Kantonsgericht von Graubünden Dretgira chantunala dal Grischun Tribunale cantonale dei Grigioni ___________________________________________________________________________________________________
Ref.:
Chur, 21. März 2011
Schriftlich mitgeteilt am:
SK1 11 10
[nicht mündlich eröffnet]
Urteil I. Strafkammer Vorsitz
Schlenker
RichterInnen
Brunner und Michael Dürst
Redaktion
Aktuarin ad hoc Ambühl
In der strafrechtlichen Berufung
des X., Angeklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur.
Thomas Schütt, Truoch Serlas 3, 7500 St. Moritz,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Maloja vom 16. November 2010, mit-
geteilt am 18. Januar 2011, in Sachen der S t a a t s a n w a l t s c h a f t G r a u -
b ü n d e n , Sennhofstrasse 17, 7001 Chur, Anklägerin und Berufungsbeklagte,
gegen den Angeklagten und Berufungskläger,
betreffend Widerhandlung gegen Vorschriften des Strassenverkehrsgesetzes,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt A.
X. wurde am 3. April 1987 in C. geboren. Er ist Schweizer Staatsangehöri-
ger und wohnt an der A. in G.. X. ist ledig und arbeitet als Elektromonteur bei der _
in B.. Sein monatliches Nettoeinkommen beträgt seinen Angaben zufolge ca. Fr.
4‘000.- netto. Im Jahre 2008 versteuerte er ein Nettoeinkommen von Fr. 29‘000.-.
Er hat zudem Schulden in der Form eines Bankkredits in der Höhe von Fr.
15‘000.- und zahlt seinen Eltern, bei denen er wohnt, monatlich einen Betrag in
der Höhe von Fr. 600.-.
B.
X. ist weder im Schweizerischen Zentralstrafregister noch im Register für
Administrativmassnahmen (ADMAS) verzeichnet. Gemäss dem Leumundsbericht
der Kantonspolizei C. geniesst X. einen sehr guten Leumund.
C.
Gemäss dem Polizeirapport vom 28. Februar 2009 ereignete sich am 15.
Januar 2009 um 05.35 Uhr ein Verkehrsunfall, welcher sich wie folgt zugetragen
haben soll:
„F. fuhr am 15. Januar 2009/ 05:35 Uhr mit dem Personenwagen Peu-
geot GR _ auf der Umfahrungsstrasse M. in Richtung D.. Direkt hinter
ihm folgte der Lenker E. mit dem Personenwagen VW Golf GR _. An
dritter Stelle fahrend Y. mit dem Personenwagen Subaru GR _ (dessen
Halter X. war). Als plötzlich auf der Geraden Y. zum Überholen ansetzte
und neben dem VW Golf links vorbeifuhr, kam er auf der verschneiten
Fahrbahn ins Rutschen. Dabei kollidierte er mit seiner rechten Fahr-
zeugfront in die hintere linke Stossstande des an erster Stelle korrekt
fahrenden Peugeots GR _. Durch die Streifkollision kamen beide Fahr-
zeuge ins Schleudern und kollidierten mit der linksseitigen Leitplanke
sowie mit der Schneemauer. Der vor dem Unfall an zweiter Stelle fah-
rende Personenwagen VW Golf wurde bei dieser Streifkollision nicht in
Mitleidenschaft gezogen. Er fuhr jedoch rechts an der Unfallstelle vorbei
ohne sich um den Sachschaden oder den Verletzten zu kümmern. Der
Lenker des stark beschädigten Subarus wendete das Fahrzeug und ver-
liess ebenfalls fluchtartig die Unfallstelle in Richtung O.. F. verblieb als
Einziger leicht verletzt auf der Unfallstelle und wartete das Eintreffen der
Polizei ab. Sein Fahrzeug erlitt dabei grossen Sachschaden.“ D.
Aufgrund dieses Sachverhaltes wurde X. vom Kreispräsidenten des Kreises
Oberengadin mit Strafmandat gemäss Art 170 des Gesetzes über die Strafrechts-
pflege des Kantons Graubünden (StPO; BR 350.000) vom 1. Oktober 2009, mitge-
teilt am 1. Oktober 2009, des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von
Art. 51 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR 741.01) in Verbindung mit
Art. 91 Abs. 1 SVG sowie der Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 3 der Verkehrsre-
gelnverordnung (VRV; SR 741.11) in Verbindung mit Art. 96 VRV schuldig ge-
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sprochen und zu einer Busse von Fr. 300.-, ersatzweise zu 3 Tagen Freiheitsstra-
fe, verurteilt.
E.
Gegen dieses Strafmandat erhob X. fristgerecht Einsprache, worauf das
Kreisamt Oberengadin die Akten im Sinne von Art. 175 Abs. 1 StPO dem Bezirks-
gerichtspräsidenten Maloja zur Durchführung des ordentlichen Verfahrens über-
wies. Dabei führte X. insbesondere aus, dass er die Verurteilung wegen pflichtwid-
rigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art.
91 Abs. 1 SVG akzeptiere. Die Einsprache beziehe sich lediglich gegen die im
Strafmandat aufgeführte Verurteilung wegen Überlassens des Fahrzeuges an ei-
nen Fahrunfähigen im Sinne von Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV.
F.
Mit Verfügung vom 29 März 2010, mitgeteilt am 29 März 2010, wurde X.
vom Bezirksgerichtspräsidium Maloja wegen Verletzung von Verkehrsregeln ge-
mäss Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV in Anklagezustand ver-
setzt.
G.
Mit Urteil vom 16. November 2010, schriftliches Urteilsdispositiv mitgeteilt
am 17. November 2010, vollständig ausgefertigtes Urteil mitgeteilt am 18. Januar
2011, erkannte der Bezirksgerichtsausschuss Maloja was folgt:
„1. X. ist schuldig des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfal im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 91 Abs. 1 SVG sowie der Widerhandlung
gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV. 2. Dafür wird er zu einer Busse von CHF 300.-, ersatzweise zu einer Freiheits- strafe von 3 Tagen, verurteilt. 3. Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus:
- Barauslagen inkl. polizeiliche Tatbestandsaufnahme CHF - - den kreisamtlichen Gebühren des Mandatsverfahrens CHF 270.00 - der Busse CHF 300.00 - den Kosten für den Kompetenzentscheid CHF 50.00 - der Gerichtsgebühr CHF 1‘000.00 Total CHF 1‘620.00 werden X. auferlegt. Die Gesamtkosten, zuzüglich der Busse von CHF 300.-, be-
laufen sich auf CHF 1‘620.-. 4. (Rechtsmittelbelehrung). 5. (Mitteilung).“ Der Bezirksgerichtsausschuss Maloja führte dabei im Wesentli-
chen aus, dass der Angeklagte mit der Einsprache den Tatbestand des
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pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall anerkannt habe. Der Bezirksge-
richtsausschuss Maloja prüfte in der Folge insbesondere die Strafbarkeit
von X. in Bezug auf Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV. Es
gehe dabei insbesondere darum, dass Y. das Fahrzeug des Angeklagten
nach dem Ausgang nach Hause gefahren habe. Der Angeklagte habe
diesbezüglich ausgeführt, dass es durchaus üblich sei, dass für den Aus-
gang Fahrgemeinschaften gebildet würden und der Fahrer für den Abend
ganz abstinent bleibe. Der Bezirksgerichtsausschuss Maloja hielt diesbe-
züglich fest, dass ein solches Vorgehen dann aber zuvor abgesprochen
werde und es sich dabei vorwiegend um Personen handle, die sich besser
kennen würden. Hingegen sei es wenig überzeugend, dass der Angeklag-
te sein Fahrzeug einer Person überlasse, die er lediglich vom Ausgang
her kenne und die er dort jeweils habe Alkohol konsumieren sehen. Aus
dem Umstand, dass er Y. an jenem Abend nie mit einem Glas Alkohol in
der Hand gesehen habe, könne der Angeklagte nichts zu seinen Gunsten
ableiten. Es erscheine somit als Schutzbehauptung, dass der Angeklagte
so stark betrunken gewesen sein solle und daher in seiner Wahrnehmung
so eingeschränkt gewesen sei, dass er die Fahrfähigkeit von Y. nicht mehr
zuverlässig habe prüfen können. Nachdem er Y. kaum gekannt habe, hät-
te der Angeklagte mit dem Anvertrauen seines Fahrzeuges noch viel vor-
sichtiger sein müssen. Von dieser Person habe er insbesondere die Trink-
gewohnheiten nicht genau gekannt. Das Überlassen des Fahrzeuges an
eine fremde Person sei auch nicht aus einer Zwangslage heraus erfolgt.
Der Angeklagte hätte nicht nach Hause kommen müssen. Er hätte auch in
N. übernachten können. Unter diesen Umständen habe es der Angeklagte
in Kauf genommen, sein Fahrzeug einer nicht mehr fahrfähigen Person zu
überlassen. Schliesslich habe es der Angeklagte unterlassen, mit genü-
gender Aufmerksamkeit die Fahrfähigkeit von Y. abzuklären. X. sei daher
wegen Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96
VRV schuldig zu sprechen.
H.
Gegen dieses Urteil liess X. am 8. Februar 2011 beim Kantonsgericht
Graubünden Berufung mit folgenden Rechtsbegehren einlegen:
„1. Der Angeklagte sei vom Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV freizusprechen. 2. Ziff. 1 des Urteilsdispositivs sei in dem Sinne abzuändern, dass der Angeklagte wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von
Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 SVG schuldig
gesprochen wird. Seite 4 — 14
3. Die mit dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Busse sei ange- messen zu reduzieren, so dass nur noch das pflichtwidrige Verhalten
bei Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92
Abs. 1 SVG bestraft wird. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge in Bezug auf die Abänderung gemäss Ziff. 2 und in Bezug auf den in Ziff. 1 genannten Tatbestand
für das Strafmandatsverfahren, für das Verfahren vor dem Bezirksge-
richtsausschuss Maloja und für das Berufungsverfahren zu Lasten
des Staates.“ In Bezug auf die Verurteilung wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei
Unfall führte der Berufungskläger aus, dass er diesen Vorwurf anerkenne,
es sei das Urteilsdispositiv jedoch abzuändern, denn er sei nicht gestützt
auf Art. 91 Abs. 1 SVG zu bestrafen, sondern gestützt auf Art. 51 Abs. 2
SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 SVG. Bezüglich der Verurteilung
wegen Überlassens des Fahrzeuges an einen Fahrunfähigen macht X.
geltend, diesen Straftatbestand in subjektiver Hinsicht nicht erfüllt zu ha-
ben. Er habe Y. im Verlaufe des Abends gefragt, ob er Alkohol konsumiert
habe. Da Y. dies verneinte, habe er ihn gefragt, ob er ihn mit seinem Su-
baru nach Hause fahren könne. Dies habe zu vorgerückter Stunde gewe-
sen sein müssen, da Y. bis gegen 02.00 Uhr im Restaurant H. in D. gewe-
sen sei und erst danach nach N. gefahren sei. Vor der Ankunft von Y. in
N. habe dieser auf den ganzen Tag verteilt viel Alkohol getrunken, dies
jedoch in Abwesenheit von X.. Auch habe der Berufungskläger Y. in N.
keinen Alkohol konsumieren sehen und er habe ihn ausdrücklich gefragt,
ob er Alkohol getrunken habe, was dieser wie erwähnt verneint habe. Aus
diesen Gründen könne dem Berufungskläger keine pflichtwidrige Unvor-
sichtigkeit in Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB vorgeworfen werden, weshalb
selbst Fahrlässigkeit ausscheide. Man könne vom Berufungskläger, wel-
cher Y. nichts trinken gesehen habe, nicht mehr verlangen, als zu fragen,
ob er getrunken habe. X. sei deshalb von Schuld und Strafe freizuspre-
chen.
I.
Mit Eingabe vom 14. Februar 2011 beziehungsweise 15. Februar 2011 ver-
zichteten sowohl die Vorinstanz als auch die Staatsanwaltschaft von Graubünden
auf eine Vernehmlassung.
Auf die weiteren Ausführungen in der Rechtsschrift sowie im angefochtenen
Urteil wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
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II. Erwägungen 1.
Das angefochtene Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Maloja wurde am
16. November 2010 und somit vor der per 1. Januar 2011 in Kraft getretenen eid-
genössischen Strafprozessordnung erlassen, so dass die dagegen erhobene Be-
rufung nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Instanzen, beurteilt
wird (Art. 453 Abs. 1 der eidgenössischen Strafprozessordnung; SR 312.0). Dem-
zufolge gelangt im vorliegenden Verfahren weiterhin die bündnerische Strafpro-
zessordnung (nachfolgend StPO) zur Anwendung.
2.
Gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte und ihrer Ausschüsse
sowie gegen Verfügungen der Bezirksgerichts- und Kreispräsidenten können der
Verurteilte, das Opfer und der Staatsanwalt beim Kantonsgericht Berufung einle-
gen (Art. 141 Abs. 1 StPO). Diese ist innert zwanzig Tagen seit der schriftlichen
Eröffnung des angefochtenen Entscheides einzureichen; sie ist zu begründen und
hat darzutun, welche Mängel des erstinstanzlichen Entscheides gerügt werden
und ob das ganze Urteil oder lediglich Teile davon angefochten werden (Art. 142
Abs. 1 StPO). Diesen Anforderungen vermag die im Übrigen form- und fristgerecht
eingereichte Berufung von X. zu genügen, weshalb darauf einzutreten ist.
3.a) Der Vorsitzende führt von Amtes wegen oder auf Antrag eine mündliche
Berufungsverhandlung durch, wenn die persönliche Befragung des Angeklagten
für die Beurteilung der Streitsache wesentlich ist (Art. 144 Abs. 1 StPO). Findet
keine mündliche Verhandlung statt, so trifft das Kantonsgericht seinen Entscheid
ohne Parteivortritt auf Grund der Akten (Art. 144 Abs. 3 StPO). Der Angeschuldig-
te in einem Strafverfahren hat aber unabhängig von der kantonalen Verfahrens-
ordnung gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK Anspruch darauf, dass seine Sache in
billiger Weise öffentlich gehört wird. Dieser Anspruch ist Teilgehalt der umfassen-
den Garantie auf ein faires Verfahren. Das Gebot der Verfahrensöffentlichkeit gilt
dem Grundsatz nach nicht nur für das erstinstanzliche Strafverfahren, sondern
erstreckt sich auf die Gesamtheit eines Strafverfahrens inklusive des gesamten
Rechtsmittelweges, somit auch auf das Berufungsverfahren gemäss Art. 141 ff.
StPO.
b)
Der Berufungskläger hat im vorliegenden Fall nicht die Durchführung einer
mündlichen Berufungsverhandlung verlangt. Es besteht aber auch kein Grund,
dass das urteilende Gericht von sich aus (vgl. hierzu Art. 144 Abs. 1 StPO) eine
mündliche Berufungsverhandlung anordnet, nachdem die Vorinstanz öffentlich
verhandelt hat, bezüglich des strittigen Sachverhaltes keine zusätzlichen Auf-
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schlüsse von einer mündlichen Verhandlung zu erwarten sind, eine reformatio in
peius ausgeschlossen ist und sich ferner im vorliegenden Fall keine Fragen zur
Person und zum Charakter des Berufungsklägers stellen, welche sich nicht mit
genügender Hinlänglichkeit aufgrund der Akten beantworten lassen. Zudem steht
einem nichtöffentlichen Verfahren kein wichtiges öffentliches Interesse entgegen
(vgl. BGE 119 Ia 318). Die streitige Strafsache kann somit gestützt auf die vorlie-
genden Akten sachgerecht entschieden werden. Ein persönliches Vortreten von X.
vor dem Gericht ist daher nicht notwendig.
4.a) Für das Berufungsverfahren ist zu beachten, dass dem Kantonsgericht als
Berufungsinstanz eine umfassende, uneingeschränkte Kognition zukommt (Art.
146 Abs. 1 StPO). Das vorinstanzliche Urteil kann jedoch nur im Rahmen der in
der Berufung oder Anschlussberufung gestellten Anträge überprüft werden
(Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, 2. Auf-
lage, Chur 1996, S. 375 mit Hinweisen).
b)
Die Vorinstanz hat X. des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von
Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 91 Abs. 1 SVG sowie der Widerhand-
lung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV schuldig gesprochen.
Gegen das vorinstanzliche Urteil hat X. Berufung eingelegt und beantragt unter
anderem, er sei vom Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Ver-
bindung mit Art. 96 VRV freizusprechen. Des Weiteren sei Ziffer 1 der Urteils-
dispositivs in dem Sinne abzuändern, dass der Angeklagte wegen pflichtwidrigen
Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92
Abs. 1 SVG schuldig gesprochen werde. Im Übrigen sei die mit dem angefochte-
nen Urteil ausgesprochene Busse zu reduzieren, so dass nur noch das pflichtwid-
rige Verhalten bei Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art.
92 Abs. 1 SVG bestraft werde.
c)
Der Berufungskläger macht in Bezug auf die Verurteilung wegen pflichtwid-
rigen Verhaltens bei Unfall im Wesentlichen geltend, dass er diesen Tatbestand
anerkenne. Jedoch habe die Vorinstanz den falschen Tatbestand angewendet,
weshalb das Urteilsdispositiv dahingehend abzuändern sei, dass der Angeklagte
gestützt auf Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 SVG zu verurtei-
len sei.
Wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt,
wird gemäss Art. 92 Abs. 1 SVG wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall mit
Busse bestraft. Die Verhaltenspflichten bei Unfällen sind unter anderem in Art. 51
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SVG festgelegt. Art. 91 Abs. 1 SVG betrifft hingegen einen völlig anderen Tatbe-
stand. Auch die Staatsanwaltschaft Graubünden führte in ihrem Kompetenzent-
scheid vom 26. Mai 2009 in Verbindung mit Art. 51 Abs. 2 SVG den Tatbestand
gemäss Art. 92 Abs. 1 SVG auf (vgl. act. 10). Der Kreispräsident des Kreises
Oberengadin verurteilte X. jedoch fälschlicherweise unter anderem wegen pflicht-
widrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit
Art. 91 Abs. 1 SVG. Anlässlich seiner Einsprache gegen das Strafmandat des
Kreispräsidenten des Kreises Oberengadin führte X. aus, dass er die Verurteilung
wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall anerkenne, nicht jedoch seine Verur-
teilung wegen Überlassens des Fahrzeuges an einen Fahrunfähigen im Sinne von
Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV. Wird gegen ein Strafmandat
Einsprache im Sinne von Art. 174 StPO erhoben, so fällt das Strafmandat insge-
samt dahin und es wird das ordentliche Verfahren durchgeführt. Daher musste die
Vorinstanz richtigerweise auch den Tatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens bei
Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in seinem Urteil abhandeln beziehungs-
weise in sein Urteilsdispositiv aufnehmen. Dabei hat sie die Tatbestände des
Strafmandates des Kreispräsidenten des Kreises Oberengadin vom 1. Oktober
2009 ohne nähere Prüfung übernommen und X. so fälschlicherweise wegen
pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbin-
dung mit Art. 91 Abs. 1 SVG schuldig gesprochen. Da diese beiden Tatbestände
jedoch in keinem Zusammenhang stehen, ist das vorinstanzliche Urteil im Sinne
der vorangehenden Ausführungen abzuändern und X. wegen pflichtwidrigen Ver-
haltens bei Unfall im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs.
1 SVG schuldig zu sprechen.
d)
Der Berufungskläger bringt in seiner Berufung an das Kantonsgericht von
Graubünden vom 8. Februar 2011 im Weiteren vor, er sei vom Vorwurf der Wider-
handlung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV frei zu sprechen.
Dabei macht er im Wesentlichen geltend, dass er den subjektiven Tatbestand die-
ser Bestimmung nicht erfülle, insbesondere könne ihm keine pflichtwidrige Unvor-
sichtigkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB vorgeworfen werden. Er habe Y. wäh-
rend des ganzen Abends nichts trinken sehen und man könne von ihm nicht mehr
verlangen, als zu fragen, ob er (gemeint ist Y.) getrunken habe. Die Vorinstanz
macht demgegenüber geltend, der Angeklagte habe pflichtwidrig unvorsichtig ge-
handelt und habe nicht diejenige Vorsicht beachtet, zu der er aufgrund seiner per-
sönlichen und konkreten Umstände verpflichtet gewesen wäre. X. habe es in Kauf
genommen, sein Fahrzeug einer nicht mehr fahrfähigen Person zu überlassen und
habe es dabei unterlassen, mit genügender Aufmerksamkeit die Fahrfähigkeit von
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Y. abzuklären. Nachfolgend gilt es demnach zu prüfen, ob die Vorinstanz X. zu
Recht der Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV
schuldig gesprochen hat.
5.a) Gemäss Art. 144 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StPO ent-
scheidet das Gericht bei der Würdigung der Beweismittel nach freier Überzeu-
gung. Der Richter hat danach frei von gesetzlichen Beweisregeln und nur nach
seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegen-
den Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält oder
nicht (vgl. BGE 115 IV 268 f.). Aufgabe des Richters ist es, ohne Bindung an Be-
weisregeln an sich mögliche Zweifel zu überwinden und sich mit Überzeugung für
einen bestimmten Sachverhalt zu entscheiden, wobei die Bildung der Überzeu-
gung objektivier- und nachvollziehbar sein muss. Zu den verschiedenen Beweis-
mitteln ist anzuführen, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung eine
Rangordnung verbietet. Insbesondere sind die Aussagen von Zeugen und Ange-
schuldigten voll gültige Beweismittel mit derselben Beweiseignung. Bei der Würdi-
gung der Beweise ist weniger die Form, sondern vielmehr der Gesamteindruck,
das heisst die Art und Weise der Bekundung sowie die Überzeugungskraft mass-
gebend. Entscheidend ist mit anderen Worten allein die Beweiskraft der konkreten
Beweismittel im Einzelfall (Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafpro-
zessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, § 54 N 5, S. 246).
b)
Nach Art. 2 Abs. 3 VRV darf niemand ein Fahrzeug einem Führer überlas-
sen, der nicht fahrfähig ist. Art. 31 Abs. 2 SVG bestimmt sinngemäss, wer ange-
trunken, übermüdet oder sonst nicht fahrfähig sei, dürfe kein Fahrzeug führen. X.
müsste dabei nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv der Vorwurf gemacht wer-
den können, er habe vorsätzlich oder fahrlässig sein Fahrzeug einer Person über-
lassen, welche nicht fahrfähig ist.
c)
Vorliegend kann - entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen - nicht rest-
los geklärt werden, ob der Tatbestand von Art. 2 Abs. 3 VRV objektiv erfüllt ist,
mithin ob Y. zum Zeitpunkt der Fahrt fahrunfähig im Sinne von Art. 31 Abs. 2 SVG
war. Y. gab anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme vom 15. Januar 2009
zwar zu Protokoll, dass er vor dem Unfall Alkohol konsumiert habe. Er gab an, am
14. Januar 2009 zum Mittagessen einen halben Liter Bier und während des
Nachmittages drei Stangen Bier getrunken zu haben. Zwischen 18.00 Uhr und
19.00 Uhr habe er zum Nachtessen drei Gläser Wein konsumiert. Danach habe er
im Restaurant H. in D. drei bis vier Gläser Whisky getrunken. Dieses Lokal habe
er dann so gegen 02.00 Uhr verlassen. Im I. in N. habe er schliesslich noch einmal
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zwei bis drei Whisky getrunken. Die letzte Konsumation habe in der Nacht vom 15.
Januar 2009 gegen 04.30 Uhr im I. in N. stattgefunden. Der Atemlufttest, welcher
am 15. Januar 2009 um 20.15 Uhr durchgeführt worden ist, ergab 0.00 Gewichts-
promille. Die angegebene Menge Alkohol wurde über einen längeren Zeitraum -
das heisst zwischen der Mittagszeit vom 14. Januar 2009 und den frühen Morgen-
stunden des 15. Januar 2009 - konsumiert. Während dieser Zeit hat Y. stets auch
zwischen 0.10 und 0.15 Gewichtspromille Alkohol pro Stunde abgebaut. Ob Y.
zum Zeitpunkt der Fahrt daher tatsächlich fahrunfähig war, kann aufgrund der Ak-
ten nicht schlüssig geklärt werden. Verlässliche Angaben dazu fehlen und selbst
eine rein hypothetische Berechnung aufgrund der konsumierten Alkoholmenge
und des über insgesamt rund 16 Stunden erfolgten Abbaus führt zu keinem ver-
lässlichen Ergebnis. Selbst wenn bei Y. jedoch hypothetisch eine Fahrunfähigkeit
angenommen würde, muss - wie nachfolgend aufgezeigt werden kann - der sub-
jektive Tatbestand und damit die Strafbarkeit von X. in Bezug auf einen Verstoss
gegen Art. 2 Abs. 3 VRV verneint werden.
d.)
Gemäss Art. 100 Ziffer 1 SVG ist auch eine fahrlässige Handlung strafbar,
sofern es dieses Gesetz (inklusive die Vollziehungsverordnungen) nicht ausdrück-
lich anders bestimmt. Nach Art. 2 Abs. 3 VRV darf niemand einem Führer das
Fahrzeug überlassen, der nicht fahrfähig ist. Dieser Tatbestand kann somit sowohl
vorsätzlich als auch fahrlässig erfüllt werden. Fahrlässig handelt, wer die Folgen
seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf
nicht Rücksicht genommen hat (Art. 12 Abs. 3 Satz 1 StGB). Pflichtwidrig ist die
Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den
Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12
Abs. 3 Satz 2 StGB). Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten,
bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach
diesen Vorschriften. Das schliesst jedoch nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrläs-
sigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefah-
rensatz gestützt werden kann (BGE 129 IV 282 E. 2.1; 121 IV 10 E. 3, jeweils mit
Hinweisen). Vorliegend ist insbesondere zu prüfen, ob X. in Bezug auf das Über-
lassen seines Fahrzeuges an Y. pflichtwidrig unvorsichtig beziehungsweise fahr-
lässig gehandelt hat.
e)
Wie bereits erwähnt, kann aufgrund der Angaben von Y. bezüglich seines
Alkoholkonsums nicht restlos geklärt werden, zu welcher Alkoholkonzentration
dieser Alkoholkonsum zum Zeitpunkt des Unfalles beziehungsweise zum Zeit-
punkt des Überlassens des Fahrzeuges geführt hat. Y. führte anlässlich seiner
Einvernahme vom 15. Januar 2009 aus, X. habe nicht gesehen, was und wie viel
Seite 10 — 14
er im I. getrunken habe, da dieser mit anderen Personen unterwegs gewesen sei.
Auch wisse er nicht, wie viel X. getrunken habe, jedoch sei dieser ziemlich betrun-
ken gewesen (vgl. act. 2). Auch X. gab anlässlich seiner polizeilichen Einvernah-
me vom 15. Januar 2009 zu Protokoll, er habe Y. im I. in N. nie alkoholische Ge-
tränke konsumieren sehen. Er habe ihn vor dem Überlassen seines Fahrzeuges
gefragt, ob er alkoholische Getränke konsumiert habe, was dieser verneint habe.
Y. habe diesen Abend nicht mit ihm verbracht. Er selber sei betrunken gewesen
und habe sich nicht mehr fahrfähig gefühlt (vgl. act. 4). X. verbrachte den Abend
zusammen mit J. und K.. Sowohl J. als auch K. gaben an, Y. nicht beziehungswei-
se kaum gekannt zu haben. Auch konnten sie keine Angaben dazu machen, ob Y.
in der besagten Nacht vom 14. Januar 2009 auf den 15. Januar 2009 etwas ge-
trunken habe (vgl. act. 27 und 28). X. und Y. haben sich gegen 03.00 Uhr im I. in
N. getroffen. Y. war zusammen mit L. unterwegs. Dieser bestätigte anlässlich sei-
ner polizeilichen Einvernahme vom 10. Februar 2009, dass X. zum Zeitpunkt der
Abfahrt von N. um ca. 05.00 Uhr ziemlich betrunken gewesen sei. L. bezeugte
anlässlich dieser Einvernahme zudem, dass X. Y. gefragt habe, ob er etwas ge-
trunken habe, was dieser verneint habe. X. habe Y. deshalb gefragt, ob er bereit
sei, sein Auto nach D. zu lenken (vgl. act. 8). Zudem sei ihm bezüglich des Zu-
standes von Y. nichts Verdächtiges aufgefallen (vgl. act. 5).
Aufgrund dieser Ausführungen ist festzuhalten, dass X. die Nacht vom 14.
Januar 2009 auf den 15. Januar 2009 bis zum Zeitpunkt der Abfahrt von N. um ca.
05.00 Uhr nicht zusammen mit Y. verbracht hat beziehungsweise diesen nur zwei-
bis dreimal kurz gesehen hat. Der Berufungskläger hat Y. nie mit einem alkoholi-
schen Getränk gesehen. Im Weiteren ist aufgrund der Angaben von J. bezüglich
des Alkoholkonsums von X. (zirka 7 dl. Wodka-Red Bull; vgl. act. 6) sowie der
Aussage von L., welcher X. als ziemlich betrunken beschrieb, davon auszugehen,
dass X. erheblich alkoholisiert war. Seine Wahrnehmung in Bezug auf den Zu-
stand von Y. war demnach sicherlich ein wenig getrübt. Um sich über den Zustand
von Y. ein Bild zu machen, blieb X. einzig die Möglichkeit, diesen nach dessen
Alkoholkonsum zu fragen. Auf dessen Zusicherung hin, er habe nichts getrunken,
hat X. Y. dann seinen Autoschlüssel übergeben und diesen sein Fahrzeug fahren
lassen. X. kann nicht vorgeworfen werden, er hätte sich in Bezug auf das Überlas-
sen seines Fahrzeuges an Y. pflichtwidrig unvorsichtig verhalten, zumal nicht ein-
mal L., welcher am besagten Abend zusammen mit Y. unterwegs war, in Bezug
auf dessen Zustand etwas Verdächtiges aufgefallen ist. Auch sind keine weiteren
Umstände ersichtlich, welche auf die Unwahrheit der Aussage von Y. in Bezug auf
seinen Alkoholkonsum hindeuten. Insbesondere darf aufgrund des Umstandes,
Seite 11 — 14
dass im I. in der Regel viel Alkohol getrunken werde, nicht davon ausgegangen
werden, dass jeder Clubbesucher per se angetrunken oder betrunken und damit
nicht mehr fahrfähig ist. Auch kann X. nicht vorgeworfen werden, dass er aufgrund
der Tatsache, wonach er Y. nur flüchtig kenne und in der Vergangenheit jeweils im
Ausgang angetroffen und diesen dabei auch habe Alkohol konsumieren sehen,
davon hätte ausgehen müssen, dass Y. auch am besagten Abend alkoholisiert
gewesen ist. Der subjektive Tatbestand von Art. 2 Abs. 3 VRV ist folglich nicht er-
füllt.
f)
Zusammenfassend ergibt sich, dass aufgrund der Aktenlage nicht restlos
geklärt werden kann, ob Y. zum Zeitpunkt, als X. ihm sein Fahrzeug überlassen
hat, tatsächlich fahrunfähig war. Im Weiteren kann X. nicht vorgeworfen werden,
er habe beim Überlassen seines Fahrzeuges an Y. pflichtwidrig unvorsichtig ge-
handelt und die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er aufgrund seiner persönlichen
und konkreten Umstände verpflichtet gewesen wäre. Die Berufung ist demnach
gutzuheissen und das vorinstanzliche Urteil aufzuheben.
6.
Im Ergebnis steht demzufolge fest, dass das angefochtene Urteil des Be-
zirksgerichtsausschusses Maloja aufzuheben ist und X. vom Vorwurf der Wider-
handlung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV freizusprechen
ist. Damit ist auch die Busse für das pflichtwidrige Verhalten bei Unfall gemäss Art.
51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 SVG neu festzulegen. Das Kan-
tonsgericht von Graubünden erachtet dabei eine Reduktion der Busse auf Fr.
150.--, ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 1 Tag, als angemessen.
7.a) Wird eine Rechtsmitteleingabe gutgeheissen, so entscheidet das Gericht
über die Kostenverteilung zwischen dem Obsiegenden, dem Staat, der ersten In-
stanz und dem Unterliegenden (Art. 160 Abs. 3 StPO). Die Rechtsmittelinstanz
kann dem Obsiegenden zudem eine aussergerichtliche Entschädigung zulasten
des Unterliegenden, der Vorinstanz oder des Staates zusprechen (Art. 160 Abs. 4
StPO). Vorliegend ist der Berufungskläger mit sämtlichen seiner Rechtsbegehren
durchgedrungen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens müssen die vorinstanzli-
chen Verfahrenskosten neu verlegt werden.
b)
Im vorinstanzlichen Urteil wurden X. die Verfahrens- und Gerichtskosten
vollständig auferlegt, soweit sie mit seinem Strafverfahren in Zusammenhang
standen. Nachdem nun aber ein Freispruch von der Anklage des Überlassens ei-
nes Fahrzeuges an einen Fahrunfähigen (Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art.
96 VRV) erfolgen muss, wäre ein Überbinden der diesbezüglichen Verfahrenskos-
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ten nur möglich, wenn der Berufungskläger durch sein Verhalten begründeten An-
lass zur Durchführung der Untersuchung und des Gerichtsverfahrens gegeben
hätte (vgl. Art. 157 StPO). Dem ist vorliegend offensichtlich nicht so, weshalb X. in
Bezug auf diesen Tatbestand keine Kosten auferlegt werden dürfen.
c)
Die Kosten des Strafmandates von Fr. 270.-- gehen zu Lasten von X., weil
sie ohnehin angefallen wären (Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1
SVG). Dasselbe gilt für die Kosten für den Kompetenzentscheid der Staatsanwalt-
schaft Graubünden von Fr. 50.--.
d)
Die Kosten der Vorinstanz von Fr. 1‘000.-- gehen zu Lasten des Bezirkes
Maloja, welcher X. zudem angemessen zu entschädigen hat. Die Vorinstanz hatte
sich im Zusammenhang mit der von X. erhobenen Einsprache lediglich mit dem
Tatbestand im Sinne von Art. 2 Abs. 3 VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV zu be-
fassen. Rechtsanwalt Dr. iur. Thomas Schütt hat eine detaillierte Honorarnote ein-
gereicht, aus welcher der Aufwand für die vorliegende Angelegenheit ab dem
Zeitpunkt des Kompetenzentscheides errechnet werden kann. Der Verteidiger hat
dabei nur den Aufwand im Zusammenhang mit dem Tatbestand von Art. 2 Abs. 3
VRV in Verbindung mit Art. 96 VRV in Rechnung gestellt. Dieser beträgt Fr.
4‘965.10 (inklusive Barauslagen und MwSt.), was - auch wenn er etwas hoch ist -
der Schwierigkeit und der Bedeutung des Falles angemessen erscheint, weshalb
dieser Betrag zugesprochen werden kann.
e)
Da X. mit seiner Berufung vollumfänglich durchdringt, sind dem Berufungs-
kläger für das Berufungsverfahren keine Kosten aufzuerlegen. Die Kosten des
Berufungsverfahrens von Fr. 2'000.- gehen daher zu Lasten des Kantons Grau-
bünden (Art. 160 Abs. 2 und 3 StPO), welcher X. für seinen Aufwand im Zusam-
menhang mit dem Berufungsverfahren zudem angemessen entschädigen muss.
Aus der eingereichten Honorarnote ergibt sich für das Berufungsverfahren ein
Aufwand von Fr. 2‘135.80 (inklusive Barauslagen und MwSt.).
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III. Demnach wird erkannt 1.
Die Berufung wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil wird aufgeho-
ben.
2.
X. wird von der Anklage der Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 3 VRV in
Verbindung mit Art. 96 VRV freigesprochen.
3.
X. ist schuldig des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 51
Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 SVG.
4.
Dafür wird er mit einer Busse von Fr. 150.--, ersatzweise mit einer Frei-
heitsstrafe von einem Tag bestraft.
5.
a)
Die Kosten des Kreisamtes Oberengadin von Fr. 270.-- sowie die
Kosten für den Kompetenzentscheid der Staatsanwaltschaft Graubünden
von Fr. 50.-- gehen zu Lasten von X..
b)
Die Kosten des Bezirksgerichtsausschusses Maloja von Fr. 1‘000.--
gehen zu Lasten des Bezirkes Maloja, welcher X. mit Fr. 4‘965.10 (inkl. Ba-
rauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen hat.
c)
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 2'000.- gehen zu Lasten
des Kantons Graubünden, welcher X. mit Fr. 2‘135.80 (inkl. Barauslagen
und Mehrwertsteuer) zu entschädigen hat.
5.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsgeset-
zes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundes-
gericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausferti-
gung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen
Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die
weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die
Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
6.
Mitteilung an:
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