, S. 958.) bzw. es entsteht ein Schwebezustand der beendet ist, wenn endgültig feststeht, dass die Genehmigung nicht erteilt wird (zum schweizerischen Recht analog: Geiser, Basler Kommentar, N 4 und 9 zu Art. 424 ZGB; zum deutschen Recht: MünchKommBGB/Wagenitz, § 1829 RdNr. 6 und 23). Die Verträge sind unwirksam (MünchKommBGB/Wagenitz, § 1829 RdNr. 23) bzw. es entfällt die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts (Geiser, a.a.O., N 9 zu Art. 424 ZGB). Es gilt somit zu prüfen, welche Folgen dies im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten hat. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens bilden namentlich

    allfällige Schadenersatzansprüche der Beklagten oder Klägerin gegenüber dem Vertreter, der die Kreditgeschäfte abgeschlossen hat, obschon er um deren Genehmigungsbedürftigkeit hätte wissen müssen.

    1. Sowohl nach deutschem wie nach schweizerischem Recht führt die Verweigerung der Genehmigung bzw. die im vorliegenden Fall nie ernsthaft erwogene Genehmigung zur rückwirkenden Auflösung des Rechtsgeschäfts (Geiser, a.a.O., N 9 zu Art. 424 ZGB; MünchKommBGB/Wagenitz, § 1829 RdNr. 23). Damit entfällt rückwirkend die Zinspflicht. Die Rückerstattung einer empfangenen Darlehenssumme ist nicht mehr vertraglicher Natur, sondern folgt den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung. Dies gilt sowohl für das deutsche (Gernhuber/Coester-Waltjen, a.a.O., § 60 IV 11,

      S. 958; MünchKommBGB/Wagenitz, § 1822 RdNr. 57), wie auch für das schweizerische Recht. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nämlich nach schweizerischem Recht nicht von einem vertraglichen Rückabwicklungsverhältnis auszugehen. Ein solches setzt voraus, dass bis zur Auflösung des Vertragsverhältnisses ein für beide Seiten verbindlicher Vertrag bestanden hat. Dies ist namentlich beim Vertragsrücktritt (etwa nach Art. 107 i.V. 109 OR; vgl. BGE 114 II 152, S 157) oder allenfalls der Wandelung (Art. 205 i.V.m. 208 OR) der Fall. Ausgeschlossen muss ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis jedoch bleiben, wenn mangels Genehmigung nie ein zweiseitig verbindlicher Vertrag zustande kam, da es diesfalls an einer Basis für ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis fehlt.

    2. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung unterstehen dem Recht, dem das bestehende oder vermeintliche Rechtsverhältnis unterstellt ist, aufgrund dessen die Bereicherung stattgefunden hat (Art. 128 IPRG). Ein allfälliger Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung richtet sich somit nach dem auf den vermeintlichen Kreditvertrag anwendbaren Recht (vgl. ZK-IPRG, Keller/Kren Kostkiewicz, Art. 128 N 16 f.). Für den ungültigen Vertrag wurde eine Rechtswahl zu Gunsten des schweizerischen Rechts getroffen, weshalb auch der Kondiktionsanspruch diesem Recht untersteht. Sollte die Rechtswahl durch die Nichtigkeit des Darlehensvertrages keine Wirkung entfalten, so vermöchte dies im Übrigen nichts am Ergebnis zu ändern. Bei Fehlen einer Rechtswahl untersteht der (vermeintliche) Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt (Art. 117 Abs. 1 IPRG). Dabei besteht die Vermutung, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei,

    welche die charakteristische Leistung erbringt, ihre Niederlassung hat (Art. 117 Abs. 2 IPRG). Beim Kreditvertrag erbringt die Bank die charakteristische Leistung, weshalb auf das Rechtsverhältnis - selbst bei ungültiger Rechtswahl - schweizerisches Rechts anwendbar wäre.

  3. Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten (Art. 62 Abs. 1 OR). Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit ein, wenn jemand ohne jeglichen Grund eine Zuwendung erhalten hat (Art. 62 Abs. 2 OR). Soweit die Klägerin aus dem nichtigen Darlehensvertrag Leistungen erhalten hat, ist sie somit zur Rückerstattung verpflichtet.

  1. Aufgrund der Akten ist erstellt, dass der Klägerin am 25. September 1997 ein Kontokorrentkredit von Fr. 207'000.- eröffnet wurde und dieser in der Folge am 18. Juni 1998 auf Fr. 300'000.- und am 8. Februar 1999 auf Fr. 500'000.- erhöht wurde. Ebenso ergibt sich aufgrund der Akten, dass der Kontokorrentkredit vollständig ausgeschöpft wurde, die Klägerin mithin aufgrund des nichtigen Darlehensvertrags ohne jeglichen Grund Zuwendungen in der Höhe von Fr. 500'000.- erhalten hat, zu deren Rückerstattung sie grundsätzlich verpflichtet war. Es ist somit grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die der Klägerin zur Verfügung gestellte Kreditsumme im Frühjahr 2003 in Rechnung stellte. Die Frage, ob sie unter diesen

    Umständen berechtigt war, sich durch den Verkauf der Depotwerte bezahlt zu machen, kann offen gelassen werden, da die Klage aus einem anderen Grund abzuweisen ist (vgl. hinten Erw. 10/c/cc). Zurecht wurde im Übrigen nicht die Verjährung angerufen, war der Beklagten die Ungültigkeit der Verträge im Zeitpunkt, als sie die offene Kreditsumme geltend machte, noch gar nicht bekannt. Im Umstand, dass sie die Guthaben der Klägerin mit der offenen Kreditsumme verrechnete, ist im Übrigen ohne Weiteres eine zulässige Verrechnung zu erblicken.

  2. Die Klägerin wendet im Übrigen zu Unrecht ein, die Rückforderung sei ausgeschlossen, weil die Kreditvergabe an die unmündige Klägerin sowohl widerrechtlich wie auch unsittlich gewesen sei und nicht zurückgefordert werden könne, was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden sei (Art. 66 OR). In der Tat scheint es nicht undenkbar, dass die Darlehenshingabe an ein minderjähriges Kind unsittlich wäre,

    wenn dieses später in finanzieller Abhängigkeit vom Darlehensgläubiger in die Mündigkeit entlassen werden soll. Im vorliegenden Fall bestand allerdings nie die konkrete Gefahr einer solchen finanziellen Abhängigkeit vom Darlehensgeber, standen den Krediten doch ausreichende Gegenwerte gegenüber. Das Risiko beschränkte sich faktisch auf den Verlust dieser Gegenwerte. Unter diesen Umständen ist die Kreditvergabe weder als unsittlich noch als rechtswidrig zu betrachten, sondern bloss als genehmigungsbedürftig (§ 1643 i.V.m. § 1822 BGB). Im Übrigen kann hier ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass die Klage auch aus einem anderen Grunde abzuweisen ist (vgl. unten Erw. 10/c/cc).

  3. Dem Rückerstattungsanspruch kann der Bereicherte die Entreicherungseinrede entgegenhalten. Demnach kann die Rückerstattung insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist (Art. 64 OR, 1. Teil). Die Entreicherungseinrede setzt allerdings voraus, dass der Empfänger nicht mit der Rückerstattung rechnen musste und auch in jeder anderen Hinsicht gutgläubig war, als die Entreicherung eintrat (Art. 64 OR, 2. Teil). Sowohl die Behauptungslast für die Entreicherungseinrede als solche wie auch die Beweislast für deren Voraussetzungen liegen beim Empfänger (Art. 64 OR, 1. Teil), das heisst der Klägerin.

aa) Im vorliegenden Fall stellt sich die Schwierigkeit, dass die Klägerin in ihren Rechtschriften zwar von Anfang an die Ungültigkeit der Kreditverträge behauptet hat. Sie bringt auch sinngemäss vor, die Beklagte hätte deshalb ihre Guthaben nicht zur Deckung der offenen Kreditpositionen verwenden dürfen. Die Klägerin unterliess es jedoch bis zur Eingabe vom 28. September 2009 weitgehend, zum Schicksal der empfangenen Gegenleistung unter dem Gesichtspunkt der Entreicherungseinrede genauere Angaben zu machen, stützte sie ihren Anspruch doch im Wesentlichen auf eine angebliche Schadenersatzforderung aus eigenmächtiger und schlechter Vermögensverwaltung durch die Beklagte. Nach dem Gesagten ist allerdings davon auszugehen, dass nicht die Beklagte die Anlagegeschäfte tätigte, sondern der Vater der Klägerin als deren gesetzlicher Vertreter (vgl. dazu oben Erwägung 5). Aus den Prozessvorbringen lässt sich aber zumindest herauslesen, dass die Klägerin implizit behauptet, das von ihr angelegte Geld sei weg, womit wohl auch die empfangene Kreditsumme gemeint ist. Damit bringt die Klägerin zumindest implizit vor, auch die

Kreditsumme sei auf ihre Kosten verspekuliert worden. Dieses Vorbringen ist als Entreicherungseinrede auszulegen.

bb) Der Einwand der Entreicherung ist allerdings zum vornherein insoweit nicht im Sinne von Art. 64 OR nachgewiesen, als die Klägerin vorbringt, nicht mehr im Besitz der mit Kreditvertrag vom 25. September 1997 bezogenen Kreditleistung zu sein. Der Vorgang der Kreditgewährung ist in diesem Punkt in den Akten gut dokumentiert. Am

25. September 1997 wurde auf den Namen der Klägerin ein Kontokorrentkredit von Fr. 207'000.- eröffnet und dem Konto noch am gleichen Tag eine Auszahlung von Fr. 206'750.- belastet. Die Klägerin bestreitet zwar, dass der Betrag an ihren Vater

ausbezahlt wurde. Der Auszahlungsbeleg vom gleichen Tag ist jedoch von ihrem Vater unterzeichnet. Da zudem ein weiterer Beleg über den Verkauf von DEM 250'000.- im Gegenwert von Fr. 206'750.- im Recht liegt muss als bewiesen gelten, dass der Vater am 25. September 1997 praktisch den ganzen, auf den Namen der Klägerin aufgenommenen Kreditbetrag in Form von DEM 250'000.- bezogen hat. Was mit dem Betrag geschehen ist, ist nicht bekannt. Die Klägerin macht auch keine Ausführungen dazu, bestreitet sie doch bereits den Bezug durch ihren Vater. Führt die Beweiswürdigung jedoch zum Schluss, dass die Kreditsumme bis auf den Betrag von Fr. 250.- vom Vater und damaligen gesetzlichen Vertreter der heutigen Klägerin bezogen wurde, kann nicht als erwiesen gelten, dass die Klägern in diesem Umfang nicht mehr bereichert ist. Mit anderen Worten hat die Klägerin den Beweis dafür, dass dieses Geld aus ihrer Sicht weg und für sie nicht mehr vorhanden ist, nicht erbringen können. Sie trägt damit die Konsequenzen dafür, dass sie insbesondere nicht behauptet, ihr Vater habe sich mit dem Bezug aus dem Jahre 1997 an ihrem Vermögen vergriffen und dies zum Beweis erstellt.

