Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-3085/2020 |
Datum: | 11.11.2021 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführenden; Beschwerdeführerin; Akten; Verfügung; Taliban; Wegweisung; Botschaft; Pakistan; Abklärung; Recht; Schweiz; Sachverhalt; Schwerdeführerinnen; Armee; Glaubhaft; Verfahren; Gehör; Beschwerdeführerinnen; Vollzug; Wegweisungsvollzug; Schiesserei; Gemachte; Herkunft; Abklärungen; Vertrauensanwalt; Bundesverwaltungsgericht; Wegweisungsvollzugs; Begründung; Flüchtling |
Rechtsnorm: | Art. 35 VwVG ; Art. 49 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 61 VwVG ; Art. 62 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 116 Ia 426; 130 II 473; 132 V 387; 133 I 149; 140 I 326; 143 III 65; 144 I 11; ; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: |
Abteilung IV D-3085/2020
Besetzung Richterin Mia Fuchs (Vorsitz), Richterin Nina Spälti Giannakitsas, Richterin Jeannine Scherrer-Bänziger,
Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller Leibundgut.
Parteien 1. A. , geboren am (…),
alle vertreten durch lic. iur. Michael Steiner, Rechtsanwalt, Beschwerdeführende,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 14. Mai 2020 / N (…).
Die Beschwerdeführenden verliessen ihr Heimatland eigenen Angaben zufolge am (…). Am 18. Juni 2019 reisten sie illegal in die Schweiz ein und suchten gleichentags im Bundesasylzentrum (BAZ) Region (…) um Asyl nach. Am 25. Juni 2019 fanden die Personalienaufnahmen (PA) und am 27. Juni 2019 die persönlichen Dublin-Gespräche mit den Beschwerdeführenden 1–4 statt. Die Beschwerdeführenden 1–4 wurden sodann am
7. respektive 8. August 2019 ausführlich zu ihren Asylgründen angehört, wobei sie auch nach allenfalls vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gefragt wurden. Am 10. respektive 11. September 2019 führte das SEM mit den Beschwerdeführenden 1–4 eine ergänzende Anhörung durch.
Zur Begründung ihrer Asylgesuche machten die Beschwerdeführenden im Wesentlichen geltend, sie seien ethnische Paschtunen und stamm-
ten aus G.
bei H.
(Distrikt Bannu, Provinz Khyber-
Pakhtunkhwa). Im November 2016 habe eine Gruppe von Taliban bei ihnen angeklopft und nach Essen gefragt. Da sie nicht genügend Lebensmittel zuhause gehabt hätten, sei ihr Ehemann/Vater I. einkaufen gegangen. Auf dem Rückweg sei er von der Armee angehalten worden. Er habe seine Identitätskarte nicht dabeigehabt, weshalb ihn die Soldaten nach Hause gefahren hätten. Dort sei es zu einem Schusswechsel zwischen den Taliban und den Soldaten gekommen, wobei zwei Taliban getötet worden seien. I. sei bei dieser Gelegenheit zum Bruder der Beschwerdeführerin 1 geflüchtet. Die Soldaten seien davon ausgegangen, dass I. die Taliban beherbergt habe und sich nun bei ihnen aufhalte, und hätten der Beschwerdeführerin 1 gedroht, sie würden ihn nicht entkommen lassen. Am nächsten Tag hätten sie erneut nach ihm gesucht. Ungefähr eine Woche später seien die Taliban zurückgekehrt und hätten ihrerseits nach I. gefragt. Sie hätten ihn beschuldigt, sie verraten zu haben und sich bei der Armee zu verstecken, und hätten mit Bestrafung gedroht. Die Beschwerdeführerin 1 habe I. telefonisch gewarnt, worauf dieser Anfang Dezember 2016 aus Pakistan ausgereist sei. Er habe einige Tage später aus der Türkei angerufen; seither hätten sie nichts mehr von ihm gehört. In der Folge sei die Armee verstärkt gegen die Taliban vorgegangen. Aufgrund der Präsenz der vielen Soldaten, welche auch immer wieder ihr Haus durchsucht hätten, habe sich die Beschwerdeführerin 1 Sorgen um die Ehre ihrer Töchter gemacht. Im April 2019 seien die Taliban plötzlich wieder bei ihnen aufgetaucht. Sie hätten nach I. gefragt,
die Beschwerdeführerin 1 geohrfeigt und gedroht, sie und die Töchter zu töten und den Sohn zu entführen, falls I. beim nächsten Besuch nicht anwesend sei. Sie hätten sich für den Tod ihrer beiden Kameraden rächen wollen. Die Beschwerdeführerin 1 habe sich daraufhin hilfesuchend an ihren Bruder gewandt, und dieser sei zum Schluss gekommen, sie seien in Pakistan in Gefahr und müssten ins Ausland fliehen. Am (…) seien sie daher aus Pakistan ausgereist. Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes brachte die Beschwerdeführerin 1 vor, sie leide an (…) und sei deswegen bereits in Pakistan in Behandlung gewesen. Die Beschwerdeführerin 2 erklärte, sie leide unter (…). Ihr Arzt in Pakistan habe ihr Medikamente verschrieben, aber diese hätten nichts genützt. Zudem habe sie an (…) gelitten.
Anlässlich der Anhörungen reichten die Beschwerdeführenden weder Identitätspapiere noch Beweismittel betreffend ihre Asylgründe zu den Akten.
Mit Eingaben vom 29. August und 6. September 2019 reichten die Beschwerdeführenden zwei Arztberichte vom 26. August und 3. September 2019 betreffend die Beschwerdeführerin 2 zu den Akten.
Das SEM verfügte am 16. September 2019 die Zuteilung des Asylverfahrens ins erweiterte Verfahren (Art. 26d AsylG [SR 142.31]).
Mit Schreiben vom 20. September 2019 ersuchte das SEM die Schweizer Botschaft in Islamabad (Pakistan) um die Vornahme von Abklärungen. Die Botschaft liess sich dazu mit Schreiben vom 14. November 2019 (E-Mail) vernehmen.
Das SEM forderte die Beschwerdeführenden mit Verfügung vom 14. November 2019 auf, innert Frist Identitätsdokumente, Zivilstandsdokumente, Adressen und Telefonnummern von Verwandten im Heimatland sowie Beweismittel zum geltend gemachten Sachverhalt einzureichen. Die Beschwerdeführenden teilten mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 mit, sie verfügten über keine der geforderten Unterlagen oder Informationen.
Die Schweizer Botschaft in Islamabad übermittelte am 20. Januar 2020 weitere Abklärungsergebnisse.
Mit Eingabe vom 5. Februar 2020 nahmen die Beschwerdeführenden das ihnen mit Schreiben des SEM vom 17. Januar 2020 gewährte rechtliche Gehör zu sich widersprechenden Aussagen wahr. Der Eingabe lag ein Foto bei.
Das SEM brachte den Beschwerdeführenden mit Schreiben vom 11. Februar 2020 den wesentlichen Inhalt der Botschaftsanfrage sowie der Abklärungsergebnisse zur Kenntnis und gewährte ihnen dazu das rechtliche Gehör. Auf Gesuch der damaligen Rechtsvertretung hin gewährte das SEM den Beschwerdeführenden am 25. Februar 2020 Einsicht in weitere Verfahrensakten.
Am 27. Februar 2020 ging beim SEM ein Operationsbericht vom 21. Februar 2020 betreffend die Beschwerdeführerin 6 ein.
Mit Verfügung vom 16. März 2020 wies das SEM die Asylgesuche der Beschwerdeführenden ab und verfügte die Wegweisung sowie den Vollzug.
Am 19. März 2020 liess das SEM der vormaligen Rechtsvertretung nachträglich das Protokoll der Anhörung der Beschwerdeführerin 2 vom
11. September 2019 zukommen.
Nachdem die vormalige Rechtsvertretung das SEM darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie bereits am 18. Februar 2020 um Akteneinsicht und Fristerstreckung ersucht habe, aber keine Antwort erhalten habe, gestand das SEM sein Versäumnis mit Verfügung vom 24. März 2020 ein, hob den Entscheid vom 16. März 2020 auf, nahm das erstinstanzliche Verfahren wieder auf und gewährte den Beschwerdeführenden eine neue Frist zur Einreichung einer Stellungnahme zum Ergebnis der Botschaftsabklärung.
Auf entsprechendes Ersuchen der Beschwerdeführenden hin gewährte
das SEM den Beschwerdeführenden am 17. April 2020 Einsicht in die Originalantwort des Vertrauensanwalts und verlängerte die Frist zur Einreichung der Stellungnahme. In der Folge reichten die Beschwerdeführenden am 4. Mai 2020 eine Stellungnahme zu den Akten. Das dabei gestellte Gesuch um weitergehende Einsicht in die Ergebnisse der Botschaftsabklärung wies das SEM mit Schreiben vom 8. Mai 2020 ab.
Mit Verfügung vom 14. Mai 2020 stellte das SEM fest, die Asylvorbringen der Beschwerdeführenden seien nicht glaubhaft. Demzufolge verneinte es die Flüchtlingseigenschaft, lehnte die Asylgesuche ab und verfügte die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 15. Juni 2020 beantragten die Beschwerdeführenden, die vorinstanzliche Verfügung vom
14. Mai 2020 sei aufzuheben, und die Sache sei zur richtigen und vollständigen Abklärung und Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Flüchtlingseigenschaft festzustellen sowie Asyl zu gewähren, subeventuell seien die Beschwerdeführenden als Flüchtling anzuerkennen und vorläufig aufzunehmen. Subsubeventuell seien die Beschwerdeführenden infolge Unzulässigkeit und/oder Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufzunehmen. Die Beschwerdeführenden beantragten zudem, es sei ihnen Einsicht in die Aktenstücke A58, A67, A68, A70, A71, A77, A86, A90-A102, A107-
A109, A112, A114, A115 und A116 zu gewähren, eventuell sei ihnen dazu das rechtliche Gehör zu gewähren, anschliessend sei eine Frist zur Einreichung einer Beschwerdeergänzung zu setzen. Ausserdem sei die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Eventuell sei den Beschwerdeführenden eine Frist zur Bezahlung der Verfahrenskosten respektive zur Einreichung einer Sozialhilfebestätigung einzuräumen.
Der Beschwerde lagen eine Kopie der vorinstanzlichen Verfügung vom
14. Mai 2020 sowie eine Vollmacht vom 8. Juni 2020 bei.
Mit Zwischenverfügung vom 24. Juni 2020 hiess die Instruktionsrichterin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter der
Voraussetzung der fristgerechten Nachreichung eines Bedürftigkeitsnachweises gut und forderte die Beschwerdeführenden auf, bis zum 9. Juli 2020 entweder einen entsprechenden Beleg nachzureichen oder einen Kostenvorschuss von Fr. 750.– zu leisten, andernfalls auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. Ferner hiess sie das Akteneinsichtsgesuch hinsichtlich der Aktenstücke A67, A68, A70, A71, A86, A91–A102, A107– A109, A112,
A114, A115 und A116 gut und wies das SEM an, den Beschwerdeführenden diese Akten umgehend und allenfalls in anonymisierter Form zu edieren. Soweit weitergehend, wurde das Akteneinsichtsgesuch abgewiesen. Das Gesuch um Fristansetzung zwecks Einreichung einer Beschwerdeergänzung wurde lediglich in Bezug auf A86 (Botschaftsanfrage) gutgeheissen, wobei den Beschwerdeführenden eine Frist bis zum 15. Juli 2020 eingeräumt wurde. Die Beschwerdeführenden wurden ausserdem aufgefordert, bis zum 15. Juli 2020 einen aktuellen ärztlichen Bericht betreffend die Beschwerdeführerin 2 sowie eine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber den Asylbehörden einzureichen.
Das SEM gewährte den Beschwerdeführenden mit Schreiben vom 29. Juni 2020 ergänzende Akteneinsicht im Sinne der Zwischenverfügung vom
24. Juni 2020.
Mit Eingaben vom 29. Juni und 15. Juli 2020 reichten die Beschwerdeführenden eine Entbindungserklärung vom 8. Juni 2020, eine Sozialhilfebescheinigung vom 9. Juni 2020 sowie ein Einladungsschreiben des Kinderund Jugendpsychiatrischen Dienstes (…) (KJPD) vom 19. Juni 2020 zu den Akten.
Mit Eingabe vom 28. Oktober 2020 und 25. März 2021 reichten die Beschwerdeführenden zahlreiche aus dem Internet ausgedruckte Schlagzeilen betreffend die allgemeine Lage in Nord Waziristan, einen Untersuchungsbericht des KJPD vom 1. Februar 2021 (Kopie) sowie die Überschrift eines UNICEF-Berichts zur Tötung von vier Frauen in Nord Waziristan zu den Akten.
Das SEM hielt in seiner Vernehmlassung vom 9. Juli 2021 vollumfänglich an seiner Verfügung fest.
Die Beschwerdeführenden replizierten mit Eingabe vom 26. Juli 2020 (recte: 2021) und hielten dabei an den gestellten Rechtsbegehren fest. Der Replik lagen weitere Internetausdrucke betreffend die Situation in Nord Waziristan bei.
Mit Eingabe vom 28. Juli 2021 wurden weitere Medienberichte beziehungsweise Schlagzeilen zur Sicherheitslage in Nord Waziristan eingereicht.
Mit Eingabe vom 22. September 2021 wurden zwei Arztberichte betreffend die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 vom 3. September 2021 respektive
27. Juli 2021 zu den Akten gereicht.
Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gestützt auf Art. 31 VGG Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, welche von einer Vorinstanz im Sinne von Art. 33 VGG erlassen wurden, sofern keine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG vorliegt. Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig für die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide des SEM, welche in Anwendung des AsylG ergangen sind, und entscheidet in diesem Bereich in der Regel – und so auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG; Art. Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Die Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Das Bundesverwaltungsgericht kann den angefochtenen Entscheid ungeachtet der erhobenen Rügen grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen. Es stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 12 VwVG) und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 62 Abs. 4 VwVG). Es ist mithin nicht an die Beschwerdeanträge oder die Begründung der Begehren gebunden und kann den Entscheid auch aus anderen Gründen gutheissen oder abweisen (vgl. dazu nachfolgend E. 8.3 f.).
