Kantonsgericht von Graubünden Dretgira chantunala dal Grischun Tribunale cantonale dei Grigioni ___________________________________________________________________________________________________
Ref.:
Chur, 14. September 2011
Schriftlich mitgeteilt am:
ZK2 11 35
26. September 2011
Urteil II. Zivilkammer Vorsitz
Bochsler
RichterInnen
Hubert und Michael Dürst
Redaktion
Aktuarin ad hoc Ambühl
In der zivilrechtlichen Beschwerde
des A., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Marty,
Postfach 528, Alexanderstrasse 8, 7002 Chur,
gegen
die A b s c h r e i b u n g s v e r f ü g u n g d e s V e r m i t t l e r a m t e s H i n t e r -
r h e i n vom 19. Mai 2011, mitgeteilt am 19. Mai 2011, in Sachen des Beschwer-
deführers gegen B., Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur.
Reto T. Annen, Postfach 201, Bärenloch 1, 7002 Chur,
betreffend Forderung aus Arbeitsrecht,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt A.
Mit Vermittlungsbegehren vom 13. Dezember 2010 gelangte A. an den
Kreispräsidenten des Kreises Thusis und verlangte um Ansetzung einer Vermitt-
lungstagfahrt. Dabei ging es um eine Forderung aus Arbeitsrecht gegen B..
B.
Mit Überweisungsverfügung vom 1. Januar 2011, mitgeteilt am 4. Januar
2011, wurden die Akten des genannten Vermittlungsbegehrens - aufgrund der
neurechtlichen zivilrechtlichen Kompetenzen - an das Vermittleramt Hinterrhein
weitergeleitet, welches die Parteien zur Vermittlungsverhandlung auf den 27. Ja-
nuar 2011 vorlud.
C.
Anlässlich der Vermittlungsverhandlung vom 27. Januar 2011 stellten die
Parteien folgende Rechtsbegehren:
„Rechtsbegehren des Klägers: 1. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger Fr. 30‘000.-- zu bezahlen. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Be- klagten. Rechtsbegehren der Beklagten: 1. Die Klage sei vollumfänglich abzuweisen. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zzgl. MwSt. zu Las- ten des Klägers.“ Die Parteien erklärten sich anlässlich der Vermittlungsverhandlung damit
einverstanden, das Protokoll im Sinne von Art. 72 ZPO-GR bis am 28. März 2011
offen zu halten.
D.
Mit Schreiben vom 30. März 2011 verlängerte die Vermittlerin des Vermitt-
leramtes des Bezirkes Hinterrhein die Frist zur Offenhaltung des Protokolls auf
Antrag der klagenden Partei und im Einverständnis der beklagten Partei einmalig
bis zum 12. Mai 2011. Sie führte im Weiteren aus, sollte bis zu diesem Zeitpunkt
die Ausstellung des Leitscheins nicht verlangt werden, werde das Verfahren kos-
tenfällig abgeschrieben.
E.
Mit Abschreibungsverfügung vom 19. Mai 2011, mitgeteilt am 19. Mai 2011,
schrieb die Vermittlerin des Vermittleramtes des Bezirkes Hinterrhein das Verfah-
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ren aufgrund fehlender Meldung der Klägerschaft in Bezug auf die Ausstellung des
Leitscheins ab.
F.
Gegen diese Abschreibungsverfügung liess A. Beschwerde beim Kantons-
gericht von Graubünden erheben mit folgenden Rechtsbegehren:
„1. Die Abschreibungsverfügung vom 19./20. Mai 2011 sei auf- zuheben. 2. Das Vermittleramt Bezirk Hinterrhein sei anzuweisen, den Leitschein auszustellen. 3. Das Vermittleramt Bezirk Hinterrhein habe dem Beschwer- deführer CHF 750.00 zuzüglich der Mehrwertsteuern, das
heisst CHF 810.00 als Entschädigung zu bezahlen. Die amt-
lichen Kosten seien dem Vermittleramt Bezirk Hinterrhein
aufzuerlegen.“ Zur Begründung führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, die Ver-
mittlerin hätte den Parteien mitteilen müssen, dass sie die Offenhaltung des Pro-
tokolls nicht mehr dulde und mit der Fristansetzung die Rechtsfolge verbinden
müssen, dass bei unbenutztem Ablauf das Verfahren kostenfällig abgeschrieben
werde. Diese Nachfrist und die Säumnisfolge könne nicht telefonisch mitgeteilt
werden. Die Schriftform sei zwingend. Eine schriftliche Bestätigung bezüglich der
Fristerstreckung sowie der Säumnisfolge habe der Beschwerdeführer jedoch nie
erhalten.
