E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil E-4917/2020

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-4917/2020
Datum:01.12.2020
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Vorinstanz; Entscheid; Recht; Bundes; Schweiz; Behörde; Rückkehr; Bruder; Bundesverwaltungsgericht; Risiko; Lanka; Verfahren; Begründung; Urteil; Verfügung; Flüchtling; Bruders; Beschwerdeführers; Partei; Angefochtene; Verfahrens; Flucht; Sachverhalt; Verfolgung; VwVG; Ausreise; Beweis; Risikofaktor
Rechtsnorm: Art. 29 BV ; Art. 49 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 61 VwVG ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:112 Ia 107; 143 III 65; 144 IV 302; 145 III 324; 145 IV 99; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-4917/2020

U r t e i l v o m 1 . D e z e m b e r 2 0 2 0

Besetzung Richterin Roswitha Petry (Vorsitz), Richter Lorenz Noli,

Richter Markus König, Gerichtsschreiber Thomas Bischof.

Parteien A. , geboren am (…), Sri Lanka,

vertreten durch Samuel Häberli, Freiplatzaktion Zürich, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 7. September 2020 / N (…).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer – sri-lankischer Staatsangehöriger tamilischer Ethnie – suchte am 27. Juli 2018 in der Schweiz um Asyl nach.

B.

Mit Zuweisungsentscheid vom 27. Juli 2018 wurde er dem Verfahrenszentrum Zürich zugewiesen; sein Gesuch sollte gemäss Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über die Durchführung von Testphasen zu den Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich (Testphasenverordnung, TestV, AS 2013 3075, damals SR 142.318.1, in Kraft bis zum 28. September 2019 gemäss Art. 41 Abs. 3 TestV i.d.F. gemäss AS 2015 2055) behandelt werden. Am 2. August 2018 erfolgte im Verfahrenszentrum die Personalienaufnahme («PA»), am 13. August 2018 das persönliche Gespräch gemäss Art. 5 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 («Dublin-Gespräch»). Aufgrund der geltend gemachten Einreise nach Europa via Marokko und Spanien stellte das SEM der zuständigen spanischen Behörde am 24. August 2018 einen Antrag auf Übernahme, dem diese mit Mitteilung vom 20. September 2018 zustimmte. Zum Entwurf des Nichteintretensentscheides vom 20. September 2018 nahm die damalige Rechtsvertretung am 24. September 2018 Stellung. Mit Verfügung vom 24. September 2018 trat das SEM auf das Asylgesuch nicht ein, wies den Beschwerdeführer nach Spanien weg und setzte eine Ausreisefrist; dies unter Androhung des Vollzuges unter Zwang und Beauftragen des Kantons B. mit dem Vollzug. In der Folge tauchte der Beschwerdeführer unter.

C.

Am 4. April 2020 stellte der Beschwerdeführer ein Gesuch um Wiederaufnahme des Asylverfahrens. Auf Rückfrage des SEM nach seinem zwischenzeitlichen Aufenthalt teilte er am 21. April 2020 mit, er habe sich nach Spanien begeben wollen, aber die Grenze nicht überschreiten können, weshalb er in der Folge in Frankreich gelebt habe. Seit Ende Februar 2020 befinde er sich wieder in der Schweiz. Mit Verfügung vom 23. April 2020 hob das SEM den Nichteintretensentscheid vom 24. September 2018 auf und nahm das Asylverfahren wieder auf.

D.

Am 8. Juli 2020 erfolgte die Anhörung des Beschwerdeführers.

Anlässlich der PA und der Anhörung brachte er zu seinen persönlichen Hintergründen vor, er sei am (…) in C. geboren. Am (…) habe er seine

(…) in C. geborene Ehefrau geheiratet. Er habe – von einer zwischenzeitlichen Umsiedlung während des Bürgerkrieges abgesehen – in D. gelebt. Er habe zehn Jahre lang die Schule besucht und später als Beruf (…). Er habe Sri Lanka am (…) 2007 verlassen. In Sri Lanka stehe er mit seiner Mutter, Schwester und dem Schwager in telefonischem Kontakt, der Vater sei schwerhörig. In der Nähe der Eltern wohnten zwei Tanten; sein Bruder wohne in der Schweiz, ein Onkel in Frankreich. Nachdem er Sri Lanka verlassen habe, habe er mit einem Fünfjahresvertrag in Saudi-Arabien gearbeitet und Klimaanlagen installiert. Er sei 2012 mit einem indischen Pass nach Marokko weitergereist. Er habe in einem (…) gearbeitet und eigentlich in die Schweiz kommen wollen, aber keine Chance gehabt. 2018 sei er über Spanien und Frankreich in die Schweiz gelangt. Nach dem Nichteintretensentscheid habe er versucht, anordnungsgemäss nach Spanien zu reisen, sei aber an der Grenze zurückgewiesen worden. Er habe dann bei anderen Sri-Lankern gelebt, die gegen (…) für ihn aufgekommen seien.