cc) Aufgrund der Akten ist im Grundsatz ersichtlich, was mit der restlichen Kreditsumme von Fr. 293'250.- geschah. Diese Summe wurde vor allem in die Wertschriften investiert, welche später verkauft wurden. Schon alleine aufgrund der regen Kaufs- und Verkaufstätigkeit lässt sich nicht mehr ermitteln, welche Transaktionen mit der Kreditsumme und welche mit dem ursprünglichen Guthaben der Klägerin finanziert wurden. Es stellt sich damit grundsätzlich die Frage, ob der Klägerin damit der Beweis gelingt, dass es gerade die mit der Darlehenssumme gekauften Aktien waren, die zu einem vollständigen Verlust führten, oder vielmehr davon

auszugehen ist, dass die Darlehenssumme im Zeitpunkt des Notverkaufs noch vorhanden war. Letzteres kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, konnten doch im Zeitpunkt des Verkaufs alle Verbindlichkeiten durch den Wertschriftenerlös gedeckt werden. Der Darlehenssumme standen somit durchaus noch Vermögenswerte gegenüber. Die Frage, inwieweit die Kursverluste einerseits auf kreditfinanzierten Aktien und andererseits auf solchen Aktien, die mit dem ursprünglichen Guthaben der Klägern gekauft wurden, eingetreten sind, kann allerdings offen gelassen werden. Dies gilt auch für das Schicksal eines bestrittenen Bezugs vom Privatkonto der Klägerin vom 6. Oktober 1998 in der Höhe von Fr. 24'915.- und die umstrittene Frage, ob die Entreicherung beachtlich ist, wenn eine Person aus dem Umfeld des Entreicherten dafür verantwortlich ist (so BGE 45 II 451; BSK-Schulin, Art. 64 N 5; a.M. Bucher, a.a.O., § 34/VII/6/i, S. 696). Nach dem Gesagten kann nämlich nur fraglich sein, ob die Klägerin der Abbuchung von Fr. 500'000.- von ihrem Depotkonto zur Tilgung des offenen Kredits im Umfange von Fr. 293'2350.- die Entreicherungseinrede entgegenhalten kann. Wäre dies der Fall, so könnte die Beklagte allenfalls verpflichtet werden, die Buchung rückgängig zu machen oder der Klägerin den zu viel abgebuchten Betrag zurückzuerstatten. Dabei handelt es sich aber offensichtlich um eine Schuld in Schweizerfranken. Der Kredit wurde vom 25. September 1997 bis zur Saldierung im Frühjahr 2003 stets in Schweizer Franken gewährt. Das USD-Konto der Klägerin wurde bereits am 26. Juni 1999 saldiert, ohne dass von diesem USD-Konto bis dahin Zinsen oder Amortisationen für den Kredit abgebucht worden wären. Vielmehr wurden sämtliche Zinsen und am Schluss auch die Tilgung der offenen Kreditschuld vom Privat- bzw. Depotkonto Nr. 01-55 337.033-02 abgebucht, welches in Schweizer Franken geführt wurde. Sowohl die Rückbuchung eines zu Unrecht abgebuchten Betrags wie auch ein klageweise zu bezahlender Geldbetrag müssten somit auf Schweizer Franken lauten. Eine Forderung in US-Dollar lässt sich mit diesen Vorgängen nicht begründen. Liegt dem klageweise in US-Dollar geforderten Betrag jedoch eine Forderung in Schweizer Franken zu Grunde, so kann das Gericht nicht eine Summe in US-Dollar zusprechen. Es ist dem Gericht auch untersagt, eine ausdrücklich in US-Dollar geforderte Summe in Schweizerfranken umzurechnen. Es würde der Klägerin etwas anderes zusprechen als diese klagweise geltend gemacht hat

(BGE 134 III 151, E. 2.2 S. 154; Gauch/ Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches

Obligationenrecht, 9. Aufl., Nr. 2295 ff., 2343).

dd) Nach dem Gesagten erübrigen sich Ausführungen zur Rückerstattung der aufgrund des ungültigen Kreditvertrags abgebuchten Zinsen von Fr. 95'612.75. Auch die Zinspflicht bestand in Schweizer Franken und wurde von auf Schweizer Franken lautenden Konten abgebucht. Eine in USD lautende Schuldverpflichtung lässt sich damit nicht begründen.

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