G.
Mit Eingabe vom 30. Juni 2011 reichte die Vermittlerin des Vermittleramtes
des Bezirkes Hinterrhein ihre Beschwerdeantwort ein. Dabei wurde im Wesentli-
chen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer vorerst telefonisch mitgeteilt wor-
den sei, dass die Gegenpartei mit der Fristerstreckung bis am 12. Mai 2011 ein-
verstanden sei und der Beschwerdeführer sei ausdrücklich darauf aufmerksam
gemacht worden, dass das Vermittleramt des Bezirkes Hinterrhein sein Telefonat
bis spätestens am 12. Mai 2011 erwarte. Gleichentags (30. März 2011) sei beiden
Parteien die erneute Fristerstreckung bis am 12. Mai 2011 mit dem Hinweis auf
eine kostenfällige Abschreibung zugestellt worden. Irrtümlicherweise seien dabei
beide Schreiben den Klienten persönlich anstelle deren Rechtsvertreter per A-Post
zugestellt worden.
H.
B. liess in ihrer Stellungnahme vom 1. Juli 2011 an das Kantonsgericht von
Graubünden folgende Rechtsbegehren stellen:
„1. Die Beschwerde sei in Bezug auf den Kostenentscheid der Vermittlerin (Ziff. 4 der angefochtenen Abschreibungsverfü- Seite 3 — 13
gung) stattzugeben; im Weiteren sei die Beschwerde vollum-
fänglich abzulehnen. 2. Der Beschwerdegegnerin und im Verfahren vor Vermittlerin Beklagten seien CHF 1‘422.80 als ausseramtliche Entschä-
digung zuzusprechen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zzgl. MwSt. zu Lasten des Beschwerdeführers.“ Zur Begründung wird ausgeführt, die Vermittlerin habe den Parteien mit
Schreiben vom 30. März 2011 die Fristverlängerung mitgeteilt und die weiteren
Schritte ebenfalls in besagtem Schreiben geregelt, indem sie aufgezeigt habe,
dass keine weitere Fristverlängerung erwartet werden könne und bei Nichtverlan-
gen des Leitscheins das Verfahren abgeschrieben werde. Insofern habe die Ver-
mittlerin korrekt gehandelt und habe nach Ansetzung und Verstreichen der letzt-
maligen Frist das Verfahren anschliessend abschreiben müssen. Da der Leit-
schein durch den Kläger nicht bezogen worden sei und dieser Umstand praktisch
als Klageverzicht zu werten sei, hätte die Vermittlerin der beklagten Partei eine
ausseramtliche Entschädigung zusprechen müssen. In der Abschreibungsverfü-
gung vom 19. Mai 2011 habe die Vermittlerin die ausseramtlichen Kosten jedoch
wettgeschlagen. Die entsprechenden Aufwendungen der beklagten Partei für die
Vermittlungstagfahrt würden CHF 1‘422.80 betragen und seien der beklagten Par-
tei zulasten des Klägers zuzusprechen. Dieser Umstand könne im vorliegenden
Verfahren geheilt werden, weshalb beiliegend die Zusammenstellung der entspre-
chenden Aufwendungen zugesandt werde.
Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften sowie in der ange-
fochtenen Verfügung wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen
eingegangen.
II. Erwägungen 1.a) Für das Rechtsmittelverfahren gilt gemäss Art. 405 Abs. 1 der Schweizeri-
schen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) das Prozessrecht, welches bei der Er-
öffnung des angefochtenen Entscheides in Kraft ist. Die angefochtene Abschrei-
bungsverfügung des Vermittleramtes des Bezirkes Hinterrhein vom 19. Mai 2011
wurde den Parteien am 19. Mai 2011 und damit nach dem Inkrafttreten der
Schweizerischen Zivilprozessordnung am 1. Januar 2011 eröffnet. Auf das vorlie-
gende Verfahren findet demnach die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO;
SR 272) Anwendung.