Zu den Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer an der Anhörung aus, er sei in der Bewegung gewesen. Er sei am 19. April 2003 dazu gestossen, nachdem man ihn einer eigentlichen Hirnwäsche unterzogen gehabt habe. Ein Mitglied der Familie habe sich der Bewegung anschliessen müssen. Er habe in E. – im Waldgebiet (…) – die ersten drei Monate (der auf ein Jahr angelegten) Grundausbildung durchlaufen, sei dann aber desertiert und zurück nach D. gegangen. Da gerade eine Periode der Waffenruhe geherrscht habe, habe das unmittelbar keine Probleme zur Folge gehabt. Im Jahr 2004 hätten ihn Militärs aus dem Laden eines entfernten Onkels mitgenommen, wo er geholfen habe, Kleider für die LTTE herzustellen. Die LTTE hätten dort ihre Uniformen respektive zivile Kleider herstellen lassen und ihn gelegentlich angehalten, Waren aufzuladen. Darüber hinaus habe er keine Kontakte zu den LTTE mehr gehabt. Die Arbeit habe er gemacht, um den Beruf zu erlernen und weil es sich um einen Angehörigen gehandelt habe. Anlässlich der Mitnahme sei er zu den LTTE befragt worden, insbesondere, ob er Waffen geliefert habe. Das habe er zutreffenderweise verneint. Er sei geschlagen worden. Seine Eltern seien erschienen, seine Mutter habe geweint und schliesslich sei er freigelassen worden. Die Festnahme habe ca. zwei Stunden gedauert. Der Onkel sei auch geschlagen worden, da er aber keine Verbindungen gehabt habe, habe man von ihm abgelassen. Er, der Beschwerdeführer, sei weder in Sri Lanka noch im Exil politisch tätig (gewesen). Am 12. November 2006 seien CID und Armee gekommen, um ihn zu suchen, es seien in jener Nacht

mehrere seiner Freunde mit Beziehungen zu den LTTE mitgenommen, deren zwei gar getötet worden. Er und sein Bruder seien sodann geflohen. Sein Bruder habe eine Schusswunde erlitten. Sie hätten sich bis zum Morgen im Gebüsch versteckt, seien dann zu einem Arzt, der die Kugel aus des Bruders Bein herausgeholt habe. Ein Priester habe ihnen geholfen, nach Colombo zu gelangen, dorthin sei ein Onkel gekommen, der sie bei einem hinduistischen Priester untergebracht und die Ausreise organisiert habe. So sei er nach Saudi-Arabien gelangt. Der Bruder indessen sei in Colombo aufgegriffen und gefoltert worden. Man habe ihn mittels Bestechung befreien und über Malaysia in die Schweiz schleusen können. Er selbst habe 2012, nach Ablauf seines Arbeitsvertrages, nach Sri Lanka zurückkehren wollen. Wie er seine Mutter darüber informiert habe, habe sie ihn informiert, es sei eine Vorladung für ihn gekommen. Er solle auf keinen Fall zurückkehren und woandershin gehen, andernfalls sie ihn töten würden. Auch in seiner Abwesenheit hätten die Militärs regelmässig nach ihm gefragt. Er habe nachgedacht – schliesslich sei er schon nach Saudi-Arabien, um sein Leben zu retten – und sich an seinen Schlepper gewandt. Dieser habe ihn mit einem indischen Pass nach Marokko geschickt, von dort sei er schliesslich in die Schweiz gelangt. Für den Fall einer Rückkehr nach Sri Lanka fürchte er um sein Leben. Der Beschwerdeführer wurde mit diversen Unstimmigkeiten konfrontiert (Datum Ausreise aus Saudi-Arabien und der genannten Vorladung; Widersprüche zur [beigezogenen] Aussage des Bruders [Datum, gemeinsame Flucht, Fluchtablauf]).

