Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-3835/2020 |
Datum: | 12.08.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl (ohne Wegweisungsvollzug) |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführerin; Afghanistan; Verfolgung; Ehemann; Verfügung; Flüchtling; Familie; Wegweisung; Bundesverwaltungsgericht; Rückkehr; Ehemannes; Schweiz; Asylgesuch; Flüchtlingseigenschaft; Begründet; Zuweisen; Provinz; Ausgesetzt; Zusammenhang; Verwandte; Recht; Drohe; Glaubhaft; Scheiden; Focht; Werde; Vorinstanzliche; Begründung; Wegweisungsvollzug |
Rechtsnorm: | Art. 29 BV ; Art. 35 VwVG ; Art. 44 BV ; Art. 48 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Abteilung IV D-3835/2020
Besetzung Einzelrichterin Jeannine Scherrer-Bänziger,
mit Zustimmung von Richterin Nina Spälti Giannakitsas; Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller Leibundgut.
Parteien A. , geboren am ( ), Afghanistan,
vertreten durch Karin Fischli, Rechtsschutz für Asylsuchende, ( ),
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl (ohne Wegweisungsvollzug);
Verfügung des SEM vom 29. Juni 2020 / N ( ).
Die Beschwerdeführerin reiste am 8. April 2020 zusammen mit ihrer Mutter (B. ) mit einem von den Schweizer Behörden ausgestellten humanitären Visum in die Schweiz ein, stellte gleichentags ein Asylgesuch und wurde in der Folge dem Bundesasylzentrum (BAZ) der Region C. zugewiesen. Am 27. April 2020 fand die Personalienaufnahme (PA) statt, und am 19. Mai 2020 bevollmächtigte die Beschwerdeführerin die ihr zugewiesene Rechtsvertretung. Das SEM hörte die Beschwerdeführerin sodann am 18. Juni 2020 zu den Asylgründen an.
Zur Begründung ihres Asylgesuchs brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie sei ethnische Hazara und in Afghanistan (Provinz Baghlan) geboren worden. Ungefähr im Jahr 2002 sei sie infolge der schlechten Sicherheitslage respektive der Herrschaft der Taliban und der Diskriminierung der Hazara zusammen mit ihrer Familie in den Iran geflüchtet und habe fortan in D. gelebt. Sie habe die Matura gemacht und sei anschliessend - im Jahr 2016 oder 2017 - für einen Monat nach Afghanistan (Kabul) gegangen, um sich einen Reisepass, eine Tazkira und ein Studienvisum für den Iran zu beschaffen. Nach ihrer Rückkehr in den Iran habe sie ein Informatikstudium begonnen. Im Jahr 2017 habe sie einen in Schweden wohnhaften Afghanen namens E. geheiratet. Dessen Familie lebe auch in D. , und seine und ihre Eltern hätten sich schon früher in Afghanistan gekannt. Sie habe seinen Heiratsantrag angenommen, weil sie einen guten Eindruck von ihm gehabt habe. Er sei für die religiöse Trauung in den Iran gekommen und ungefähr eine Woche später wieder nach Schweden zurückgekehrt. Schon kurze Zeit später habe sie feststellen müssen, dass ihr Mann krankhaft eifersüchtig und - wohl aufgrund seiner Schmerzmittelsucht - paranoid sei. Er habe sie per Videotelefonie auf Schritt und Tritt kontrolliert, ihre Aktivitäten auf Social Media überwacht und sie immerzu verdächtigt, unmoralische Kontakte zu anderen Männern zu pflegen. Er habe sie auch nicht mehr studieren lassen wollen. Sie habe unter Schlafmangel und Stress gelitten und das Studium schliesslich unterbrochen, aber ihr Mann habe sich dennoch nicht beruhigt. Er habe ihr erklärt, die Ehre gehe ihm über alles, und ihr verboten, alleine aus dem Haus zu gehen. Ausserdem habe er ihr gedroht, ihr die Kehle durchzuschneiden, falls sie ihm untreu werde. Als er zwecks Regelung des Familiennachzugs nach Iran gekommen sei, hätten sie sich ständig gestritten. Dann habe er angefangen, sie zu beschimpfen und zu schlagen, und
sie schliesslich sogar mit einem Messer bedroht. Anfang Winter 2018, ungefähr einen Monat nach der Rückkehr ihres Mannes nach Schweden, habe sie ihm am Telefon gesagt, sie wolle sich von ihm trennen respektive scheiden lassen. Ihre Familie habe ihr zu diesem Schritt geraten. Ihr Mann habe ihr daraufhin gedroht, er werde dafür sorgen, dass sie mit Säure attackiert werde oder sie und ihre Familie vernichtet würden. Da er ihr unentwegt Drohnachrichten geschickt habe, habe sie seine Nummer schliesslich blockiert. Die Scheidung habe sie bisher nicht durchsetzen können, da sie nicht im Besitz der Heiratskurkunde sei. Im Sommer 2019 habe ihre Familie dann erfahren, dass ihre (seit Dezember 2015) in der Schweiz wohnhafte (inzwischen verstorbene) Schwester (F. ) an Krebs erkrankt sei. Angesichts dessen sowie ihrer eigenen schwierigen Situation habe sich ihre Familie entschieden, in die Schweiz zu gelangen. Im Herbst 2019 seien sie in Richtung Türkei aus dem Iran ausgereist. Sie könne nicht in ihr Heimatland Afghanistan zurückkehren, da dort Krieg herrsche und sie eine Verfolgung durch die Taliban befürchten müsse. Zudem habe sie Angst, dass ihr Mann seine Drohung wahrmachen werde. Er verfüge über Bekannte respektive Verwandte in Afghanistan, welche ihr etwas antun könnten.
Zum Beleg ihrer Vorbringen reichte die Beschwerdeführerin Fotos ihrer Identitätsdokumente (afghanischer Reisepass, iranische Amayesh-Karte), der Amayesh-Karten ihrer Eltern sowie ihrer religiösen Trauung zu den Akten.
Die Beschwerdeführerin nahm mit Eingabe vom 26. Juni 2020 Stellung zum Entscheidentwurf des SEM vom 25. Juni 2020.
Mit Verfügung vom 29. Juni 2020 - gleichentags eröffnet - stellte das SEM fest, die Beschwerdeführerin erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte das Asylgesuch ab und verfügte die Wegweisung aus der Schweiz. Gleichzeitig ordnete es infolge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme an.
Mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 29. Juli 2020 focht die Beschwerdeführerin diesen Entscheid an. Sie beantragte, die vorinstanzliche Verfügung sei hinsichtlich der Dispositivziffern 1-3 (Flüchtlingseigenschaft, Asyl, Wegweisung) aufzuheben, sie sei als Flüchtling anzuerkennen, und es sei ihr Asyl zu gewähren. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersuchte sie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Der Beschwerde lagen eine Kopie der angefochtenen Verfügung, die Empfangsbestätigung des SEM sowie eine Vollmacht bei.
Am 30. Juli 2020 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.
Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Bundesverwaltungsgericht am
30. Juli 2020 in elektronischer Form vor (vgl. Art. 109 Abs. 1 AsylG
[SR 142.31]).
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - und so auch vorliegend - endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des SEM (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31-33 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 108 Abs. 6 AsylG, Art. 10 der Verordnung vom 1. April 2020 über Massnahmen im Asylbereich im Zusammenhang mit dem Coronavirus [COVID-19-Verordnung Asyl, SR 142.318] und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Im Zusammenhang mit dem (eventualiter) gestellten Rückweisungsantrag rügt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe ihre Asylvorbringen - namentlich jene betreffend die drohende Verfolgung durch Verwandte ihres Ehemannes in Afghanistan - «unzureichend geprüft, begründet und gewürdigt» (vgl. S. 9 der Beschwerdebegründung). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das SEM hat sich in der angefochtenen Verfügung ausführlich zu der von der Beschwerdeführerin geäusserten Furcht, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von Verwandten ihres Ehemannes verfolgt zu werden, geäussert und einlässlich begründet, weshalb es dieses Vorbringen als nicht asylrelevant erachtet (vgl. Ziff. II. 3. b der vorinstanzlichen Erwägungen). Der Beschwerdeführerin war es offensichtlich auch ohne weiteres möglich, die vorinstanzliche Verfügung sachgerecht anzufechten. Eine Verletzung der Prüfungsund Begründungspflicht (vgl. Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VwVG; Art. 29 Abs. 2 BV) kann bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden. Seitens der Beschwerdeführerin wird denn auch nicht näher ausgeführt, weshalb respektive inwiefern sie die diesbezüglichen Erwägungen des SEM als unzureichend erachtet. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit den Erwägungen des SEM inhaltlich nicht einverstanden ist, für sich genommen keine Verletzung der Prüfungsund Begründungspflicht darstellt. Die fragliche formelle Rüge ist nach dem Gesagten als unbegründet zu erachten, und der damit einhergehende Kassationsantrag ist abzuweisen.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Anschauungen wegen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Die Flüchtlingseigenschaft muss nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. Sie ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Glaubhaftmachung in verschiedenen Entscheiden dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (vgl. BVGE 2015/3 E. 6.5.1, m.w.H.).
Zur Begründung seiner Verfügung im Asylpunkt führte das SEM im Wesentlichen aus, die von der Beschwerdeführerin beklagten Diskriminierungen im Iran aufgrund ihrer ausländischen Herkunft seien nicht asylrelevant, da sich diese nicht in ihrem Heimatland Afghanistan, sondern in einem Drittstaat ereignet hätten und nicht davon auszugehen sei, dass sie in diesem Zusammenhang auch in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Die Bedrohung durch ihren Ehemann sei ebenfalls nicht geeignet, eine asylbeachtliche Verfolgungssituation zu begründen; denn es bestünden keine konkreten Hinweise dafür, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich mit Verfolgungsmassnahmen im Zusammenhang mit den Drohungen ihres Mannes rechnen müsste. Sodann sei auch die geltend gemachte schlechte Sicherheitslage in Afghanistan nicht asylrelevant; dieser werde aber unter dem Aspekt der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs Rechnung getragen. Schliesslich sei festzustellen, dass die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan keiner Kollektivverfolgung ausgesetzt sei. Insgesamt sei die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin zu verneinen und das Asylgesuch abzulehnen. Die vorgebrachten Einwände in der Stellungnahme zum Entscheidentwurf würden an dieser Einschätzung nichts ändern. Die geltend gemachte Gefährdungssituation in Afghanistan sei rein hypothetischer Natur.
In der Beschwerde wird vorgebracht, es bestünden entgegen der vom SEM vertretenen Auffassung durchaus konkrete Hinweise dafür, dass der
Ehemann der Beschwerdeführerin seine Todesdrohungen in Zukunft wahrmachen werde. Dieser verfüge über eine hohe Gewaltbereitschaft und habe in der Vergangenheit nicht nur psychischen Druck auf sie ausgeübt, sondern auch physische Gewalt angewendet, indem er sie geschlagen und einmal mit einem Messer bedroht habe. Diese Ereignisse hätten stattgefunden, bevor die Beschwerdeführerin ihren Scheidungswillen kundgetan habe; nun müsse sie im Falle einer persönlichen Begegnung mit ihrem Mann wohl mit noch schlimmeren Verfolgungshandlungen rechnen. Der Ehemann habe wiederholt damit gedroht, er werde Bekannte beauftragen, der Beschwerdeführerin und ihrer Familie etwas anzutun. Aus der Tatsache, dass bisher nichts geschehen sei, könne nicht gefolgert werden, dass es auch künftig nicht zu Übergriffen kommen werde. Die Beschwerdeführerin habe letztlich die Telefonnummer ihres Mannes blockiert. Dies habe seine Wut auf sie möglicherweise noch verstärkt. Die Beschwerdeführerin habe demnach begründete Furcht vor zukünftiger Verfolgung im Sinne einer Umsetzung der Todesdrohungen. Eine entsprechende Verfolgung drohe ihr nicht nur im Iran, sondern auch in Afghanistan. Ihre Eltern und diejenigen ihres Ehemannes seien in Afghanistan Nachbarn gewesen. Falls sie dorthin zurückkehren müsste, wäre es für ihren Mann oder seine Verwandten daher sehr einfach, sie ausfindig zu machen. Die Beschwerdeführerin müsste insbesondere mit Verfolgungsakten seitens der Cousins ihres Ehemannes rechnen, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass diese in einer anderen Provinz lebten. Es sei darauf hinzuweisen, dass Ehrenmorde an Frauen in Afghanistan alltäglich seien. Ein solcher würde der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen. Die afghanischen Behörden seien in derartigen Fällen weder schutzwillig noch schutzfähig. Zudem bestehe für die Beschwerdeführerin keine innerstaatliche Schutzalternative. Sie sei daher als Flüchtling anzuerkennen, und es sei ihr Asyl zu gewähren.
Nachfolgend ist zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin verneint und ihr Asylgesuch abgelehnt hat.
Zunächst ist festzustellen, dass Asylsuchende, welche über eine Staatsangehörigkeit verfügen (d.h. nicht staatenlos sind), nur als Flüchtlinge anerkannt werden können, wenn sie in ihrem Heimatstaat verfolgt werden. Verfolgungsmassnahmen, die eine asylsuchende Person ausserhalb des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, erlitten oder
zu befürchten hat, sind dagegen für die Beurteilung ihrer Flüchtlingseigenschaft unwesentlich (vgl. Art. 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 1A Abs. 2 FK; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Neuauflage 2019, Rz. 90; WALTER KÄLIN, Grundriss des Asylverfahrens, S. 34 f.). Die Beschwerdeführerin ist gemäss eigener Aussage afghanische Staatsangehörige. Ihre Asylvorbringen sind demnach ausschliesslich unter dem Blickwinkel einer allfälligen asylrechtlichen Verfolgung in Afghanistan zu prüfen.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr drohe im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung - allenfalls sogar ein Ehrenmord - durch ihren Ehemann respektive von ihm beauftragte Personen. Wie das SEM in der angefochtenen Verfügung indessen zu Recht bemerkt hat, bestehen aufgrund der Aktenlage keine überzeugenden Hinweise dafür, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich mit der Zufügung ernsthafter Nachteile im Zusammenhang mit den Drohungen ihres Mannes rechnen müsste. Die Beschwerdeführerin stammt aus der Provinz Baghlan und hat überdies Verwandte in Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) (vgl. A17 F4 und F33). Zwar haben sich ihren Angaben zufolge ihre und die Eltern ihres Mannes schon in Afghanistan gekannt (vgl. A17 F46) und waren dort Nachbarn (vgl. S. 7 der Beschwerde), jedoch leben die Angehörigen des Ehemannes heute ebenfalls im Iran, mit Ausnahme von zwei in der Provinz Daykundi wohnhaften Cousins (vgl. A17 F105 f.). Obwohl die Beschwerdeführerin ihrem Mann bereits Anfang Winter 2018 mitgeteilt hatte, sie wolle sich scheiden lassen, und von ihm anschliessend telefonisch bedroht wurde, war sie bis zur Ausreise aus dem Iran im Herbst 2019 keiner Verfolgung seitens der ebenfalls in D. wohnhaften Verwandten und Freunde des Ehemannes ausgesetzt. Es erscheint bei dieser Sachlage äusserst unwahrscheinlich, dass ihr im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan ausgerechnet seitens der beiden Cousins des Ehemannes Verfolgungshandlungen drohen könnten, zumal nicht aktenkundig ist, dass der Ehemann überhaupt in Kontakt steht mit den beiden Cousins, und diese überdies nicht in der Herkunftsprovinz der Beschwerdeführerin (Baghlan), sondern in der Provinz Daykundi leben. Der Ehemann seinerseits lebt offenbar seit Jahren in Schweden, und es ist nicht davon auszugehen, dass er selber einzig mit dem Ziel, seine gegenüber der Beschwerdeführerin ausgestossenen Drohungen wahr zu machen, nach Afghanistan reisen würde. Den Vorbringen der Beschwerdeführerin sind demnach keine konkreten und glaubhaften Hinweise dafür zu entnehmen, dass sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort einer mit
den Drohungen ihres Ehemannes in Zusammenhang stehenden Verfolgung ausgesetzt wäre. Das Bestehen einer asylbeachtlichen Verfolgungsfurcht ist daher bereits aus diesem Grund zu verneinen.
Insofern, als die Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Asylgesuchs auf die Diskriminierung von Hazaras, die Verfolgung durch die Taliban sowie die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan verweist, kann auf die zutreffenden Ausführungen in der vorinstanzlichen Verfügung verwiesen werden, welche in der Beschwerde unwidersprochen bleiben.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die geltend gemachten Asylgründe nicht geeignet sind, eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG beziehungsweise eine entsprechende Verfolgungsfurcht nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Die Vorinstanz hat demnach zu Recht die Flüchtlingseigenschaft verneint und das Asylgesuch der Beschwerdeführerin abgelehnt.
Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).
Die Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Das SEM hat in seiner Verfügung vom 29. Juni 2020 infolge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführerin in der Schweiz angeordnet (vgl. Art. 83 Abs. 1 und 4 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländerund Integrationsgesetz [AIG, SR 142.20]). Praxisgemäss erübrigen sich damit weitere Ausführungen zur Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Mit dem vorliegenden Urteil ist das Beschwerdeverfahren abgeschlossen. Der Antrag, es sei auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten, ist damit gegenstandslos geworden.
Die Beschwerde ist in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen als aussichtslos zu erachten. Das in der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung (Art. 65 Abs. 1 VwVG) ist daher ungeachtet der geltend gemachten prozessualen Bedürftigkeit abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dessen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Jeannine Scherrer-Bänziger Anna Dürmüller Leibundgut
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.