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Bundesverwaltungsgericht Urteil F-2447/2020

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung VI
Dossiernummer:F-2447/2020
Datum:25.09.2020
Leitsatz/Stichwort:Einreiseverbot
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Einreiseverbot; Schweiz; Recht; Verfügung; Gallen; Kantons; Sicherheit; Interesse; Bundesverwaltungsgericht; Entscheid; Interessen; Rechtlich; Migration; Vorinstanz; Aufenthalt; Familie; Migrationsamt; Beschwerdeführers; Verfügt; Fernhaltemassnahme; Akten; Begründung; Einreiseverbots; Wegweisung; Frist; Gehör; Behörde
Rechtsnorm: Art. 112 AIG ; Art. 139 StGB ; Art. 172t StGB ; Art. 48 VwVG ; Art. 50 VwVG ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 AIG ; Art. 67 AIG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:137 II 266; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung VI F-2447/2020

U r t e i l v o m 2 5 . S e p t e m b e r 2 0 2 0

Besetzung Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz), Richterin Susanne Genner, Richter Gregor Chatton, Gerichtsschreiberin Susanne Stockmeyer.

Parteien A. ,

vertreten durch

lic. iur. Denise Galbier, Marty Gmür Galbier Rechtsanwälte, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Einreiseverbot.

Sachverhalt:

A.

Der nordmazedonische Staatsangehörige A. (geb. 1977; nachfolgend: Beschwerdeführer) reiste am 15. Januar 1991 mit seiner Mutter und seinen Brüdern im Rahmen des Familiennachzugs zu seinem Vater in die Schweiz ein, wo er am 18. Februar 1991 eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Im Jahr 1999 heiratete er in seinem Heimatland eine Landsfrau. Das Paar hat zwei gemeinsame Kinder (geb. 2000 und 2014). Die Ehefrau und die beiden Kinder verfügen hierzulande über eine Aufenthaltsbewilligung (Akten der Vorinstanz [SEM act.] S. 1 ff.).

B.

Aufgrund mehrerer strafrechtlicher Verurteilungen und der Anhäufung von Schulden verwarnte das Migrationsamt des Kantons St. Gallen den Beschwerdeführer am 14. März 2012 und verlängerte die Aufenthaltsbewilligung fortan nur noch unter Vorbehalt. Mit Entscheid vom 22. September 2017 verfügte das Migrationsamt des Kantons St. Gallen die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers und wies ihn gleichzeitig aus der Schweiz weg (SEM act. S. 1 ff.). Den dagegen gerichteten Rechtsmitteln war kein Erfolg beschieden (vgl. Entscheid des Sicherheitsund Justizdepartements des Kantons St. Gallen vom 7. November 2018 sowie Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. März 2019 [Akten des Migrationsamts des Kantons St. Gallen S. 755 ff. und S. 780 ff.]). Gemäss den Akten verliess der Beschwerdeführer die Schweiz am 10. Juli 2019 Richtung Nordmazedonien (SEM act. S. 12).

C.

Am 25. November 2019 wurde der Beschwerdeführer in (…) verhaftet, nachdem er bei der Begehung eines Diebstahls beobachtet worden war (SEM act. S. 30). Am darauffolgenden Tag wurde er von einer Mitarbeiterin der Kantonspolizei St. Gallen zur Sache einvernommen. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit geboten, zur Wegweisung und allfälligen Verhängung eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen (SEM act. S. 35 ff.).

D.

In der Folge verfügte das Migrationsamt des Kantons St. Gallen am

26. November 2019 die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz gemäss Art. 64d AIG (SR 142.20) und setzte ihm eine Ausreisefrist bis zum 29. November 2019 (SEM act. S. 23 f.).

E.

Mit Strafbefehl vom 3. Februar 2020 erkannte das Untersuchungsamt Uznach den Beschwerdeführer des mehrfachen Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB für schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen sowie zu einer Busse von Fr. 400.–, schob den Vollzug der Geldstrafe jedoch unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren auf (SEM act. S. 61 ff.).

F.

Das SEM erliess am 9. März 2020 gegenüber dem Beschwerdeführer ein zweijähriges Einreiseverbot. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei vom Untersuchungsamt Uznach mit Strafbefehl vom 3. Februar 2020 wegen mehrfachen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Er sei daher von der zuständigen Behörde gemäss Art. 64d AIG weggewiesen worden. Diese Delikte würden einen schweren Verstoss gegen die Gesetzgebung darstellen, womit eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einhergehe (SEM act. S. 66).