Die Hilfswerksvertretung präzisierte in ihren Bemerkungen einen Widerspruch zwischen den Aussagen des Bruders und des Beschwerdeführers (geringere Divergenz der angegebenen Fluchtdaten) und wies darauf hin, dass die Befragung unter erschwerten Bedingungen in der Pandemiesituation stattgefunden habe, sie somit keinen Sichtkontakt zu den Beteiligten und keine direkte Einsicht in die Dokumente gehabt habe.

Als Beweismittel legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der LTTE über den Anschluss an die Bewegung, eine Vorladung der Armee zur Befragung und eine Bestätigung der Diözese C. über die Betreuung im Rahmen der Flucht vor.

E.

Mit Entscheid vom 7. September 2020 stellte das SEM fest, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle (Dispositiv-Ziffer 1) und lehnte sein Asylgesuch ab (Ziff. 2). Es wies ihn aus der Schweiz weg (Ziff. 3), setzte ihm Frist zur Ausreise aus der Schweiz und dem Schengen-

Raum, verbunden mit der Androhung des Vollzuges unter Zwang (Ziff. 4) und der Beauftragung des Kantons B. mit dem Vollzug (Ziff. 5).

Das SEM hatte für den Entscheid das Dossier des Bruders des Beschwerdeführers – er hatte mit Verfügung vom (…) Asyl erhalten – beigezogen (Begründung Ziff. I.7).

F.

Mit Eingabe vom 5. Oktober 2020 lässt der Beschwerdeführer gegen diese Verfügung Beschwerde erheben. Er beantragt deren Aufhebung in den Dispositiv-Ziffern 1 und 3-5 (Rechtsbegehren Ziff. 1), die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei gleichzeitiger Erteilung der vorläufigen Aufnahme als Flüchtling (Ziff. 2), eventualiter die Gewährung der vorläufigen Aufnahme im Sinne von Art. 83 AIG infolge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs (Ziff. 4). In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt er die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege; er sei von der Bezahlung eines Kostenvorschusses und der Verfahrenskosten zu entbinden. Eine Fürsorgebestätigung reichte der Beschwerdeführer am 12. Oktober 2020 nach.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Es entscheidet auf dem Gebiet des Asyls – in der Regel und auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom

      25. September 2015).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist

      daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

    4. Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

    5. Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

2.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

3.

    1. Die Vorinstanz führte in der Begründung des angefochtenen Entscheides zum einen aus, die Schilderungen des Beschwerdeführers betreffend die Rekrutierung, seine Zeit bei den LTTE im Jahr 2003, zum nächtlichen Verhör im Jahr 2004, zur Flucht am (…) und zu den regelmässigen Vorsprachen der Armee bei seiner Mutter in der Heimat seien kurz und oberflächlich gehalten und wirkten nicht wie selbst erlebt. Die Vorbringen seien nicht ausreichend substantiiert, stereotyp und ohne individuelle Prägung. Sie seien insgesamt unglaubhaft (Begründung Ziff. II.1). Seine zeitlichen Angaben im Umfeld seiner geplanten Rückkehr aus Saudi-Arabien und der Vorladung durch die Armee im Jahr 2012 seien widersprüchlich respektive

      nach auf Vorhalt erfolgter Korrektur des Ausreisedatums unplausibel. Es ergäben sich aus den Akten zahlreiche Widersprüche zu den (seinerzeit als glaubhaft erachteten) Vorbringen seines Bruders in dessen eigenem Verfahren, insbesondere zum Datum der Flucht, zur Frage, ob sie gemeinsam geflohen seien und zu zentralen Details des Fluchtablaufs. Die klaren Widersprüche liessen weitere Zweifel an den ohnehin schlecht begründeten Vorbringen zur Nacht der Flucht aufkommen (Ziff. II.2). Als Beweismittel untauglich sei die eingereichte Bestätigung der Diözese C. , die leicht fälschbar sei und materiell klare Widersprüche zu zentralen Aussagen des Beschwerdeführers (betreffend Verletzung, zeitlicher Abläufe) aufweise. Das Dokument lasse vielmehr zusätzliche Zweifel aufkommen (Ziff. II.3). Darüber hinaus seien die Vorbringen in mehreren Punkten logisch nicht nachvollziehbar. So sei unklar, wieso die angebliche Desertion keine Konsequenzen gehabt haben solle, weshalb aber Armee und CID im geschilderten Masse an ihm interessiert sein sollten und weshalb er 2012 eine Rückkehr erwogen habe, obwohl er wegen persönlicher Verfolgung geflohen sein wolle. Insgesamt sei somit die Flüchtlingseigenschaft zu verneinen und das Asylgesuch abzulehnen (Ziff. II. a.E.).

      Infolge der Ablehnung des Asylgesuchs sei er zur Ausreise verpflichtet. Zur Frage der Zulässigkeit des Wegweisungsvollzuges bemerkte die Vorinstanz, mangels Flüchtlingseigenschaft könne sich der Beschwerdeführer nicht auf den Grundsatz der Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG und Art. 33 der Flüchtlingskonvention berufen. Aufgrund der allgemeinen Menschenrechtssituation in Sri Lanka erscheine der Vollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht generell unzulässig, es sei nicht generell davon auszugehen, Rückkehrern drohe eine unmenschliche Behandlung. Es sei eine Risikoabschätzung vorzunehmen. Weder aus den Akten noch des Beschwerdeführers Aussagen ergäben sich Anhaltspunkte dafür, dass im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine verbotene Strafe oder Behandlung drohe. Bezüglich der Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges führte die Vorinstanz aus, der bewaffnete Konflikt zwischen den LTTE und der sri-lankischen Regierung sei im Mai 2009 beendet worden. Seither habe sich die Sicherheitslage merklich verbessert. Seitherige Sicherheitsvorfälle hätten zwar zur Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen geführt; der Ausnahmezustand infolge der Anschläge zu Ostern 2019 sei aber im August 2019 aufgehoben worden, aktuell bestehe keine gänzlich unsichere, von bewaffneten Konflikten oder anderen unberechenbaren Unruhen dominierte Lage, aufgrund derer Rückkehrer unabhängig ihres individuellen Hintergrundes konkret gefährdet seien. Es bestehe keine Situation allgemeiner Gewalt im Sinne von Art. 83 Abs. 4

      AIG. Sodann prüfte die Vorinstanz mit Verweis auf das Referenzurteil des Bundesverwaltungsgerichts E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 die Frage der Zumutbarkeit des Vollzuges in individueller Hinsicht. Sie hielt fest, der Beschwerdeführer sei jung und gesund, verfüge in Sri Lanka und vor allem im Herkunftsgebiet über ein gefestigtes Beziehungsnetz; bei einer Rückkehr könne davon ausgegangen werden, dass nötigenfalls Unterstützung von Verwandten vor Ort und im Ausland erhältlich sei. In der Heimat und im Ausland habe er Erfahrungen beim (…), im (…), bei der (…), im (…) und in (…) erworben und verfüge über gewisse Kenntnisse des Englischen und Arabischen. Mit der vielfältigen beruflichen Erfahrung und den Sprachkenntnissen sei anzunehmen, er werde in Sri Lanka eine Beschäftigung finden. Zudem bestehe die Möglichkeit, individuelle Rückkehrhilfe zu beantragen. Damit sei der Wegweisungsvollzug auch in individueller Hinsicht zumutbar. Schliesslich sei er auch technisch möglich und praktisch durchführbar.

    2. Der Beschwerdeführer bezieht sich in der Beschwerde auf das nämliche Referenzurteil des Bundesverwaltungsgerichts E-1866/2015. Er räumt ein, die Asylvorbringen nicht glaubhaft gemacht zu haben. Indessen lägen bei ihm diverse der Risikofaktoren vor, welche gemäss dem genannten Referenzurteil zu prüfen wären. Als starker Risikofaktor sei die verwandtschaftliche Beziehung zum Bruder zu gewichten, dem in der Schweiz aus politischen Gründen Asyl gewährt worden sei, der den sri-lankischen Behörden hinreichend bekannt sei und als Separatist respektive LTTE-Mitglied gelte. Es müsse deshalb damit gerechnet werden, dass der Beschwerdeführer bei der Rückkehr in Befragungen mit den Aktivitäten des landesabgängigen Bruders konfrontiert werde und ihm eigene Verbindungen zu den LTTE unterstellt würden. Aus den Akten des Bruders ergebe sich auch die LTTE-Mitgliedschaft zweier Onkel. Dazu kämen als schwache Risikofaktoren die langjährige Landesabwesenheit – welche von der Vorinstanz nicht in Frage gestellt werde und mit den Aussagen des Bruders übereinstimme – und das Fehlen von Identitätspapieren. Aufgrund der Bedeutung der Schweiz für die Diaspora und die LTTE dürfte eine Rückkehr von hier eine erhöhte Aufmerksamkeit der Behörden mit sich bringen. Insgesamt bestehe eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit, dass er bereits am Flughafen inhaftiert, misshandelt, gefoltert, vergewaltigt oder gar getötet werde (Beschwerdebegründung, Ziff. II.1)

Seit dem Ausgang der Wahlen vom 16. November 2019 spitze sich die Menschenrechtslage in Sri Lanka zunehmend zu. Der jetzige Präsident, Gotabaya Rajapaska (ehedem Verteidigungsminister unter der Regierung

seines Bruders und nunmehrigen Premierministers, Mahinda Rajapaska), gelte als Verantwortlicher der Zerschlagung der Tamil Tigers. Es sei der Aufbau eines autoritären Regimes mit clanartigen Strukturen zu beobachten. Auch habe die Inhaftierung und Misshandlung einer Angestellten der schweizerischen Botschaft eine diplomatische Krise zwischen der Schweiz und Sri Lanka gezeitigt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass Personen, die unter der Regierung von Mahinda Rajapaska schon Furcht vor Verfolgung hätten haben müssen, wiederum akut gefährdet seien und auch gegen zurückgeschaffte abgewiesene Asylbewerber aus der Schweiz vermehrt vorgegangen werde. Die Risikoprofile seien folglich neu zu bewerten und zu gewichten (Ziff. II.2).

Insgesamt erfülle der Beschwerdeführer mehrere Risikofaktoren gemäss der Rechtsprechung, weswegen klarerweise von einem erhöhten Risiko auszugehen sei, dass er Opfer von unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK werde. Das gelte nach dem Regierungswechsel gegenüber dem genannten Referenzurteil gar in verstärktem Masse. Zusätzlich zur familiären Konstellation sei der Beschwerdeführer als Rückkehrer aus der Schweiz, wo es eine politisch aktive Diaspora gebe, für die Behörden als LTTE-Sympathisant verdächtig und werde sich staatlicher Repression ausgesetzt sehen. Es sei ihm folglich Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und er sei vorläufig aufzunehmen (Ziff. II.3).

4.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Begründung der Vorinstanz nicht gebunden (Art. 62 Abs. 4 VwVG); es kann die Beschwerde auch aus andern Überlegungen als jenen der Vorinstanz abweisen oder aus anderen Gründen als in der Beschwerdeschrift vorgebracht gutheissen (sog. Motivsubstitution; vgl. MADELEINE CAMPRUBI in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], VwVG, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren,

      2. Aufl. 2019, N. 16 zu Art. 62 VwVG; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, S. 398, Rz. 1136).

    2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt von Verfassungs wegen (Art. 29 Abs. 2 BV), dass eine Behörde die Vorbringen der Parteien tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt; daraus folgt insbesondere die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid ausreichend und nachvollziehbar zu begründen (BGE 145 IV 99 E. 3.1 m.w.H.). Um den Vorgaben von Art. 29 Abs. 2 BV zu genügen, muss die Begründung so ab-

      gefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des angefochtenen Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. Zu begründen ist das Ergebnis des Entscheides, das im Urteilsspruch zum Ausdruck kommt und das allein die Rechtsstellung der betroffenen Person berührt. Die Begründung ist also nicht an sich selbst, sondern am Rechtsspruch zu messen (BGE 145 III 324 E. 6.1 m.w.H.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (Statt vieler BGE 143 III 65 E. 5.2). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nur diejenigen Argumente stillschweigend übergangen werden können, die für den Entscheid erkennbar unbehelflich sind (SUTTER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar VwVG, 2. Aufl. 2018, Rz. 2 a.E. zu Art. 32 VwVG). Weiter ist die verfassungsmässige Begründungsdichte abhängig von der Entscheidungsfreiheit der Behörde und der Eingriffsintensität des Entscheides. Je grösser der Spielraum, welcher der Behörde infolge Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriffe eingeräumt ist, und je stärker ein Entscheid in die individuellen Rechte eingreift, desto höhere Anforderungen sind an die Begründung eines Entscheides zu stellen (BGE 112 Ia 107

      E. 2b m.w.H.; eingehend SUTTER, Kommentar VwVG, Rz. 2 zu Art. 32 VwVG, Rz. 9 ff. zu Art. 34 VwVG). Angesichts der Bedeutung der im Asylverfahren zu beurteilenden Interessen der Betroffenen gelten hohe Anforderungen an die Begründungsdichte (Urteil des BVGer E-2479/2018 vom 31. Mai 2018 E. 6.1 Abs. 1).

    3. Das Verwaltungsbeziehungsweise Asylverfahren wird vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 6 AsylG). Demnach stellt die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen fest und bedient sich nötigenfalls der unter Buchstaben a–e aufgelisteten Beweismittel. Die Sachverhaltsfeststellung ist unrichtig, wenn der Verfügung ein falscher und aktenwidriger Sachverhalt zugrunde gelegt wird oder Beweise falsch gewürdigt worden sind; unvollständig ist sie, wenn nicht alle für den Entscheid rechtswesentlichen Sachumstände berücksichtigt werden (Urteil des BVGer E-2479/2018 E. 6.1 Abs. 2). Die Behörde ist allerdings nicht verpflichtet, zu jedem Sachverhaltselement umfangreiche Nachforschungen anzustellen. Zusätzliche Abklärungen sind vielmehr nur dann vorzunehmen, wenn sie aufgrund der Aktenlage als angezeigt erscheinen (vgl. dazu CHRISTOPH AUER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], a.a.O., Rz. 15 zu Art. 12; BENJAMIN SCHINDLER, in Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], a.a.O., Rz. 28 zu Art. 49). Der Untersuchungsgrundsatz findet seine Grenze an der

Mitwirkungspflicht der Asylsuchenden (Art. 8 AsylG; Art. 13 VwVG; vgl. zum Ganzen BVGE 2012/21 E. 5.1, BVGE 2009/50 E. 10.2 und Urteil des BGer 2C_177/2018 vom 22. August 2019 E. 3.2-3.4, je mit weiteren Hinweisen).

5.

    1. Die Vorinstanz verneinte die Glaubhaftmachung einer Verfolgung respektive begründeten Furcht vor einer Verfolgung durch die sri-lankischen Behörden im Zeitpunkt der Ausreise nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu Recht. Zumal auch der Beschwerdeführer dem ausdrücklich nichts entgegenhält, kann hierzu auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden.

    2. Zu prüfen bliebe damit, ob dem Beschwerdeführer aus heutiger Sicht eine begründete Furcht vor Verfolgung zuzusprechen ist.

      1. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Beendigung des Bürgerkrieges im Mai 2009 wiederholt und eingehend mit der (nach wie vor prekären) Menschenrechtslage in Sri Lanka im Allgemeinen und mit der Situation von Rückkehrenden tamilischer Ethnie im Besonderen befasst (sog. Returnee-Problematik; vgl. insb. BVGE 2011/24 E. 8, und Urteil E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 [als Referenzurteil publiziert] E. 8 je mit umfassender Quellenanalyse). Nach wie vor besteht seitens der sri-lankischen Behörden gegenüber Personen tamilischer Ethnie, die aus dem Ausland zurückkehren, eine erhöhte Wachsamkeit. Indessen kann nicht generell angenommen werden, jeder aus Europa oder der Schweiz zurückkehrende tamilische Asylsuchende sei alleine aufgrund seines Auslandaufenthaltes der ernstzunehmenden Gefahr von Verhaftung und Folter ausgesetzt (vgl. Urteil E-1866/2015 E. 8.3).

        Im Kern geht die Rechtsprechung davon aus, dass jene Rückkehrer eine begründete Furcht vor ernsthaften Nachteilen im Sinne von Art. 3 AsylG haben, denen seitens der sri-lankischen Behörden Bestrebungen zugeschrieben werden, den nach wie vor als Bedrohung wahrgenommenen tamilischen Separatismus wiederaufleben zu lassen respektive den sri-lankischen Einheitsstaat zu gefährden. Die in diesem Zusammenhang geltend und glaubhaft gemachten Risikofaktoren sind in einer Gesamtschau, inklusive ihrer allfälligen Wechselwirkung und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, in einer Einzelfallprüfung dahingehend zu prüfen, ob sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit für eine flüchtlingsrelevante Verfolgung sprechen (vgl. Urteil E-1866/2015 E. 8.5.5). Als stark risikobegründende

        Faktoren, welche bereits für sich allein genommen zur Bejahung einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung bei der Rückkehr nach Sri Lanka führen können, hat die Rechtsprechung dabei namentlich einen Eintrag in die sogenannte „Stop-List“ (d.h. das Vorhandensein eines Eintrags mit Hinweis auf ein Strafurteil, eine gerichtliche Anordnung oder einen Haftbefehl im Zusammenhang mit einer tatsächlichen oder vermuteten Verbindung zu den LTTE; vgl. Urteil E-1866/2015 E. 8.2, 8.4.1, 8.4.3 und 8.5.2), Verbindung zu den LTTE (vgl. a.a.O E. 8.4.1 und 8.5.3) und die regimekritische Betätigung im Ausland (vgl. a.a.O. E. 8.4.2 und 8.5.4) identifiziert. Demgegenüber stellen schwach risikobegründende Faktoren (namentlich) dar: Das Fehlen ordentlicher Identitätsdokumente bei der Einreise in Sri Lanka, eine zwangsweise respektive durch die IOM begleitete Rückführung oder Narben (vgl. a.a.O. 8.4.4, 8.4.5 und 8.5.5); der Dauer eines Aufenthaltes im Ausland kommt keine direkte Risikorelevanz zu (vgl. a.a.O.

        E. 8.4.6, 9.2.4). Diese Risikofaktoren verstehen sich nicht als abschliessend (a.a.O. E. 9.1). Soweit sich solche Risikofaktoren mit solchen decken, welche bereits vor der Ausreise zu flüchtlingsrelevanter Verfolgung hätten führen können, schliesst die Tatsache, dass sich dies damals nicht realisiert hatte, nicht aus, dass die betroffene Person bei einer Rückkehr begründete Furcht vor Verhaftung und Folter hat (vgl. a.a.O. E. 8.5.6).

      2. Wie der angefochtene Entscheid zu Recht festhält (Begründung Ziff. III.1), erwartet die Rechtsprechung, dass die Vorinstanz im Einzelfall eine Risikoeinschätzung vornimmt (vgl. Urteil des BVGer D-2016/2020 vom 18. September 2020 E. 4.4.2). Ausführlich äussert sich der angefochtene Entscheid nur zur Frage der familiären und wirtschaftlichen Reintegration im Heimatland. Eine Abschätzung der Risikofaktoren erfolgt nur in pauschaler Form («Weder aus Ihren Aussagen noch aus den Akten ergeben sich jedoch Anhaltspunkte dafür, dass Ihnen im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlichter Wahrscheinlichkeit eine verbotene Strafe o- der Behandlung droht», Begründung, Ziff. III.1).

        Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers selbst weist er zumindest zwei schwach risikobegründende Faktoren auf: Er verfügt über keine Identitätspapiere und war lange Jahre landesabwesend. Letzteres wird durch die Vorinstanz, indem sie die im Ausland erworbenen Berufsund Sprachkenntnisse hervorhebt, wohl explizit nicht in Frage gestellt. Zudem droht ihm die zwangsweise Wegweisung. Obwohl die Vorinstanz die Akte des Bruders des Beschwerdeführers beizog, unterliess sie eine Auseinandersetzung mit dem familiären Hintergrund des Beschwerdeführers anhand dessen (als glaubhaft erachteten) Aussagen. Eine Risikoabschätzung, die

        den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht würde, enthielte eine Erörterung dazu, ob die Gründe, die für eine Asylgewährung an den Bruder sprachen (allenfalls im Zusammenspiel mit der möglichen aktiven LTTE-Mitgliedschaft weiterer Angehöriger) in den Augen der sri-lankischen Sicherheitsbehörden als eine relevante Verbindung zu den LTTE bewertet werden könnten, respektive ob der (nach langen Jahren ohne Papiere zurückzuschaffende) Beschwerdeführer möglicherweise als bestrebt erscheinen könnte, den tamilischen Separatismus zu fördern. Eine Würdigung aller Sachverhaltselemente im Gesamtkontext lässt sich nicht durch einen pauschalen Textbaustein ersetzen. Das Unterlassen einer Auseinandersetzung mit diesen stellt eine schwere Verletzung der Begründungspflicht und damit des rechtlichen Gehörs dar.

