Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung II |
Dossiernummer: | B-4371/2019 |
Datum: | 04.08.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Ergänzende Schutzzertifikate für Arzneimittel |
Schlagwörter : | Wirkstoff; Zulassung; Beschwerde; Carnitin; Erythritol; Arzneimittel; L-Carnitin; Vorinstanz; Beschwerdeführerin; Stoff; Medizinische; Erzeugnis; Patent; Stoffe; Griff; Recht; Wirkstoffe; Wirkstoffzusammensetzung; Carboxymethylcellulose; Rechtlich; Organismus; Hilfsstoff; Carboxymethylcellulose-Natrium; Grundpatent; Erteilt; CMC-Natrium; Zusammensetzung; Arzneimittels; Schutz |
Rechtsnorm: | Art. 48 BGG ; Art. 48 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | 131 V 429; 144 III 285; 145 III 451; ; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Abteilung II B-4371/2019
Besetzung Richter David Aschmann (Vorsitz),
Richter Martin Kayser, Richter Pietro Angeli-Busi, Gerichtsschreiberin Agnieszka Taberska.
Parteien Allergan Inc.,
A Delaware Corporation, 2525 Dupont Drive, US-CA 92612 Irvine,
vertreten durch E. Blum & Co. AG Patentund Markenanwälte VSP, Vorderberg 11, 8044 Zürich, Beschwerdeführerin,
gegen
Stauffacherstrasse 65/59g, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Carboxymethylcellulose-Natrium, Erythritol, L-Carnitin: Ergänzendes Schutzzertifikat.
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des Europäischen Patents Nr. 2'422'765 für ophthalmische Zusammensetzungen und Verfahren zur Behandlung der Augen (nachfolgend: Grundpatent) mit Anmeldedatum vom 14. November 2005, dem am 29. April 2015 Schutz mit Wirkung für die Schweiz erteilt wurde.
Am 20. Dezember 2011 erteilte die Zulassungsbehörde für Arzneimittel Swissmedic der Beschwerdeführerin die Genehmigung für das Inverkehrbringen der Augentropfen "Optava Unit Dose" und "Optava" in der Schweiz (Zulassungs-Nr. 62363 und 62359). Beide Präparate enthalten den Wirkstoff Carboxymethylcellulose-Natrium (nachfolgend auch CMC-Natrium) sowie Erythritol und L-Carnitin, die in der Fachinformation als Hilfsstoffe aufgeführt sind.
Gestützt auf ihr Grundpatent und Zulassung Nr. 62363 für "Optava Unit Dose" ersuchte die Beschwerdeführerin das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (nachfolgend: Vorinstanz) mit Antrag vom 19. Oktober 2015 um Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats (ESZ) für das Erzeugnis "Carboxymethylcellulose-Natrium + Erythritol + L-Carnitin". Eventualiter beantragte sie die Erteilung eines ESZ für CarboxymethylcelluloseNatrium, sollte sich die Vorinstanz gestützt auf ihre Prüfungsrichtlinien auf den Standpunkt stellen, nur dieser Wirkstoff sei in der Zulassungsbescheinigung genannt.
Erläuternd führte sie aus, beim Erzeugnis, für welches ein ESZ beantragt werde, handle es sich um eine Kombination aus drei Wirkstoffen. Zwar seien die Komponenten L-Carnitin und Erythritol von der Zulassungsbehörde zu Genehmigungszwecken als Hilfsstoffe klassifiziert worden. Es handle sich aber um Wirkstoffe im patentrechtlichen Sinn mit einer im Grundpatent beschriebenen medizinischen Wirkung auf den Organismus.
Die Vorinstanz beanstandete mit Schreiben vom 11. Dezember 2018, die Bezeichnung des Erzeugnisses dürfe nur die Bezeichnung des Wirkstoffs bzw. der Wirkstoffzusammensetzung gemäss der behördlichen Zulassungsbescheinigung umfassen. Da die Zulassung Nr. 62363 "Optava Unit
Dose" die Wirkstoffbezeichnung "Carboxymethylcellulose-Natrium" enthalte, der Schutzgegenstand eines ESZ zudem nur auf die zugelassenen patentierten Wirkstoffe begrenzt sei, würde ein ESZ auch nur für diesen Wirkstoff erteilt.
In ihrer Stellungnahme vom 11. März 2019 berief sich die Beschwerdeführerin auf die Definition des Wirkstoffbegriffs gemäss dem in der Zwischenzeit, per 1. Januar 2019, in Kraft gesetzten Art. 140a Abs. 1bis PatG. Nach dieser Bestimmung, die direkt auf ihr ESZ-Gesuch anwendbar sei, müsse ein Wirkstoff zur Zusammensetzung eines Arzneimittels gehören, chemischen oder biologischen Ursprungs sein und eine medizinische Wirkung auf den Organismus haben. Neben CMC-Natrium erfüllten auch Erythritol und L-Carnitin diese drei Voraussetzungen. Die medizinische Wirkung dieser beiden Komponenten, die darin bestehe, die Überlebensfähigkeit von Hornhautzellen zu verbessern, sei im Grundpatent beschrieben. Folglich sei ein ESZ für die Wirkstoffzusammensetzung "CMC-Natrium + Erythritol
+ L-Carnitin" zu erteilen.
Am 28. Juni 2019 erteilte die Vorinstanz der Beschwerdeführerin das ESZ Nr. C2422765/01 für das Erzeugnis Carboxymethylcellulose-Natrium mit beginnender Laufzeit am 14. November 2025.
Mit Beschwerde vom 29. August 2019 gelangte die Beschwerdeführerin an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte, die angefochtene Verfügung der Vorinstanz vom 27. Juni 2019 sei aufzuheben und das ergänzende Schutzzertifikat auf die Wirkstoffkombination "Carboxymethylcellulose-Natrium + Erythritol + L-Carnitin" zu erteilen, unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Vorinstanz.
Zur Begründung brachte sie vor, zu Unrecht habe die Vorinstanz das ESZ auf den alleinigen Wirkstoff CMC-Natrium erteilt. Die Zulassung der Swissmedic für "Optava Unit Dose" betreffe ein Kombinationspräparat aus CMCNatrium, Erythritol und L-Carnitin. Bei der im Grundpatent beanspruchten Erfindung handle es sich um eine Zusammensetzung aus den drei Stoffen, die alle die Kriterien der Wirkstoffdefinition gemäss Art. 140a Abs. 1bis PatG erfüllten, und damit um eine Wirkstoffzusammensetzung: Sie gehörten zur Zusammensetzung des Arzneimittels, seien chemischen oder biologischen Ursprungs und hätten eine medizinische Wirkung auf den Organismus, die
im Grundpatent beschrieben sei. Die Klassifizierung der Komponenten Erythritol und L-Carnitin durch die Swissmedic als Hilfsstoffe sei lediglich mit Bezug auf das Genehmigungsverfahren erfolgt. Das Patentgesetz kenne keine Unterscheidung zwischen Wirkund Hilfsstoffen. Stattdessen enthalte es eine Legaldefinition des Wirkstoffbegriffs. Diese sei vorliegend allein einschlägig und habe Vorrang gegenüber den Prüfungsrichtlinien der Vorinstanz, auf die sich diese bei Erteilung des ESZ gestützt habe.
Mit Stellungnahme vom 8. November 2019 beantragte die Vorinstanz die kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Sie stellt sich auf den Standpunkt, mit Art. 140a Abs. 1bis PatG sei keine neue Definition des Wirkstoffbegriffs eingeführt, sondern lediglich der Erzeugnisbegriff in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH präzisiert worden. Damit bestehe kein Anlass, vom Begriff des Erzeugnisses in den Prüfungsrichtlinien der Vorinstanz abzuweichen. Zurecht sei das ESZ nur für den in der Zulassung Nr. 62363 genannten Wirkstoff "Carboxymethylcellulose-Natrium" erteilt worden und nicht für "Carboxymethylcellulose-Natrium + Erythritol + L-Carnitin", wie von der Beschwerdeführerin beantragt. Die Vorinstanz hinterfrage die Qualifizierung von Stoffen als Wirkoder Hilfsstoff durch die Swissmedic nicht. Da Hilfsstoffe nicht unter den Wirkstoffbegriff fielen und sich die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht auf Erythritol und L-Carnitin erstrecke, könne für jene auch kein ESZ erteilt werden.
Die Beschwerdeführerin präzisierte mit Replik vom 11. Dezember 2019, dass sie - obwohl die Vorinstanz die Abweisung des Hauptantrags nicht begründet habe - auf eine formale Anfechtung der Verfügung wegen Verletzung der Begründungspflicht verzichte. Sie hielt an ihren Anträgen fest und führte ergänzend aus, die Passage in den Prüfungsrichtlinien, auf die sich die Vorinstanz berufen habe, beziehe sich nur auf die zulässige Bezeichnung, also den Namen eines Wirkstoffs. Hätte es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, dass nur als Wirkstoff gelten soll, was die Zulassung als Wirkstoff definiere, wäre dies im PatG entsprechend formuliert worden. Solange der Wirkstoffbegriff im Arzneimittelund Heilmittelrecht nicht übereinstimmend definiert werde, sei für die Erteilung eines ESZ allein die patentrechtliche Definition massgebend.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2020 verzichtete die Vorinstanz unter Verweis auf ihre Begründung in der angefochtenen Verfügung vom 28. Juni 2019 und der Vernehmlassung vom 8. November 2019 auf eine Duplik.
Die Parteien verzichteten stillschweigend auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung.
Auf weitere Vorbringen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist und eine Vorinstanz im Sinne von Art. 33 VGG entschieden hat (Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32]). Die Vorinstanz zählt zu den Behörden nach Art. 33 Bst. e VGG, eine Ausnahme nach Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zur Beurteilung der vorliegenden Sache zuständig.
Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Durch die angefochtene Verfügung, mit welcher die Vorinstanz - in Abweisung ihres Hauptantrags - ein ESZ für den alleinigen Wirkstoff Caboxymethylcellulose-Natrium erteilte, ist die Beschwerdeführerin besonders berührt und beschwert (Art. 48 Abs. 1 VwVG; vgl. Urteil des BGer I 122/01 vom 5. März 2002 E. 1). Da die Beschwerde im Übrigen fristund formgerecht erhoben (Art. 22a Abs. 1, Art. 50 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1 VwVG) und der Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet wurde (Art. 63 Abs. 4 VwVG), ist auf die Beschwerde einzutreten.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Zulassung für "Optava Unit Dose" betreffe ein Präparat mit drei Wirkstoffen, deren Kombination im Grundpatent - insbesondere in Anspruch 1 - beschrieben sei. Indem die Vorinstanz das ESZ für den alleinigen Wirkstoff CMC-Natrium und nicht, wie beantragt, für die Wirkstoffzusammensetzung "CMC-Natrium + Erythritol + L-Carnitin" erteilt habe, habe sie Art. 140a Abs. 1bis PatG falsch angewandt und damit Bundesrecht verletzt. Diese Bestimmung, die nach Anhängigmachen ihres ESZ-Gesuchs per 1. Januar 2019 in Kraft getreten sei, habe eine neue Definition des Wirkstoffbegriffs eingeführt, die nicht nur von CMC-Natrium, sondern auch von Erythritol und L-Carnitin erfüllt werde: Alle drei Stoffe (1) gehörten zur Zusammensetzung des Arzneimittels,
(2) seien chemischen oder biologischen Ursprungs und (3) hätten eine medizinische Wirkung auf den Organismus. Sie bildeten damit eine Wirkstoffzusammensetzung im patentrechtlichen Sinn.
Die Wirkstoffeigenschaft von L-Carnitin und Erythritol bzw. deren medizinische Wirkung auf den Körper sei in wissenschaftlichen Artikeln belegt und im Grundpatent in Abs. [0039] respektive [0028] sowie Abs. [0005] und [0046] bis [0049] wie folgt beschrieben: L-Carnitin und Erythritol wirkten in ihrer Eigenschaft als "Compatible Solutes" in einer hyperosmotischen Umgebung osmoprotektiv, indem sie nach Aufnahme in die Zellen der Hornhaut dazu beitrügen, das Zellvolumen konstant zu halten, ohne gleichzeitig das Elektrolytgleichgewicht zu verändern. Somit handle es sich um Wirkstoffe, denn die verbesserte Überlebensfähigkeit von Hornhautzellen stelle eine medizinische Wirkung auf den Organismus i.S.v. Art. 140a Abs. 1bis PatG dar. Abs. [0051] des Patents halte fest, die Kombination aus Hypertonizität und einem oder mehreren "Compatible Solutes" diene sowohl der Stimulierung bzw. Aufrechterhaltung der Aufnahme dieser protektiven Substanzen in die Zellen der Hornhautoberfläche als auch der Gewährleistung des Nachschubs dieser Substanzen. Die Verwendung von L-Carnitin und Erythritol als osmoprotektive Wirkstoffe bilde gemäss Grundpatent die mechanistische Grundlage für die darin offenbarte Erfindung.
Die Klassifizierung der Stoffe Erythritol und L-Carnitin als Hilfsstoffe durch die Zulassungsbehörde Swissmedic sei lediglich mit Bezug auf das Genehmigungsverfahren und unter Anwendung arzneimittelrechtlicher Vorschriften erfolgt. Art. 4 HMG definiere zwar den Begriff "Arzneimittel", enthalte aber keine Legaldefinition eines Wirkstoffs. Das PatG unterscheide demgegenüber nicht zwischen Wirkstoffen und Hilfsstoffen, definiere aber
stattdessen den Begriff "Wirkstoff". Das Arzneimittelrecht, auf dessen Grundlage eine Zulassung erteilt werde, wende nicht notwendigerweise dieselbe Wirkstoffdefinition an wie das PatG. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass nur als Wirkstoff gelten soll, was die arzneimittelrechtliche Zulassung als solchen definiere, hätte er dies anstelle der Wirkstoffdefinition von Art. 140a Abs. 1bis PatG entsprechend im PatG aufgenommen. Solange weder eine übereinstimmende Definition in beiden Gesetzen die Grundlage für die arzneimittelrechtliche Zulassung und die patentrechtliche Beurteilung bilde noch das PatG die Wirkstoffdefinition entsprechend der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorschreibe, sei allein die patentrechtliche Wirkstoffdefinition für die Erteilung eines ESZ massgebend. Damit sei jeder Stoff, der die Kriterien von Art. 140a Abs. 1bis PatG erfülle, ein Wirkstoff, unabhängig von der Klassifizierung gemäss HMG.
Art. 140a Abs. 1bis PatG habe zudem Vorrang gegenüber den Richtlinien der Vorinstanz, die höchstens der Präzisierung, nicht aber der Änderung des Gesetzes dienten. Kap. 13.1, auf welches sich die Vorinstanz bei Erteilung des ESZ gestützt habe, beziehe sich ohnehin nur auf die zulässige Bezeichnung bzw. den Namen eines Wirkstoffs.
Die Vorinstanz hält dagegen, die Erteilung des ESZ für den alleinigen Wirkstoff CMC-Natrium sei in Übereinstimmung mit ihren Richtlinien für die Sachprüfung der nationalen Patentanmeldungen erfolgt. Mit Art. 140a Abs. 1bis PatG sei weder eine neue Definition des Wirkstoffbegriffs eingeführt noch die bestehende erweitert, sondern lediglich der Erzeugnisbegriff in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH präzisiert worden. Darum bestehe kein Anlass, von der in den Richtlinien der Vorinstanz festgehaltenen Praxis in Bezug auf den Erzeugnisbegriff abzuweichen.
Der Name des Erzeugnisses auf der Zulassung Nr. 62363 vom 20. Dezember 2011, die dem strittigen ESZ zugrunde liege, laute "Carboxymethylcellulose-Natrium". Gemäss Art. 140d Abs. 1 PatG sei der Schutzgegenstand des ESZ auf die arzneimittelrechtliche Zulassung beschränkt. Zurecht habe die Vorinstanz der Beschwerdeführerin das ESZ für "Carboxymethylcellulose-Natrium" erteilt und nicht für "Carboxymethylcellulose-Natrium + Erythritol + L-Carnitin", wie von dieser beantragt. Erythritol und L-Carnitin seien von der Zulassungsbehörde Swissmedic als Hilfsstoffe qualifiziert worden. Das Erfordernis der medizinischen Wirkung auf den Organismus in Art. 140a Abs. 1bis PatG schliesse Hilfs-, Trägerund Konservierungsstoffe vom Erzeugnisbegriff aus. Es sei nicht Aufgabe der Vorinstanz, die
Qualifizierung von Stoffen als Wirkoder Hilfsstoff durch die Zulassungsbehörde Swissmedic in deren Zulassungsentscheiden zu hinterfragen oder gar abweichend zu beurteilen. Da Hilfsstoffe vom Wirkstoffbegriff gemäss Art. 140a Abs. 1bis PatG ausgenommen seien, die nach Art. 140b Abs. 2 Bst. b PatG erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung zudem nur für den Wirkstoff Carboxymethylcellulose-Natrium, nicht aber für die Hilfsstoffe Erythritol und L-Carnitin erteilt worden sei, könne für jene auch kein ESZ gewährt werden.
Die zeitliche Anwendbarkeit einer Bestimmung richtet sich mangels einer intertemporalen Regelung im Gesetz nach den allgemeinen übergangsrechtlichen Grundsätzen (Urteil des BVGer A-6052/2007 vom 9. Juni 2008 E. 4.2.1; BGE 131 V 429 E. 5.2).
Im vorliegenden Verfahren steht namentlich die Auslegung von Art. 140a Abs. 1bis PatG zur Beurteilung. Die Bestimmung trat am 1. Januar 2019 in Kraft, nachdem die Beschwerdeführerin am 19. Oktober 2015 das ESZ-Gesuch gestellt hatte. Nach dem allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsatz von Art. 4 SchlT ZGB unterstehen Tatsachen, die zwar unter der Herrschaft des bisherigen Rechts eingetreten sind, durch die jedoch ein rechtlich geschützter Anspruch zur Zeit des Inkrafttretens des neuen Rechts nicht begründet war, dem neuen Recht (vgl. BGE 144 III 285 E. 3.3 "Tenofovir"). Zurecht hat die Vorinstanz die Gesetzesänderung berücksichtigt und das hängige Gesuch nach neuem Recht geprüft.
Mit dem ergänzenden Schutzzertifikat (Zertifikat; ESZ) soll die Wartezeit vom Anmeldetag des Patents für einen pharmazeutischen Wirkstoff bis zu dessen Marktzulassung als Arzneimittel ausgeglichen werden, da das Patent während des zeitund kostenintensiven Zulassungsverfahrens nicht kommerziell genutzt werden kann (Botschaft zu einer Änderung des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente vom 18. August 1993 [Botschaft PatG], BBl 1993 III 710; CHRISTOPH GASSER, Das ergänzende Schutzzertifikat, in: von Büren/David [Hrsg.], SIWR IV, Patentrecht und Know-how, 2006, S. 683). Das ESZ ist aber keine blosse Verlängerung der Patentlaufzeit, sondern ein eigenständiges Schutzrecht, obwohl es nur im Rahmen eines gültigen Patents Bestand hat und seine Laufzeit an das Ende des Patentschutzes anschliesst (Art. 140e Abs. 1 PatG; Botschaft
PatG, BBl 1993 III 711; BGE 144 III 285 E. 2.1.1 "Tenofovir"; GASSER,
a.a.O., S. 691; BVGE 2010/48 E. 2.1 "Etanercept"). Es basiert einerseits auf dem Patent, andererseits auf der Marktzulassung für ein das Erzeugnis enthaltende Arzneimittel und ist insofern ein hybrides Instrument (Art. 140b PatG; VALÉRIE JUNOD, in: de Werra/Gilliéron [Hrsg.], Propriété intellectuelle, Commentaire romand, 2013, Art. 140a LBI N 3).
Im Gegensatz zum Patent schützt das ESZ nicht eine technische Lehre, sondern die in einem Arzneimittel enthaltenen Wirkstoffe oder Wirkstoffzusammensetzungen, d.h. ein "Erzeugnis" (Art. 140a Abs. 2 PatG; BGE 144 III 285 E. 2.1.1 "Tenofovir"). Für die Erteilung des ESZ wird vorausgesetzt, dass zum Zeitpunkt des Gesuchs das Erzeugnis, ein Verfahren zu seiner Herstellung oder eine Verwendung durch ein Patent geschützt ist. Dabei muss der sog. Offenbarungstheorie folgend das Erzeugnis in den Patentansprüchen ausdrücklich genannt werden oder diese müssen sich spezifisch auf das Erzeugnis beziehen (BGE 144 III 285 E. 2.2.6 "Tenofovir"). Zudem muss ein Arzneimittel mit dem Erzeugnis nach Art. 9 HMG in der Schweiz zugelassen sein. Das ESZ wird aufgrund der ersten Zulassung erteilt (Art. 140b PatG). Das ESZ schützt nicht alle durch das Patent erfassten Erzeugnisse, sondern nur die vor Ablauf des Zertifikats genehmigten Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel im sachlichen Geltungsbereich des Patents (Art. 140d PatG). Sein Schutzumfang ist dadurch i.d.R. enger als derjenige des Patents und wird zusätzlich durch die arzneimittelrechtliche Zulassung eingeschränkt (BGE 145 III 451
E. 4.3.3 "Tenofovir"; GASSER, a.a.O., S. 708 f.; MATTHIAS STEINLIN, Patent-
schutz für Arzneimittel, Diss. Bern 2020, S. 124; JUNOD, a.a.O., Art. 140d N 9; KILIAN SCHÄRLI/PETER THOMSEN, in: Schweizer/Zech [Hrsg.], Patentgesetz, 2019, Art. 140d N 10 ff.).
Das ESZ ist ein Rechtstitel sui generis an der Schnittstelle zwischen Patentund Zulassungsrecht. Es weist Eigenschaften beider Rechtsgebiete auf. Über den Begriff des Erzeugnisses wird seine Beziehung zwischen der arzneimittelrechtlichen Zulassung einerseits und dem Grundpatent andererseits hergestellt (SCHÄRLI/THOMSEN, a.a.O., Art. 140a N. 1, N 12; CHRISTOPHER BRÜCKNER, in: BRÜCKNER et. al. [Hrsg.], Ergänzende Schutzzertifikate mit pädiatrischer Laufzeitverlängerung, Kommentar zur Verordnung (EG) Nr. 469/2009, 3. Aufl. 2020, Art. 1 N 12). Die Auslegung der Begriffe "Erzeugnis" und "Wirkstoff" führt aufgrund der Positionierung des ESZ zwischen zwei Rechtsbereichen und seines hybriden Charakters unweigerlich zu Herausforderungen, da HMG und PatG keine übereinstimmenden Begriffsdefinitionen verwenden (vgl. BRÜCKNER, a.a.O., Art. 1
N 13). Verstärkt wird diese Problematik dadurch, dass Heilmittelund Patentrecht sich als Rechtsgebiete grundlegend voneinander unterscheiden und andere Ziele verfolgen. Das Patentrecht dient dem Schutz von Innovationen, während das Heilmittelrecht eine sichere Gesundheitsversorgung sicherstellen soll (Art. 1 HMG; Art. 1 Abs. 1 PatG; vgl. BRÜCKNER, a.a.O., Einleitung N. 2; KILIAN SCHÄRLI, Das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel, Diss. 2013, S. 17). In Anbetracht der engen Verknüpfung mit dem arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren, die im Verweis auf Art. 9 HMG in Art. 140b PatG verdeutlicht wird, bietet es sich an, bei der Auslegung des Erzeugnisbegriffs heilmittelrechtliche Definitionen zu berücksichtigen (vgl. Urteil des BPatGer O2017_023 vom 3. Mai 2019 E. 26 und 31 "Tenofovir", im Ergebnis bestätigt durch BGE 145 III 451; BRÜCKNER, a.a.O., Art. 1 N. 49).
Das ESZ ist ein aus dem Recht der Europäischen Union übernommenes Institut. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Auslegung der schweizerischen Gesetzesnormen, die im Rahmen des autonomen Nachvollzugs des europäischen Rechts erlassen worden sind, die Auslegung der entsprechenden europäischen Normen zu berücksichtigen, wobei insbesondere die Praxis des EuGH beachtlich ist (BGE 144 III 285 E. 2.2.3 "Tenofovir"; 145 III 451 E. 4.3.2 "Tenofovir II").
Erzeugnisse i.S.v. Art. 140a Abs. 3 PatG können nur Wirkstoffe oder Wirkstoffzusammensetzungen sein, die der Definition in Art. 140a Abs. 1bis PatG entsprechen:
Ein Wirkstoff ist ein zur Zusammensetzung eines Arzneimittels gehörender Stoff chemischen oder biologischen Ursprungs, der eine medizinische Wirkung auf den Organismus hat. Eine Wirkstoffzusammensetzung ist eine Kombination aus mehreren Stoffen, die alle eine medizinische Wirkung auf den Organismus haben.
Art. 140a Abs. 1bis PatG wurde per 1. Januar 2019 mit der Revision des Heilmittelgesetzes (HMG; SR 812.21) eingefügt. Gesetzgeberisches Ziel war, "für den Bereich der Arzneimittel die Begriffe des Wirkstoffs beziehungsweise der Wirkstoffzusammensetzung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Rs. C-431/04, Massachusetts Institute of Technology) zu präzisieren. Demnach sind Stoffe, die zur Zusammensetzung eines Arzneimittels gehören, aber keine medizinische Wirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus haben, im Begriff «Wirkstoff» nicht eingeschlossen. Der Begriff der «Wirkstoffzusammensetzung» eines Arzneimittels umfasst demzufolge auch keine Kombination aus zwei Stoffen, von denen nur einer eine medizinische Wirkung auf den Organismus hat" (Botschaft vom 7. November 2012 zur Änderung des Heilmittelgesetzes, BBl 2013 I 115).
Im Urteil C-431/04 vom 4. Mai 2006 "Massachusetts Institute of Technology" hatte der EuGH darüber zu befinden, ob die patentgeschützte Kombination des polymeren Trägerstoffs Polifeprosan mit dem bereits früher zugelassenen Wirkstoff Carmustin als Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels und somit als "Erzeugnis" zu betrachten war. Die Einbettung in den Trägerstoff Polifeprosan ermöglichte eine kontrollierte Freigabe und dadurch verbesserte Wirksamkeit von Carmustin bei der Behandlung von Hirntumoren. Der EuGH verneinte das Vorliegen einer Wirkstoffzusammensetzung, da der Trägerstoff Polifeprosan, obwohl er für die wirksame Verabreichung von Carmustin eine essentielle Rolle spiele, kein Wirkstoff sei. Mangels Definition des Wirkstoffbegriffs in der Verordnung Nr. 1768/92 griff der EuGH auf die Begriffsbestimmung in der Pharmakologie zurück (Rz. 18) und befand, ein Stoff, der zur Zusammensetzung eines Arzneimittels gehöre ohne eine eigene arzneiliche Wirkung zu haben sei kein Wirkstoff. Dies gelte selbst dann, wenn dieser Stoff notwendig sei um die arzneiliche Wirksamkeit des eigentlichen Wirkstoffs zu ermöglichen. Wirkstoffe müssten nämlich oft notwendigerweise mit anderen Stoffen wie inerten Trägern verbunden werden um arzneilich wirksam zu sein. Die Kombination eines Wirkstoffs mit einem Trägerstoff sei folglich keine Wirkstoffzusammensetzung, die als Erzeugnis zu betrachten wäre (Rz. 25-28).