Die Vorinstanz führte zur Begründung ihres Entscheids im Wesentlichen aus, gemäss den verlässlichen Abklärungen der Schweizer Vertretung in Islamabad habe sich in der Gegend von H. im November 2016 keine Schiesserei ereignet. Die Abklärungen seien heikel gewesen, und der Vertrauensanwalt sei gehalten, seine Quellen zu schützen, weshalb es gerechtfertigt gewesen sei, keine weitergehenden Informationen preiszugeben. Die von der (vormaligen) Rechtsvertretung kritisierten Formulierungen des Vertrauensanwalts (z.B. das Wort «filmreif») seien nicht entscheidrelevant. Relevant sei hingegen die Feststellung, dass die Schiesserei nicht stattgefunden habe. Die Beschwerdeführenden hätten denn auch bis anhin keine entsprechenden Beweismittel eingereicht. Zudem seien ihre Schilderungen der angeblichen Vorfälle teilweise vage und unrealistisch ausgefallen. Das Vorbringen, sie hätten infolge der überstürzten Ausreise nichts vorbereiten und insbesondere keine Beweismittel mitnehmen können, sei unglaubhaft, zumal die Organisation der Ausreise ihren Angaben zufolge fast zwei Wochen gedauert habe. Im Weiteren sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Taliban erst zweieinhalb Jahre nach dem ersten Vorfall wiedergekommen und nach I. gefragt hätten, anstatt sich umgehend an ihnen zu rächen. Es sei zudem unlogisch, dass die Armee so oft zu ihnen nach Hause gekommen sei, obwohl sich I. offensichtlich nicht dort befunden habe. Die Beschwerdeführenden hätten sich zudem in Bezug auf den Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin 1 (im Haus vs. im Hof) im Zeitpunkt der Schiesserei widersprochen, und die Frage, ob sich die Taliban bei ihrem letzten Besuch selbst Zutritt zum Haus verschafft hätten oder ob ihnen die Tür geöffnet worden sei, unterschiedlich beantwortet. Ferner falle auf, dass die Beschwerdeführenden die Asylvorbringen nahezu identisch geschildert hätten, was auf ein
auswendig gelerntes Konstrukt hindeute. Schliesslich sei es höchst unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführenden zu niemandem im Heimatland Kontakt hätten und keine Angaben zu ihren Verwandten in Pakistan hätten machen können. Es sei davon auszugehen, dass sie dem SEM bewusst Informationen vorenthalten und damit ihre Mitwirkungspflicht verletzt hätten. Insgesamt seien die Asylvorbringen unglaubhaft, weshalb die Flüchtlingseigenschaft zu verneinen und die Asylgesuche abzulehnen seien. Den Vollzug der Wegweisung nach Pakistan erachtete das SEM als zulässig, zumutbar und möglich, wobei es hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit des Vollzugs unter anderem ausführte, es sei nicht Sache der Asylbehörden, nach allfälligen Vollzugshindernissen zu forschen, wenn die asylsuchenden Personen ihrer Mitwirkungsund Wahrheitspflicht nicht nachgekommen seien. Es erwog gleichzeitig, die Wohnsituation sei im Falle der Rückkehr als gesichert zu erachten, und die Beschwerdeführenden verfügten über Verwandte im Heimatland. Die geltend gemachten gesundheitlichen Probleme seien auch in Pakistan behandelbar respektive bereits behandelt worden und stellten – auch unter Berücksichtigung einer möglichen Ansteckung mit SARS-CoV 2 – kein Vollzugshindernis dar.
In der Beschwerde werden zunächst mehrere formelle Rügen erhoben (vgl. dazu nachstehend E. 4). Sodann wird vorgebracht, das SEM stütze sich in seinen Erwägungen im Wesentlichen auf die Botschaftsabklärung. Diese leide indessen unter erheblichen Mängeln. Insbesondere stelle sich die Frage, wie die Schweizer Vertretung in Islamabad Abklärungen zu einem drei Jahre zurückliegenden Vorfall im weit entfernten Waziristan habe vornehmen können, zumal die Beschwerdeführenden angeblich ungenügende Angaben zu ihrem Wohnumfeld gemacht hätten. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Botschaftsabklärung würden verstärkt durch den Umstand, dass das SEM die Untersuchungen selbst als «heikel» bezeichnet habe. Die Schlussfolgerung, die in Frage stehende Schiesserei habe nicht stattgefunden, sei willkürlich, zumal derartige Vorfälle in Waziristan alltäglich seien. Weiter wird ausgeführt, das SEM habe zwar eingeräumt, dass die Beschwerdeführerin 1 ihre Asylvorbringen in der Anhörung vom 7. August 2019 relativ lang und frei vorgetragen habe, habe dieses Realkennzeichen jedoch nicht gewürdigt, sondern ohne nähere Begründung behauptet, es fehle dem Bericht an Substanz und Tiefe. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Taliban so beschrieben habe, wie sich offenbar auch die SEM-Mitarbeiterin diese vorstelle, dürfe sich für die Beschwerdeführerin 1 nicht nachteilig auswirken. Ferner sei ihre Reaktion (auf das Gefecht) keineswegs «sehr unwahrscheinlich» ausgefallen; vielmehr habe sie
ihre Handlungsunfähigkeit glaubhaft geschildert. Auch die Angaben der Beschwerdeführerinnen betreffend die Frage der Ausreisevorbereitungen seien glaubhaft ausgefallen. Die Beschwerdeführerinnen 3 und 4 seien damals erst (…) beziehungsweise (…) Jahre alt gewesen; es sei absurd, dass das SEM deren Aussagen zu drei Jahre zurückliegenden Ereignissen zur Verneinung der Glaubhaftigkeit verwende. Im Weiteren sei es durchaus glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin 4 nicht mehr gewusst habe, wie oft die Armeeangehörigen vorbeigekommen seien. Im Übrigen gehe es nicht an, dass das SEM gestützt auf die Anhörungen der Beschwerdeführerinnen 2–4 den Vorwurf der Unsubstanziiertheit erhebe, da diese mangelhaft durchgeführt worden seien (vgl. dazu die formellen Rügen). Die Beschwerdeführerinnen hätten ihre Fluchtgründe ausführlich, detailliert und übereinstimmend geschildert, was als Realkennzeichen zu werten sei und keineswegs auf ein Konstrukt schliessen lasse. Sie hätten keine identischen «Wendungen» benutzt. Entgegen der Auffassung des SEM ergebe sich aus ihren Aussagen kein Widerspruch betreffend den Zutritt der Taliban zum Haus sowie die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin 1 im Hof oder im Haus aufgehalten habe. Das angeblich unlogische Vorgehen der Taliban und der Armee könne ferner nicht zulasten der Beschwerdeführenden als unglaubhaft bezeichnet werden. Es sei zudem anmassend vom SEM, die Verhaltensweise des Ehemannes/Vaters als undenkbar zu bezeichnen. Die Asylvorbringen seien insgesamt glaubhaft. Die Beschwerdeführenden seien im Ausreisezeitpunkt gezielt und aus politischen Gründen von der Armee und den Taliban verfolgt worden. Im Falle ihrer Ergreifung drohe ihnen Inhaftierung, Misshandlungen oder die Hinrichtung. Die Taliban verfügten über staatsähnliche Macht; eventuell sei von einer asylbeachtlichen Drittverfolgung auszugehen. Die Beschwerdeführerin 1 habe ausgesagt, im Dorf gebe es keine Polizei, sondern eine «Jirga». Die Flüchtlingseigenschaft sei aus diesen Gründen zu bejahen, und es sei Asyl zu gewähren. Eventuell seien die Beschwerdeführenden als Flüchtlinge vorläufig aufzunehmen, subeventuell sei zumindest infolge Unzulässigkeit und/oder Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme anzuordnen. Den Beschwerdeführenden drohe in Pakistan eine unmenschliche Behandlung. Zudem verfügten sie dort über kein tragfähiges Beziehungsnetz und hätten mit niemandem Kontakt, weshalb sie in eine existenzgefährdende Lage geraten würden. Ausserdem könnten sich Frauen in Waziristan nicht frei bewegen und würden diskriminiert (Verweis auf eine Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe [SFH] vom
18. Juni 2018, «Pakistan: Paschtunische Stammesgebiete im Nordwesten, Situation von Frauen»). Die Beschwerdeführenden könnten sich daher am
Herkunftsort keine neue Existenzgrundlage aufbauen. Eine Wohnsitzalternative bestehe nicht. Im Weiteren seien die Beschwerdeführenden gesundheitlich beeinträchtigt und gehörten einer verletzlichen Personengruppe an. Die Beschwerdeführerin 2 leide an (…), welche in Pakistan nicht behandelt worden seien. Zwischenzeitlich sei auch die Beschwerdeführerin 4 psychisch erkrankt und benötige eine Behandlung. Zudem wären die Beschwerdeführenden auf der Rückreise nach Waziristan nicht in der Lage, sich gegen eine COVID-19-Infektion zu schützen. Die Fallzahlen in Pakistan seien hoch. Aufgrund der Pandemie sei der Vollzug der Wegweisung zudem unmöglich.
In seiner Vernehmlassung nimmt das SEM zunächst Stellung zu den in der Beschwerde erhobenen formellen Rügen. Im Weiteren führt es aus, die von den Beschwerdeführenden geäusserten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Botschaftsabklärung vermöchten nicht zu überzeugen. Der Umstand, dass die Herkunftsregion der Beschwerdeführenden weit von Islamabad entfernt sei und dort eine andere Sprache und Kultur herrsche, stelle in der heutigen Zeit im Hinblick auf die Vornahme von Abklärungen durch Fachpersonen kein Hindernis dar. Weitergehende Informationen betreffend die Botschaftsabklärung seien aus Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz des Vertrauensanwalts verweigert worden; daraus lasse sich kein Rückschluss auf die Qualität der Abklärungen ziehen. Im Weiteren sei festzustellen, dass der Aufenthaltsort des Ehemannes/Vaters der Beschwerdeführenden unklar sei; es gebe keine Beweise für dessen Flucht und Verbleib. Im Arztbericht betreffend die Beschwerdeführerin 6 werde eine Besprechung mit den «Eltern» erwähnt, was die Vermutung nahelege, dass sich der Ehemann sogar in Reichweite aufhalte. Die Beschwerdeführerin 4 habe sich offenbar erst nach Erhalt des negativen Asylentscheids in ärztliche Behandlung begeben und leide gemäss eingereichtem Arztbericht lediglich unter leichten Beeinträchtigungen. Den Akten zufolge hätten die Beschwerdeführenden in Pakistan Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt. Hinsichtlich der psychischen Probleme der Beschwerdeführerin 2 sei zu ergänzen, dass derartige Krankheiten in Pakistan behandelt werden könnten. Die Beschwerdeführerin 1 habe sich sodann eigenen Angaben zufolge über 40 Jahre in Waziristan aufgehalten, weshalb es ihr möglich sein sollte, sich bei einer Rückkehr dort wieder zurechtzufinden. Es wäre ihr auch zuzumuten, sich in einer anderen Region Pakistans ein neues Leben aufzubauen. Zu den eingereichten Unterlagen betreffend die Sicherheitslage in Waziristan sei zu bemerken, dass es sich bei den dokumentierten Vorfällen um regional begrenzte Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Terroristen handle.
In der Replik werden weitere Ausführungen betreffend die bereits in der Beschwerde erhobenen formellen Rügen gemacht und wird überdies vorgebracht, die Unterlagen zur Botschaftsabklärung würden belegen, dass es bei der Abklärung durchaus Schwierigkeiten gegeben habe. Ausserdem seien die Antworten der Botschaft lückenhaft und pauschal ausgefallen. Der Umstand, dass der Vertrauensanwalt offenbar befürchtet habe, sich durch seine Erkundigungen selber in Gefahr zu bringen, bestätige die Vorbringen der Beschwerdeführenden. Aus den Unterlagen der Botschaft sei sodann zu schliessen, dass der Vertrauensanwalt einen Cousin, welcher mutmasslich Angehöriger des pakistanischen Militärs sei, habe abklären lassen wollen, ob die fragliche Schiesserei stattgefunden habe. Eine Antwort auf diesen Abklärungsversuch finde sich in den Akten jedoch nicht, namentlich nicht in A97. Aufgrund der Formulierungen in der Vernehmlassung sei im Weiteren davon auszugehen, dass lediglich abgeklärt worden sei, ob mit einer solchen Schiesserei zu rechnen gewesen sei. Aus der Korrespondenz zwischen dem SEM und der Botschaft gehe sodann hervor, dass die Abklärungen heikel seien, da dafür keine legale Basis bestehe. Legale und unauffällige Erkundigungen könnten nur unter einem Vorwand erfolgen, dazu werde beispielsweise eine Geburtsurkunde benötigt. Das SEM habe die Beschwerdeführenden daraufhin aufgefordert, Ausweisund Zivilstandsdokumente einzureichen, ohne ihnen mitzuteilen, dass diese zur Vornahme von illegalen Abklärungen verwendet werden würden und dass es ihrer schriftlichen Einwilligung bedürfe. Dieses Vorgehen sei willkürlich und treuwidrig. Nach dem Gesagten seien im Zusammenhang mit der Botschaftsabklärung objektive Nachfluchtgründe geschaffen worden. Es sei ferner absurd, dass das SEM den Sachverhalt betreffend die Herkunft der Beschwerdeführenden als erstellt erachte, ihnen aber gleichzeitig vorwerfe, sie hätten ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Im Übrigen hätten die Beschwerdeführenden ausführlich erklärt, weshalb es ihnen nicht möglich sei, Ausweisepapiere einzureichen. Betreffend die Situation in Pakistan sei festzustellen, dass sich diese kontinuierlich verschlechtere. Der Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan führe auch zu einer Stärkung der Taliban in Pakistan. Sodann handle es sich bei der in der Vernehmlassung erwähnten Formulierung im Arztbericht (Besprechung mit den «Eltern») um eine reine Floskel und weise keineswegs auf die Anwesenheit des Ehemannes/Vaters hin. Die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführenden, namentlich der Kinder, müsse bei der Prüfung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs und der Frage des Bestehens einer Wohnsitzalternative gewürdigt werden. Der Verweis
des SEM auf Behandlungsmöglichkeiten in Karachi und Islamabad sei absurd, da die Beschwerdeführenden nicht von dort stammten und nicht in der Lage wären, sich dort eine neue Existenz aufzubauen.
Gemäss Art. 29 VwVG haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Gehörsanspruch umfasst als Mitwirkungsrecht alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 144 I 11 E. 5.3 und BVGE 2009/35 E. 6.4.1, je m.w.H.). Mit dem Gehörsanspruch korreliert die Pflicht der Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidfindung angemessen zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2).
Gemäss Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 12 VwVG stellen die Asylbehörden den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Untersuchungsgrundsatz). Dabei muss die Behörde die für das Verfahren erforderlichen Sachverhaltsunterlagen beschaffen, die rechtlich relevanten Umstände abklären und darüber ordnungsgemäss Beweis führen. Unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung dann, wenn der Verfügung ein falscher und aktenwidriger oder nicht weiter belegbarer Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. Unvollständig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn die Behörde trotz Untersuchungsmaxime den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt hat, oder wenn nicht alle für den Entscheid wesentlichen Sachumstände berücksichtigt wurden. Die Behörde ist dabei jedoch nicht verpflichtet, zu jedem Sachverhaltselement umfangreiche Nachforschungen anzustellen. Zusätzliche Abklärungen sind vielmehr nur dann vorzunehmen, wenn sie aufgrund der Aktenlage als angezeigt erscheinen (vgl. dazu ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER/MARTIN BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes; 3. Aufl. 2013, Rz. 629 ff.; CHRISTOPH AUER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren,
2. Aufl., 2019, Rz. 17 zu Art. 12; BENJAMIN SCHINDLER, in: Auer/Mül-
ler/Schindler [Hrsg.], a.a.O., Rz. 29 ff. zu Art. 49).
Aus dem Akteneinsichtsrecht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs folgt, dass den Beteiligten grundsätzlich sämtliche beweiserheblichen Akten offenzulegen sind, sofern in der sie unmittelbar betreffenden Verfügung darauf abgestellt wird (BGE 132 V 387 E. 3.1 f.). Der Verwaltung obliegt zudem die Einhaltung der Aktenführungspflicht; das heisst, sie hat alles in den Akten festzuhalten, was zur Sache gehört und für den Entscheid wesentlich sein kann (BGE 130 II 473 E. 4.1 m.w.H.). Der Anspruch auf Akteneinsicht setzt sodann eine geordnete, übersichtliche und vollständige Aktenführung (Ablage, Paginierung und Registrierung der vollständigen Akten im Aktenverzeichnis) voraus (vgl. BVGE 2012/24 E. 3.2 und 2011/37 E. 5.4.1, je m.H.).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst sodann auch den Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung durch Verwaltungsbehörden; das Gebot der Unbefangenheit bildet einen Teilgehalt dieses Grundrechts und bedeutet im Kern, dass sich die zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in Bezug auf die Beurteilung des Sachverhalts nicht bereits festgelegt haben (vgl. dazu beispielsweise BGE 140 I 326 E. 5.2, m.w.H.).
Soweit die Beschwerdeführenden rügen, es sei ihnen zu Unrecht die Einsicht in die Aktenstücke A58, A67, A68, A70, A71, A77, A86, A90-A102, A107-A109, A112, A114, A115 und A116 verweigert worden, ist Folgendes festzustellen: Wie aus den Ausführungen in der Zwischenverfügung vom
24. Juni 2020 hervorgeht, hat das SEM hinsichtlich der Aktenstücke A58 und A90 zu Recht die Akteneinsicht verweigert. Bei den Aktenstücken A67, A70, A92-A96, A98-A101, A107-A109, A112 sowie A114-A116 kann davon
ausgegangen werden, dass diese den Beschwerdeführenden bekannt waren, weshalb das Akteneinsichtsgesuch zwar gutgeheissen, jedoch keine Frist zur Einreichung einer Beschwerdeergänzung eingeräumt wurde. Weiter wurde in der Zwischenverfügung festgestellt, dass A77 nicht existiert und daher auch nicht ediert werden kann. In Bezug auf A91 und A97 wurde das Akteneinsichtsgesuch gutgeheissen, aber gleichzeitig festgehalten, dass den Beschwerdeführenden bereits früher Kenntnis vom wesentlichen Inhalt dieser Akten gegeben worden war. Bezüglich A86 (Botschaftsanfrage) wurde das Akteneinsichtsgesuch ebenfalls gutgeheissen, und den Beschwerdeführenden wurde diesbezüglich eine Frist zur Einreichung einer Beschwerdeergänzung eingeräumt. Die aus der (diesbezüglich) unvollständigen Gewährung des Akteneinsichtsrechts durch das SEM allenfalls entstandene Verletzung des Gehörsanspruchs ist damit als geheilt zu erachten.
Zur Rüge der mangelhaften Aktenführung ist zu bemerken, dass – wie das SEM in seiner Vernehmlassung einräumt – zwar Verbesserungspotential bezüglich der Bezeichnung der Aktenstücke besteht, die Aktenführung im vorliegenden Fall jedoch nicht derart mangelhaft ist, dass daraus eine Verletzung des Gehörsanspruchs resultieren würde. In Bezug auf A77 hat das SEM in der Vernehmlassung in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass es sich dabei um ein fälschlicherweise doppelt erfasstes und nachträglich aus dem Aktenverzeichnis entferntes (bzw. durchgestrichenes) Anhörungsprotokoll handelt und in der angefochtenen Verfügung versehentlich auf das nachträglich gelöschte Aktenstück A77 (anstatt das zutreffende A106) verwiesen wurde. Aus diesem Versehen ist den Beschwerdeführenden indessen kein Nachteil entstanden. Entgegen der Annahme der Beschwerdeführenden (vgl. S. 9 Art. 22 der Beschwerde) wurden sodann keine Zusatzabklärungen durch die Schweizer Botschaft in Pakistan vorgenommen; die Sachbearbeiterin des SEM hat von der Botschaftsattachée lediglich nachträglich die (anonymisierte) Originalantwort des Vertrauensanwalts erhältlich gemacht (vgl. A113) und diese daraufhin der damaligen Rechtsvertretung zukommen lassen (vgl. A114).
Die Beschwerdeführenden erheben ferner den Vorwurf, die Sachbearbeiterin des SEM sowie die an der Botschaftsabklärung beteiligten Personen seien befangen gewesen; dies ergebe sich aus der Formulierung «filmreif» sowie weiteren unsachlichen Formulierungen in der angefochtenen Verfügung und der Vernehmlassung («Geschichte», «äusserst fantasievoll und konstruiert», etc.) sowie dem Umstand, dass die angefochtene Verfügung praktisch identisch sei mit der (aufgehobenen) Verfügung vom März 2020. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Tatsache, dass die Erwägungen in der angefochtenen Verfügung vom 14. Mai 2020 ungeachtet der Stellungnahme der vormaligen Rechtsvertretung vom 4. Mai 2020 nicht wesentlich von denjenigen in der (aufgehobenen) Verfügung vom
16. März 2020 abweichen, zeigt lediglich, dass das SEM keine Veranlassung sah, die Asylvorbringen aufgrund des Inhalts der Stellungnahme anders zu beurteilen. Ein Indiz für das Bestehen einer Befangenheit der Sachbearbeiterin kann darin nicht erblickt werden. Die von den Beschwerdeführenden kritisierten Formulierungen implizieren, dass die Sachverhalte, um die es dabei geht, bezweifelt werden. Die Äusserung von Zweifeln an der Glaubhaftigkeit eines geltend gemachten Sachverhalts ist indessen per se kein Indiz für Voreingenommenheit. Das SEM weist in seiner Vernehmlassung zu Recht darauf hin, dass die Bewertung einer Aussage nicht mit Voreingenommenheit gleichgesetzt werden könne. Allfällige andere, objektiv nachvollziehbare Hinweise auf das Bestehen von Befangenheit werden
seitens der Beschwerdeführenden nicht vorgebracht. Der Vorwurf der Befangenheit ist daher als unbegründet zu qualifizieren.
Die Beschwerdeführenden rügen, das SEM habe die Abklärungspflicht verletzt, indem es die Beschwerdeführerinnen 2-4 nur kurz und unsorgfältig angehört, bei Unklarheiten (namentlich betreffend die Frage, ob Haus oder Hof gemeint sei) nicht nachgefragt und nicht vollständig abgeklärt habe, ob die geltend gemachte Schiesserei stattgefunden habe. Ferner habe es keine weiteren Abklärungen betreffend den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen und den Zugang zur medizinischen Versorgung für alleinstehende Frauen in Waziristan vorgenommen, keine LINGUA-Herkunftsanalyse veranlasst und keine Fragen betreffend die genaue Wohnadresse gestellt. Diesbezüglich ist Folgendes festzustellen: Die Beschwerdeführerinnen 2-4 wurden allesamt zweimal angehört, wobei die Anhörungen insgesamt (abzüglich Pausen) 3 Stunden 35 Minuten (Beschwerdeführerin 2) respektive 2 Stunden 50 Minuten (Beschwerdeführerin 3) respektive 3 Stunden 5 Minuten (Beschwerdeführerin 4) dauerten, was in Anbetracht des Sachverhalts angemessen und keineswegs zu kurz erscheint. Die Beschwerdeführerinnen hatten dabei ausreichend Gelegenheit, ihre Asylgründe detailliert darzulegen. Konkrete Hinweise auf eine unsorgfältige Befragung sind aus den Akten nicht ersichtlich. Im Weiteren hat das SEM bei Unklarheiten durchaus nachgefragt und insbesondere auch Verständnisfragen betreffend die Begriffe «Haus» und «Hof» gestellt (vgl. beispielsweise A75 F9 ff.). Der Vorwurf, das SEM habe nicht abgeklärt, ob die Schiesserei tatsächlich stattgefunden habe, geht ebenfalls fehl: Das SEM hat die Schweizer Vertretung in Pakistan darum ersucht abzuklären, ob die von den Beschwerdeführenden geltend gemachten Ereignisse (darunter namentlich die Schiesserei zwischen den Taliban und der pakistanischen Armee im November 2016) stattgefunden hätten (vgl. die Botschaftsanfrage A86 S. 4). Der Antwort des Vertrauensanwalts (vgl. A113), welche den Beschwerdeführenden ediert wurde (vgl. A114), ist zu entnehmen, dass am fraglichen Ort keine derartigen Ereignisse stattgefunden hätten. Damit ist das SEM seiner diesbezüglichen Abklärungspflicht hinreichend nachgekommen. Weitere Abklärungen betreffend den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen und den Zugang zu einer Behandlung im Heimatstaat waren aufgrund der Aktenlage ebenfalls nicht zwingend notwendig. Die Beschwerdeführenden waren vom SEM bereits zu Beginn der Asylverfahren aufgefordert worden, allenfalls bestehende Gesundheitsprobleme darzulegen (vgl. namentlich die Fragen zum medizinischen Sachverhalt im Rahmen der persönlichen Dublin-Gespräche sowie jeweils am Ende der ersten Anhörungen). Zudem obliegt es grundsätzlich ihnen,
diese geltend zu machen und gegebenenfalls zu belegen. Die (bereits im vorinstanzlichen Verfahren rechtlich vertretenen) Beschwerdeführenden reichten dem SEM denn auch zwei Arztberichte betreffend die Beschwerdeführerin 2 sowie einen Operationsbericht betreffend die Beschwerdeführerin 6 ein. Aufgrund der Angaben der Beschwerdeführenden konnte das SEM im Weiteren davon ausgehen, dass sie im Heimatland Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt hatten. Bei dieser Sachlage ist das SEM zu Recht von einem spruchreifen medizinischen Sachverhalt ausgegangen. Für die Vornahme einer LINGUA-Herkunftsanalyse bestand im vorliegenden Fall offensichtlich keine Veranlassung, da das SEM nicht bezweifelt hat, dass die Beschwerdeführenden aus der von ihnen genannten Herkunftsregion stammen. Schliesslich trifft es nicht zu, dass das SEM nicht versucht hat, die genaue Wohnadresse der Beschwerdeführenden in Erfahrung zu bringen; vielmehr hat es die Beschwerdeführenden ausdrücklich danach gefragt (vgl. die Personalienaufnahmen der Beschwerdeführerinnen 1-4, je Ziff. 2.02). Die erhobenen Rügen betreffend die Abklärungspflicht erweisen sich demnach als unbegründet.
Ferner werfen die Beschwerdeführenden dem SEM vor, es habe die Prüfungsund Begründungspflicht verletzt, indem es das Dokument A58 («Anfrage an NBD») sowie die aktenkundigen Arztberichte nicht gewürdigt habe. Ausserdem habe es die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs nur pauschal geprüft und trotz grassierender COVID-19-Pandemie die Möglichkeit des Vollzugs bejaht, was ebenfalls eine Verletzung der Begründungspflicht darstelle. Schliesslich habe es die behauptete Verletzung der Mitwirkungsund Wahrheitspflicht nicht begründet. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das Dokument A58 ist für die Beurteilung der Asylgesuche der Beschwerdeführenden irrelevant und ist daher vom SEM im Asylentscheid zu Recht nicht erwähnt worden. Die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerinnen 1 und 2 hat das SEM in der angefochtenen Verfügung gewürdigt und dabei ausgeführt, die Beschwerdeführerinnen seien bereits in Pakistan in Behandlung gewesen; auch ohne explizite Erwähnung der eingereichten Arztberichte ist das SEM seiner Prüfungsund Begründungspflicht damit nachgekommen. Bei der Beschwerdeführerin 6 wurde gemäss aktenkundigem Operationsbericht vom
21. Februar 2020 (vgl. A102) lediglich Osteosynthesematerial von einer früheren Unterarmfraktur-Behandlung entfernt. Das SEM ging zu Recht davon aus, dass dieser Eingriff nicht relevant ist für die Beurteilung der Frage, ob medizinische Vollzugshindernisse bestehen, weshalb es von einer Würdigung dieses Umstandes absehen konnte. Sodann äusserte sich das SEM auch zur Frage des Beziehungsnetzes und der Wohnsituation am
Herkunftsort. Da es gleichzeitig auf die Verletzung der Mitwirkungsund Wahrheitspflicht durch die Beschwerdeführenden verwies und diese im Übrigen durchaus begründete (nämlich mit der Weigerung der Beschwerdeführenden, weitere Informationen oder Dokumente zu beschaffen; vgl.
S. 10 der angefochtenen Verfügung; vgl. auch die Ausführungen in der Vernehmlassung), ist grundsätzlich (vgl. aber nachfolgend E. 8.2 f.) nicht zu beanstanden, dass die Prüfung von allfälligen Vollzugshindernissen eher kurz ausfiel. Beim Vorbringen, das SEM hätte angesichts der Pandemie die Möglichkeit des Vollzugs der Wegweisung nicht bejahen dürfen, handelt es sich sodann nicht um eine formelle, sondern um eine materielle Rüge.
Soweit die Beschwerdeführenden rügen, die Vorgehensweise und Schlussfolgerungen des SEM seien willkürlich, ist darauf hinzuweisen, dass Willkür nicht schon dann vorliegt, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar vorzuziehen wäre, sondern nur dann, wenn ein Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER/MARKUS SCHÄFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S.11; ULRICH HÄFELI/WALTER HALLER/HELEN KELLER/DANIELA THURNHERR, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Auflage 2016, N 811 f.; BGE 133 I 149 E. 3.1, m.w.H.). Dabei muss die angeblich willkürliche Begründung rechtsgenüglich dargelegt werden (BGE 116 Ia 426 S. 428, m.w.H.). Im vorliegenden Fall wird jedoch weder näher ausgeführt noch ist ersichtlich, dass und inwiefern die Erwägungen und Vorgehensweisen des SEM unter die obgenannte Definition zu subsumieren sind, weshalb die Rüge, das SEM habe das Willkürverbot verletzt, als unbegründet zu qualifizieren ist.
Nach dem Gesagten erweisen sich die von den Beschwerdeführenden erhobenen formellen Rügen allesamt als unbegründet.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Anschauungen wegen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Le-
bens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen der Vorbringen in verschiedenen Entscheiden dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (vgl. BVGE 2015/3 E. 6.5.1 mit Verweisen).
Die Beschwerdeführenden machen geltend, aufgrund des Vorfalls im November 2016 vor ihrem Haus (Schiesserei zwischen den Taliban und der Armee) seien sie sowohl von der Armee als auch von den Taliban verfolgt worden und deswegen nach wie vor gefährdet.
Der von der Schweizer Botschaft in Pakistan mit den Abklärungen vor Ort beauftragte Vertrauensanwalt teilte der Schweizer Botschaft am 5. Januar 2020 mit, er habe mit verschiedenen Personen von verschiedenen Organisationen gesprochen, und alle hätten verneint, dass es im November 2016 in der fraglichen Gegend zu den geltend gemachten Vorfällen gekommen sei (vgl. A113). Schon zuvor hatte der Vertrauensanwalt die Auffassung geäussert, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich die von den Beschwerdeführenden geltend gemachten Ereignisse in ihrer Herkunftsregion im November 2016 tatsächlich zugetragen hätten (vgl. A91 S. 3). Es besteht kein Grund, die Zuverlässigkeit dieser Auskunft anzuzweifeln, zumal für diese Abklärung lediglich der Wohnort der Beschwerdeführenden (G. /H. , Distrikt Bannu) sowie der fragliche Zeitraum (November 2016) benötigt wurden und keine heiklen, personenbezogene Abklärungen getätigt werden mussten. Die geltend gemachte Schiesserei zwischen den Taliban und der Armee im November 2016 am Herkunftsort der Beschwerdeführenden ist daher als unglaubhaft zu erachten. Demnach kann auch die damit zusammenhängende, angebliche Verfolgung durch die Taliban nicht geglaubt werden.
Abgesehen vom Ergebnis der Botschaftsabklärung sprechen auch noch weitere Umstände für die Annahme der Unglaubhaftigkeit dieser Verfolgungsvorbringen: So erscheint es insbesondere realitätsfremd, dass die Taliban die Beschwerdeführenden sowohl im November 2016 als auch im April 2019 nur bedroht und geohrfeigt haben. Falls sie sich tatsächlich für den Tod ihrer Kameraden an den Beschwerdeführenden hätten rächen wollen, so hätten sie dies bei erster Gelegenheit getan; dieser Auffassung ist im Übrigen auch der Vertrauensanwalt, welcher ausführte, falls sich die geltend gemachten Ereignisse tatsächlich so zugetragen hätten, hätten die Beschwerdeführenden nicht in ihrem Haus bleiben können, ohne umgebracht zu werden (vgl. A91 S. 2). Die Beschwerdeführenden wohnten indes nach dem angeblichen Vorfall im November 2016 noch rund 2.5 Jahre im angestammten Haus, ohne dass sie von den Taliban ernsthaft angegriffen worden wären (vgl. A63 F41). Weiter fällt auf, dass die Beschwerdeführenden keinerlei Beweismittel zur angeblichen Schiesserei oder zur angeblichen Verfolgung durch die Taliban vorlegten. Der Einwand, sie hätten nichts mitnehmen können, da sie überstürzt ausgereist seien, überzeugt nicht, da sie eigenen Angaben zufolge mindestens 13 Tage Zeit hatten, um sich auf die Ausreise vorzubereiten (vgl. A75 F48). Insbesondere erscheint es realitätsfremd, dass sie über keinerlei Kontaktdaten von Verwandten oder Bekannten am Herkunftsort verfügen, welche die Vorfälle gegebenenfalls – entweder schriftlich oder dem Vertrauensanwalt gegenüber – hätten bestätigen können. Überdies wäre es den Beschwerdeführenden zumutbar und möglich gewesen, den «village officer» ihres Wohnortes zu kontaktieren, um zumindest eine Bestätigung der geltend gemachten Schiesserei im November 2016 zu erhalten; auch dies haben sie indes nicht getan. Das Fehlen von jeglichen Beweismitteln zu den geltend gemachten Vorfällen ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Verfolgungsvorbringen nicht der Wahrheit entsprechen.
Wie schliesslich bereits das SEM zutreffend festgestellt hat, sind die Aussagen der Beschwerdeführerinnen teilweise praktisch identisch ausgefallen. Insbesondere bei der freien Schilderung der Asylgründe haben sie häufig dieselben Formulierungen verwendet (vgl. A63 F21, A64 F13, A65 F16 und F19, A66 F19). Zudem schildern sie die Vorbringen sehr gleichförmig; ihre Erzählweise bleibt während der gesamten Schilderung der Asylgründe gleich, ungeachtet dessen, ob es sich um angeblich selbst erlebte Ereignisse handelt oder um Ereignisse, die sie nur vom Hörensagen kennen. Dieses Aussageverhalten lässt darauf schliessen, dass die Be-
schwerdeführerinnen einen konstruierten und auswendig gelernten Sachverhalt widergegeben haben und die geltend gemachten Ereignisse nicht der Wahrheit entsprechen.
Nach dem Gesagten ist die geltend gemachte Verfolgung durch die Taliban im Zusammenhang mit der angeblichen Schiesserei im November 2016 als unglaubhaft zu erachten. Demnach ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführenden im Falle ihrer Rückkehr nach Pakistan einer asylbeachtlichen Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt wären. Sollten sie zukünftig dennoch – aus welchen Gründen auch immer – durch die Taliban behelligt werden, so wäre es ihnen im Übrigen zumutbar und möglich, die pakistanischen Sicherheitsbehörden um Schutz zu ersuchen; denn der pakistanische Staat ist nach Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich fähig und willens, Schutz vor Verfolgung Dritter zu bieten und eine funktionierende sowie effiziente Schutzinfrastruktur zur Verfügung zu stellen (vgl. dazu beispielsweise das Urteil des BVGer E-4623/2020 vom 23. Juni 2021 E. 7.2.2, m.w.H.).
Hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Armee ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin 1 ausdrücklich erklärt hat, die Armee habe nur nach I. gesucht, sie und ihre Kinder seien nicht bedroht worden (vgl. A63 F39). Ferner haben weder sie noch die Beschwerdeführerinnen 2-4 konkrete Behelligungen durch Armeeangehörige geltend gemacht. Es ist bei dieser Sachlage nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführenden einer Verfolgung durch die Armee ausgesetzt waren oder im Falle ihrer Rückkehr nach Pakistan eine solche befürchten müssen.
Entgegen der in der Beschwerde geäusserten Auffassung bestehen sodann keine Hinweise dafür, dass durch die Botschaftsabklärung Nachfluchtgründe geschaffen wurden, zumal der Vertrauensanwalt – mangels konkreter sachdienlicher Angaben der Beschwerdeführenden – lediglich abklären konnte, ob im fraglichen Zeitpunkt am Herkunftsort der Beschwerdeführenden eine Schiesserei zwischen der Armee und den Taliban stattgefunden habe. Diese Erkundigungen konnte er problemlos auch ohne Verwendung der Personalien der Beschwerdeführenden einholen, weshalb den Beschwerdeführenden durch diese Abklärungsmassnahmen keine Nachteile entstanden sind.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die geltend gemachten Asylgründe nicht geeignet sind, eine asylrespektive flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG beziehungsweise eine entsprechende Verfolgungsfurcht glaubhaft zu machen. Demnach hat die Vorinstanz zu Recht die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführenden verneint und die Asylgesuche abgelehnt.
Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
Die Beschwerdeführenden verfügen weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).
In Bezug auf die Geltendmachung von Wegweisungshindernissen gilt gemäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Flüchtlingseigenschaft, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimatoder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann (Art. 83 Abs. 2 AIG). Er ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG). Der Vollzug kann für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AIG).
Sind von einem allfälligen Wegweisungsvollzug Kinder betroffen, so sind gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit des Vollzugs unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (KRK, SR 0.107) sämtliche Umstände einzubeziehen und zu würdigen, die im Hinblick auf eine Wegweisung wesentlich erscheinen. Dabei können namentlich folgende Kriterien im Rahmen einer gesamtheitlichen Beurteilung von Bedeutung sein: Alter und Reife des Kindes, Abhängigkeiten, Art (Nähe, Intensität, Tragfähigkeit) seiner Beziehungen, Eigenschaften seiner Bezugspersonen (insbesondere Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit), Stand und Prognose bezüglich Entwicklung/Ausbildung sowie der Grad der erfolgten Integration bei einem längeren Aufenthalt in der Schweiz. Gerade letzterer Aspekt, die Dauer des Aufenthaltes in der Schweiz, ist im Hinblick auf die Prüfung der Chancen und Hindernisse einer Reintegration beziehungsweise Integration im Heimatland bei einem Kind als gewichtiger Faktor zu werten, da Kinder nicht ohne guten Grund aus einem einmal vertrauten Umfeld herausgerissen werden sollten. Dabei ist aus entwicklungspsychologischer Sicht nicht nur das unmittelbare persönliche Umfeld des Kindes (d.h. dessen Kernfamilie) zu berücksichtigen, sondern auch dessen übrige soziale Einbettung. Die Verwurzelung in der Schweiz kann eine reziproke Wirkung auf die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs haben, indem eine starke Assimilierung in der Schweiz eine Entwurzelung im Heimatstaat zur Folge haben kann, welche unter Umständen die Rückkehr dorthin als unzumutbar erscheinen lässt (vgl. dazu BVGE 2009/51 E. 5.6; 2009/28 E. 9.3.2).
Für den vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 inzwischen zwar volljährig geworden sind, die Beschwerdeführenden 4-6 aber noch minderjährig sind ([…]). Diesem Umstand hat das SEM in seiner Begründung zur Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs indessen mit keinem Wort Rechnung getragen. Insbesondere sind den Erwägungen keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass das SEM die Situation der – im Verfügungszeitpunkt noch fünf – minderjährigen Kinder unter dem Blickwinkel des Kindeswohls gewürdigt und im Rahmen einer gesamtheitlichen Beurteilung sämtliche Kriterien einbezogen hätte, die im Hinblick auf einen Wegweisungsvollzug wesentlich erscheinen (Alter, Reife, Abhängigkeiten, Art [Nähe, Intensität, Tragfähigkeit] der Beziehungen, Eigenschaften der Bezugsperson [vor allem Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit], Stand und Prognose bezüglich Entwicklung/Ausbildung sowie der Grad der erfolgten Integration bei einem längeren Aufenthalt in der
Schweiz). Es trifft zwar zu, dass es nicht Aufgabe der Asylbehörden ist, nach allfälligen Wegweisungsvollzugshindernissen zu forschen, wenn den Gesuchstellenden eine Verletzung ihrer Mitwirkungsund Wahrheitspflicht vorgeworfen werden kann. Das SEM hat im vorliegenden Fall indessen nicht etwa unter Berufung auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführenden auf die Prüfung des Kindeswohls verzichtet, sondern hat sich dazu überhaupt nicht geäussert. Im Übrigen betreffen die zu beurteilenden Kriterien überwiegend Aspekte, welche unabhängig von den Kenntnissen über die individuellen Verhältnisse am Herkunftsort geprüft werden können. Nach dem Gesagten steht fest, dass das SEM in diesem Punkt der ihm obliegenden Begründungspflicht (vgl. Art. 35 Abs. 1 VwVG) offensichtlich nicht nachgekommen ist und damit den Anspruch der Beschwerdeführenden auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Angesichts des formellen Charakters des Gehörsanspruchs führt dessen Verletzung grundsätzlich zur Kassation und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, unabhängig davon, ob die angefochtene Verfügung bei korrekter Verfahrensführung im Ergebnis anders ausgefallen wäre. Im Beschwerdeverfahren kann die Gehörsverletzung jedoch unter Umständen aus prozessökonomischen Gründen geheilt werden, wenn die Rechtsmittelinstanz über die volle Kognition verfügt, das Versäumte nachgeholt wird, die beschwerdeführende Person dazu Stellung nehmen kann und die festgestellte Verletzung nicht schwerwiegender Natur ist (vgl. dazu BVGE 2015/10 E. 7.1 m.w.H.; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O., Rz. 548 ff.,
645). Im vorliegenden Fall ist eine Heilung der festgestellten Gehörsverletzung nicht in Betracht zu ziehen. Der Verfahrensmangel ist bedeutsam, und das SEM hat sich auch in seiner Vernehmlassung nicht zur Frage des Kindeswohls geäussert. Ausserdem ginge den Beschwerdeführenden bei einer Heilung durch das Gericht und einem daraufhin allenfalls ergehenden abweisenden Entscheid eine Instanz verloren. Obwohl die Beschwerde grundsätzlich reformatorisch ausgestaltet ist (vgl. Art. 61 Abs. 1 VwVG), erscheint es aus diesen Gründen angebracht, die angefochtene Verfügung hinsichtlich des angeordneten Wegweisungsvollzugs aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung und Begründung im Wegweisungsvollzugspunkt an die Vorinstanz zurückzuweisen. Soweit in der Beschwerde weitere Einwände gegen die Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorgebracht werden, ist darauf bei dieser Sachlage an dieser Stelle nicht mehr näher einzugehen.
Die Beschwerde ist somit teilweise gutzuheissen. Die Dispositivziffern 4-6
der Verfügung vom 14. Mai 2020 sind aufzuheben, und die Sache ist zur Neubeurteilung des Wegweisungsvollzugs im Sinne der Erwägungen an das SEM zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens (hälftiges Obsiegen) wären die um die Hälfte reduzierten Verfahrenskosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen. Nachdem jedoch das in der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) mit Verfügung vom 24. Juni 2020 – vorbehältlich der (daraufhin erfolgten) Nachreichung einer Fürsorgebestätigung – gutgeheissen worden ist, sind vorliegend keine Verfahrenskosten zu erheben.
Den Beschwerdeführenden ist in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine reduzierte Entschädigung für die ihnen notwendigerweise erwachsenen Parteikosten auszurichten. Es wurde keine Kostennote eingereicht, weshalb die notwendigen Parteikosten aufgrund der Akten zu bestimmen sind (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Angesichts des hälftigen Obsiegens sowie unter Berücksichtigung der auf Beschwerdeebene erfolgten Heilung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. E. 4.3) ist die vom SEM auszurichtende Parteientschädigung gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9–13 VGKE) auf pauschal Fr. 1‘300.– festzusetzen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit damit die Aufhebung der angefochtenen Verfügung im Wegweisungsvollzugspunkt beantragt wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Die vorinstanzliche Verfügung vom 14. Mai 2020 wird hinsichtlich der Dispositivziffern 4-6 aufgehoben, und die Sache wird zur Neubeurteilung des Wegweisungsvollzugs im Sinne der Erwägungen an das SEM zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das SEM wird angewiesen, den Beschwerdeführenden für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine (reduzierte) Parteientschädigung von Fr. 1‘300.– auszurichten.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Mia Fuchs Anna Dürmüller Leibundgut
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.