Seite 4 — 13
b/1) Mit Beschwerde anfechtbar sind zum einen nicht berufungsfähige, erstin-
stanzliche Endentscheide, Zwischenentscheide und Entscheide über vorsorgliche
Massnahmen. Die Beschwerde ist somit subsidiär zur Berufung im Sinne von Art.
Art. 308 ff. ZPO und ist in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zulässig, wenn
der für die Berufung notwendige Mindeststreitwert nicht erreicht wird sowie in den-
jenigen Fällen, in denen die Berufung ausgeschlossen ist (Art. 309 ZPO). Die Be-
schwerde ist jedoch auch ein primäres Rechtsmittel. So sind mit Beschwerde an-
fechtbar prozessleitende Verfügungen in den vom Gesetz bestimmten Fällen so-
wie wenn durch sie ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht.
Schliesslich ist die Beschwerde in Fällen von Rechtsverzögerung und -
verweigerung anwendbar (vgl. Art. 319 ZPO; Gasser/Rickli, Schweizerische Zivil-
prozessordnung, Kurzkommentar, Zürich/St. Gallen 2010, N 1 ff. zu Art. 319).
b/2) Das Vermittleramt Hinterrhein hat das Vermittlungsverfahren ohne Ent-
scheid im Sinne von Art. 402 ZPO abgeschrieben. Zu prüfen ist, ob dagegen Beru-
fung oder Beschwere erhoben werden kann. Mit der Abschreibungsverfügung be-
endet die Schlichtungsbehörde das Schlichtungsverfahren. Diesbezüglich liegt
mithin kein
erstinstanzlicher Entscheid im Sinne von Art. 308 Abs. 1 ZPO vor, so
dass eine Berufung ausser Betracht fällt. Zulässiges Rechtsmittelist mithin die Be-
schwerde. Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass der Schlichtungsbehörde
nicht allein die Aufgabe des Schlichtens zukommt. Hat das Schlichtungsverfahren
eine vermögensrechtliche Streitigkeit bis zu einem Streitwert von Fr. 2'000.00 zum
Gegenstand hat, kann sie auch in der Sache entscheiden, sofern die klagende
Partei einen entsprechenden Antrag stellt (Art. 212 ZPO). Liegt ein solcher Antrag
vor und macht die Schlichtungsbehörde von ihrer Entscheidkompetenz Gebrauch,
so geht das eigentliche Schlichtungsverfahren unmittelbar in das Entscheidverfah-
ren über. Es findet damit ein Wechsel vom Schlichten zum Richten statt. Beim
dergestalt gefällten Entscheid der Schlichtungsbehörde handelt es sich um einen
erstinstanzlichen Entscheid. Da die Schlichtungsbehörde als Sachrichterin jedoch
- wie erwähnt - nur über vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streit-
wert von Fr. 2'000.00 entscheiden kann, fällt auch in solchen Fällen eine Berufung
ausser Betracht (vgl. Art. 308 Abs. 2 ZPO). Es bleibt somit festzuhalten, dass so-
wohl gegen Verfügungen einer Schlichtungsbehörde im Schlichtungsverfahren als
auch gegen ihre Entscheide im Entscheidverfahren stets nur Beschwerde im Sin-
ne von Art. 319 ZPO erhoben werden kann (vgl. zum Ganzen insbesondere: Bri-
gitte Rickli, DIKE-Komm-ZPO, Art. 212, N 10-21; Honegger, in: Sutter-
Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm., Art. 212 N 2-10; Staehelin/
Staehelin/Grolimund, Zivilprozessrecht, § 23 N 34). Die vorliegende Abschrei-
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bungsverfügung unterliegt demnach der Beschwerde im Sinne von Art. 319 lit. b
Ziff. 2 ZPO. Die Zuständigkeit des Kantonsgerichts von Graubünden ergibt sich
aus Art. 7 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessord-
nung (EGzZPO; BR 320.100). Gemäss Art. 321 ZPO ist die Beschwerde unter
Beilage des angefochtenen Entscheides oder der angefochtenen Verfügung innert
30 Tagen seit der Zustellung des begründeten Entscheides oder seit der nachträg-
lichen Zustellung der Entscheidbegründung schriftlich und begründet einzurei-
chen.
c)
Der Beschwerdeführer reichte die Beschwerde gegen die Abschreibungs-
verfügung vom 19. Mai 2011, mitgeteilt am 19. Mai 2011, am 8. Juni 2011 und
damit fristgerecht ein. Überdies entspricht die Beschwerde den Formerfordernis-
sen, so dass darauf eingetreten werden kann.