Der EuGH bestätigte diesen Grundsatz in seiner jüngeren Rechtsprechung. Er entschied mit Bezug auf einen patentgeschützten Impfstoff, die Verbindung eines Antigens mit einem Adjuvans - welches die arzneiliche Wirkung des Antigens verstärkt ohne eine eigene solche Wirkung zu haben
sei keine Wirkstoffzusammensetzung (Urteil C-210/13 vom 14. November 2013 "Glaxosmithkline Biologicals", Rz. 35, 40). Mit Bezug auf ein in einem Impfstoff verwendetes, kovalent an einen Antikörper gebundenes Trägerprotein präzisierte der EuGH, "Wirkstoffe" seien Stoffe mit einer eigenen pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung, die von den Anwendungsgebieten der Zulassung erfasst sein muss (Urteil C-631/13 vom 15. Januar 2015 " Forsgren", Rz. 25, 39, 53). Mit Bezug auf einen Transportstoff hielt der EuGH fest, mangels eigener arzneilicher Wirkungen könne ein solcher Stoff nicht als Wirkstoff betrachtet werden - selbst wenn er es dem Wirkstoff, mit dem er verbunden sei, erst
ermögliche, seine arzneiliche Wirkung zu entfalten; die Verbindung aus Wirkstoff und Transportstoff stelle keine Wirkstoffzusammensetzung dar (Urteil C-443/17 vom 21. März 2019 "Abraxis Bioscience", Rz. 30). Im Bereich der Pflanzenschutzmittel befand der EuGH, ein ESZ könne für einen Safener erteilt werden, dessen Funktion in der Verhinderung schädlicher Nebenwirkungen von unkrautbekämpfenden Wirkstoffen besteht; dies, sofern dem Safener eine eigene toxische, phytotoxische oder pflanzenschützende Wirkung zukomme, die von der Zulassung für das Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel erfasst werde (Urteil C-11/13 vom 19. Juni 2014 "Bayer Cropscience" Rz. 33-35, Rz. 40).
In seiner Rechtsprechung legt der EuGH den Begriff "Erzeugnis" eng aus. Unter den Begriff fallen keine Stoffe, die nicht der Definition eines Wirkstoffs oder einer Wirkstoffzusammensetzung entsprechen (Urteil C-210/13 vom 14. November 2013 "Glaxosmithkline Biologicals", Rz. 44; C-443/17
vom 21. März 2019 "Abraxis Bioscience", Rz. 42).
Aus Materialien und Rechtsprechung des EuGH folgt, dass Wirkstoffe
i.S.v. Art. 140a Abs. 1bis PatG nur Stoffe mit einer eigenen medizinischen Wirkung auf den Organismus sein können. Bei Wirkstoffkombinationen müssen alle Stoffe eine medizinische Wirkung auf den Organismus haben. Die Kombination eines (bereits früher zugelassenen) Wirkstoffs mit Stoffen, die für die Formulierung oder sichere Verabreichung eines Arzneimittels notwendig oder sogar unabdingbar sind, ist keine Wirkstoffkombination (SCHÄRLI/THOMSEN, a.a.O., Art. 140a N 9, N 26; JUNOD, a.a.O., Art. 140a
N 7 ff.; PETER HEINRICH, PatG/EPÜ, Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 140a
N. 8; BRÜCKNER, a.a.O., Art. 1 N 126 ff.). Das Erfordernis einer medizinischen Wirkung schliesst also reine Hilfs-, Trägeroder Konservierungsstoffe vom Erzeugnisbegriff aus (SCHÄRLI/THOMSEN, a.a.O., Art. 140a N. 9,
N. 23; JUNOD, a.a.O., Art. 140a N 8).
Art. 140a Abs. 1bis PatG definiert nicht im positiven Sinn, worin eine medizinische Wirkung auf den Organismus beruht. Dieser Begriff wird durch Verbindung mit dem Begriff "Arzneimittel" in Art. 140a Abs. 1 und Abs. 1bis sowie Art. 140b Abs. 1 Bst. b PatG in den Kontext des Heilmittelrechts gerückt, weshalb es sich rechtfertigt, den Begriff durch Heranziehen des HMG auszulegen (vgl. E. 4.3 vorstehend).
Art. 4 Abs. 1 Bst. a HMG enthält durch exemplarische Aufzählung eine indirekte Definition der medizinischen Wirkung. Die Bestimmung definiert "Arzneimittel" als
Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder angepriesen werden, insbesondere zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen ( ).
Unter medizinischer Einwirkung wird die Wechselwirkung des Arzneimittels mit dem Organismus in Form einer pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung verstanden. Bei einer pharmakologischen Wirkung findet die Wechselwirkung zwischen den Molekülen einer Wirksubstanz und einem zellulären Bestandteil des Organismus statt. Bei einer immunologischen Wirkung werden Zellen, die an einer spezifischen Immunantwort beteiligt sind, im Körper stabilisiert oder mobilisiert. Eine metabolische Wirkung schliesslich verändert chemische Prozesse, die Teil der normalen Körperfunktionen sind (URSULA EGGENBERGER STÖCKLI, in: Eichenberger/Jaisli/Richli [Hrsg.], Heilmittelgesetz, Basler Kommentar, 2006, Art. 4 N 8).
Die medizinische Einwirkung auf den Menschen oder das Tier bildet den Verwendungszweck für Arzneimittel, wobei die drei wesentlichen medizinischen Anwendungsbereiche - Erkennung, Verhütung und Behandlung (einschliesslich Heilung und Linderung) von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen - beispielhaft aufgeführt werden (Botschaft vom
März 1999 zu einem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte, BBl 1999 III 3488; CHRISTOPH SCHMIDT, Die Zulassung von Arzneimitteln nach dem Heilmittelgesetz, Diss. 2008, S. 52 ff.). Mit dem Arzneimittel soll also ein therapeutischer, präventiver oder diagnostischer Effekt erzielt werden (JUNOD, a.a.O., Art. 140a N 18; eingehend EGGENBERGER STÖCKLI, a.a.O., Art. 4 N 13 ff.).
Medizinischer Anwendungsbereich und medizinische Einwirkung präzisieren und begrenzen den Arzneimittelbegriff. So sind etwa In-vitro-Diagnostika zwar geeignet, Krankheiten zu erkennen, doch gelten sie nicht als Arzneimittel, da ihnen die pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung fehlt (EGGENBERGER STÖCKLI, a.a.O., Art. 4 N 14; JUNOD, a.a.O., Art. 140a N 18). Entsprechend genügt es zur Auslegung von Art. 140a Abs.1bis PatG nicht, einzig auf die medizinische Wirkung abzustellen, da der Arzneimittelbegriff auch von seinem Anwendungsbereich geprägt wird.
Das Gesuch um Erteilung eines ESZ vom 19. Oktober 2015 stützt sich auf die Zulassungen der Swissmedic Nr. 62359 für "Optava" und Nr. 62363 "Optava Unit Dose" vom 20. Dezember 2011 (Beschwerdebeilage 2). Gemäss Fachinformation handelt es sich um Augentropfenlösungen zur Behandlung der Symptome des trockenen Auges mit folgender Zusammensetzung:
Wirkstoff: Carboxymethylcellulose-Natrium in der Dosierung 5 mg/ml
Hilfsstoffe: Erythritolum und Levocarnitium neben weiteren Komponenten wie Glycerolum, Kalii chloridum etc.
Zum Wirkungsmechanismus führt die Fachinformation aus:
Optava Unit Dose enthält ein Gemisch aus mittelund hochviskösem Carboxymethylcellulose-Natrium. Augentropfen mit hoher Viskosität weisen, im Vergleich zu normaler Tränenflüssigkeit, eine längere präcorneale Verweildauer auf. Carboxymethylcellulose-Natrium ist ein ionisches Polymer ohne pharmakologische Wirkung. Es wirkt als Gleitschicht im Auge, wodurch die Symptome des trockenen Auges gelindert werden. ( ) Glycerol, Levocarnitin und Erythritol werden zur Herstellung einer isotonischen Lösung eingesetzt.
Zur Pharmakokinetik führt die Fachinformation aus:
Optava Unit Dose hat eine mechanische Wirkung im Auge und wird nicht absorbiert. Wegen seines hohen Molekulargewichts ( ) ist nicht mit einer Aufnahme von Carboxymethylcellulose-Natrium durch die Kornea zu rechnen.
Die Beschwerdeführerin ist zudem Inhaberin der älteren, noch vor der Patentanmeldung erteilten Zulassung für das Präparat "Celluvisc" vom
Oktober 2002 mit dem Wirkstoff CMC-Natrium in höherer Dosierung (10 mg/ml), mit anderen Hilfsstoffen versetzt, ohne Erythritol und L-Carnitin. Es handelt sich auch hierbei um Augentropfen, die zur symptomatischen Behandlung des trockenen Auges bestimmt sind. Zum Wirkungsmechanismus äussert sich die Fachinformation wie folgt:
Celluvisc Unit Dose sind künstliche Tränen. Sie verfügen über keine pharmakologische Wirkung, sondern über physiko-chemische Eigenschaften. Natriumcarboxymethylcellulose erhöht die Viskosität und damit die Verweildauer von Celluvisc Unit Dose am Auge.
CMC-Natrium war folglich bei Anmeldung des Grundpatents schon als Wirkstoff zur Behandlung der Symptome des trockenen Auges bekannt und zugelassen (vgl. Grundpatent, Abs. [0003], [0012]). Die Beschwerdeführerin erklärt, mit dem Grundpatent sei durch Bereitstellen einer ophthalmischen, neben CMC-Natrium die Komponenten Erythritol und L-Carnitin enthaltenden Zusammensetzung eine auf dem bekannten Wirkstoff basierende, weitere Erfindung gemacht worden. Aus diesem Grund gelte die Zulassung vom 20. Dezember 2011 als erste Zulassung eines Arzneimittels mit dem Erzeugnis i.S.v. Art. 140b Abs. 2 PatG.
Nach der Rechtsprechung kann die wirkungsvollere Dosierung eines bereits zugelassenen Wirkstoffs u.U. zu einem neuen Erzeugnis führen (Urteil des BGer 4A.7/1998 vom 17. November 1998, in: sic! 1999 S. 154 E. 3 "Arzneimittel"; RKGE vom 30. April 1999, in: sic! 1999 S. 450 E. 4a "Ciclosporin"). Die Vorinstanz hat weder in Frage gestellt, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrem ESZ-Gesuch auf die erste Zulassung des Erzeugnisses gestützt hat, noch dass die gestützt auf Art. 13 HMG erfolgten vereinfachten Zulassungen von "Optava" und "Optava Unit Dose" mit der in Art. 140b Abs. 1 Bst. b PatG geforderten Zulassung nach Art. 9 HMG gleichgestellt werden können (vgl. hierzu JUNOD, a.a.O., Art. 140b N 31; SCHÄRLI/THOMSEN, a.a.O., Art. 140b N 32). Ob die Zulassungen Nr. 62359 und Nr. 62363 vom 20. Dezember 2011 die Anforderungen von Art. 140b PatG erfüllen, bildet darum nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Die Gültigkeit des Grundpatents steht im ESZ-Erteilungsverfahren ebenfalls nicht zur Beurteilung (Urteil des BGer 4A.7/1998 E. 3 "Arzneimittel"; GASSER, a.a.O., S. 702; vgl. Art. 140k Abs. 1 Bst. c PatG).
Folgt man Lehre und Rechtsprechung zum Begriff der Wirkstoffzusammensetzung (E. 5.2 f. vorstehend), wäre den strittigen Stoffen L-Carnitin und Erythritol gestützt auf die Zulassungen der Swissmedic die Wirkstoffeigenschaft abzusprechen, sind doch beide in der Fachinformation als Hilfsstoffe qualifiziert (E. 6.1). Die Beschwerdeführerin macht indessen geltend, die Klassifizierung durch die Swissmedic sei für die Vorinstanz nicht verbindlich. Einschlägig sei allein, ob beide Stoffe eine medizinische Wirkung auf den Organismus i.S.v. Art. 140a Abs. 1bis PatG haben, was vorliegend zutreffe und im Grundpatent beschrieben sei.
Im Urteil C-631/13 "Forsgren" (E. 5.2) äusserte sich der EuGH nicht ausdrücklich zu der von der Europäischen Kommission aufgeworfenen Frage, ob das Patentamt sich bei der Prüfung, ob ein Stoff ein Wirkstoff sei,
auf die arzneiliche Zulassung stützen müsse oder abweichend von der Zulassung einen Hilfsstoff als Wirkstoff klassifizieren könne. Er konsultierte jedoch die Zulassung des Arzneimittels, um als Zwischenergebenis festzuhalten, dass das strittige Protein D dort weder als Hilfsstoff noch als Adjuvans aufgeführt war, dessen Wirkstoffeigenschaft also nicht bereits aus diesem Grund verneint werden könne (Rz. 31, 42 f.). Eine Abweichung von der Klassifizierung von Stoffen in den von der Swissmedic nach erfolgter Prüfung ausgestellten Zulassungen erscheint nicht leichthin angebracht und ist von der Beschwerdeführerin, die sich darauf beruft, entsprechend zu belegen.
Es wurde bereits dargelegt, dass der Begriff der "medizinischen Wirkung" in Art. 140a Abs. 1bis PatG nicht losgelöst von demjenigen des "Arzneimittels", vom dem er abhängt, ausgelegt werden kann (E. 4.3, 5.4 vorstehend). Eine rein patentrechtliche Auslegung, wie sie die Beschwerdeführerin fordert, wird der angemessenen Würdigung des ESZ als Rechtstitel sui generis mit Eigenschaften zweier Rechtsgebiete nicht gerecht.
Das zugelassene Präparat betrifft eine Lösung zur Behandlung trockener Augen, verfolgt damit einen medizinischen Anwendungsbereich und ist ein Arzneimittel. Mit grosszügiger Auslegung der "medizinischen Einwirkung" kann dem pharmakologisch inerten und rein mechanisch wirkenden (E. 6.1) CMC-Natrium eine Wirkstoffeigenschaft zuerkannt werden. Wie nachfolgend gezeigt wird, ist es der Beschwerdeführerin jedoch nicht gelungen, eine eigenständige medizinische Wirkung von Erythritol und Carnitin zu belegen. Die Frage, ob die Vorinstanz ausnahmsweise abweichend von der Klassifizierung durch die Swissmedic einen Hilfsstoff als Wirkstoff behandeln, sich also auf Quellen ausserhalb der Zulassung stützen kann, braucht deshalb nicht abschliessend beantwortet zu werden.
Erythritol gehört chemisch zu den Zuckeralkoholen und wird in der Lebensmittelindustrie als Süssungsmittel bzw. Zuckerersatz verwendet (https://www.pharmaexcipients.com/organic-chemicals/erythritol-as-sweetener /, abgerufen am 24.6.2020).
