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Bundesverwaltungsgericht Urteil C-1828/2020

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:C-1828/2020
Datum:04.05.2020
Leitsatz/Stichwort:Krankheits- und Unfallbekämpfung
Schlagwörter : Bundes; Verordnung; Beschwerde; Bundesrat; Recht; Bundesverwaltungsgericht; Massnahmen; -Verordnung; Verfügung; Schwerdeführer; Epidemien; Coronavirus; Allgemeinverfügung; Bekämpfung; Beschwerdeführer; Bundesrates; Partei; Sicherheit; Richter; Unzulässig; Verordnungen; Parteien; Urteil; Schweiz; Allgemeinverfügungen; äusseren; Entscheid; Individuell
Rechtsnorm: Art. 164 BV ; Art. 185 BV ; Art. 48 BGG ; Art. 57 VwVG ;
Referenz BGE:134 II 272; 139 V 143; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung III C-1828/2020

U r t e i l  v o m  4.  M a i  2 0 2 0

Besetzung Richter Daniel Stufetti (Vorsitz),

Richter Beat Weber, Richterin Viktoria Helfenstein, Gerichtsschreiberin Mirjam Angehrn.

Parteien A. ,

Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerischer Bundesrat, Bundeshaus West, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Epidemiengesetz, Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) in der Fassung vom 27. März 2020.

Sachverhalt:

A.

Am 16. März 2020 hat der Schweizerische Bundesrat gestützt auf Art. 7 des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG, SR 818.101) die Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19; vorliegend anwendbar in ihrer Fassung gemäss Änderung vom 27. März 2020, AS 2020 1101 [in Änderung der COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März

2020]; in Kraft seit 28. März 2020, 0:00 Uhr; nachfolgend: COVID-19-Ver-

ordnung 2) erlassen.

B.

Mit Eingabe vom 31. März 2020 erhob A.

(nachfolgend: Be-

schwerdeführer) gegen die COVID-19-Verordnung 2 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde mit dem Antrag, die ausserordentliche Lage gemäss Art. 7 EpG sei für beendet zu erklären, eventualiter seien die vom Bundesrat getroffenen Massnahmen aufzuheben. Er brachte im Wesentlichen vor, der Erlass der COVID-19-Verordnung 2 begründe einen erheblichen, ungerechtfertigten und unverhältnismässigen Eingriff in seine verfassungsmässig geschützten Grundrechte (BVGer-act. 1).

C.

Auf die weiteren Vorbringen und das eingereichte Beweismittel wird, soweit für die Entscheidfindung erforderlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG (SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG (SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich gemäss Art. 37 VGG nach den Vorschriften des VwVG, wobei abweichende Vorschriften des VGG vorbehalten bleiben. Das Bundesverwaltungsgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.

    2. Der Beschwerdeführer rügt, er sei durch den Erlass der COVID-19-Verordnung 2 in der Ausübung seiner Grundrechte erheblich und ungerechtfertigt eingeschränkt. Die beschlossenen Massnahmen seien nicht zumutbar, verhältnismässig und zweckmässig.

2.

2.1 Gesetzliche Grundlage der COVID-19-Verordnung 2 bildet Art. 7 EpG, gemäss welchem der Bundesrat für das ganze Land oder für einzelne Landesteile die notwendigen Massnahmen anordnen kann, wenn eine ausserordentliche Lage dies erfordert. Diese Bestimmung ist deklaratorischer Natur. Sie wiederholt - auf Gesetzesstufe - die verfassungsmässige Kompetenz des Bundesrats, in ausserordentlichen Situationen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz Polizeinotverordnungsrecht zu erlassen (vgl. Art. 185 Abs. 3 BV; Botschaft des Bundesrates zur Revision des Epidemiengesetzes vom 3. Dezember 2010, BBl 2010 1563).

2.2. Die COVID-19-Verordnung 2 hat gemäss Art. 1 zum Zweck, Massnahmen gegenüber der Bevölkerung, Organisationen und Institutionen sowie den Kantonen anzuordnen zur Verminderung des Übertragungsrisikos und zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19).

Das neue Coronavirus wird hauptsächlich bei engem und längerem Kontakt übertragen. Die Massnahmen der COVID-19-Verordnung 2 dienen der Eindämmung und Abschwächung des Ausbruchs der Krankheit COVID-19. Damit können die Häufigkeit und Übertragungen reduziert, Übertragungsketten unterbrochen und lokale Ausbrüche verhindert bzw. eingedämmt werden. Die Regelungen dienen auch dem Schutz besonders gefährdeter Personen (vgl. www.bag.admin.ch > Krankheiten > Infektionskrankheiten: Ausbrüche, Epidemien, Pandemien > Aktuelle Ausbrüche und Epidemien

> neues Coronavirus > Massnahmen, Verordnungen und Erläuterungen > Erläuterungen zur Verordnung 2 über die Bekämpfung des Coronavirus, Fassung vom 22. April 2020 [Stand 27. April 2020] S. 1, besucht am

29. April 2020).

    1. Der Bundesrat kann gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV Verordnungen und Verfügungen erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen. Zur äusseren Sicherheit gehört auch der Schutz vor Epidemien (vgl. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 23. Juni 2010, BBl 2010 5133ff., 5146 ff.) und folglich auch der Schutz vor Pandemien.

      Bei den Notverordnungen gemäss Art. 185 Abs. 3 BV handelt es sich um selbstständige Verordnungen. Diese können ein formelles Gesetz ersetzen und dürfen wichtige rechtssetzende Bestimmungen im Sinne von Art. 164 Abs. 1 BV enthalten sowie Grundlage für schwere Grundrechtseinschränkungen sein (vgl. DAVID RECHSTEINER, Recht in besonderen und ausserordentlichen Lagen, unter besonderer Berücksichtigung des Rechts bei Katastrophen, Diss. Universität St. Gallen 2015, S. 172).

      Verordnungen des Bundesrates als generell-abstrakte Rechtsnormen des Bundes können von den Rechtsanwendungsbehörden nicht im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle überprüft werden (vgl. Urteil des BVGer C-1624/2020 vom 25. März 2020 S. 3 m.H.; Urteil des BGer 2C_280/2020 vom 15. April 2020 E. 2.). Als Massnahmen im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit (z.B. Pandemien) sind sie grundsätzlich auch einer akzessorischen Normenkontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht nicht zugänglich. Ausgenommen sind (vorliegend nicht interessierende) Fälle, in welchen das Völkerrecht einen Überprüfungsanspruch einräumt (vgl. DAVID RECHSTEINER, Polizeiliche Generalsklausel und Notverordnungsrecht des Bundesrates, in: Sicherheit & Recht 3/2016, S. 151 und 154).

    2. Der Beschwerdeführer beschränkt sich auf allgemeine Rügen betreffend die Bestimmungen der COVID-19-Verodnung 2 und bezeichnet keinen konkreten Anwendungsfall, in welchem er mittels einer ergangenen Verfügung direkt betroffen wäre. Die Beschwerdeerhebung ist daher offensichtlich unzulässig. Ebenso unzulässig sind die Anträge auf Erklärung der Beendigung der ausserordentlichen Lage gemäss Art. 7 EpG und auf Aufhebung der Verordnungsbestimmungen.

    3. Es fragt sich jedoch, inwieweit einzelne Verordnungsbestimmungen ausnahmsweise individuellen Charakter haben und deshalb als sogenannte Allgemeinverfügung (selbständig) angefochten werden könnten.

      Als Allgemeinverfügungen gelten Anordnungen, die nicht individuell-konkret, sondern generell-konkret sind, d.h. zwar einen spezifischen Sachverhalt regeln, aber eine unbestimmte Zahl von Adressaten betreffen (BGE 134 II 272 E. 3.2; 126 II 300 E. 1a; 125 I 313 E. 2a; Urteil des BGer

      2C_585/2009 vom 31. März 2010 E. 2.2). Die Allgemeinverfügung ist demzufolge eine Rechtsform zwischen Rechtssatz und Verfügung. Wie die Verfügung regelt sie einen konkreten Fall, jedoch richtet sie sich im Unterschied zu dieser an einen grösseren, individuell nicht bestimmten Adressatenkreis, wobei dieser offen (unbestimmt) oder geschlossen (bestimmbar) sein kann (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 935). Allgemeinverfügungen werden in Bezug auf ihre Anfechtbarkeit aber nur dann wie Verfügungen behandelt, wenn sie ohne konkretisierende Anordnung einer Behörde angewendet und vollzogen werden können (BGE 139 V 143 E. 1.2; 139 V 72 E. 3.1.1; 134 II 272 E. 3.2; C-2251/2015 E. 4.4 m.w.H.).

      Im vorliegenden Fall erübrigt sich darauf näher einzugehen, zumal gegen solche Allgemeinverfügungen des Bundesrates eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ohnehin unzulässig wäre (Art. 33 VGG e contrario; vgl. HEINZ AEMISEGGER, in: Praxiskommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2013, Art. 86 BGG Rz. 10; WALTER HALLER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Rz. 61; MARKUS LANTER, in: AJP 2009, S. 1525; ALEXANDER MISIC, Zürcher

      Studien zum öffentlichen Recht, 2011, Rz. 249).

    4. Nachdem sich die Beschwerde als offensichtlich unzulässig erweist, ist darauf, unter Verzicht auf die Einholung einer Vernehmlassung bei der Vorinstanz (Art. 57 Abs. 1 VwVG e contrario) nicht einzutreten.

3.

    1. Trotz Unterliegens des Beschwerdeführers sind in Anwendung von Art. 6 Bst. a des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) keine Verfahrenskosten zu erheben.

    2. Der obsiegende Bundesrat als Bundesbehörde hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 und 3 VGKE). Ihm ist somit keine Parteientschädigung zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)

  • den Bundesrat (Gerichtsurkunde; Beilage: Doppel der Beschwerdeschrift vom 31. März 2020)

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Stufetti Mirjam Angehrn

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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