Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-4249/2020 |
Datum: | 08.09.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführer; Schutz; Schweiz; Kolumbien; Beschwerdeführers; Bundesverwaltungsgericht; Wegweisung; Flüchtlingseigenschaft; Verfolgung; Verfügung; Beschwerden; Recht; Politisch; Person; Beziehungsweise; Staat; Vorinstanz; Begründet; Akten; Verfügungen; Verfahren; Ausreise; Familie; Ausländer; Vollzug; Situation; Anhörung |
Rechtsnorm: | Art. 44 AIG ; Art. 49 BV ; Art. 49 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Abteilung V
E-4249/2020, E-4256/2020
Besetzung Einzelrichterin Esther Marti,
mit Zustimmung von Richter Markus König; Gerichtsschreiberin Nina Klaus.
Parteien A. , geboren am (…), Beschwerdeführer 1,
und sein Sohn B. , geboren am (…), Beschwerdeführer 2,
Kolumbien,
Bundesasylzentrum (BAZ) (…), (…),
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügungen des SEM vom 28. Juli 2020 / N (…) / N (…).
Die Beschwerdeführenden mit letztem Aufenthalt in C. (departamento del D. ), verliessen Kolumbien gemäss eigenen Angaben am (…) 2019 und gelangten mit ihren authentischen Reisepässen per Flugzeug, mit Transit in E. , am (…) 2019 in die Schweiz, wo sie sich zunächst bei F. (Ex-Lebenspartnerin des Beschwerdeführers 1 beziehungsweise Mutter des Beschwerdeführers 2; nachfolgend M.) und G. (Sohn des Beschwerdeführers 1 beziehungsweise Bruder des Beschwerdeführers 2; nachfolgend S.) aufgehalten hätten. Am 7. Februar 2020 suchten sie in der Schweiz um Asyl nach und wurden dem BAZ der Region H. zugwiesen. Die Personalienaufnahmen fanden getrennt am 13. Februar 2020 statt (PA; Protokolle in den SEM-Akten: 1061691 [nachfolgend A]-10/5 [Beschwerdeführer 1] und 1061692 [nachfolgend B]-10/5 [Beschwerdeführer 2]). In Anwesenheit ihrer zugewiesenen Rechtsvertretung befragte das SEM die Beschwerdeführer separat am
17. Juli 2020 einlässlich zu ihren Asylgründen (Anhörung; Protokolle in den SEM-Akten: A23/13 [Beschwerdeführer 1]; nachfolgend A23 und B25/14 [Beschwerdeführer 2]; nachfolgend B25).
Als Beweismittel reichten die Beschwerdeführer ihre Identitätskarten und Pässe (im Original) sowie die Unterlagen des Asylverfahrens ihrer Angehörigen in E. (in Kopie), namentlich von J. (nachfolgend R.), dem Onkel des Beschwerdeführers 2 und ehemaligen Arbeitgeber des Beschwerdeführers 1 ein. Der Beschwerdeführer 1 reichte unter anderem zusätzlich Kopien seiner Arbeitszertifikate als (…) sowie Facebook-Ausdrucke betreffend R. und der Beschwerdeführer 2 Kopien seiner Schuldiplome zu den Akten.
Am 27. Juli 2020 nahm die zugewiesene Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer Stellung zu den separaten Verfügungsentwürfen des SEM vom
24. Juli 2020.
Mit separaten Verfügungen vom 28. Juli 2020, beide gleichentags eröffnet, verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer und lehnte ihre Asylgesuche ab. Gleichzeitig ordnete es ihre Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an.
Am 29. Juli 2020 legte die zugewiesene Rechtsvertreterin die Mandate nieder.
Die Beschwerdeführer gelangten mit separaten Beschwerden vom 25. August 2020 (Poststempel: 26. August 2020) an das Bundesverwaltungsgericht (nachfolgend BVGer) und beantragen, die Verfügungen des SEM vom
28. Juli 2020 seien aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei ihre Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen und es sei ihnen Asyl zu gewähren, subeventualiter sei wegen Unzumutbarkeit oder Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme zu gewähren.
In prozessualer Hinsicht ersuchen sie um Koordination ihrer Beschwerdeverfahren sowie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Bundesverwaltungsgericht am
27. August 2020 in elektronischer Form vor (Art. 109 Abs. 1 AsylG [SR
142.31]).
Am 28. August 2020 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerden und stellte fest, die Beschwerdeführer könnten den Ausgang des Verfahrens einstweilen in der Schweiz abwarten.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche
Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerden sind fristund formgerecht eingereicht worden. Die Beschwerdeführer haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtenen Verfügungen besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerden legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 10 der Verordnung über Massnahmen im Asylbereich im Zusammenhang mit dem Coronavirus [SR 142.318]); Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerden ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Dem Antrag auf Koordination der Beschwerdeverfahren wird insofern vollumfänglich Rechnung getragen, als aufgrund der sachlichen und persönlichen Nähe – der Beschwerdeführer 2 basiert seine Asylgründe gänzlich auf jene des Beschwerdeführers 1 – die beiden Beschwerden vereinigt und mit einem Urteil darüber entschieden wird.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Nach Lehre und Rechtsprechung erfüllt eine asylsuchende Person die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft befürchten muss, sofern ihr die Nachteile gezielt und aufgrund bestimmter, in Art. 3 Abs. 1 AsylG aufgezählter Verfolgungsmotive zugefügt worden sind, respektive zugefügt zu werden drohen. Die erlittene Verfolgung muss sachlich und zeitlich kausal für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat und grundsätzlich auch im Zeitpunkt des Asylentscheids noch aktuell sein. Massgeblich für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist die Situation im Zeitpunkt des Entscheides, wobei erlittene Verfolgung oder im Zeitpunkt der Ausreise bestehende begründete Furcht vor Verfolgung – im Sinne einer Regelvermutung – auf eine andauernde Gefährdung hinweist. Veränderungen der Situation zwischen Ausreise und Asylentscheid sind zu Gunsten und zu Lasten der asylsuchenden Person zu berücksichtigen (vgl. BVGE 2010/57 E. 2; 2009/51 E. 4.2.5; 2007/31 E. 5.2 f., je m.w.H.).
Aufgrund der Subsidiarität des flüchtlingsrechtlichen Schutzes setzt die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausserdem voraus, dass die betroffene Person in ihrem Heimatstaat keinen adäquaten Schutz finden kann, weil dort keine Infrastruktur besteht, die ihr Schutz bieten könnte (sog. Schutztheorie, vgl. BVGE 2011/51 E. 7, m.w.H.), oder weil der Staat ihr keinen Schutz gewährt, obwohl er dazu in der Lage wäre (vgl. BVGE 2011/51 E. 7.1 und E. 7.4 S. 1017 f. m.w.H.). Zudem besteht ein Schutzbedürfnis auch dann, wenn die bestehende Schutzinfrastruktur der von Verfolgung betroffenen Person nicht zugänglich ist oder ihr deren Inanspruchnahme aus individuellen Gründen nicht zuzumuten ist. Über das Bestehen eines Schutzbedürfnisses ist im Rahmen einer individuellen Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des länderspezifischen Kontextes zu befinden, wobei es den Asylbehörden obliegt, die Effektivität des Schutzes vor Verfolgung im Heimatstaat abzuklären und zu begründen (vgl. BVGE 2011/51 E. 7.4 S. 1018 m.w.H.). Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung im
Heimatstaat ist als ausreichend zu qualifizieren, wenn die betreffende Person effektiv Zugang zu einer funktionierenden und effizienten Schutzinfrastruktur hat, unabhängig von persönlichen Merkmalen wie Geschlecht oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Minderheit, und ihr die Inanspruchnahme eines solchen innerstaatlichen Schutzsystems individuell zumutbar ist (vgl. BVGE 2011/51 E. 7.4 sowie statt vieler Urteil des BVGer E-2918/2018 vom 12. August 2019 E. 5.1).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Zur Begründung seines Asylgesuchs bringt der Beschwerdeführer 1 im Wesentlichen vor, er habe zwischen (…) in C. als (…) von R., ein (…) und Politiker, gearbeitet. R. sei mit der Schwester von M. verheiratet und insofern ein Familienangehöriger. R. sei sehr wohlhabend gewesen, weshalb er in Kolumbien wiederholt erpresst und entführt worden sei und man bei ihm eingebrochen habe. Da er ständig mit R. unterwegs gewesen sei und ein enges Verhältnis zu ihm gehabt habe, zumal R. auch der Onkel seiner Kinder sei, habe er mehrere Drohanrufe von einer unbekannten Privatnummer erhalten, nachdem R. (…) mit seiner Familie nach E. geflüchtet sei. Man habe ihm jeweils am Telefon gedroht, dass ihm oder dem Beschwerdeführer 2 etwas zustossen werde, wenn er den Aufenthaltsort von R. nicht bekannt gebe. Auch der Beschwerdeführer 2 sei deswegen bedroht worden.
Ab 2018 habe er als (…) gearbeitet. Als er (…) 2019 (…) zwei Personen in C. gefahren habe, hätten diese ihm mit einer Feuerwaffe Konsequenzen angedroht, wenn er den Aufenthaltsort von R. nicht nennen würde. Zudem hätten sie ihm sein Mobiltelefon und Geld entwendet. Da er keine Beweise gehabt habe, habe er den Vorfall nicht bei der Polizei gemeldet und sich stattdessen entschlossen, zu R. nach E. zu reisen. Nachdem der Beschwerdeführer 2 die Sekundarschule abgeschlossen habe, hätten sie Kolumbien (…) 2019 verlassen.
Er sei aber auch in die Schweiz gekommen, um seinen minderjährigen Sohn S. zu sehen, der hier seit (…) bei seiner Mutter M. lebe sowie um den Beschwerdeführer 2 in die Obhut von M. zu übergeben. Ursprünglich habe er beabsichtigt danach nach E. zurückzukehren und dort um Asyl nachzusuchen. Nachdem aber die Wohngemeinde von M. die Anmeldung des Beschwerdeführers 2 abgelehnt und er die labile psychische Verfassung von S. und M. bemerkt habe, habe er entschieden, in der Schweiz Asyl zu beantragen, um seine väterlichen Aufgaben wahrnehmen zu können.
In persönlicher Hinsicht führte er aus, er sei in C. geboren und habe sein gesamtes Leben dort verbracht, bis auf ungefähr vier bis fünf Jahre, während denen er in K. gearbeitet habe. Er habe die Sekundarschule sowie eine Ausbildung als (…) abgeschlossen. In C. habe er mit dem Beschwerdeführer 2 und dessen (…) gewohnt. Seine (…) und (…) lebten in L. , ausserhalb von C. .
Der Beschwerdeführer 2 führte im Rahmen seiner Anhörung im Wesentlichen aus, er sei hauptsächlich wegen seiner Mutter M. und seinem Bruder S. in die Schweiz gekommen, die hier lebten, und um in der Schweiz zu studieren und arbeiten. Zudem sei die allgemeine Situation in Kolumbien gefährlich.
Nachdem er in der Schweiz angekommen sei, hätten ihm seine Eltern mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer 1 in Kolumbien wegen seiner Funktion als (…) für seinen Onkel R. telefonisch bedroht worden sei. Die Bedrohungen seien auf das politische Engagement von R. von (…) zurückzuführen. Seine Eltern hätten ihn nicht früher darüber informieren wollen, damit er zuerst die Schule habe abschliessen können und sich in Sicherheit fühle.
Zu seinen Lebensumständen führte der Beschwerdeführer 2 aus, er sei in C. geboren und aufgewachsen. Er habe mit seinen Eltern und seinem Bruder S. für drei Jahre in K. und während einem Jahr in M. gelebt, da seine Eltern dort gearbeitet hätten. Die Schule habe er in Kolumbien bis zur elften Klasse besucht.
Zur Begründung der fehlenden Flüchtlingseigenschaft und der Ablehnung der Asylgesuche qualifiziert die Vorinstanz die Vorbringen der Beschwerdeführer als den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG nicht genügend. Diese Einschätzung begründet sie im Wesentlichen wie folgt:
Die Beschwerdeführer seien bis zu ihrer Ausreise keinen ernsthaften Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt gewesen. Reine Vermutungen genügten nicht, um eine begründete Furcht vor einer gezielten Verfolgung zu begründen. Des Weiteren stellten Übergriffe oder erlittene Nachteile keine asylrelevante Verfolgung dar, soweit sie nicht auf der Absicht beruhten, einen Menschen aus einem der in Art. 3 AsylG erwähnten Gründe zu treffen. Gemäss Aussagen des Beschwerdeführers 1 seien die Täter an R. interessiert gewesen, da er viel Geld besessen und verwaltet habe.
Im Weiteren seien Übergriffe durch Dritte oder Befürchtungen, künftig solchen ausgesetzt zu sein, nur dann asylrelevant, wenn der Staat seiner Schutzpflicht nicht nachkomme oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren. Generell sei Schutz gewährleistet, wenn der Staat geeignete Massnahmen treffe, um die Verfolgung zu verhindern und wenn Antragssteller Zugang zu diesem Schutz hätten.
Die Beschwerdeführer hätten keine genauen Angaben zu den mutmasslichen Tätern machen können. Der Beschwerdeführer 1 habe nur zwei Personen genannt, die in (…), und dass er von jemandem mit einer unbekannten Privatnummer telefonisch kontaktiert worden sei. Auch der Beschwerdeführer 2 habe lediglich dargelegt, dass sich sein Onkel R. zwischen den Jahren (…) politisch betätigt habe, dass der Beschwerdeführer 1 der (…) von R. gewesen sei und nach der Ausreise von R. telefonisch bedroht worden sei.
Das SEM gehe davon aus, dass der kolumbianische Staat grundsätzlich über eine funktionierende Schutzinfrastruktur, insbesondere über einen funktionierenden Polizeiapparat sowie über ein Rechtsund Justizsystem verfüge. Da der kolumbianische Staat die Aktivitäten von Kriminellen und von Guerilla im Rahmen der Möglichkeiten bekämpfe, sei die Schutzwilligkeit vorhanden (m.H.a. Urteile des BVGer E-7676/2015 und D-1122/2007). Indem die Beschwerdeführer sich nicht schutzsuchend an die heimatlichen Behörden gewendet hätten, könne Letzteren auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht willens oder nicht in der Lage seien, den geltend gemachten Sachverhalt zu klären. Vielmehr sei mangels gegenteiliger Hinweise vom Vorhandensein eines adäquaten Schutzes durch den Heimatstaat auszugehen. Es sei demnach zu folgern, dass der kolumbianische Staat auch im Falle der Beschwerdeführer seiner Schutzpflicht nachgekommen wäre.
Schliesslich seien den Ausführungen der Beschwerdeführer weder ein zeitlicher noch ein sachlicher Zusammenhang zwischen den mutmasslichen Bedrohungen und ihrer Ausreise zu entnehmen. Der Beschwerdeführer 1 habe gesagt, dass er bis zum Schulabschluss des Beschwerdeführers 2 in Kolumbien habe bleiben wollen. Gemäss Aktenlage gebe es somit keinerlei Hinweise, dass es ihnen nicht möglich sein sollte, sich in Zukunft unbehelligt in ihrer Heimatregion oder einer anderen Stadt Kolumbiens aufzuhalten beziehungsweise sich bei Problemen an die zuständigen Behörden zu wenden.
Es erübrige sich auf die eingereichten Beweismittel einzugehen, da sie nicht geeignet seien, die Einschätzung des SEM zu ändern.
In seiner Beschwerde entgegnet der Beschwerdeführer 1 im Wesentlichen, die Vorinstanz habe seine Gefährdungssituation falsch eingeschätzt. Sie habe insbesondere das politische Profil von R. unrichtig sowie unvollständig festgestellt und es unterlassen, genauere Abklärungen dazu vorzunehmen beziehungsweise ihm diesbezüglich zusätzliche Fragen zu stellen. Anlässlich der Anhörung habe er zwar erwähnt, dass R. (…) gewesen sei, allerdings habe er auch darauf hingewiesen, dass R. Politiker gewesen sei und deswegen Probleme gehabt habe. Zudem habe er im vorinstanzlichen Verfahren den Auszug eines Protokolls aus dem (…) Asylverfahren von R. eingereicht, aus welchem hervorgehe, dass R. für eine (…) Partei politisch aktiv gewesen sei. Das SEM habe folglich den Sachverhalt nicht ausreichend erstellt beziehungsweise gewürdigt.
Der Beschwerdeführer 2 wiederholt in seiner Beschwerde die Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers 1. Ergänzend hält er fest, der Beschwerdeführer 1 habe in seiner Anhörung erwähnt, dass auch er (Beschwerdeführer 2) wegen R. Probleme gehabt habe.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt nach Prüfung der Akten zu folgenden Schlüssen:
Das SEM hat sich in den angefochtenen Verfügungen klarerweise auf einen ausreichend abgeklärten Sachverhalt abgestützt (vgl. oben E. 6.1).
Soweit die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe das politische Profil von R. unrichtig und unvollständig festgestellt, geht dies aus den angefochtenen Verfügungen gerade nicht hervor. Vielmehr hält das SEM darin ausdrücklich fest, dass R. politisch tätig gewesen sei (vgl. A26/10 Ziff. II
E. 1 S. 3 und B32/9 Ziff. II E. 2 S. 3). Auch seine Abklärungspflicht hat es nicht verletzt. Das SEM durfte bereits aus den diesbezüglichen Aussagen der Beschwerdeführer im Rahmen der Anhörungen schliessen, dass sich weitere Rückfragen zu den politischen Aktivitäten von R. erübrigen. Dies, weil diese äussert kurz und oberflächlich ausgefallen sind und offensichtlich mehr erwartet werden durfte (vgl. A23 F68, F76 S. 9 und B25 F94, F120). Bezeichnenderweise wird auch auf Beschwerdestufe noch nichts Konkretes dazu vorgebracht. Dass der Beschwerdeführer 1 im vorinstanzlichen Verfahren einen Auszug aus dem Protokoll des Asylverfahrens von
R. in E. , dessen Asylverfahren gemäss Angaben des Beschwerdeführers 2 noch nicht abgeschlossen sei (vgl. B25 F50), zu den Akten reichte, gemäss welchem R. für eine (…) Partei politisch aktiv gewesen sei, vermag offensichtlich nichts an dieser Einschätzung zu ändern. Hinzu kommt, dass darin alleine die subjektive Sicht von R. dargelegt wird. Demnach erweisen sich die formellen Rügen der Beschwerdeführer als unbegründet, weshalb der entsprechende Antrag abzuweisen ist.
In materieller Hinsicht ist die Vorinstanz zu Recht zum Schluss gekommen, dass die Vorbringen der Beschwerdeführer die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden (vgl. Zusammenfassung oben E. 6.2). Die Einwände in der Beschwerde vermögen nicht zu einer anderen Gewichtung zu führen.
Das SEM stellte zu Recht und mit zutreffender Begründung fest, dass bereits für den Zeitpunkt der Ausreise keine hinreichend konkrete Bedrohung ersichtlich ist. Für diese Einschätzung spricht zusätzlich, dass der Beschwerdeführer 1 anlässlich seiner Anhörung angab, er sei wegen seiner Söhne (S. und Beschwerdeführer 2) in die Schweiz gekommen und habe hier eigentlich gar nicht um Asyl nachsuchen wollen. Der Beschwerdeführer 2 gab gar als Hauptgrund für seine Reise in die Schweiz das Wiedersehen mit M. und S. an, sowie, dass er hier studieren und arbeiten wolle. Insbesondere aber hält die Vorinstanz dem Beschwerdeführer 1 zu Recht entgegen, er hätte sich zuerst schutzsuchend an die heimatlichen Behörden wenden können, und da er dies nicht getan habe, könne er ihnen auch nicht fehlenden Schutzwillen beziehungsweise fehlende Schutzfähigkeit vorwerfen. Die Einschätzung des SEM, es lägen somit auch keine Hinweise darauf vor, dass die grundsätzliche Schutzfähigkeit und -willigkeit der kolumbianischen Behörden im Sinne der sogenannten Schutztheorie (vgl. oben E. 5.2) im Falle der Beschwerdeführer nicht gegeben sei, ist zu-
treffend. Dies gilt offensichtlich auch im Falle ihrer Rückkehr nach Kolumbien, sollten sie tatsächlich auf Schutz angewiesen sein. Ergänzend darf darauf hingewiesen werden, dass die Beschwerdeführer sich alternativ auch in K. aufhalten könnten, sollten sie nicht an ihren Herkunftsort zurückkehren wollen, weil sie sich unsicher fühlen. Dies wäre ihnen auch zumutbar, zumal der Beschwerdeführer 1 dort für mehrere Jahre arbeitete und mit seiner Familie, inklusive dem Beschwerdeführer 2, wohnte.
Zusammenfassend hat das SEM seine Erwägungen auf eine genügende Sachgrundlage gestützt und kein formelles Recht verletzt. Es hat auch zu Recht festgestellt, die Beschwerdeführer erfüllten die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht. Entsprechend hat es auch ihre Asylgesuche zu Recht abgelehnt.
Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).
Die Beschwerdeführenden verfügen insbesondere weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen; dies auch nicht gestützt auf die kantonale Aufenthaltsbewilligung von M. So ist der Beschwerdeführer 1 mit M. weder verheiratet noch in einem Konkubinat. Auch der Beschwerdeführer 2 erfüllt die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen an den Familiennachzug nicht. Dies schon deshalb, weil er bereits volljährig ist und offensichtlich kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihm und seinen Familienangehörigen in der Schweiz besteht (vgl. Art. 44 Abs. 1 AIG [SR 142.20]). Die Wegweisung der Beschwerdeführer wurde demnach ebenfalls zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG).
Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen,
wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG). Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer sodann unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren. Schliesslich ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich ist, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimatoder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin verbracht werden kann (Art. 83 Abs. 2 AIG).
Unter dem Aspekt des Wegweisungsvollzugs führt das SEM im Wesentlichen aus, das flüchtlingsrechtliche Refoulementverbot finde keine Anwendung auf die Beschwerdeführer, da sie die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllten. Zudem seien den Akten keine Hinweise zu entnehmen, dass ihnen im Falle einer Rückkehr nach Kolumbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe oder Behandlung drohe. Des Weiteren sprächen weder die in Kolumbien herrschende politische Situation noch individuelle Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs. Der Beschwerdeführer 1 sei ein gesunder Mann und verfüge über eine langjährige Arbeitserfahrung als (…) und (…). Zudem habe er mehrere Jahre als (…) gearbeitet. Der Beschwerdeführer 2, ein gesunder und junger Mann, verfüge über einen Schulabschluss. Die Beschwerdeführer hätten zudem Angehörige in L._ . Sie hätten gemäss eigenen Angaben für einige Jahre in K. gelebt und als kolumbianische Staatsangehörige die Möglichkeit, sich in allen Teilen ihres Heimatstaates niederzulassen. Zudem sei es ihnen zumutbar, eine neue Existenz aufzubauen. Demnach sei nicht davon auszugehen, dass sie bei einer Rückkehr nach Kolumbien in eine existenzbedrohende Situation geraten würden. Schliesslich sei der Wegweisungsvollzug technisch möglich und praktisch durchführbar.
Das SEM begründet in der angefochtenen Verfügung zutreffend, weshalb dem Vollzug der Wegweisung keine Hindernisse entgegenstünden. Es kann deshalb auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden
(vgl. oben E. 9.3). Soweit die Beschwerdeführer auf ihre familiären Beziehungen zum Sohn respektive Bruder S. sowie der Ex-Lebenspartnerin respektive Mutter M. verweisen, ist keine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung ersichtlich, die im Sinne der massgeblichen Bestimmungen schützenswert wäre, zumal die Eltern sich offensichtlich freiwillig getrennt hatten und M. mit S. (…) Kolumbien verliess (vgl. A23 F39), während die Beschwerdeführer danach mit (…) des Beschwerdeführers 2 zusammenlebten (vgl. ebd. F13). Wie erwähnt ist sodann der Beschwerdeführer 2 volljährig und ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter M. ist nicht ersichtlich. Auch die pauschale Aussage des Beschwerdeführers 1 hinsichtlich seines minderjährigen Sohnes S., er wolle sich um ihn kümmern, weil es ihm nicht gut gehe, bewirkt nichts. Die Beschwerdeführer können ihre familiären Beziehungen zu ihren in der Schweiz wohnhaften Familienangehörigen, wie bisher, auch auf andere Weise pflegen, beispielsweise mit gegenseitigen Besuchsaufenthalten, und im Alltag insbesondere mittels sozialer Medien.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und angemessen (Art. 49 Bst. c VwVG) ist. Die Beschwerden sind abzuweisen.
Bei diesem Ausgang sind die Kosten grundsätzlich den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG sind abzuweisen, weil sich die Beschwerden entsprechend den vorstehenden Erwägungen bereits bei Eingang der Begehren, unbesehen der finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführer, als aussichtlos erwiesen haben. Demzufolge haben die Beschwerdeführer die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 750.– zu tragen (Art. 1 3 und Art. 6a des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung werden abgewiesen. Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden den Beschwerdeführern auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Esther Marti Nina Klaus
Versand:
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