      3. Das rechtliche Gehör ist formeller Natur, dessen Verletzung führt in der Regel zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Angesichts der Schwere der Verletzung kommt eine Heilung im (das Verfahren andernfalls endgültig abschliessenden) Rechtsmittelverfahren nicht in Frage (vgl. statt Vieler BGE 144 IV 302 E. 3.1 m.w.H; SUTTER, Kommentar VwVG, Rz. 23 zu Art. 29 VwVG).

5.3 Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück. Eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz ist insbesondere angezeigt, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen ist (WEISSENBERGER/HIRZEL, in: Waldmann/Weissenberger, Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, Rz. 16 zu Art. 61 VwVG). Die in diesen Fällen fehlende Entscheidungsreife kann grundsätzlich zwar auch durch die Beschwerdeinstanz selbst hergestellt werden, wenn dies im Einzelfall aus prozessökonomischen Gründen angebracht erscheint; sie muss dies aber nicht (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der ARK [EMARK] 2004 Nr. 38 E. 7.1). Insbesondere rechtfertigt sich ein Rückweisungsentscheid, wenn die Vorinstanz zu Unrecht keinen Beweis abgenommen hat und die betroffene Partei ohne Rückweisung um die Möglichkeit gebracht würde, die Tatsache vor einer Instanz mit uneingeschränkter Kognition geltend zu machen oder ihr der Rechtsmittelweg unzulässig verkürzt würde. Schliesslich ist die Sache bei schwerer Verletzung von Verfahrensrechten, die nicht vor der Rechtsmittelinstanz geheilt werden kann, zurückzuweisen. Im Regelfall gilt dies aufgrund dessen formellen Charakters für Verletzungen des rechtlichen Gehörs (WEISSENBERGER/HIRZEL, Praxiskommentar VwVG,

Rz. 17 f. zu Art. 61 VwVG; CAMPRUBI, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar VwVG, Rz. 11 zu Art. 61 VwVG).

Im vorliegenden Fall ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz hat die erforderliche Risikoabschätzung nicht in der erforderlichen Tiefe vorgenommen. Es sind zur Erstellung des Sachverhalts weitere Abklärungen zu treffen, welche den Rahmen des Beschwerdeverfahrens sprengen würde. Auch geht unter den gegebenen Umständen nicht an, den Rechtsmittelweg des Beschwerdeführers zu verkürzen.

6.

Die Beschwerde ist somit gutzuheissen, soweit die Aufhebung der angefochtenen Verfügung beantragt wird. Die Verfügung ist aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung – unter Würdigung aller entscheidwesentlichen Sachverhaltselemente und Beweismittel – an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die weiteren Anträge ist an dieser Stelle nicht einzutreten.

7.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht auferlegt die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG). In der Verwaltungsrechtspflege des Bundes gilt die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid (mit noch offenem Ausgang) praxisgemäss als Obsiegen der Beschwerde führenden Partei (Urteil des BVGer A-3763/2011 vom 3. Juli 2012 E. 14.1, m.w.H.). Den Vorinstanzen werden keine Verfahrenskosten auferlegt (Art. 63 Abs. 2 VwVG).

      Beim gegebenen Ausgang des Verfahrens sind somit keine Kosten zu erheben.

    2. Dem vertretenen Beschwerdeführer ist angesichts seines Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom

21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihm notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen.

Bei den Akten liegt keine Kostennote, indessen macht der Rechtsvertreter geltend, bislang seien Kosten von Fr. 1'010.– in Rechnung gestellt worden. Mit Blick auf die Verfahrensumstände und die massgebenden Bemessungsfaktoren (Art 8 ff. VGKE) erscheint dies noch angemessen, weshalb

auf die Einforderung einer Kostennote verzichtet werden kann (Art. 14 Abs. 2 VGKE).

Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer für seine Parteikosten folglich mit Fr. 1'010.– (inkl. Auslagen und MWSt) zu entschädigen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird.

2.

Die angefochtene Verfügung vom 7. September 2020 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an das SEM zurückgewiesen.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.

Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1'010.– auszurichten.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Roswitha Petry Thomas Bischof

Versand:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz