SK 2018 44 - Nichteintreten, Frist nach Art. 80 Abs.2 SMVG
Obergericht
des Kantons Bern
1. Strafkammer
Cour suprême
du canton de Berne
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Beschluss
SK 18 44
Bern, 15. Juni 2018
Besetzung Oberrichter Vicari (Präsident), Oberrichter Zihlmann,
Oberrichter Gerber
Gerichtsschreiberin Bank
Verfahrensbeteiligte A.________
Verurteilter/Beschwerdeführer
gegen
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern
und
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern
v.d. Staatsanwalt B.________
Gegenstand Beschwerde gegen den Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 10.1.2018 (2017.POM.866)
Erwägungen:
I.
1. A.________ (nachfolgend der Beschwerdeführer) befindet sich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Thorberg. Am 20.11.2017 trat der Beschwerdeführer zusammen mit anderen Mitinsassen der JVA Thorberg in einen Streik.
2. Am 21.11.2017 erliess die Anstaltsleitung der JVA Thorberg, C.________, eine Disziplinarverfügung wegen Arbeitsverweigerung des Beschwerdeführers. Als Sanktion wurden dem Beschwerdeführer sieben Tage Zelleneinschluss sowie der Entzug sämtlicher elektronischer Geräte bis auf weiteres auferlegt, wobei frühestens nach Ablauf eines Monats wieder schriftlich um Bewilligung einer Gerätemiete angefragt werden könne (vgl. amtliche Akten POM pag. 2 ff.).
3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 16.12.2017 bei der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (nachfolgend POM) Beschwerde. Er beantragte die Aufhebung der Disziplinarverfügung vom 21.11.2017, eine Entschädigung für den zu Unrecht ausgestandenen Zelleneinschluss sowie die Befreiung von den Verfahrenskosten (vgl. amtliche Akten POM pag. 6 ff.).
4. Mit Entscheid vom 10.1.2018 trat die POM nicht auf die Beschwerde ein (vgl. amtliche Akten POM pag. 11 ff.; amtliche Akten SK 18 44 pag. 19 ff.).
5. Am 7.2.2018 erhob der Beschwerdeführer beim Obergericht Beschwerde gegen den Entscheid der POM vom 10.1.2018 und stellte folgende Anträge (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 1 ff.):
6. Der Entscheid vom 10. Januar 2018 sei aufzuheben.
7. Der Beschwerdeführer sei für den zu Unrecht ausgestandenen Zelleneinschluss angemessen zu entschädigen.
8. Der Beschwerdeführer sei von den Verfahrenskosten zu befreien.
unter Kosten- und Entschädigungsfolge
11. Gestützt auf diese Eingabe eröffnete die 1. Strafkammer am 13.2.2018 das Beschwerdeverfahren und forderte die POM auf, innert Frist eine Stellungnahme sowie die Vollzugsakten des Beschwerdeführers einzureichen (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 45 ff.).
12. Mit Schreiben vom 26.2.2018 beantragte die POM mit Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Entscheid die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 51 f.).
13. Innert der mit Verfügung vom 28.2.2018 gewährten Frist beantragte die Generalstaatsanwaltschaft am 2.3.2018 mit Verweis auf die Ausführungen der POM im angefochtenen Entscheid ebenfalls die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 59).
14. Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfügung vom 7.3.2018 Frist gesetzt, um eine Replik zu den Stellungnahmen der Generalstaatsanwaltschaft und der POM einzureichen (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 61 f.).
15. Am 18.3.2018 reichte der Beschwerdeführer eine Replik ein (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 67 f.).
16. Die Generalstaatsanwaltschaft teilte mit Schreiben vom 6.4.2018 innert der ihr mit Verfügung vom 3.4.2018 gewährten Frist mit, sie verzichte auf die Einreichung einer Duplik (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 85).
17. Die POM nahm am 19.4.2018 fristgerecht zur Replik des Beschwerdeführers Stellung und reichte zudem die Stellungnahme der JVA Thorberg vom 17.4.2018 zu den Akten (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 87 ff.).
