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Bundesverwaltungsgericht Urteil F-4306/2019

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung VI
Dossiernummer:F-4306/2019
Datum:20.11.2020
Leitsatz/Stichwort:Einreiseverbot
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Einreise; Einreiseverbot; Vorinstanz; Freizügigkeit; Schweiz; Erwerbstätigkeit; Rechtsmittel; Partei; Bewilligung; Akten; Aufenthalt; Sicherheit; Freizügigkeitsrecht; Staatsangehörige; Sinne; Erheblich; Frist; Messen; Freizügigkeitsabkommen; Bundesverwaltungsgericht; Aufenthalts; Richter; Person; Beschwerdeführers; Verfahren; Gesetzes; Höhe
Rechtsnorm: Art. 11 AIG ; Art. 48 BGG ; Art. 49 VwVG ; Art. 58 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 67 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung VI F-4306/2019

U r t e i l v o m 2 0 . N o v e m b e r 2 0 2 0

Besetzung Richter Andreas Trommer (Vorsitz), Richter Yannick Antoniazza-Hafner, Richter Gregor Chatton, Gerichtsschreiber Julius Longauer.

Parteien C. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Nicolas von Wartburg, Rechtsanwalt,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Einreiseverbot.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,

dass der Beschwerdeführer, ein 1992 geborener peruanischer Staatsangehöriger, nach eigenen Angaben als Ehegatte eines französischen Staatsangehörigen mit einer Aufenthaltsbewilligung in Frankreich lebt,

dass Beamte der Stadtpolizei Zürich am 6. August 2019 aufgrund eines von ihm auf einer Internetplattform aufgeschalteten Sexinserats Kontakt mit dem Beschwerdeführer aufnahmen und sich als interessierte Kunden ausgaben (Akten der kantonalen Migrationsbehörde [ZH-act.] 6/15),

dass der Beschwerdeführer anlässlich des noch am gleichen Tag zustande gekommenen Treffens wegen Verdachts auf illegale Erwerbstätigkeit durch Prostitution festgenommen (ZH-act. 6/15) und am folgenden Tag polizeilich einvernommen wurde (ZH-act. 3/5),

dass der Beschwerdeführer anlässlich der polizeilichen Einvernahme eingestand, er habe seit seiner Einreise in die Schweiz am 25. oder 26. Juni 2020 sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt an 7 bis 8 Kunden erbracht und dadurch ca. CHF 3'000.- verdient,

dass der Beschwerdeführer mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft ZürichSihl vom 8. August 2019 wegen Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung und rechtswidrigen Aufenthalts zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen und einer Busse von Fr. 500.- verurteilt wurde (Akten der Vorinstanz [SEM-act.] 2/10),

dass die Vorinstanz mit Verfügung vom 8. August 2019 ein dreijähriges Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer verhängte, das sie mit Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne die dafür erforderliche ausländerrechtliche Bewilligung begründete (SEM-act. 5/16),

dass der Beschwerdeführer dagegen am 23. August 2019 Rechtsmittel einlegte und die ersatzlose Aufhebung des Einreiseverbots, eventualiter dessen Befristung auf ein Jahr beantragte (Akten des BVGer [Rek-act. 1]),

dass die Vorinstanz am 11. November 2019 im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens auf das Einreiseverbot zurückkam und es auf zwei Jahre befristete, im Übrigen aber an der Massnahme festhielt (Rek-act. 7),

dass der Beschwerdeführer darauf am 11. Dezember 2019 replizierte, eine zweite, mit der ersten identischen Beschwerde einreichte und um Vereinigung mit dem bereits hängigen Rechtsmittelverfahren ersuchte (Rek-act. 9),

dass auf den weiteren Akteninhalt – soweit erheblich – in den Erwägungen eingegangen wird,

und zieht in Erwägung,

dass Einreiseverbote des SEM der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen (Art. 31, 32 und 33 Bst. d VGG),

dass sich das Verfahren nach dem VwVG richtet, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG),

dass die Vorinstanz im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens das ursprüngliche, auf drei Jahre bemessene Einreiseverbot gestützt auf Art. 58 Abs. 1 VwVG durch ein neues zweijähriges Einreiseverbot ersetzte,

dass gemäss Art. 58 Abs. 3 VwVG das gegen das erste Einreiseverbot angestrengte Rechtsmittelverfahren rechtshängig bleibt, weil und soweit die Vorinstanz mit dem neuen Einreiseverbot den gestellten Rechtsbegehren nicht entsprach,

dass die als Beschwerde bezeichnete Eingabe vom 11. Dezember 2019 als Stellungnahme zuhanden dieses Rechtsmittelverfahrens entgegenzunehmen ist (ANDREA PLEIDERER, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, N 46 zu Art. 58),

dass der Beschwerdeführer zur Beschwerde legitimiert und auf sein fristund formgerecht eingereichtes Rechtsmittel einzutreten ist, soweit es nach dem Rückkommen der Vorinstanz noch im Streit steht (Art. 49 ff. VwVG),

dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und die Unangemessenheit gerügt werden kann (Art. 49 VwVG),

dass der Geltungsbereich des AIG (SR 142.209), auf das sich das angefochtene Einreiseverbot stützt, durch das Abkommen vom 21. Juni 1999

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA, SR 0.142.112.681) begrenzt wird,

dass für Personen, die aus dem FZA begünstigt sind – insbesondere Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und ihre Familienangehörigen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – das AIG nur gilt, soweit das FZA keine anderen Bestimmungen enthält oder das AIG günstigere Bestimmungen vorsieht (Art. 2 Abs. 2 AIG),

dass der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend macht, er sei als Ehemann eines französischen Staatsangehörigen aus dem Freizügigkeitsabkommen berechtigt, weshalb die Zulässigkeit des Einreiseverbots an den spezifischen Voraussetzungen des FZA zu messen sei,

dass der Beschwerdeführer mit dieser Argumentation jedoch übersieht, dass er als Peruaner ein Drittstaatsangehöriger ist, dem das Freizügigkeitsabkommen nur ein von seinem originär berechtigten Ehemann abgeleitetes Freizügigkeitsrecht vermittelt,

dass die Anerkennung eines abgeleiteten Freizügigkeitsrechts bedingt, dass die originär berechtigte Person von ihrem Freizügigkeitsrecht der Schweiz gegenüber Gebrauch macht (vgl. Urteile des BGer 2C_862/2013 vom 18. Juli 2014 E. 6.2.3; 2C_1092/2013 vom 4. Juli 2014 E. 5.2; je m.H.;

BVGE 2019 VII/3 E. 11; Urteil des BVGer F-3664/2017 vom 17. Dezember 2018 E. 3),

dass den Akten und den Vorbringen des Beschwerdeführers nichts entnommen werden kann, was die Annahme stützen würde, der französische Ehemann mache gegenüber der Schweiz von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch, die vorliegende Streitsache sich daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht nach dem Freizügigkeitsabkommen beurteilt,

dass gemäss Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG eine ausländische Person, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen hat oder diese gefährdet, mit einem Einreiseverbot belegt werden kann, das Gesetz mithin mit dem vergangenen und dem drohenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zwei alternative Fernhaltegründe vorsieht,

dass ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung insbesondere bei einer Missachtung gesetzlicher Vorschriften gegeben ist (Art. 77a Abs. 1 Bst. a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]), wozu auch die ausländerrechtliche Ordnung gehört,

dass ausländische Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen, unabhängig von der Aufenthaltsdauer eine Bewilligung benötigen (Art. 11 Abs. 1 AIG),

dass als Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes jede üblicherweise gegen Entgelt ausgeübte unselbständige oder selbständige Tätigkeit zu verstehen ist, selbst wenn sie unentgeltlich erfolgt (Art. 11 Abs. 2 AIG),

dass für die Qualifizierung einer Aktivität als Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes unerheblich ist, ob sie nur stundenoder tageweise oder vorübergehend ausgeübt wird (Art. 1a Abs. 1 VZAE),

dass das Erbringen von sexuellen Dienstleistungen gegen Entgelt als Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes gilt und daher nur mit entsprechender Bewilligung ausgeübt werden darf,

dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in der Schweiz unbestrittenermassen der entgeltlichen Prostitution ohne Bewilligung nachgegangen war und deswegen mit Strafbefehl vom 8. August 2019 zur Verantwortung gezogen wurde,

dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten unbestreitbar den Fernhaltegrund eines Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 2 Bst. a erster Halbsatz AIG gesetzt hat,

dass damit dem Grundsatz nach schon aus generalpräventiven Erwägungen ein erhebliches öffentliches Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers besteht,

dass der nicht weiter substantiierte Hinweis des Beschwerdeführers auf Freunde und Bekannte in der Schweiz, die er während der Dauer des Einreiseverbots nicht mehr vor Ort besuchen dürfte, nicht geeignet ist, gegen das öffentliche Interesse aufzukommen,

dass daher das auf zwei Jahre befristete Einreiseverbot eine verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt,

dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden und die Beschwerde demzufolge abzuweisen ist, soweit sie nicht durch das Rückkommen der Vorinstanz gegenstandslos wurde,

dass bei diesem Ausgang des Verfahrens, das als teilweises Unterliegen zu werten ist, dem Beschwerdeführer auf den Umfang des Unterliegens (2/3) reduzierte Verfahrenskosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG),

dass deren Höhe in Anwendung von Art. 1, Art. 2 und Art. 3 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) auf Fr. 800.- festzusetzen ist,

dass dem Beschwerdeführer andererseits als teilweise obsiegender Partei zu Lasten der Vorinstanz eine auf den Umfang des Obsiegens (1/3) gekürzte Parteientschädigung zuzusprechen ist (Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 VwVG, Art. 7 Abs. 4 VGKE),

dass deren Höhe mit Blick auf den aktenkundigen Aufwand und die Komplexität des Falles sowie in Anwendung der gesetzlichen Bemessungskriterien von Art. 8 ff. VGKE auf Fr. 500.- festzusetzen ist.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und vom geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1'200.- in Abzug gebracht. Der Restbetrag von Fr. 400.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.

3.

Die Vorinstanz wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 500.- auszurichten.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (…)

  • die Vorinstanz (…)

  • die Migrationsbehörde des Kantons Zürich

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Andreas Trommer Julius Longauer

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden, sofern die Voraussetzungen gemäss Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG gegeben sind. Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand:

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