G.

Mit Rechtsmitteleingabe vom 11. Mai 2020 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des Einreiseverbots; eventualiter sei die Verfügung des SEM vom 9. März 2020 aufzuheben und die Dauer des Einreiseverbots sei angemessen herabzusetzen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte er die Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Akten des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer act.] 1).

H.

Mit Verfügung vom 20. Mai 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ab (BVGer act. 3).

I.

Mit Vernehmlassung vom 8. Juli 2020 hielt die Vorinstanz an ihrem abweisenden Entscheid fest (BVGer act. 6).

J.

Der Beschwerdeführer nahm mit Schreiben vom 17. August 2020 replikweise Stellung (BVGer act. 8).

K.

Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Verfügungen des SEM, die ein Einreiseverbot nach Art. 67 AIG zum Gegenstand haben, unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 112 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 31 ff. VGG).

    2. Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

    3. Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die im Übrigen fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

    4. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Streitsache endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).

2.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und – soweit nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat – die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).

3.

Der Beschwerdeführer macht in formeller Hinsicht eine zweifache Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. So habe ihm die Vorinstanz weder das rechtliche Gehör zur Fernhaltemassnahme gewährt noch sein Recht auf Familienleben in ihrer Interessenabwägung berücksichtigt (Beschwerde Pkt. 5 S. 5).

    1. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst eine Reihe persönlichkeitsbezogener Mitwirkungsrechte der Partei eines Gerichtsoder Verwaltungsverfahrens. Im Zentrum steht das Recht, vor dem Erlass einer belastenden Verfügung angehört zu werden (Art. 30 VwVG). Die Behörde hat die Partei jedoch nicht nur anzuhören, sondern sie hat das Geäusserte sorgfältig zu prüfen, zu würdigen und bei der Entscheidfindung zu berücksichtigen (Prüfungsund Berücksichtigungspflicht; vgl. Art. 32 VwVG). In einer engen Verbindung dazu steht die Pflicht der Behörde, ihren Entscheid zu begründen (Art. 35 VwVG). Die Begründungspflicht dient der rationalen und transparenten Entscheidfindung und soll die Partei in die Lage versetzen, den Entscheid sachgerecht anzufechten. Das setzt voraus, dass die Behörde die Überlegungen nennt, von denen sie sich beim Entscheid leiten liess. Dabei ist sie nicht gehalten, zu jedem Argument der Partei explizit Stellung zu nehmen. Es genügt, wenn aus der Gesamtheit der Begründung implizit hervorgeht, weshalb das Vorgebrachte als unrichtig oder unwesentlich übergangen wird (vgl. BGE 137 II 266 E. 3.2 m.H.; BVGE 2012/24 E. 3.2).

    2. Wie sich aus den Akten entnehmen lässt, wurde dem Beschwerdeführer anlässlich der Einvernahme durch die Kantonspolizei St. Gallen vom

      26. November 2019 in Anwesenheit seines Rechtsvertreters die Gelegenheit geboten, sich zu einer Wegweisung sowie zum Erlass eines allfälligen Einreiseverbots zu äussern. Er führte dazu aus: «Ich darf hier sein in der Schweiz, sie können meinen Stempel im Pass nachschauen» (SEM act.

      S. 36). Dass die Anhörung nicht durch die Vorinstanz erfolgte, ist dabei nicht zu beanstanden, wurde doch das entsprechende polizeiliche Einvernahmeprotokoll dem SEM mit Schreiben des Migrationsamts des Kantons St. Gallen vom 4. März 2020 zugestellt (SEM act. S. 64; vgl. Urteile des BVGer F-2338/2018 vom 28. September 2018 E. 3.3; C-4489/2013 vom

      23. Januar 2014 E. 3.3 m.w.H. sowie WALDMANN/BICKEL, in Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, Art. 30 N 17). Damit hatte der Beschwerdeführer – entgegen seinen Behauptungen – hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme im Sinne einer Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs und kann sich nachträglich nicht auf eine Verletzung berufen.

    3. Was die Begründungsbzw. Berücksichtigungspflicht angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs durch die Kantonspolizei St. Gallen – wie an obiger Stelle dargelegt – seine in der Schweiz lebende Familie mit keinem Wort erwähnte. In korrekter Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes gemäss Art. 12 VwVG hat das SEM in seiner Verfügung vom 9. März 2020 die privaten Interessen des Beschwerdeführers in seiner Interessenabwägung berücksichtigt, kam hingegen zum Schluss, diese könnten die öffentlichen Interessen an künftigen kontrollierten Einreisen nicht überwiegen. Die Vorinstanz erwähnte zwar erst in ihrer Vernehmlassung vom 8. Juli 2020 die familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers ausdrücklich, es gilt jedoch in Betracht zu ziehen, dass bereits zuvor im Rahmen des ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahrens eine ähnliche Interessenabwägung vorgenommen wurde (vgl. Sachverhalt Bst. B) und ihm hätte bewusst sein sollen, dass mit den vom SEM erwähnten «privaten Interessen» auch seine familiären Beziehungen gemeint sind. Der Beschwerdeführer war denn auch ohne weiteres in der Lage, die vorinstanzliche Verfügung sachgerecht anzufechten. Soweit schliesslich die pflichtgemässe Ermessensausübung durch die Vorinstanz in Frage gestellt wird, so ist dies nicht Frage der Begründungspflicht, sondern der rechtlichen Überprüfung.

    4. Die Rügen des Beschwerdeführers in Bezug auf die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sind daher als unbegründet zurückzuweisen.

4.

    1. Das SEM verfügt Einreiseverbote gegenüber weggewiesenen Ausländerinnen und Ausländern, wenn die Wegweisung nach Art. 64d Abs. 2 Bst. a – c AIG sofort vollstreckt wird (Art. 67 Abs. 1 Bst. a AIG) oder die betroffene Person der Ausreiseverpflichtung nicht innert Frist nachgekommen ist (Art. 67 Abs. 1 Bst. b AIG). Es kann sodann nach Art. 67 Abs. 2 AIG Einreiseverbote gegen ausländische Personen erlassen, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen haben oder diese gefährden (Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG). Das Einreiseverbot wird grundsätzlich für eine Dauer von höchstens fünf Jahren verhängt. Es kann für eine längere Dauer verfügt werden, wenn die betroffene Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (Art. 67 Abs. 3 AIG). Die verfügende Behörde kann aus hu-

      manitären oder anderen wichtigen Gründen von der Verhängung eines Einreiseverbots absehen oder ein Einreiseverbot vollständig oder vorübergehend aufheben (Art. 67 Abs. 5 AIG).

    2. Das Einreiseverbot ist keine Sanktion für vergangenes Fehlverhalten, sondern eine Massnahme zur Abwendung einer künftigen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (siehe Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002 [im Folgenden: Botschaft] BBl 2002 3813). Die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG bildet den Oberbegriff für die Gesamtheit der polizeilichen Schutzgüter. Sie umfasst unter anderem die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung und der Rechtsgüter Einzelner (vgl. Botschaft, a.a.O. S. 3809). In diesem Sinne liegt ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter anderem dann vor, wenn gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen missachtet werden (vgl. Art. 77a Abs. 1 Bst. a der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 [VZAE, SR 142.201]). Demgegenüber müssen bei Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aufenthalt der betroffenen Person in der Schweiz mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einem Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen wird (Art. 77a Abs. 2 VZAE). Bestand ein solches Verhalten in der Vergangenheit, so wird die Gefahr entsprechender künftiger Störungen von Gesetzes wegen vermutet (vgl. BVGE 2017 VII/2 E. 4.4 oder Urteil des BVGer F-3401/2018 vom 24. März 2020 E. 4.2 je m.H.).

    3. Wird gegen eine Person, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation besitzt, ein Einreiseverbot verhängt, so wird sie nach Massgabe der Bedeutung des Falles im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben (vgl. Art. 21 und 24 der Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation [SIS-II], Abl. L 381/4 vom 28.12.2006 [nachfolgend: SIS-II-VO]; Art. 21 der N-SIS-Verordnung vom 8. März 2013 [SR 362.0]).

5.

    1. Wie dem Strafbefehl des Untersuchungsamts Uznach vom 3. Februar 2020 zu entnehmen ist, suchte der Beschwerdeführer am 4. November 2019, 11. November 2019, 18. November 2019 und 25. November 2019

      jeweils die Garderobe eines (…) in (…) auf und entnahm aus der Jackentasche einer Kursteilnehmerin den Fahrzeugschlüssel. In der Folge begab er sich zu dem vor der erwähnten Örtlichkeit parkierten Fahrzeug, schloss es auf und entnahm aus einem im Handschuhfach des Wagens liegenden Portemonnaie das Notengeld. Danach legte er den Autoschlüssel wieder in die Jackentasche der Besucherin zurück. Insgesamt erbeutete er so Fr. 290.-. Aufgrund dieses Verhaltens wurde der Beschwerdeführer wegen mehrfachen Diebstahls zu einer (bedingten) Geldstrafe von 60 Tagessätze sowie einer Busse von Fr. 400.- verurteilt (SEM act. S. 61 ff.). Noch während des laufenden Strafverfahrens wurde er mit Verfügung des Migrationsamts des Kantons St. Gallen vom 26. November 2019 gemäss Art. 64d Abs. 2 AIG weggewiesen. Dazu wurde ihm eine Ausreisefrist bis zum 29. November 2019 gesetzt (vgl. SEM act. S. 23 ff. sowie Vernehmlassung zweiter Abschnitt, wo das SEM seine Ausführungen im Hinblick auf die Wegweisung gemäss Art. 64d konkretisierte; vgl. auch Replik erster Satz).

    2. Das Einreiseverbot kann nicht auf Art. 67 Abs. 1 AIG gestützt werden (vgl. E. 4.1 am Anfang), denn die Wegweisung war nicht sofort vollstreckbar (Ausreisefrist von drei Tagen) und der Beschwerdeführer hat – soweit ersichtlich – die Schweiz innerhalb der Ausreisefrist verlassen.

    3. Hingegen hat der Beschwerdeführer den Fernhaltegrund nach Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG gesetzt. Anders als die Vorinstanz anzunehmen scheint, setzt diese Bestimmung weder einen «schweren Verstoss» der öffentlichen Sicherheit und Ordnung noch eine «schwer wiegende Gefährdung» derselben (vgl. Sachverhalt Bst. F) voraus. Beides wäre im Übrigen hier (mehrfacher Diebstahl, sanktioniert mit einer bedingten Geldstrafe und einer Busse) zu verneinen. Die Begründung der angefochtenen Verfügung ist insofern nicht korrekt. Mit dem obgenannten strafrechtlich abgeurteilten Verhalten hat der Beschwerdeführer indessen – wobei es, wie auch rechtsmittelweise ausgeführt wird, auf den rechtskräftigen Strafbefehl vom

3. Februar 2020 abzustellen gilt – zweifellos gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen. Ergänzend gilt es darauf hinzuweisen, dass das Untersuchungsamt Uznach dabei gerade nicht von einem geringfügigen Vermögensdelikt ausgegangen ist, wie es der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmitteleingabe geltend macht (vgl. Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB sowie TRECHSEL/CRAMERI in: Schweizerisches Strafgesetzbuch - Praxiskommentar, 3. Aufl. 2017, Art. 172ter N 6). Somit besteht ein hinreichender Grund für die Verhängung eines Einreiseverbots (vgl. Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG). Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das

SEM gegenüber dem Beschwerdeführer eine (unterhalb der Regelhöchstdauer von Art. 67 Abs. 3 erster Satz AIG festgesetzte) Fernhaltemassnahme verhängte.

6.

    1. Es bleibt noch zu prüfen, ob die auf zwei Jahre befristete Fernhaltemassnahme in richtiger Ausübung des Ermessens ergangen und angemessen ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit steht dabei im Vordergrund. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine wertende Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Massnahme einerseits und den von der Massnahme beeinträchtigten privaten Interessen des Betroffenen andererseits. Die Stellung der verletzten oder gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen Verhaltens und die persönlichen Verhältnisse des Verfügungsbelasteten bilden dabei den Ausgangspunkt der Überlegungen (Art. 96 AIG; ferner statt vieler HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 514 ff. m.w.H.).

    2. Bereits das mit Strafbefehl vom 3. Februar 2020 abgeurteilte Verhalten des Beschwerdeführers lässt auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schliessen (vgl. E. 4.2). Hinzu kommt, dass er schon anlässlich seines früheren Aufenthaltes in der Schweiz regelmässig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, weswegen er zwischen 2009 und 2015 im Zusammenhang mit diversen Verkehrsdelikten und geringfügigen Vermögensdelikten (Diebstahl, Hehlerei) verurteilt wurde (vgl. Verfügung des Migrationsamts des Kantons St. Gallen vom 22. September 2017 E. 3 [SEM act. S. 5]). Auch wurde seine Aufenthaltsbewilligung aufgrund von Schulden und nicht getilgten Verlustscheinen in der Höhe von Fr. 114'000.- nicht mehr verlängert (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. März 2019 E. 2.2 [kant. act. S. 784 ff.]). Sein Verhalten lässt zusammenfassend auf eine beachtliche Geringschätzung der hiesigen Rechtsordnung schliessen, weswegen auch seine replikweise Aussage, er werde sich künftig wohl verhalten, erheblich in Zweifel zu ziehen ist. Es besteht demnach ein generalund spezialpräventiv motiviertes Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers (zur spezialund generalpräventiven Zielsetzung von Fernhaltemassnahmen vgl. BVGE 2014/20 E. 8.2).

    3. Es stellt sich weiter die Frage, ob allenfalls private Interessen vorliegen, welche das öffentliche Interesse an einer Fernhaltemassnahme überwiegen würden. Hierzu macht der Beschwerdeführer geltend, seine Ehefrau und die beiden Kinder (geb. 2000 und 2014) würden in der Schweiz leben. Durch die Fernhaltemassnahme werde das Recht auf Familienleben verletzt. Das verfügte Einreiseverbot habe zur Folge, dass die Familie praktisch nur noch mittels moderner Kommunikationsmittel ihren Kontakt pflegen könne. Die Reisemöglichkeiten der Familienmitglieder des Beschwerdeführers würden sich auf maximal fünf Wochen im Jahr beschränken. Das sei für eine intakte Familie kein tragbarer Zustand. Zudem sei es seinem zwanzigjährigen Sohn nicht zuzumuten, die Schweiz zu verlassen, nachdem er hier sein ganzes Leben verbracht habe. Aus diesem Grund könne auch von der Ehefrau und der Tochter nicht verlangt werden, den Wohnsitz in der Schweiz aufzugeben (vgl. Beschwerde Pkt. 4 sowie Replik).

    4. Das bestehende Einreiseverbot untersagt dem Beschwerdeführer – der in der Schweiz über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügt – Besuchsaufenthalte bei seiner Familie in der Schweiz nicht gänzlich. Vielmehr kann er die zeitweilige Suspension der angeordneten Fernhaltemassnahme beantragen. Eine solche Suspension kann auf Gesuch hin für eine kurze, klar begrenzte Zeit ausnahmsweise gewährt werden, wenn wichtige Gründe vorliegen (Art. 67 Abs. 5 AIG). In diesem – wenn auch eingeschränkten – Rahmen hat er weiterhin die Möglichkeit, die Beziehung zu seinen zwei Kindern, wovon eines volljährig ist, und seiner Ehefrau auf schweizerischem Hoheitsgebiet zu pflegen. Wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, sind persönliche Kontakte in seinem Heimatland bzw. ausserhalb des Schengenraums weiterhin möglich, und ebenfalls zur Verfügung stehen die modernen Kommunikationsmittel.

    5. Eine wertende Abwägung der sich gegenüberstehenden öffentlichen und privaten Interessen führt insgesamt zum Schluss, dass das zweijährige Einreiseverbot sowohl im Grundsatz als auch hinsichtlich der Dauer eine verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt.

    6. Der Bedeutung des Einreiseverbots entsprechend wurde der Beschwerdeführer überdies zu Recht im Schengener Informationssystem (SIS II) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben (vgl. Art. 21 und Art. 24 SIS-II-Verordnung sowie Art. 20 – 22 N-SIS-Verordnung; vgl. E. 4.3).

7.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist daher vollumfänglich abzuweisen.

8.

Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der in gleicher Höhe einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Einschreiben)

  • die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. […] retour)

  • das Migrationsamt des Kantons St. Gallen

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Regula Schenker Senn Susanne Stockmeyer

Versand:

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