18. Mit Verfügung vom 20.4.2018 wurde dem Beschwerdeführer die Gelegenheit gegeben, allfällige Schlussbemerkungen umgehend einzureichen (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 93 f.).
19. Am 28.4.2018 (Posteingang 3.5.2018) reichte der Beschwerdeführer seine Schlussbemerkungen ein (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 103 f.).
II.
1. Gemäss Art. 81a des Gesetzes über den Straf- und Massnahmenvollzug (SMVG; BSG 341.1) beurteilen die Strafkammern des Obergerichts als letzte kantonale Instanz Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide über den Vollzug von Strafen und Massnahmen. Die 1. Strafkammer ist somit zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Das Verfahren richtet sich gemäss Art. 82 SMVG nach dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21), namentlich finden die Art. 79 und Art. 80 bis 84a VRPG sinngemäss Anwendung (Art. 86 Abs. 2 VRPG).
2. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht (vgl. Art. 81 Abs. 1 VRPG). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, ist vom angefochtenen Entscheid direkt betroffen und als unterlegene Partei zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 79 VRPG).
3.
3.1 Die POM beantragt mit Stellungnahme vom 26.2.2018, auf das Rechtsbegehren Ziff. 2 des Beschwerdeführers sei nicht einzutreten. Beim angefochtenen Entscheid handle es sich um einen Nichteintretensentscheid. Streitgegenstand sei mithin ausschliesslich die Frage, ob die POM zu Recht nicht auf die Beschwerde vom 16.12.2017 eingetreten sei. Soweit der Beschwerdeführer eine Entschädigung für den aus seiner Sicht zu Unrecht ausgestandenen Zelleneinschluss beantrage, gehe dies über den Streitgegenstand hinaus, weshalb nicht auf dieses Rechtsbegehren einzutreten sei (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 51).
3.2 Die Generalstaatsanwaltschaft und der Beschwerdeführer nahmen zur Eintretensfrage betreffend Rechtsbegehren Ziff. 2 nicht Stellung.
3.3 Der Entscheid in der Sache ist ebenso wie das Verfahren auf den Streitgegenstand begrenzt. Dabei kann der Streitgegenstand nicht über das hinausgehen, was die Vorinstanz geregelt hat (BGE 121 IV 219 f.; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum bernischen VRPG, 1997, N. 6 zu Art. 72). Ist ein Prozessentscheid angefochten, bildet die Frage der fehlenden oder weggefallenen Prozessvoraussetzung Gegenstand der materiellen Prüfung (Müller, Bernische Verwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 2011, S. 207). Prozessthema ist dabei nur, ob die Vorinstanz zu Recht oder Unrecht keinen Sachentscheid gefällt hat (Merkli/Aeschlimann /Herzog, a.a.O., N. 14 zu Art. 51).
Die POM behandelte im Entscheid vom 10.1.2018 einzig die Frage, ob auf die Beschwerde vom 16.12.2017 einzutreten sei. Es erfolgte keine Überprüfung der Disziplinarverfügung in materieller Hinsicht. Das vorliegende Verfahren ist damit auf die Frage des Nichteintretens beschränkt, weshalb auf das Rechtsbegehren Ziff. 2 nicht eingetreten wird.
3.4 Soweit weitergehend ist auf die Beschwerde vom 7.2.2018 einzutreten. Die Kognition der Kammer richtet sich nach Art. 80 VRPG.
III.
1.
1.1 Die POM führte im Entscheid vom 10.1.2018 aus, die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Sanktionen seien als disziplinarische Sanktionen zu qualifizieren, weshalb entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die kürzere dreitägige Rechtsmittelfrist nach Art. 80 Abs. 2 SMVG zur Anwendung gelange. Der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach die Unterscheidung zwischen einer disziplinarischen Sanktion und einer persönlichen vollzugsrechtlichen Angelegenheit untauglich sei, weil eine disziplinarische Sanktion immer auch persönliche Konsequenzen für den Vollzug habe, könne nicht gefolgt werden. Art. 80 Abs. 2 SMVG lasse keinen Raum für eine solche Auslegung, zumal diesfalls für disziplinarische Sanktionen die Festsetzung einer kürzeren Rechtsmittelfrist per se ausgeschlossen würde. Die kürzere Rechtsmittelfrist trage dem Umstand Rechnung, dass die angeordneten disziplinarischen Sanktionen in der Regel wesentlich kürzer seien, als eine 30-tägige Rechtsmittelfrist. Es solle rasch Klarheit über die Rechtmässigkeit einer Disziplinarsanktion geschaffen werden. Das vorliegende Disziplinarverfahren werfe des Weiteren keine komplexen Rechtsfragen auf. Der Beschwerdeführer hätte innert drei Tagen zweifellos eine Beschwerde verfassen können, zumal an Laieneingaben keine hohen Ansprüche gestellt würden. Der Rechtszugang des Beschwerdeführers werde mit der dreitägigen Frist weder unzulässig erschwert noch werde damit sein Recht auf eine wirksame Beschwerde vereitelt. Der Beschwerdeführer habe mit der Beschwerde vom 16.12.2017 die dreitägige Frist zur Einreichung des Rechtsmittels verpasst. Ein Fristwiederherstellungsgrund im Sinne von Art. 43 Abs. 2 VRPG sei weder ersichtlich noch geltend gemacht worden. Auf die verspätete Eingabe des Beschwerdeführers sei folglich nicht einzutreten (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 21 f.; amtliche Akten POM pag. 12 f.).
1.2 Der Beschwerdeführer bringt oberinstanzlich im Wesentlichen vor, die Unterscheidung in Art. 80 Abs. 2 SMVG sei unklar. Eine disziplinarische Sanktion könne immer auch im Rahmen der bedingten Entlassung persönliche Konsequenzen haben. Der Streik könne für die Teilnehmer die Verweigerung der bedingten Entlassung zum 2/3-Termin zur Folge haben. Das weise auf die 30-tägige Frist nach Art. 80 Abs. 2 SMVG hin. Im Übrigen zeige das Ausmass der Sanktionierung, dass es sich in den Augen der JVA Thorberg nicht um eine Bagatelle gehandelt habe, seien doch offenbar fünf Insassen in einer spektakulären Polizeiaktion versetzt und 60 Insassen sanktioniert worden (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 5).
Im Übrigen sei eine dreitägige Frist grundsätzlich nicht akzeptierbar, weil damit die «Rechtsschutzgarantie der Bundesverfassung und die Garantie des fairen Prozesses» gemäss Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) unwirksam würden. Art. 6 Ziff. 3 EMRK halte fest, dass jede Person ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung haben müsse, sei es, um sich selbst zu verteidigen oder sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen und im Falle von Mittellosigkeit einen unentgeltlichen Beistand zu erhalten. Es sei fraglich, wie ein Insasse, der nur mässig Deutsch spreche, innert drei Tagen eine Beschwerde konzipieren solle, die Grundrechte beleuchte. Die Frage, ob in einem Gefängnis ein Streik Ausdruck der Koalitionsfreiheit sei oder nicht, sei eine Grundrechtsfrage, deren Beantwortung erhebliche rechtliche Kenntnisse voraussetze. Die dreitägige Frist mache es schwierig, bei den beschränkten Telefonzeiten in der JVA Thorberg rechtzeitig einen rechtlichen Rat einzuholen. Bei der Sanktionierung durch sofortigen Zelleneinschluss werde der telefonische Kontakt völlig verunmöglicht und der schriftliche reiche nicht aus, um in drei Tagen einen kundigen Rat einzuholen und eine Rechtsschrift zu erstellen. Die dreitägige Frist sei aus diesen Gründen verfassungs- und EMRK-widrig (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 5 f.).
1.3 Die POM verweist in ihrer Stellungnahme vom 26.2.2018 auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 51).
1.4 Mit Eingabe vom 2.3.2018 schliesst sich die Generalstaatsanwaltschaft vollumfänglich den Ausführungen der POM im angefochtenen Entscheid an (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 59).
1.5 Der Beschwerdeführer führt in seiner Replik vom 18.3.2018 aus, hinsichtlich der Praxis der JVA Thorberg zur Dreitagesfrist verweise er auf die Sendung «D.________» vom 14.2.2018. Was die Vertreterin der JVA Thorberg in diesem Beitrag erläutert habe, sei nur Theorie. Diese werde in der Praxis nicht umgesetzt. Werde eine Disziplinarmassnahme mit «Bunker» verfügt, so werde man gleich nach Aushändigung der Disziplinarverfügung abgeführt und eingesperrt. Eine telefonische Kontaktaufnahme sei nicht mehr möglich. Verlange man Papier und Schreibzeug, so werde man «abgeputzt» mit dem Hinweis, man könne dann schreiben, wenn man wieder draussen sei. Das sei auch ihm so ergangen. Im Übrigen sei es ihm nicht möglich gewesen, zu begründen, was ein Streik rechtlich bedeute. Deshalb habe er später Rat eingeholt (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 67 f.).
1.6 Die POM erklärt in ihrer Duplik vom 19.4.2018, die Ausführungen des Beschwerdeführers würden bestritten und es werde auf das beigelegte Schreiben der JVA Thorberg vom 17.4.2018 verwiesen. Der Beschwerdeführer habe während der dreitägigen Rechtsmittelfrist keine Schreibutensilien verlangt. Zudem sei die Disziplinarsanktion in seiner üblichen Zelle vollzogen worden, wo er auch sonst untergebracht sei. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Replik erstmals vorgebracht, es sei ihm während der Verbüssung des Arrests die Abgabe von Papier und Schreibzeug verweigert worden. Diese nachgeschobene Behauptung sei unglaubwürdig. Es sei anzunehmen, dass der Beschwerdeführer einen derart gewichtigen Einwand bereits bei Einreichung der Beschwerde vorgebracht hätte, sollte er denn zutreffen (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 87).
Die JVA Thorberg nimmt im von der POM beigelegten Schreiben vom 17.4.2018 zum Ablauf der Disziplinarmassnahme des Beschwerdeführers wie folgt Stellung: Alle disziplinierten Personen würden während der Disziplinarsanktion auf entsprechendes Verlangen umgehend Schreibutensilien erhalten. Das Personal sei diesbezüglich geschult und wisse um die Dringlichkeit aufgrund der dreitägigen Beschwerdefrist. Der Beschwerdeführer habe sich ferner aufgrund der Disziplinarverfügung vom 21.11.2017 nicht wie von ihm behauptet im «Bunker» (Disziplinarzelle), sondern in seiner üblichen Zelle, wo er während seinem Aufenthalt in der JVA Thorberg untergebracht sei, aufgehalten. Der Beschwerdeführer habe keine Schreibutensilien verlangt. Es sei davon auszugehen, dass in seiner Zelle alles Nötige vorhanden gewesen sei, um eine Beschwerde zu verfassen. Der Besitz von Stiften und Papier in der eigenen Zelle sei üblich. Seit seinem Eintritt in die JVA Thorberg am 23.7.2013 sei der Beschwerdeführer noch nie mit einer Arreststrafe sanktioniert worden. Den Ablauf zwischen Aushändigung der Disziplinarverfügung bis zum Eintritt in die Disziplinarzelle kenne er somit nicht aus eigener Erfahrung. Daher erstaune es umso mehr, wenn er schildere, man werde «abgeputzt» sobald man im Bunker sitze (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 89 f.).
1.7 In den Schlussbemerkungen vom 28.4.2018 bringt der Beschwerdeführer vor, im Schreiben der JVA Thorberg vom 17.4.2017 sei sein Geburtsdatum falsch angegeben worden. Ferner habe er am Freitag, den 17.11.2017 die Arbeit nicht verweigert, sondern er sei vom Gesundheitsdienst krankgeschrieben worden. Die Frage, ob er während des Zelleneinschlusses Schreibzeug zur Verfügung gehabt habe, sei erst im Laufe des Verfahrens aufgekommen. Seine Beschwerde sei auf die Rechtsfrage fokussiert gewesen, ob eine dreitägige Frist im «Sinne des Fairnessgebotes der EMRK» grundsätzlich noch akzeptierbar sei. Er sei nach wie vor der Meinung, dass dies nicht der Fall sei, weil sich jede Vorkehr in einer Strafanstalt schwieriger gestalte als in Freiheit. Die Informations- und Kommunikationsfreiheit werde massiv beschnitten - sowie die Möglichkeit, sich leserlich mitzuteilen, weil regelmässig kein Computer vorhanden sei. Bei Einschluss - in der Zelle oder im Bunker - seien diese Freiheiten nochmals eingeschränkter und damit mache die dreitägige Frist eine Beschwerde illusorisch, selbst wenn es um Banalitäten gehe, was hier aber nicht der Fall sei. Im Strafvollzug verliere man rasch den Bezug zur Realität und drifte in eine Welt der Illusion ab, die zu falschen Perspektiven oder Kurzschlusshandlungen führe. Er habe während der Disziplinarmassnahme beim Anstaltspersonal Papier verlangt, weil er keines mehr gehabt habe. Er sei jedoch auf das Ende des Zelleneinschlusses vertröstet worden (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 103 f.).
2.
2.1 Art. 80 Abs. 2 SMVG regelt die Fristen gegen Verfügungen von Behörden wie folgt:
Gegen Verfügungen der zuständigen Stelle der Polizei- und Militärdirektion und der Leitung der Vollzugsinstitution können die Betroffenen in persönlichen vollzugsrechtlichen Angelegenheiten innert 30 Tagen nach Eröffnung und gegen disziplinarische Sanktionen innert drei Tagen bei der Polizei- und Militärdirektion Beschwerde führen.
Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung wird folglich zwischen «persönlichen vollzugsrechtlichen Angelegenheiten» und «disziplinarischen Sanktionen» unterschieden. Was unter disziplinarischen Sanktionen zu verstehen ist, wird in Art. 91 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) sowie Art. 75 ff. SMVG explizit und ausführlich geregelt. Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können nach Art. 91 Abs. 1 StGB Disziplinarsanktionen verhängt werden. Nach Art. 91 Abs. 3 StGB haben die Kantone ein Disziplinarrecht zu erlassen, das die Disziplinartatbestände umschreibt, die Sanktionen und deren Zumessung bestimmt sowie das Verfahren regelt. Im Kanton Bern befinden sich die entsprechenden Regelungen in Art. 75 ff. SMVG und Art. 123 ff. der Verordnung über den Straf- und Massnahmenvollzug (SMVV; BSG 341.11). Gemäss Art. 75 Abs. 2 Bst. b SMVG gelten insbesondere die Störung des Arbeitsbetriebs und Arbeitsverweigerung als Disziplinarvergehen. Als disziplinarische Sanktionen stehen nach Art. 76 Abs. 1 SMVG der schriftliche Verweis (Bst. a), die Auferlegung von zusätzlichen Freiheitsbeschränkungen bis zu einer Dauer von zwei Monaten (Bst. b), die Einschliessung bis zu 21 Tagen (Bst. c) sowie der Arrest bis zu 21 Tagen (Bst. d) zur Verfügung.
2.2 Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist die Formulierung der Rechtsmittelfrist in Art. 80 Abs. 2 SMVG keineswegs unklar. Selbst wenn davon ausgegangen würde, eine disziplinarische Sanktion stelle immer auch eine persönliche vollzugsrechtliche Angelegenheit dar, ändert dies nichts an der Tatsache, dass gestützt auf den klaren Wortlaut des Gesetzes für disziplinarische Sanktionen ausdrücklich eine kürzere Rechtsmittelfrist vorgesehen ist. Entsprechende disziplinarische Sanktionen sind sowohl im StGB als auch im SMVG ausführlich geregelt. Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch nicht, dass es sich bei der - entsprechend benannten - Verfügung vom 21.11.2017 um eine Disziplinarverfügung mit disziplinarischen Sanktionen handelt. Ferner ist auf der Disziplinarverfügung vom 21.11.2017 explizit die Rechtsmittelfrist von drei Tagen genannt (vgl. amtliche Akten POM pag. 4).
Die Auslegung des Beschwerdeführers, eine disziplinarische Sanktion könne zur Verweigerung der bedingten Entlassung zum 2/3-Termin führen, daher stelle auch diese eine persönliche vollzugsrechtliche Angelegenheit mit einer Rechtsmittelfrist von 30 Tagen dar, zielt ins Leere. Die POM wies zu Recht darauf hin, dass diese Auslegung von Art. 80 Abs. 2 SMVG die Anwendbarkeit der dreitägigen Frist per se ausschliessen würde.
Ferner ist nicht im Rahmen eines Disziplinarbeschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob eine disziplinarische Sanktion allenfalls zur Verweigerung der bedingten Entlassung zum 2/3-Termin führt. Mit der Beschwerde gegen eine Disziplinarverfügung wird einzig die Rechtmässigkeit der konkreten disziplinarischen Sanktion als solche überprüft. Bei einer allfälligen späteren Verweigerung der bedingten Entlassung zum 2/3-Termin würde eine separate anfechtbare Verfügung erlassen, die der Betroffene wiederum auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen lassen könnte. Diesfalls würde die Auswirkung einer disziplinarischen Sanktion auf die bedingte Entlassung jedoch lediglich einen möglichen Teil der umfassenden Gesamtwürdigung darstellen.
2.3 Des Weiteren führt die dreitägige Frist von Art. 80 Abs. 2 SMVG nach Ansicht der Kammer nicht zu einer unzulässigen Erschwernis des Rechtswegs für die Betroffenen. Im vorliegenden Disziplinarverfahren stellten sich keine komplexen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht. Der konkrete Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten. Der Beschwerdeführer bestreitet einzig, bereits am Freitag, den 17.11.2017 die Arbeit verweigert zu haben und behauptet, er sei an diesem Tag krank gewesen. Die Arbeitsverweigerung bzw. den Streik vom Montag, den 20.11.2017 bestreitet er hingegen nicht. Der Beschwerdeführer und andere Mitinsassen streikten in der JVA Thorberg, um auf die ihrer Ansicht nach unzureichenden Zustände in der Anstalt hinzuweisen und Verbesserungen zu fordern. Das Verhalten des Beschwerdeführers war mithin - zumindest am Montag, den 20.11.2017 - zielgerichtet, weshalb es ihm selbst unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren geltenden Rügeprinzips zweifellos möglich gewesen wäre, selbständig gegen die Disziplinarverfügung vom 21.11.2017 Beschwerde zu erheben und in seinen Worten - allenfalls in «mässigem Deutsch» - die Gründe seines Streiks zu erläutern. Praxisgemäss werden an Laieneingaben keine hohen Anforderungen gestellt. Eine Überprüfung der Rechtmässigkeit des Streiks hätte folglich auch ohne fundierte juristische Ausführungen des Beschwerdeführers erfolgen können. Dies gilt umso mehr, als die Behörden das Recht von Amtes wegen anzuwenden haben (Art. 20a VRPG).
Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers wurde er mit der Disziplinarverfügung vom 21.11.2017 nicht mit Arrest («Bunker», Art. 76 Abs. 1 Bst. d SMVG), sondern mit Zelleneinschluss (Art. 76 Abs. 1 Bst. c SMVG) sanktioniert. Der Zelleneinschluss erfolgt im Vergleich zum Arrest nicht in einer eigens dafür vorgesehenen Disziplinarzelle, sondern in der Zelle des betroffenen Insassen. Die Schilderungen des Beschwerdeführers zur Vorgehensweise bei einer Arreststrafe sind in casu folglich nicht zu hören, zumal ohnehin offen bleibt, wie er ein entsprechendes Vorgehen - das er gemäss den Angaben der JVA Thorberg noch nie selbst erlebt habe - beurteilen will. Ferner machte der Beschwerdeführer entgegen seinen Behauptungen sowohl in der bei der POM eingereichten Beschwerde vom 16.12.2017 als auch in der oberinstanzlichen Beschwerde vom 7.2.2018 Ausführungen zur fehlenden Möglichkeit des Verfassens einer Beschwerde innert dreitägiger Frist (Art. 2 der Beschwerde, vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 5 f.; Formeller Teil der Beschwerde, vgl. amtliche Akten POM pag. 9). Er unterliess es jedoch, darauf hinzuweisen, ihm sei das Verfassen einer Beschwerde wegen fehlender Schreibutensilien verunmöglicht worden. Diesbezüglich ist den Ausführungen der JVA Thorberg und der POM beizupflichten, dass der Beschwerdeführer - wäre ihm der Erhalt von Schreibutensilien effektiv verwehrt worden - dies bereits anlässlich der Beschwerde vom 16.12.2017 oder doch immerhin spätestens in der Beschwerde vom 7.2.2018 vorgebracht hätte. Dies tat er allerdings nicht. Vielmehr behauptete er erstmals in seiner oberinstanzlich eingereichten Replik, er habe wegen der Verweigerung der Abgabe von Schreibutensilien (Papier und Stift) keine Beschwerde erstellen können. In den Schlussbemerkungen sprach der Beschwerdeführer jedoch nur noch davon, er habe kein Papier gehabt, um eine Beschwerde zu verfassen. Diese nachgeschobene und widersprüchliche Argumentation erscheint unglaubhaft. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer in seiner Replik wahrheitswidrig behauptete, in Arrest versetzt worden zu sein. Die Kammer geht nach dem Gesagten davon aus, dass der Beschwerdeführer während des mit Disziplinarverfügung vom 21.11.2017 verfügten Zelleneinschlusses keine Schreibutensilien - auch kein Papier - verlangte. Ohnehin erscheint mehr als fraglich, dass der Beschwerdeführer, der sich seit nunmehr fast fünf Jahren in der JVA Thorberg befindet, in seiner Zelle über keine Schreibutensilien verfügen will - fehlende Stifte machte er in seinen Schlussbemerkungen denn auch nicht mehr geltend.
Im Übrigen ist die fristgerechte Bestellung einer anwaltlichen Vertretung im Strafvollzug regelmässig möglich. Der Beschwerdeführer unterlässt es, darzutun, weshalb es ihm im konkreten Fall während des Zelleneinschlusses (und nicht während des wahrheitswidrig behaupteten Arrests) nicht möglich gewesen sein sollte, rechtzeitig eine Verteidigung zu kontaktieren und zu beauftragen. Ferner tritt er auch im oberinstanzlichen Verfahren, in welchem er mehrfach schriftliche Eingaben machte, ohne anwaltliche Vertretung auf.
Dem Beschwerdeführer wurde der Rechtsweg folglich nicht in unzulässiger Weise erschwert. In Übereinstimmung mit den Ausführungen der POM ist ferner gerade im Disziplinarverfahren eine rasche Überprüfung der Rechtmässigkeit der Sanktion und damit eine kurze Rechtsmittelfrist unabdingbar. Die dreitägige Frist zur Anfechtung disziplinarischer Sanktionen ist nicht zu beanstanden.
2.4 Nach dem Gesagten war die Beschwerde durch den Beschwerdeführer innert drei Tagen seit Eröffnung der Disziplinarverfügung bei der POM einzureichen (vgl. Art. 80 Abs. 2 SMVG). Die Beschwerde vom 16.12.2017 gelangte damit nicht rechtzeitig bei der POM ein.
3. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom 7.2.2018 und den Schlussbemerkungen vom 28.4.2018 die Disziplinarverfügung oder den ihr zugrunde liegenden Sachverhalt in materieller Hinsicht kritisiert, verkennt er, dass vorliegend einzig ein Prozessentscheid der POM zu beurteilen ist. Eine materielle Überprüfung der Disziplinarverfügung vom 21.11.2017 hat nicht zu erfolgen. Auf die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers (Art. 3 ff. der Beschwerde, vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 7 ff.; Ziff. 2 f. der Schlussbemerkungen, vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 103 f.) ist demzufolge nicht einzugehen.
4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der angefochtene Entscheid der Rechtskontrolle standhält. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird.
5.
5.1 Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, er sei von den Verfahrenskosten zu befreien (Rechtsbegehren Ziff. 3, vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 3). Gemäss Art. 111 Abs. 1 VRPG wird eine Partei auf Gesuch hin von den Kosten- und allfälligen Vorschuss- sowie Sicherstellungspflichten befreit, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
5.2 Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 23.7.2013 in der JVA Thorberg und verfügt, abgesehen von seinem Pekulium, über kein regelmässiges Einkommen. Seine Bedürftigkeit ist damit ausgewiesen.
5.3 Ein Prozess ist nicht aussichtslos, wenn berechtigte Hoffnung besteht, ihn zu gewinnen, d.h. wenn Gewinnaussichten und Verlustgefahren sich ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist dabei, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen oder aber davon absehen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb austragen können, weil er sie nichts kostet (Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., N. 12 zu Art. 111).
Art. 80 Abs. 2 SMVG ist deutlich formuliert und differenziert die unterschiedlichen Beschwerdefristen genau. Die Gewinnaussichten waren damit vorliegend beträchtlich geringer als die Verlustgefahren, weshalb die Beschwerde vom 7.2.2018 als aussichtslos zu bezeichnen ist.
5.4 Das Gesuch um Befreiung von den Verfahrenskosten bzw. um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen. Für den Entscheid dieses Gesuchs werden keine Verfahrenskosten erhoben (Art. 112 Abs. 1 VRPG).
IV.
1.
1.1 Der Beschwerdeführer dringt mit seinen Anträgen nicht durch. Damit hat er in Anwendung von Art. 108 Abs. 1 VRPG als unterliegende Partei die Verfahrenskosten zu tragen, es sei denn, das prozessuale Verhalten einer Partei gebiete eine andere Verlegung oder die besonderen Umstände rechtfertigten, keine Verfahrenskosten zu erheben.
1.2 Die POM verzichtete für das vorinstanzliche Verfahren auf die Erhebung von Verfahrenskosten, weil der Verfahrensstand dies gerechtfertigt habe (vgl. amtliche Akten SK 18 44 pag. 23; amtliche Akten POM pag. 12). Das Verfahren ist nunmehr weiter fortgeschritten, weshalb der Verfahrensstand oberinstanzlich keinen Verzicht auf die Erhebung von Verfahrenskosten rechtfertigt. Im Übrigen sind besondere Umstände im Sinne von Art. 108 Abs. 1 VRPG anzunehmen, wenn eine Partei aufgrund einer behördlichen Fehlleistung ein Rechtsmittel ergriffen hat (Verletzung des rechtlichen Gehörs, fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung etc.) oder wenn das Unterliegen auf eine Präzisierung der Praxis oder auf eine Praxisänderung zurückzuführen ist (Müller, a.a.O., S. 245; Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., N. 9 zu Art. 108). Solche Umstände liegen nicht vor, weshalb oberinstanzlich nicht auf die Auferlegung von Verfahrenskosten verzichtet wird.
1.3 Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten, bestimmt auf eine Pauschalgebühr von CHF 600.00 (Art. 28 Abs. 2 i.V.m. Art. 51 des Verfahrenskostendekrets [VKD; BSG 161.12]), werden nach dem Gesagten dem Beschwerdeführer zur Bezahlung auferlegt (Art. 108 Abs. 1 VRPG).
Die 1. Strafkammer beschliesst:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im oberinstanzlichen Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.
Für den Entscheid über dieses Gesuch werden keine Verfahrenskosten erhoben (Art. 112 Abs. 1 VRPG)
3. Die Kosten des oberinstanzlichen Beschwerdeverfahrens, bestimmt auf eine Pauschalgebühr von CHF 600.00, werden A.________ zur Bezahlung auferlegt.
4. Zu eröffnen:
• dem Beschwerdeführer
• der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Generalsekretariat
• der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, vertreten durch Staatsanwalt B.________
Mitzuteilen:
• der Leitung der JVA Thorberg
• dem Amt für Justizvollzug des Kantons Bern
Bern, 15. Juni 2018
Im Namen der 1. Strafkammer
Der Präsident:
Oberrichter Vicari
Die Gerichtsschreiberin:
Bank
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
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