E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil E-2166/2020

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-2166/2020
Datum:30.09.2020
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung (Mehrfachgesuch/Wiedererwägung)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Vorinstanz; Beschwerdeführers; Verfügung; Gericht; Recht; Wegweisung; Bundesverwaltungsgericht; Vollzug; Verfahren; Beweismittel; Sachverhalt; Urteil; Staatsanwaltschaft; Eingabe; Schweiz; Gesuch; Reichte; Vorbringen; Zumutbar; Verfahrens; Revision; Gericht; Türkei; Bruder; Dokumente; Reichten; Kostenvorschuss; Sachverhalts
Rechtsnorm: Art. 49 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 55 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-2166/2020

U r t e i l v o m 3 0 . S e p t e m b e r 2 0 2 0

Besetzung Einzelrichterin Gabriela Freihofer,

mit Zustimmung von Richterin Nina Spälti Giannakitsas; Gerichtsschreiberin Evelyn Heiniger.

Parteien A. , geboren am (…), Türkei,

c/o (…), Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung (Mehrfachgesuch); Verfügung des SEM vom 24. März 2020 / N (…).

Sachverhalt:

A.

    1. Der Beschwerdeführer suchte erstmals am 27. Juli 2015 in der Schweiz um Asyl nach. Er machte im Wesentlichen geltend, er habe sich für die kurdische Sache eingesetzt und an Kundgebungen teilgenommen. Anschliessend sei er nach Syrien gegangen und habe sich der PYD (Partiya Yekitîya Demokrat; kurdische Partei der Demokratischen Union) respektive YPG (Yekîneyên Parastina Gel; Volksverteidigungseinheiten) angeschlossen. Mit Verfügung vom 12. April 2017 lehnte das SEM das Aslygesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Urteil E-2744/2017 vom 23. Mai 2017 abgewiesen.

    2. Mit Eingabe vom 15. Juni 2017 stellte der Gesuchsteller beim SEM ein Gesuch um Wiedererwägung der Verfügung vom 12. April 2017, welches das SEM mit Verfügung vom 21. Juni 2017 abwies, soweit es darauf eintrat. Das SEM führte dabei im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer mache geltend, er werde seit 2015 polizeilich gesucht, es liege ein Strafverfahren gegen ihn vor. Die Eingabe des Beschwerdeführers ziele auf eine Neubeurteilung eines vorbestehenden Sachverhalts, mit dem sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil E-2744/2017 vom 23. Mai 2017 bereits auseinandergesetzt habe, womit die Zuständigkeit für die Beurteilung allfälliger Revisionsgründe beim Gericht liege. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, er sei inzwischen in der Schweiz in psychiatrischer Behandlung, sei eine Behandlung in der Türkei möglich. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

    3. Mit Eingabe vom 19. Juli 2017 beantragte der Gesuchsteller beim Bundesverwaltungsgericht die Revision des Urteils E-2744/2017 vom 23. Mai 2017. Das Bundesverwaltungsgericht wies das Revisionsgesuch mit Urteil E-4036/2017 vom 14. September 2017 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen festgehalten, die eingereichten Beweismittel seien revisionsrechtlich als unerheblich zu taxieren. Die Glaubhaftigkeit der im vorangegangen Beschwerdeverfahren geltend gemachten Einleitung eines Strafverfahres vermöge nämlich damit nicht bewirkt zu werden.

B.

    1. Mit einer als «Wiedererwägungsgesuch» bezeichneten Eingabe an das SEM vom 28. August 2018 beantragte der Beschwerdeführer, der Entscheid des Bundesgerichts vom 28. Juli 2017 (sic) sei aufzuheben, es sei

      ihm Asyl zu gewähren und festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung in die Türkei für ihn unzumutbar sei.

      Zur Begründung führte er an, er könne nun mit einem Haftbefehl vom

      18. Juni 2015 belegen, dass ihm in der Türkei Gefängnis und Folter drohe.

    2. Mit Schreiben vom 26. November 2018 ersuchte der Zivilstandsund Bürgerrechtsdienst des Kantons B. zwecks Ehevorbereitung um Einsicht in die Akten des Beschwerdeführers.