L-Carnitin, auch Levocarnitin, ist eine körpereigene Substanz, die hauptsächlich in Muskelzellen - namentlich im Herzmuskel - vorkommt und eine wichtige Rolle bei der Energiegewinnung aus Fettsäuren spielt. L-Carnitin
wird vor allem als Nahrungsergänzungsmittel verwendet (www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Carnitin; www.onmeda.de/Wirkstoffe/Levoca r- nitin/wirkung-medikament-10.html, abgerufen am 24.6.2020).
Das Grundpatent EP 2'422'765 beansprucht "ophthalmische Zusammensetzungen und Verfahren zur Behandlung der Augen".
Anspruch 1 lautet "ophthalmische Zusammensetzung, umfassend: eine wässrige Trägerkomponente; eine Tonizitätskomponente, die Erythritol und Carnitin umfasst; und eine polyanionische Komponente, die Carboxymethylcellulose umfasst; worin die Osmolalität der Zusammensetzung im supra-tonischen Bereich (d.h. grösser als isotonisch; Abs. [0027]) von 300 bis 1.000 mOsmols/kg ist."
Carboxymethylcellulose umfasst auch dessen Alkalimetall-Salze und damit auch Carboxymethylcellulose-Natrium (Abs. [0074]), Carnitin umfasst auch dessen Stereoismere und damit Levocarnitin bzw. L-Carnitin (Abs. [0039]). Erythritol wird in Anspruch 1 wörtlich aufgeführt. Wie die Beschwerdeführerin richtig vorbringt, wird die Zusammensetzung aus CMC-Natrium, Erythritol und L-Carnitin im Grundpatent ausdrücklich beansprucht. Dieser Umstand allein reicht aber nicht aus, um das Vorliegen einer Wirkstoffzusammensetzung zu bejahen.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ergibt sich die Wirkstoffeigenschaft von Erythritol und L-Carnitin aus den Abs. [0005], [0028], [0039], [0046] bis [0049] und [0051], die nachfolgend mitsamt der offerierten Übersetzung von Abs. [0046] und [0047] wiedergegeben werden:
[0005] The cells of many life forms can compensate for hypertonic conditions through the natural accumulation or manufacture of so-called "compatible solutes", that work like electrolytes to balance osmotic pressure yet do not interfere with cellular metabolism like electrolytes. Compatible solutes or compatible solute agents ( ) can be held within ( ) an ocular cell, are of relatively small molecular weight and are otherwise compatible with cell metabolism. Compatible solutes are also considered to be osmoprotectants since they may allow cell metabolism and/or enhance cell survival under hypertonic conditions that would otherwise be restricting.
[0046] On the cellular level, dry eye disease is usually characterized by a chronically hypertonic extracellular (tear film) environment. Published reports of the tonicity of the tear film of dry eye patients gives a range of 300 to 500 mOsmols/kg, with most values between 320 and 400 mOsmols/kg. Under these conditions, cells will tend to lose water and/or gain salts, and may undergo cell volume changes. Hypertonicity has been shown to alter cellular metabolic processes, reduce the functioning of enzymatic processes, and lead to apoptosis and cell death.
[0046] Auf zellulärer Ebene ist die Erkrankung des trockenen Auges normalerweise durch eine chronisch hypertonische extrazelluläre Umgebung (Tränenfilm) gekennzeichnet. Berichte über die Tonizität des Tränenfilms bei Patienten mit trockenem Auge ergeben einen Bereich von 300 bis 500 mOsmol/kg, wobei die meisten Werte zwischen 320 und 400 mOsmol/kg liegen. Unter diesen Bedingungen neigen Zellen dazu, Wasser zu verlieren und/oder Salze hinzuzugewinnen, und sie können Änderungen des Zellvolumens erfahren. Es wurde gezeigt, dass Hypertonizität zelluläre Stoffwechselprozesse verändert, das Funktionieren enzymatischer Prozesse beeinträchtigt und zu Apoptose und Zelltod führt.
[0047] As a defense against hypertonic challenge, corneal cells have been demonstrated to up-regulate transport mechanisms for non-ionic solutes such as amino acids and polyols, and accumulate these solutes intracellularly in order to maintain cell volume without changing electrolyte balance. Under these conditions, cellular metabolism is less affected than with volume and electrolyte changes, and such compounds are referred to as compatible solutes. Compatible solutes include but are not limited to ( ) the polyols ( ) erythritol ( ). Compatible solutes are also considered to be osmoprotectants since they may allow cell metabolism or enhance cell survival under hypertonic conditions that would otherwise be restricting.
[0047] Als Schutz gegen hypertonische Belastungen wurde gezeigt, dass Hornhautzellen die Transportmechanismen für nichtionische gelöste Stoffe wie Aminosäuren und Polyole hochregulieren und diese gelösten Stoffe intrazellulär akkumulieren, um das Zellvolumen aufrechtzuerhalten ohne das Elektrolytgleichgewicht zu verändern. Unter diesen Bedingungen wird der Zellstoffwechsel weniger beeinflusst als bei Volumenund Elektrolytänderungen, und solche Verbindungen werden als kompatible gelöste Stoffe bezeichnet. Kompatible gelöste Stoffe gelten auch als Osmoprotektiva, da sie unter hypertonischen Bedingungen, die ansonsten beschränkend wirken würden, den Zellstoffwechsel ermöglichen oder das Überleben der Zellen fördern können.
[0049] In dry eye disease, corneal surface cells are exposed to a hypertonic environment, and are stimulated to accumulate osmoprotectant substances as they are available. The addition of an isoor hypo-tonic artificial tear to the ocular surface provides relief from symptoms due to enhanced lubrication, but tends to down-regulate mechanisms in these cells for accumulation of osmoprotectants. This may result in further vulnerability to osmotic insult in the minutes to hours following drop use as the tear film returns to its hypertonic dry eye state.
[0051] The present invention ( ) formul[ates] an artificial tear at supra-tonic levels more compatible with the existing hypertonic state of the dry eye ocular surface. In addition to being formulated in the supra-tonic range (300 or 310 to 600 or 1000 mOsmols/kg total tonicity), the present compositions contain one
or more organic compatible solute agents as described herein. The combination of supra-tonicity and inclusion of one or more compatible solutes in the present compositions serve to both stimulate or maintain uptake of these protective substances into the corneal surface cells, and to provide abundant supplies of these materials or substances.
Die zitierten Passagen beschreiben die Vorteile einer aus mehreren Komponenten - "Compatible solutes", wozu auch L-Carnitin und Erythritol zählen - bestehenden Lösung zur Anwendung auf der Augenoberfläche unter hypertonischen Bedingungen gegenüber bereits bekannten Anwendungen mit wasserhaltigen, hypotonischen Lösungen, deren lindernder Effekt deutlich kürzer anhält (Abs. [0011]). Die beanspruchte Lösung zeichnet sich dadurch aus, dass sie aus verschiedenen Agenten besteht, die sich durch ihre molekulare Grösse, Geschwindigkeit und chemische Eigenschaften voneinander unterscheiden (Abs. [0035]). Mit den beschriebenen Eigenschaften wird ein länger andauernder Effekt pro Dosierungseinheit erzielt (Abs. [0055]).
Es ist glaubhaft, dass das Kombinationspräparat die von der Beschwerdeführerin hervorgehobene Eigenschaft besitzt, das Zellvolumen konstant zu halten ohne das Elektrolytgleichgewicht zu verändern, wodurch die Überlebensfähigkeit der Hornhautzellen verbessert wird; doch entfalten sich die Vorteile von L-Carnitin und Erythritol erst im Zusammenspiel mit anderen Komponenten, namentlich dem als Wirkstoff zugelassenen CMC-Natrium, das an dieser Wirkung entscheidenden Anteil nimmt. Dass die beiden Stoffe je für sich genommen eine eigenständige medizinische Wirkung auf den Organismus hätten, beschreibt das Grundpatent hingegen nicht.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Wirkstoffeigenschaften von L- Carnitin und Erythritol seien in der Wissenschaft anerkannt. Sie verweist auf folgenden Auszug der Publikation "Effects of L-carnitine, Erythritol and Betaine on Pro-inflammatory Markers in Primary Human Corneal Epithelial Cells Exposed to Hyperosmotic Stress" von Xia Hua et. al. vom 1. Juli 2016 (Beschwerdebeilage 5):
L-carnitine, erythritol and betaine function as osmoprotectants to suppress inflammatory responses via TRPV1 pathway in HCECs exposed to hyperosmotic stress. Osmoprotectants may have efficacy in reducing innate inflammation in dry eye disease.
In der Übersetzung durch die Beschwerdeführerin:
L-Carnitin, Erythritol und Betain wirken als 'Osmoprotektantien' zur Unterdrückung entzündlicher Reaktionen über den TRPV1-Pfad in HCECs, die einem
hyperosmotischen Stress ausgesetzt sind. 'Osmoprotektantien' können wirksam sein in der Verminderung angeborener Entzündungen bei Erkrankungen des trockenen Auges.
Dieser Aufsatz, der in Form eines "authors manuscript" ins Recht gelegt wurde, hält mit der Formulierung "may have" eine mögliche Eignung von L-Carnitin und Erythritol fest, Entzündungen bei trockenen Augen zu lindern. Auch hier fehlt der Beleg einer eindeutigen medizinischen Einwirkung auf den Organismus für jeden einzelnen Stoff an sich.
Anhand der eingereichten Unterlagen hat die Beschwerdeführerin nicht belegt, dass L-Carnitin und Erythritol für sich genommen eine medizinische Wirkung (E. 5.4) ausüben und somit, in Abweichung von der Klassifizierung durch die Swissmedic, als Wirkstoffe i.S.v. Art. 140a Abs. 1bis PatG zu betrachten wären. Vielmehr geht aus den eingereichten Unterlagen hervor, dass die Beimischung von L-Carnitin und Erythritol den bereits bekannten Effekt von CMC-Natrium begünstigt und verlängert. Dieser Effekt genügt jedoch nicht, um allen drei Stoffen eine Wirkstoffeigenschaft zuzuerkennen und insgesamt auf das Vorliegen einer Wirkstoffzusammensetzung zu schliessen. Namentlich hat die Beschwerdeführerin nicht belegt, dass sie in den Zulassungsverfahren klinische Versuche oder Daten über die therapeutischen oder metabolischen Wirkungen der Stoffe L-Carnitin und Erythritol eingereicht hätte oder die Zulassung dieser Stoffe durch die Arzneimittelbehörde, gleich wie bei einem Wirkstoff, eine zeitliche Verzögerung zur Folge gehabt hat, die sie an der wirtschaftlichen Verwertung ihres Patents hinderte und somit aus teleologischer Perspektive die Erteilung eines ESZ gerechtfertigt hätte. Aus der Fachinformation lässt sich einzig herauslesen, dass L-Carnitin und Erythritol für eine isotonische Mischung verwendet werden (E. 6.1).
Der nach Anhängigmachen des ESZ-Gesuchs durch die Beschwerdeführerin in Kraft getretene Art. 140a Abs. 1bis PatG hat den Wirkstoffbegriff zwar präzisiert und an die Rechtsprechung des EuGH angepasst. Doch hat die Bestimmung keine grundlegend neue Wirkstoffdefinition eingeführt. Mangels Definition des Wirkstoffbegriffs im PatG behalf man sich vorher mit dem Verweis auf die Arzneimittelgesetzgebung, deren Begriffsdefinition im Wesentlichen mit der neu eingeführten übereinstimmt (vgl. JUNOD, a.a.O., Art. 140a N 6 f., mit Verweis auf Art. 2 der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung [AMBV; SR 812.212.1]). Art. 140a Abs. 1bis PatG führt somit nicht zu einer rückwirkend abweichenden Klassifizierung von L-Carnitin und Erythritol.
Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin führt die Bestimmung auch nicht zur Ungültigkeit von Ziff. 13.1 der Richtlinien der Vorinstanz für die Sachprüfung der nationalen Patentanmeldungen, die wie folgt lautet:
Damit keine Unklarheiten betreffend das Erzeugnis bestehen, muss die Bezeichnung auf dem Zertifikatsantrag eindeutig sein. Sie darf nur die Bezeichnung des Wirkstoffs (bzw. der Wirkstoffzusammensetzung) gemäss der behördlichen Zulassungsbescheinigung umfassen. Nicht angenommen werden andere Bezeichnungen und Markennamen, da letztere für eine pharmazeutische Spezialität und nicht für den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung stehen. Analog ebenfalls nicht zulässig sind Bezeichnungen des Arzneimittels wie "Nasale Verabreichungsform des Wirkstoffs A".
Diese Ausführungen zu der Bezeichnung des Wirkstoffs entsprechen vielmehr den Vorgaben von Art. 127c Abs. 1 Bst. f der Patentverordnung (PatV; SR 232.141) und erweisen sich damit als gesetzeskonform (vgl. JUNOD, a.a.O., Art. 140a N 10; SCHÄRLI/THOMSEN, a.a.O., Art. 140a N.13). Die
Vorinstanz hat Art. 140a Abs. 1bis PatG nicht verletzt, indem sie sich auf
ihre Richtlinien gestützt hat.
Zurecht hat die Vorinstanz im Ergebnis das Vorliegen einer Wirkstoffzusammensetzung verneint und kein ESZ für das Erzeugnis "Carboxymethylcellulose-Natrium + Erythritol + L-Carnitin" erteilt. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Gerichtsgebühr ist nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien zu bestimmen (Art. 63 Abs. 4bis VwVG; Art. 2 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, VGKE, SR 173.320.2). In Anwendung dieser Kriterien werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf Fr. 3'000.- festgelegt. Sie werden dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe entnommen.
Der Vorinstanz ist als Bundesbehörde keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 7 Abs. 3 VGKE).
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe entnommen.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. 2422765; Gerichtsurkunde)
das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement EJPD
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
David Aschmann Agnieszka Taberska
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die folgende Seite verwiesen.
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Zivilsachen geführt werden (Art. 72 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
Versand: 7. August 2020
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