2.a) Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildet die Frage, ob die Vermitt-
lerin des Vermittleramtes des Bezirkes Hinterrhein das Verfahren aufgrund fehlen-
der Meldung des Beschwerdeführers in Bezug auf die Ausstellung des Leitscheins
zu Recht abgeschrieben hat. Gemäss Ziffer 2 der Abschreibungsverfügung wurde
die Frist zur Offenhaltung des Protokolls auf Antrag der klagenden Partei und im
Einverständnis der beklagten Partei einmalig bis zum 12. Mai 2011 verlängert. Im
Weiteren wird in der Abschreibungsverfügung unter Verweis auf Art. 72 der Bünd-
nerischen Zivilprozessordnung (ZPO-GR; BR 320.000) ausgeführt, dass diese
Fristverlängerung mit der Androhung verbunden werde, dass das Verfahren kos-
tenfällig abgeschrieben werde, sollte bis zum 12. Mai 2011 der Leitschein nicht
verlangt werden. Der Beschwerdeführer rügt vorliegend, dass er weder eine
schriftliche Bestätigung bezüglich der Fristerstreckung noch der Säumnisfolge er-
halten habe, obwohl dafür die Schriftform zwingend vorgeschrieben sei und eine
telefonische Ankündigung nicht zu genügen vermöge. Darauf wird nachfolgend
näher eingegangen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Ansetzung einer
Nachfrist sowie die Androhung der Säumnisfolgen in Schriftform zu ergehen ha-
ben und in welcher Form dies vorliegend den Parteien mitgeteilt worden ist.
b)
Die Klage wurde am 13. Dezember 2010 beim Kreispräsidenten des Krei-
ses Thusis zur Vermittlung angemeldet und damit rechtshängig. Gemäss Art. 404
Abs. 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung gilt für Verfahren, die bei Inkraft-
treten der Schweizerischen Zivilprozessordnung rechtshängig sind, das bisherige
Verfahrensrecht. Soweit es vorliegend um die Frage des Verfahrensablaufs bis zur
Abschreibungsverfügung geht, findet demzufolge das bisherige Recht - und damit
die Bündnerische Zivilprozessordnung - Anwendung.
Seite 6 — 13
c)
Gemäss Art. 72 ZPO-GR kann das Protokoll auf begründeten Antrag einer
Partei bis zu drei Monaten offengelassen werden, wobei die Gerichtsferien nicht
mitzurechnen sind. Nach Ablauf dieser Frist kann jede Partei die Ausstellung des
Leitscheins verlangen. Wird binnen einer vom Kreispräsidenten anzusetzenden
Nachfrist die Zustellung des Leitscheins nicht verlangt, kann dieser das Verfahren
kostenfällig abschreiben. Die Festsetzung von Säumnisfolgen ergibt sich grund-
sätzlich entweder aus dem Gesetz oder sie wird (bei dessen Schweigen) vom
Richter vorgenommen. Sie bezweckt zusammen mit der Androhung, den Parteien
den Nachteil des säumigen Handelns vor Augen zu führen. In allen Fällen, in de-
nen der Richter eine Frist ansetzt, sind in der Regel die Säumnisfolgen anzudro-
hen (BGE 87 III 96), und zwar sowohl bei den vom Richter wie bei den vom Ge-
setz bestimmten Fristen. Wo das Gesetz die einzelnen Säumnisfolgen festlegt,
geschieht dies meist dadurch, dass es eine ganz bestimmte Androhung vor-
schreibt. Es bindet damit den Eintritt der Säumnisfolgen an den Erlass einer ent-
sprechenden Androhung. Die Androhung ist die blosse Mitteilung, die den Emp-
fänger auf die Säumnisfolgen aufmerksam macht. Sie muss mit der ersten Vorla-
dung bzw. Anordnung erfolgen. Die Säumnisfolgen werden im Gesetz nicht ab-
schliessend geregelt. Es ist deshalb von Bedeutung, dass sie im Voraus festgelegt
und angedroht werden. Dadurch werden die Parteien davor bewahrt, sich aus
Unwissenheit prozessuale Nachteile zuzuziehen. Rechtsunkundigen Parteien wird
auf diese Weise ein Rechtsverlust erspart (vgl. Hauser/Schweri, Kommentar zum
zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 3. Auflage, Zürich 2002, N 5 zu § 196;
Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Auflage, Bern 2006, 9. Kapitel
N 96 ff.).
Art. 72 ZPO-GR normiert eine gesetzliche Säumnisfolge für den Fall, dass
die Zustellung des Leitscheins nicht verlangt wird. Die Folge besteht in der kosten-
fälligen Abschreibung des Verfahrens. Gemäss Art. 58 ZPO-GR - welcher auf-
grund der Gesetzessystematik auch für das Vermittlungsverfahren gilt - ist eine
Fristansetzung mit Säumnisfolgen in einer Verfügung anzudrohen. Damit wird klar
zum Ausdruck gebracht, dass die Ansetzung einer Nachfrist sowie deren Säum-
nisfolgen - insbesondere im Interesse der Rechtssicherheit - schriftlich in der Form
einer Verfügung zu erfolgen haben. Was der Rechtsvertreter des Beschwerdefüh-
rers und die Vermittlerin telefonisch miteinander besprochen haben, ist mithin un-
beachtlich und kann offen gelassen werden. Darüber hinaus war sich offensicht-
lich auch die Vermittlerin bewusst, dass sowohl die Nachfrist als auch die Andro-
hung von Säumnisfolgen schriftlich zu erfolgen haben, zumal sie im Nachgang an
Seite 7 — 13
das Telefongespräch eine entsprechende Verfügung erlassen hat (vgl. Schreiben
des Vermittleramtes des Bezirkes Hinterrhein vom 30. März 2011).
d)
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bringt im Weiteren vor, zu kei-
ner Zeit ein solches Schreiben bezüglich Fristerstreckung sowie deren Säumnis-
folgen erhalten zu haben. Die Vermittlerin des Vermittleramtes des Bezirkes Hin-
terrhein führt in ihrer Beschwerdeantwort vom 30. Juni 2011 diesbezüglich aus,
am 30. März 2011 habe man beiden Parteien die erneute Fristerstreckung bis am
12. Mai 2011 mit dem Hinweis auf eine kostenfällige Abschreibung zugestellt. Irr-
tümlicherweise seien beide Schreiben den Klienten persönlich anstelle deren
Rechtsvertreter per A-Post zugestellt worden. Die Bündnerische Zivilprozessord-
nung enthält - im Gegensatz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (vgl. Art.
137 ZPO) - keine explizite Regelung bezüglich der Zustellung von Gerichtsurkun-
den bei Vertretung. Demgegenüber normiert Art. 137 ZPO-CH, dass die gerichtli-
che Zustellung zwingend an die Vertretung erfolgen muss; die Zustellung an die
Partei persönlich ist insofern mangelhaft, als der Vertretene in der Regel anneh-
men darf, das Gericht habe seinem Vertreter ein Doppel des gleichen Schrift-
stücks zugestellt und dieser werde die nötigen Vorkehrungen treffen. Aus einer
mangelhaften Zustellung darf der Partei kein Nachteil erwachsen. Die mangelhafte
Zustellung kann daher in der Regel keinen Fristenlauf auslösen. Die Frist ist in
diesem Fall neu anzusetzen (vgl. Spühler/Tenchio/Infanger, Basler Kommentar
Schweizerische Zivilprozessordnung, 1. Auflage, Basel 2010, N 4 ff. zu Art. 137;
Thomas Sutter-Somm (Hrsg.); Franz Hasenböhler (Hrsg.); Christoph Leuenberger
(Hrsg.); Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, N 4
zu Art. 137). Entsprechende Regelungen sind auch dem kantonalen Prozessrecht
bekannt (z.B. Art. 108 ZPO/BE; § 74 ZPO/LU; Art. 72 ZPO/VD; Art. 17 ZPO/GE).
Auch wenn die Bündnerische Zivilprozessordnung keine explizite Regelung ent-
hält, widerspricht die direkte Zustellung an eine durch einen Rechtsanwalt vertre-
tene Partei der bündnerischen Gerichtspraxis. Die Pflicht zur Zustellung von Ge-
richtsurkunden - das heisst von Vorladungen, Fristansetzungen, prozessleitenden
Verfügungen, Endentscheiden (vgl. Vogel/Spühler, a.a.O., Kapitel 9 N. 11) - an
den Rechtsanwalt ergibt sich einerseits aus dessen rechtlicher Stellung zum Ge-
richt und andererseits aus dem Mandatsverhältnis zwischen Anwalt und Partei.
Eine alleinige Zustellung an den Rechtsvertreter ist nicht zuletzt in Anbetracht der
Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit als rechtsgültig anzunehmen. Es entspricht
mithin der auf der Grundlage der Bündnerischen Zivilprozessordnung beruhenden
Gerichtspraxis, dass eine anwaltlich vertretene Partei darauf vertrauen darf, dass
amtliche Mitteilungen direkt an ihren Rechtsvertreter gerichtet werden und die Zu-
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stellung behördlicher Anordnungen rechtsgültig nur gegenüber dem Anwalt des
Betroffenen erfolgen können (vgl. auch Hauser/Schweri, a.a.O., N 5 zu § 187, N 6
zu § 176, PKG 1998 Nr. 32). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die
Zustellung der Verfügung vom 30. März 2011 betreffend Ansetzung einer Nachfrist
und den entsprechenden Säumnisfolgen einzig an die Parteien und nicht auch an
deren Rechtsvertreter einen unheilbaren Mangel darstellt. Die Frist zur Offenhal-
tung des Protokolls sowie deren Säumnisfolgen ist folglich neu anzusetzen. So-
weit in der Beschwerde die Aufhebung der Abschreibungsverfügung verlangt wird,
erweist sie sich demnach als begründet und ist folglich in diesem Punkt gutzuheis-
sen.
3.)
Der Beschwerdeführer beantragt im Weiteren, das Vermittleramt Bezirk
Hinterrhein sei anzuweisen, den Leitschein auszustellen. Die Beschwerde im Sin-
ne von Art. 319 ff. ZPO hat grundsätzlich kassatorische Wirkung. Das heisst, bei
ihrer Gutheissung wird der angefochtene Entscheid aufgehoben und das Verfah-
ren an die erste Instanz zurückgewiesen. Wenn die Sache spruchreif ist, kann die
Rechtsmittelinstanz aber auch einen reformatorischen Entscheid treffen und in der
Sache selber entscheiden (vgl. Gasser/Rickli, a.a.O., N 2 f. zu Art. 327). Da die
vorliegende Streitsache nicht spruchreif ist, ist die Beschwerdeinstanz zu einer
derartigen Anweisung nicht befugt. Sie kann einzig das Vermittleramt anweisen,
die Nachfrist neu anzusetzen (vgl. dazu entsprechende Anweisungen in Erwägung
2 des vorliegenden Urteils). Dem Antrag um Anweisung an die Vorinstanz zur
Ausstellung eines Leitscheins kann folglich nicht nachgekommen werden, weshalb
die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen ist.
4.)
Der Beschwerdeführer verlangt in seiner Beschwerde an das Kantonsge-
richt von Graubünden vom 8. Juni 2011 schliesslich, das Vermittleramt Bezirk Hin-
terrhein habe dem Beschwerdeführer CHF 750.00 zuzüglich Mehrwertsteuer, das
heisst CHF 810.00 als Entschädigung zu bezahlen. Die amtlichen Kosten seien
dem Vermittleramt Bezirk Hinterrhein aufzuerlegen. Diesem Antrag fehlt jegliche
Begründung. Es ist weder ersichtlich, auf welche Grundlage sich der Beschwerde-
führer bei der Geltendmachung dieser Entschädigung stützt, noch wie sie sich zu-
sammensetzt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, ob es sich dabei um einen
Entschädigungsanspruch für das Vermittlungsverfahren oder um einen solchen für
das Beschwerdeverfahren handelt. Mangels Substantiierung ist auf diesen Antrag
daher nicht einzutreten.
5.)
Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Beschwerdeantwort, die Be-
schwerde sei in Bezug auf den Kostenentscheid der Vermittlerin (Ziffer 4 der an-
Seite 9 — 13
gefochtenen Abschreibungsverfügung) stattzugeben; im Weiteren sei die Be-
schwerde vollumfänglich abzulehnen. Der Beschwerdegegnerin sei CHF 1‘422.80
als ausseramtliche Entschädigung zuzusprechen. Der eingereichten Honorarnote
entsprechend, handelt es sich bei diesem Betrag um die Aufwendungen des
Rechtsvertreters der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Vermittle-
ramt des Bezirkes Hinterrhein (vgl. act. 06/3). Gemäss Ziffer 4 der Abschreibungs-
verfügung wurden für das Verfahren keine Kosten erhoben, da es sich um eine
Forderung gemäss Art. 343 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR; SR
220) handle. Die ausseramtlichen Kosten wurden wettgeschlagen. Die Beschwer-
degegnerin stellt vorliegend in ihrer Beschwerdeantwort bezüglich der Verteilung
der ausseramtlichen Kosten einen eigenen Entschädigungsanspruch. Gemäss Art.
323 ZPO ist eine Anschlussbeschwerde jedoch ausgeschlossen. Die Beschwer-
degegnerin hätte die Abschreibungsverfügung und insbesondere die Wettschla-
gung der Kosten selbständig anfechten müssen, falls sie mit dem diesbezüglichen
Entscheid der Vermittlerin nicht einverstanden gewesen wäre. Dies hat sie jedoch
unterlassen. Zur Stellung eigener Rechtsbegehren in ihrer Beschwerdeantwort ist
die Beschwerdegegnerin jedoch nicht legitimiert. Auf dieses Begehren kann somit
nicht eingetreten werden.
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass bei Gutheissen eines Rechtsmit-
tels und Rückweisung an die Vorinstanz - wie es vorliegend der Fall ist -, diese
auch über die amtlichen und ausseramtlichen Kosten neu zu befinden hat. Das
Verfahren vor der Vorinstanz ist mit der Rückweisung noch gar nicht abgeschlos-
sen und der Rechtsmittelinstanz steht es daher nicht zu, über die Kostenverteilung
zu befinden. Über die ausseramtliche Entschädigung im vorinstanzlichen Verfah-
ren ist vorliegend nicht zu befinden. Diese wird das Vermittleramt des Bezirkes
Hinterrhein aufgrund der Rückweisung der Streitsache im neuen Entscheid festzu-
legen haben. Dasselbe gilt sinngemäss auch für die amtlichen Kosten.
6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, die ange-
fochtenen Abschreibungsverfügung aufzuheben und die Sache im Sinne der Er-
wägungen an das Vermittleramt des Bezirkes Hinterrhein zur Fortsetzung des Ver-
fahrens zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit dar-
auf eingetreten werden kann. Hinsichtlich der Beschwerdeantwort bleibt festzuhal-
ten, dass auf das Rechtsbegehren Ziffer 2 nicht einzutreten ist.
7.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die gerichtlichen und aussergerichtli-
chen Kosten gemäss den nachfolgenden Erwägungen zu verlegen.
Seite 10 — 13
a)
Gemäss Art. 114 lit. c ZPO dürfen bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsver-
hältnis bis Fr. 30'000.00 den Parteien weder Gebühren noch Auslagen des Ge-
richts auferlegt werden. Vorliegend wurden im Schlichtungsverfahren Fr.
30'000.00 geltend gemacht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gehen daher
zu Lasten des Kantons Graubünden.
b/1) Was die Parteientschädigung als weiteren Teil der Prozesskosten betrifft,
gelten die Verteilungsgrundsätze nach Art. 106 ZPO. Gemäss Art. 106 Abs. 1
ZPO sind diese der unterliegenden Partei aufzuerlegen. Hat keine Partei vollstän-
dig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens ver-
teilt. Dieser Verteilungsgrundsatz nach dem Erfolgsprinzip entspricht dem im Zivil-
prozess geltende Hauptgrundsatz für die Kostenverteilung (Guldener, Schweizeri-
sches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich, 1979, S. 406; Vogel/Spühler, a.a.O., §
49 N 1 ff.). Dieses Prinzip beruht auf der Vermutung, dass die unterliegende Partei
die Kosten verursacht hat. Wer ein Rechtsmittel ergreift oder sich auf ein Rechts-
mittelverfahren einlässt und entsprechende Begehren stellt, hat mit seinem Unter-
liegen zu rechnen und die damit verbundenen finanziellen Folgen zu tragen. Die
Frage, welche Partei unterlegen ist und damit die Kosten des Verfahrens zu tra-
gen hat, beurteilt sich nach Massgabe des Rechtsbegehrens (vgl. BGE
4A_146/2011 E. 3.3).
b/2) Vorliegend ist der Beschwerdeführer mit seinem Hauptantrag um Aufhe-
bung der Abschreibungsverfügung durchgedrungen und die Beschwerde wurde in
diesem Punkt gutgeheissen. Die Beschwerdegegnerin hingegen beantragte dies-
bezüglich die Abweisung der Beschwerde und ist folglich in diesem Punkt unterle-
gen. Eine vollumfängliche Kostenüberbindung auf die Beschwerdegegnerin recht-
fertigt sich jedoch nicht. Der Beschwerdeführer ist insbesondere mit seinem
Rechtsbegehren bezüglich des Antrags um Anweisung an das Vermittleramt des
Bezirkes Hinterrhein, dieses habe den Leitschein auszustellen (vgl. Ziffer 2 der
Rechtsbegehren), nicht durchgedrungen. Zudem konnte auf seinen Antrag bezüg-
lich der ausseramtlichen und amtlichen Kostenverteilung (vgl. Ziffer 3 der Rechts-
begehren) aufgrund fehlender Substantiierung nicht eingetreten werden. Anderer-
seits ist zu beachten, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeantwort
an das Kantonsgericht von Graubünden vom 1. Juli 2011 einen eigenständigen
Antrag bezüglich der Abänderung der ausseramtlichen Kostenverteilung der ange-
fochtenen Abschreibungsverfügung gestellt hat. Dazu ist sie jedoch nicht legiti-
miert, sondern hätte vielmehr die Kostenverteilung der angefochtenen Abschrei-
bungsverfügung selbständig anfechten müssen; insbesondere ist eine Anschluss-
beschwerde unzulässig (vgl. Art. 323 ZPO). In Würdigung all dieser Umstände
Seite 11 — 13
erscheint es angemessen, eine Kostenverteilung im Verhältnis 1:2 zwischen dem
Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin vorzunehmen. Für die recht kurz
gefasste Beschwerde erscheint ein Aufwand von wenig mehr als einer Stunde als
der Schwierigkeit und Bedeutung der Streitsache angemessen. Nicht anders ver-
hält es sich bezüglich der Beschwerdeantwort. Somit ergibt sich bei einem Stun-
denansatz von Fr. 240.-- zuzüglich 8% Mehrwertsteuer ein Betrag in der Höhe von
Fr. 300.--. In Berücksichtigung vorstehender Erwägungen und bei einer Aufteilung
der Kosten im Verhältnis 1:2 zu Lasten der Beschwerdegegnerin hat diese demzu-
folge den Beschwerdeführer ausseramtlich mit Fr. 100.-- inkl. Mehrwertsteuer zu
entschädigen.
Seite 12 — 13
III. Demnach wird erkannt 1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, die angefochtene Abschrei-
bungsverfügung aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an
das Vermittleramt des Bezirkes Hinterrhein zur Fortsetzung des Verfahrens
zurückgewiesen.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
3.
Auf das Rechtsbegehren Ziffer 2 in der Beschwerdeantwort der Beschwer-
degegnerin vom 1. Juli 2011 wird nicht eingetreten.
4.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1‘200.-- gehen zu Lasten
des Kantons Graubünden.
5.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer ausseramtlich mit Fr.
100.-- inkl. Mehrwertsteuer zu entschädigen.
6.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 des Bundesgerichtsgeset-
zes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesge-
richt geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, in-
nert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entschei-
dung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen.
Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Vorausset-
zungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und
Art. 90 ff. BGG.
7.
Mitteilung an:
Seite 13 — 13
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