    3. Am 24. April 2019 stellte der Zivilstandskreis B. zwei Auszüge aus dem Personenstandsregister über die Familie des Beschwerdeführers (datierend vom 14.09.2018 und 01.04.2019) sowie eine Geburtsurkunde des Beschwerdeführers (datierend vom 10.04.2019) zuhanden des SEM sicher.

    4. Am 7. Oktober 2019 wurde dem SEM die am (…) 2019 erfolgte Heirat des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, die Ehefrau verfüge über eine Niederlassungsbewilligung (C) im Kanton B. .

    5. Das SEM fragte den Beschwerdeführer am 13. Februar 2020 an, ob er angesichts der Umstände sein Asylgesuch zurückziehen wolle. Der Beschwerdeführer hielt mit Erklärung vom 24. Februar 2020 an seinem Asylgesuch fest.

    6. Mit Verfügung vom 27. Februar 2020 wies der Migrationsdienst des Kantons B. das Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Familiennachzugs ab.

    7. Den Akten ist zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer und seine Ehefrau im März 2020 getrennt haben.

    8. Das SEM hielt in seiner Verfügung vom 24. März 2020 fest, es nehme einen Teil der Eingabe des Beschwerdeführers als Mehrfachgesuch entgegen. Die weiteren Vorbringen und Beweismittel, die sich bereits vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verwirklicht hätten, könnten nicht Gegenstand eines (qualifizierten) Wiedererwägungsgesuchs sein, sondern wären allenfalls in einem Revisionsgesuch geltend zu machen. Die Vorinstanz wies das Mehrfachgesuch ab, trat auf die in der Verfügung unter III Ziff. 1 Bst. a erwähnten Vorbringen mangels funktioneller Zuständigkeit nicht ein, wies den Beschwerdeführer aus der Schweiz weg und beauftragte den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung. Ferner

hiess es das Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten gut und verzichtete auf die Erhebung von Gebühren.

C.

Mit Eingabe vom 22. April 2020 an das Bundesverwaltungsgericht beantragte der Beschwerdeführer, die Verfügung der Vorinstanz sei vollumfänglich aufzuheben, es sei seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen, ihm sei Asyl zu gewähren, eventualiter sei die Unzulässigkeit, subeventualiter die Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung festzustellen und er vorläufig aufzunehmen, subeventualiter sei die Sache zur rechtsgenüglichen Sachverhaltsabklärung sowie zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht sei die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten.

D.

Mit Zwischenverfügung vom 30. April 2020 hielt die Instruktionsrichterin fest, der Beschwerdeführer dürfe den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten, wies das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ab und forderte den Beschwerdeführer zur Leistung eines Kostenvorschusses auf.

E.

    1. Nachdem die Verfügung zunächst an eine offenbar nicht mehr aktuelle Adresse des Beschwerdeführers versandt und diese deshalb anschliessend von der Post an das Gericht retourniert worden war, wurde der Beschwerdeführer mit Verfügung vom 6. Mai 2020 erneut zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert.

    2. Dieser traf am 22. Mai 2020 bei der Gerichtskasse ein.

F.

Mit Eingabe vom 27. Juli 2020 reichte der Beschwerdeführer weitere Beweismittel zu den Akten. Gemäss seinen Angaben handelt es sich um ein

Schreiben der Staatsanwaltschaft C.

vom 13. April 2020, ein

Schreiben des Kommunikationsbüros des Ministeriums an die Staatsanwaltschaft in C. vom 13. April 2020, ein Schreiben der Staatsanwaltschaft C. an das Kommunikationsbüro des Ministeriums vom

29. April 2020, ein Schreiben des Ermittlungsbüros für organisierte Kriminalität der Staatsanwaltschaft C. an die Direktion der Abteilung für

Terrorbekämpfung vom 1. Juni 2020, einen Beschluss um Zusammenführung vom 30. Juni 2020, einen Facebook-Auszug sowie das Couvert, worin die Dokumente gesendet worden seien.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom

      25. September 2015).

    2. Am 1. Januar 2019 wurde das Ausländergesetz vom 16. Dezember

2005 (AuG, SR 142.20) teilrevidiert (AS 2018 3171) und in Ausländerund Integrationsgesetz (AIG) umbenannt. Die vorliegend anzuwendenden Gesetzesartikel (Art. 83 Abs. 1–7 und Art. 84) sind unverändert vom AuG ins AIG übernommen worden.

2.

Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – wie auch vorliegend

– endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert. Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägung, einzutreten (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie

Art. 52 Abs. 1 VwVG).

3.

Gemäss Art. 55 Abs. 1 VwVG kommt einer Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu. Die Vorinstanz hat die aufschiebende Wirkung in der angefochtenen Verfügung nicht entzogen (vgl. Art. 55 Abs. 2 VwVG). Auf den prozessualen Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen, wird mangels Rechtsschutzinteresses nicht eingetreten.

4.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

5.

Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung einer zweiten Richterin oder eines zweiten Richters (Art. 111 Bst. e AsylG), ohne Weiterungen und mit summarischer Begründung zu behandeln (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

6.

    1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unvollständig und falsch festgestellt.

    2. Unvollständig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn nicht alle für den Entscheid rechtsrelevanten Sachumstände berücksichtigt wurden, unrichtig, wenn der Verfügung ein falscher und aktenwidriger Sachverhalt zugrunde gelegt wird, etwa weil die Rechtserheblichkeit einer Tatsache verneint wird, oder weil Beweise falsch gewürdigt worden sind (vgl. KÖLZ/ HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 1043). Hinweise für eine unvollständige oder falsche Feststellung des Sachverhalts liegen nicht vor. Die Vorinstanz hat sich mit den Vorbringen und Beweismitteln des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Alleine aus der Tatsache, dass die Vorinstanz aus sachlichen Gründen zu einer anderen Würdigung der Vorbringen gelangt, als vom Beschwerdeführer verlangt, lässt sich keine ungenügende Sachverhaltsfeststellung ableiten. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt zutreffend und vollständig festgestellt.

    3. Der Beschwerdeführer macht weiter eine Rechtsverzögerung geltend, da die Vorinstanz erst zwei Jahre nach Einreichung des Gesuchs, ihre Unzuständigkeit bezüglich einzelner Vorbringen festgestellt habe und auf den Revisionsweg verweise.

      1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits am

        19. Juli 2017 ein erstes Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungs-

        gericht anstrengte. Es kann folglich von ihm erwartet werden, dass er Revisionsgründe bei der für deren Behandlung zuständigen Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht, und nicht bei der Vorinstanz geltend macht.

        Rechtsverzögerungsbeschwerden richten sich im Übrigen gegen den Nichterlass einer anfechtbaren Verfügung, um die zuständige Behörden zum Erlass einer Verfügung zu bewegen. Nachdem die Vorinstanz inzwischen (mit Verfügung vom 24. März 2020) über die Begehren des Beschwerdeführers befunden hat, liegt seitens des Beschwerdeführers kein Interesse an der Feststellung einer Rechtsverzögerung mehr vor. Ferner ist im Verhalten der Vorinstanz ohnehin keine Rechtsverzögerung zu erkennen, zumal sich die Verzögerung im Verfahren offensichtlich durch das bereits im November 2018 angestrengte Eheund Ehevorbereitungsverfahren des Beschwerdeführers ergab und das SEM diesbezüglich in ständigem Kontakt mit dem zuständigen Migrationsamt stand.

      2. Die Vorinstanz ist in der angefochtenen Verfügung auf die Eingabe betreffend die vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2017 datierenden Beweismittel (Beschluss der 2. Strafabteilung des Amtsgerichts C. vom 18. Juni 2015 und Annahme der Anordnung eines Haftbefehls vom 16. Juni 2015 durch das Ermittlungsbüro C. , Haftbefehl der 2. Strafabteilung des Amtsgerichts C. vom 18. Juni 2015), mangels Zuständigkeit nicht eingetreten. Gleichzeitig würdigte sie die Dokumente, indem sie dazu festhielt, «vorfrageweise» sei festzustellen, dass es sich bei den eingereichten Dokumenten lediglich um Kopien handle, die keine Fälschungssicherheit vermitteln dürften. Augenscheinlich sei sodann, dass jener Haftbefehl erst nach dem 6. Juni 2015, dem Datum des «Verbrechens» erfolgt sei, der Beschwerdeführer indes in seiner Eingabe eine Suche nach ihm auf Anfang 2015 datiert habe, was widersprüchlich erscheinen dürfte. Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht nicht auf diesen Teil des Gesuchs eingetreten ist, was zu bejahen ist. Ob die «vorfrageweise» erfolgte Prüfung des SEM zutrifft, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb auf die in der Beschwerde gemachten Ausführungen dazu vorliegend nicht weiter einzugehen ist.

7.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer

      politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG; zu den praxisgemässen Anforderungen an das Glaubhaftmachen vgl. BVGE 2015/3 E. 6.5.1 m.w.H.).

8.

    1. Die Vorinstanz führte in der angefochtenen Verfügung weiter aus, der Bruder des Beschwerdeführers habe am 5. Juli 2018 eine Anklage gegen fehlbare Polizisten eingereicht, die auf der Suche nach dem Beschwerdeführer seine Wohnung zerstört hätten. Die Anklage sei abgewiesen worden. Die darin enthaltene Aussage seines Bruders, der Beschwerdeführer werde seit zwei Jahren von der Polizei gesucht (mithin seit Juli 2016), widerspreche seinen (des Beschwerdeführers) Angaben. Da dieses Beweismittel divergierende Daten hinsichtlich des Zeitpunkts der Suche nach dem Beschwerdeführer enthalte, sei es in Zweifel zu ziehen.

      Die Vorinstanz hat damit das Beweismittel vom 9. Juli 2018 («Staatsanwaltschaft C. : Einstellungsbeschluss der Ermittlungen») inhaltlich gewürdigt, obwohl sie der Ansicht war, es liege lediglich in Kopie vor. Damit kann offenbleiben, ob es sich wie vom Beschwerdeführer in der Rechtsmitteleingabe behauptet, um ein Original handelt, welches elektronisch unterzeichnet worden sei. Die Erklärung des Beschwerdeführers, die Zeitangabe seines Bruders sei nur eine Schätzung gewesen, vermag indes nicht zu überzeugen, da der Bruder wissen müsste, seit wann bei ihnen zu Hause nach dem Beschwerdeführer gesucht werden soll. Zumindest hatte der Beschwerdeführer anlässlich seiner Anhörung am 8. November 2016 angegeben, bei einer wegen ihm erfolgten Hausdurchsuchung seien seine Mutter und sein Bruder anwesend gewesen (SEM-Akte A14/31 F133 ff.). Da die Suche nach dem Beschwerdeführer inzwischen so lange gedauert haben soll, dass sich sein Bruder schliesslich zu einer Anzeige gezwungen sah, ist es nicht nachvollziehbar, dass der Zeitpunkt nicht genau benannt

      werden kann. Die Vorinstanz hat demnach zu Recht festgestellt, dass sich aus den weiteren Vorbringen und eingereichten Beweismitteln nur noch weitere Widersprüche zu den ursprünglichen Aussagen des Beschwerdeführers ergeben. Das Gericht schliesst sich den von der Vorinstanz angeführten Zweifeln an und erachtet eine Suche der türkischen Behörden nach dem Beschwerdeführer als nicht glaubhaft.

      Die Vorinstanz erwog weiter, es erscheine seltsam, dass die türkische Polizei nach dem Beschwerdeführer suchen solle, weil dessen Mutter eine Anzeige eingereicht habe, da sie ihn vermisse, und als Grund der Anzeige

      «Entführung oder Teilnahme an einer terroristischen Organisation» angegeben habe. Die Anzeige erscheine konstruiert, zumal sie den Beschwerdeführer augenscheinlich belasten solle. Der Beschwerdeführer sei zudem gemäss eigenen Angaben zum Zeitpunkt der Bundesanhörung im November 2016 mit seiner Mutter in Kontakt gestanden. Die Entgegnung des Beschwerdeführers, seine Mutter glaube nicht, dass er sich in der Schweiz aufhalte, ist als blosse Schutzbehauptung zu qualifizieren und nicht überzeugend.

    2. Der Beschwerdeführer bringt in der Rechtsmitteleingabe vor, er habe neulich erfahren, dass die türkische Polizei ihn auch wegen Propaganda für die PKK (Partiya Karkeren Kurdistan) und Beleidigung des Staatspräsidenten suche. Gemäss Auskunft seiner Mutter hätten Polizisten am 17. April 2020 mit Masken, schweren Waffen und einem Rammbock die Tür aufgebrochen und die Wohnung verwüstet, weil er (der Beschwerdeführer) wegen Terrorpropaganda gesucht werde. Der Beschwerdeführer legt in keiner Weise dar, worauf sich diese neuen Befürchtungen beziehungsweise Vorhaltungen seitens der Polizei stützen. Aus den am 27. Juli 2020 bei Gericht eingereichten Dokumenten ergeben sich jedenfalls keine konkreten Hinweise darauf. Gemäss den Angaben des Beschwerdeführers und den eingereichten Übersetzungen handelt es sich dabei um ein Schreiben der Staatsanwaltschaft C. vom 13. April 2020, ein Schreiben des Kommunikationsbüros des Ministeriums an die Staatsanwaltschaft in

      C.

      vom 13. April 2020, ein Schreiben der Staatsanwaltschaft

      C. an das Kommunikationsbüro des Ministeriums vom 29. April 2020, ein Schreiben des Ermittlungsbüros für organisierte Kriminalität der Staatsanwaltschaft C. an die Direktion der Abteilung für Terrorbekämpfung vom 1. Juni 2020 und einen Beschluss um Zusammenführung vom 30. Juni 2020. Aus den Dokumenten geht weder hervor, um welche Verfahren es sich konkret handelt beziehungsweise welche Tatbestände verhandelt werden, noch wer daran beteiligt ist. Es ist den Dokumenten

      kein Bezug zum Beschwerdeführer zu entnehmen. Es wird insbesondere auch nicht dargetan, wie der Beschwerdeführer in Besitz dieser wohl als intern zu bezeichnenden Akten gekommen sein soll. Wie er damit beweisen will, dass er «in der Türkei in Lebensgefahr» sei, erschliesst sich nicht. Ferner zeigt er auch nicht auf, was er mit dem Auszug aus Facebook beweisen will.

    3. Insgesamt lässt sich aus den Vorbringen und den eingereichten Beweismitteln keine Gefährdung des Beschwerdeführers ableiten. Die Vorinstanz hat seine Flüchtlingseigenschaft zu Recht verneint und sein zweites Asylgesuch abgelehnt.

9.

    1. Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).

    2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

10.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

    2. Es ist zu prüfen, ob das SEM zu Recht davon ausgegangen ist, es bestünden nach wie vor keine Hindernisse für den Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in die Türkei.

      1. Weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten ergeben sich Anhaltspunkte, die gegen die Zulässigkeit des Vollzug der Wegweisung im Sinn der asylund der völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 5 Asyl, Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK) sprechen würden.

      2. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind.

        Gemäss konstanter Praxis ist nicht davon auszugehen, in der Türkei herrsche eine landesweite Situation allgemeiner Gewalt, welche den Vollzug einer Wegweisung als generell unzumutbar erscheinen liesse (vgl. statt vieler zuletzt die Urteile des BVGer D-2892/2020 vom 10. August 2020 E. 10.2, E-3197/2020 vom 5. August 2020 E. 7.3, E-1716/2020 vom

        22. April 2020 E.7.4.1). Die in der Beschwerde erwähnte Situation der Verschlechterung der Lage nach dem Militärputsch im Juli 2016 wurde bereits im Urteil E-2744/2017 vom 23. Mai 2017 berücksichtigt. In Bezug auf den Beschwerdeführer hat sich seither keine Änderung ergeben, womit auf die entsprechenden Erwägungen (E. 6.3) verwiesen werden kann. Der Vollzug der Wegweisung erweist sich demnach weiterhin auch in individueller Hinsicht als zumutbar.

      3. Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

10.3 Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).

11.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

12.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 750.– (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Der geleistete Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zu Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der geleistete Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:

Gabriela Freihofer Evelyn Heiniger

Versand:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz