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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-6139/2019

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-6139/2019
Datum:18.08.2020
Leitsatz/Stichwort:Zölle
Schlagwörter : Beschwerde; Frist; Bewilligung; Verfahren; Beschwerdeführerin; Veredelung; Abrechnung; Ausfuhr; Einfuhr; Aktiven; Auflage; Festgesetzt; Ausfuhrfrist; Verfahrens; Festgesetzte; Vorinstanz; Auflagen; Verfügung; Gesuch; Abrechnungsfrist; Festgesetzten; Bundesverwaltungsgericht; Urteil; Angefochten; Ordnungsgemäss; Recht; Recht; Fällig; Abrechnungsantrag; Festgehalten
Rechtsnorm: Art. 116 ZG ; Art. 12 ZG ; Art. 21 ZG ; Art. 26 ZG ; Art. 47 ZG ; Art. 48 BGG ; Art. 48 VwVG ; Art. 49 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 53 MWSTG ; Art. 59 ZG ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:135 IV 217; 143 II 646; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-6139/2019

U r t e i l v o m 1 8 . A u g u s t 2 0 2 0

Besetzung Richter Daniel Riedo (Vorsitz),

Richter Raphaël Gani, Richter Jürg Steiger, Gerichtsschreiberin Susanne Raas.

Parteien X. AG, …,

Beschwerdeführerin,

gegen

Oberzolldirektion (OZD), Hauptabteilung Verfahren und Betrieb, Monbijoustrasse 40, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Zoll; aktiver Veredelungsverkehr (Fristen).

Sachverhalt:

A.

    1. Die X.

      AG importiert unter anderem «[das Produkt

      A. _]» aus der EU in die Schweiz, verarbeitet [es] hier und exportiert [es] dann wieder nach Deutschland. Am 11. Juli 2016 stellte sie bei der Eidgenössischen Zollverwaltung, Oberzolldirektion (OZD, nachfolgend auch: Vorinstanz), einen Antrag auf Bewilligung des Verfahrens der aktiven Lohn-Veredelung im Nichterhebungsverfahren. Als Frist für die Ausfuhr der Veredelungserzeugnisse gab die X. AG 2 Monate ab Einfuhr an. Die OZD bewilligte den Antrag am 13. Juli 2016, wobei sie eine Ausfuhrfrist von 3 Monaten seit der betreffenden Einfuhr und eine Abrechnungsfrist von 60 Tagen nach Ablauf der Ausfuhrfrist festlegte. Unter anderem wurde festgehalten: «Wird eine dieser Fristen versäumt, werden die Abgaben zuzüglich Verzugszinsen fällig». Die Bewilligung war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wobei festgehalten wurde, dass es sich bei der Bewilligung um eine Verfügung handle.

    2. In der Folge erneuerte die OZD die Bewilligung – unter einer neuen Nummer – jeweils auf Antrag der X. AG. Am 30. Mai 2018 erteilte sie die Bewilligung Nr. ***1 mit Geltungsdauer für Einfuhren bis zum 31. Juli 2019. Betreffend den Inhalt wird im Übrigen auf das zuvor Festgehaltene verwiesen (Bst. A.a).

    3. Gestützt auf diese Bewilligung tätigte die X. AG folgende Einund Ausfuhren (Angaben gemäss Veranlagungsverfügungen):

Veranlagungsverfügung

Datum Einfuhr

Ausfuhrfrist

[…]

13.09.2018

13.12.2018

[diverse]

[…]

[…]

[…]

11.12.2018

11.03.2019

B.

Am 4. Juli 2019 (recte wohl: 4. Juni 2019; Eingang bei der OZD am 11. Juni 2019) reichte die X. AG einen Abrechnungsantrag für die Einund Ausfuhren zwischen dem 20. Oktober 2018 und dem 18. Dezember 2018 ein.

C.

Mit Verfügung vom 10. Oktober 2019 erhob die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) bei der X. AG Fr. 11'723.70 an Einfuhrabgaben. Sie begründete dies damit, dass die X. AG gemäss der Bewilligung Nr. ***1 «[das Produkt A. _]» im Nichterhebungsverfahren einführen dürfe. Für die Wiederausfuhr des eingeführten Rohstoffes sei eine Frist von 3 Monaten eingeräumt worden. Die Abrechnung über diesen Veredelungsverkehr sei spätestens 60 Tage nach Ablauf dieser Frist bei der überwachenden Stelle einzureichen. Es seien mehrere, in der Verfügung genannte Abrechnungsfristen verfallen. Die bei der Einfuhr bedingt nicht erhobenen Abgaben würden somit definitiv fällig.

D.

    1. Am 1. November 2019 stellte die X. AG diese Verfügung betreffend bei der EZV ein Wiedererwägungsgesuch. Hier hielt sie nun fest, dass die Einfuhren im Zeitraum vom 13. September 2018 bis zum 11. Dezember 2018 stattgefunden hätten (wie hier in Bst. A.c festgehalten).

    2. Die EZV bestätigte am 6. November 2019 den Eingang des Wiedererwägungsgesuchs und machte die X. AG darauf aufmerksam, dass das Wiedererwägungsgesuch die noch laufende Beschwerdefrist nicht hemme.

    3. Am 5. Dezember 2019 trat die EZV nicht auf das Wiedererwägungsgesuch ein.

E.

Währenddessen hatte die X. AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) die Verfügung der EZV vom 10. Oktober 2019 am 20. November 2019 mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten. Sie beantragt sinngemäss, die angefochtene Verfügung unter Kostenfolge zulasten der Vorinstanz aufzuheben. Zur Begründung bringt sie sinngemäss vor, die Wiederausfuhren hätten nachweislich rechtzeitig, im Zeitraum vom 13. Dezember 2018 bis 11. März 2019, stattgefunden. Die Abrechnungen seien jedoch nach den jeweiligen Abrechnungsfristen – (unter Berücksichtigung des Friststillstands) 27. Februar 2019 bis 27. Mai 2019 –, nämlich am

11. Juni 2019 bei der EZV eingetroffen. Die Auslegung von Art. 59 Abs. 4 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 (ZG, SR 631.0) lasse einen anderen Schluss zu als jenen, den die Vorinstanz ziehe. Die Beschwerdeführerin zitiert Art. 59 Abs. 4 ZG, wonach die Einfuhrzollabgaben fällig würden,

wenn das Verfahren der aktiven Veredelung nicht ordnungsgemäss abgeschlossen werde. Dies gelte – immer gemäss Art. 59 Abs. 4 ZG – nicht, wenn die veredelten Waren innerhalb der festgesetzten Frist nachweislich ausgeführt worden seien. Das entsprechende Gesuch sei dann innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der festgesetzten Frist zu stellen. Diese Bestimmung spreche von «festgesetzten» Fristen, ohne diese namentlich zu erwähnen. Die Waren seien innerhalb der festgesetzten Frist wieder ausgeführt worden. Das entsprechende Gesuch müsse nun 60 Tage nach Ablauf der festgesetzten Frist erfolgen, wobei in diesem Fall, da im Zollgesetz nicht genauer definiert, von der Abrechnungsfrist, welche ebenfalls eine festgesetzte Frist sei, auszugehen sei. Mit dem verspäteten Einreichen der Abrechnung anfangs Juli (gemäss EZV recte: Juni) 2019 sei diese Frist eingehalten worden. Es würde nämlich jeder Logik widersprechen, wenn der Gesetzgeber eine Frist zur Nacheinreichung zuliesse, obwohl diese, in diesem Fall die Abrechnungsfrist, gar nicht verwirkt sei. Vielmehr habe der Gesetzgeber damit darlegen wollen, dass es sozusagen eine zweite Frist gebe, da beim Verfahren der aktiven Veredelung und der nachgewiesenermassen fristgerechten Wiederausfuhr der veredelten Erzeugnisse überhaupt keine Abgaben für die Eidgenossenschaft gefährdet seien. Sonst käme der Staat in den Genuss von Zollabgaben, welche ihm nicht zustünden und es entstehe für die Zollverwaltung eine ungerechtfertigte Bereicherung. Vorliegend spreche zumindest das teleologische Element gegen eine grammatikalische Auslegung, wonach in beiden Sätzen von Art. 59 Abs. 4 ZG dieselbe festgesetzte Frist gemeint sei. Das Verfahren gelte als ordnungsgemäss abgeschlossen, wenn die Auflagen der Bewilligung eingehalten seien. Im Umkehrschluss liege erst bei Nichteinhaltung der Auflagen der Bewilligung ein nicht ordnungsgemässer Abschluss vor. Die einzige Auflage, die vorliegend nicht gemäss der erteilten Bewilligung eingehalten worden sei, sei die Abrechnungsfrist. Dass der Abrechnungsantrag ebenfalls noch Teil des Verfahrens sei, ergebe sich auch aus der Richtlinie der EZV 10-70 «Aktive Veredelung» Ziff. 7.4.1.2. Mithin müsse der Sache nach erst der Ablauf der Abrechnungsfrist abgewartet werden, bevor ein Gesuch im oben genannten Sinne überhaupt gestellt werden könne. Erst danach ergebe sich überhaupt die Notwendigkeit eines solchen Gesuchs. Andernfalls würde die Möglichkeit eines Gesuchs keinen Anwendungsbereich besitzen. Eventualiter werde beantragt, unter Berücksichtigung des Gebots der Gleichbehandlung zumindest für diese Gesuchsmöglichkeit die Ausfuhrfrist auf 12 Monate auszudehnen. Die neue Bewilligung enthalte eine Ausfuhrfrist von 12 Monaten. Die Beschwerdeführerin bezieht sich auf BGE 143 II 646.

F.

In ihrer Vernehmlassung vom 20. Dezember 2019 beantragt die EZV die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Sie begründet dies insbesondere damit, die Beschwerdeführerin habe antragsgemäss eine Bewilligung für das Verfahren der aktiven Lohnveredelung erhalten. Die Beschwerdeführerin selber sei von einer Dauer von zwei Monaten für den Veredelungsverkehr ausgegangen, während sie (die Vorinstanz) ihr eine Ausfuhrfrist von drei Monaten bewilligt habe. In der – später mehrfach erneuerten – Bewilligung sei jeweils auch die Abrechnungsfrist von 60 Tagen genannt worden, andernfalls die Abgaben fällig würden. Da die Bewilligungen nicht angefochten worden seien, habe die Beschwerdeführerin die darin enthaltenen Auflagen akzeptiert. Vorbringen gegen diese Auflagen könnten später nicht mehr mit Erfolg vorgebracht werden. Die Beschwerdeführerin habe den Abrechnungsantrag am 4. Juni 2019 und damit nach Ablauf der 60tägigen Abrechnungsfrist, welche am 27. Mai 2019 geendet habe, eingereicht. Dabei habe sie (die Vorinstanz) sogar den Friststillstand nach Art. 22a des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) berücksichtigt, obwohl das VwVG im Zollveranlagungsverfahren gemäss Art. 3 Bst. e VwVG keine Anwendung finde. Damit sei zumindest eine der in der Bewilligung festgehaltenen Auflagen nicht eingehalten und das Verfahren der aktiven Veredelung nicht ordnungsgemäss abgeschlossen worden. Die Abgaben seien demnach schon wegen der verspäteten Einreichung des Abrechnungsantrages fällig geworden. Anders als im von der Beschwerdeführerin genannten Urteil sei vorliegend nicht die Ausfuhrveranlagung strittig, sondern der verspätete Abrechnungsantrag. Im Übrigen gehe weder aus den gesetzlichen Bestimmungen zum Veredelungsverkehr noch der Botschaft vom 15. Dezember 2003 über ein neues Zollgesetz (BBl 2004 567) ein Anspruch hervor, dass für jede Art von Verfahrensversäumnis eine Heilungsmöglichkeit bestehen solle.

Auf die weiteren Ausführungen in den Eingaben der Verfahrensbeteiligten sowie die Akten wird – sofern dies für den Entscheid wesentlich ist – im Rahmen der folgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG, SR 173.32) gegeben ist (Art. 31 VGG). Eine solche Ausnahme liegt nicht vor. Der angefochtene Entscheid ist eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG. Die OZD ist zudem eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Art. 33 VGG). Dieses ist daher für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig (vgl. auch Art. 116 Abs. 4 ZG). Das Verfahren richtet sich – soweit das VGG nichts anderes bestimmt – nach den Vorschriften des VwVG (Art. 37 VGG).

    2. Die Beschwerdeführerin ist Adressatin des angefochtenen Entscheids, hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist durch die Veranlagungsverfügung vom 10. Oktober 2019 beschwert. Sie ist zur Beschwerdeerhebung legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Die Beschwerde wurde formund fristgerecht eingereicht (Art. 50 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

    3. Das Bundesverwaltungsgericht kann die angefochtene Verfügung in vollem Umfang überprüfen. Die Beschwerdeführerin kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) auch die Unangemessenheit rügen (Art. 49 Bst. c VwVG). Im Beschwerdeverfahren gelten die Untersuchungsmaxime, wonach der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist, und der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 62 Abs. 4 VwVG; ANDRÉ MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 1.49 ff.; PIERRE MOOR/ETIENNE

POLTIER, Droit administratif, Bd. II, 3. Aufl. 2011, S. 292 ff., 300 f., 820 f.,

Ziff. 2.2.6.3, 2.2.6.5 und 5.8.3.5).

2.

2.1 Waren, die ins Zollgebiet oder aus dem Zollgebiet verbracht werden, sind grundsätzlich zollpflichtig und müssen nach dem ZG sowie nach dem Zolltarifgesetz vom 9. Oktober 1986 (ZTG, SR 632.10) veranlagt werden (Art. 7 ZG). Ebenso unterliegt die Einfuhr von Gegenständen grundsätzlich der Einfuhrsteuer (Art. 50 ff. des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG, SR 641.20]). Vorbehalten bleiben Zollund

Steuerbefreiungen bzw. -erleichterungen, die sich aus besonderen Bestimmungen von Gesetzen und Verordnungen oder Staatsverträgen ergeben (vgl. Art. 2 Abs. 1 und Art. 8 ff. ZG; Art. 1 Abs. 2 ZTG; Art. 53 MWSTG).

2.2

      1. Für Waren, welche zur Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung vorübergehend ins Zollgebiet verbracht werden, gewährt die EZV im Rahmen des Zollverfahrens der aktiven Veredelung eine Zollermässigung oder Zollbefreiung, sofern keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen (vgl. Art. 12 Abs. 1 ZG). Die entsprechenden Einfuhren sind auch von der Einfuhrsteuer befreit (vgl. Art. 53 Abs. 1 Bst. i MWSTG). Art. 59 ZG regelt das Verfahren der aktiven Veredelung genauer. Weitere Bestimmungen sind den Art. 165 ff. der Zollverordnung vom 1. November 2006 (ZV, SR 631.01) zu entnehmen.

      2. Wer das Verfahren der aktiven Veredelung beanspruchen will, bedarf dafür einer Bewilligung der EZV (Art. 59 Abs. 2 ZG). Die Bewilligung wird von der EZV namentlich erteilt, wenn die in Art. 165 ZV genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Bewilligung kann mit Auflagen verbunden und mengenmässig und zeitlich beschränkt werden (Art. 59 Abs. 2 ZG). So enthält sie gemäss Art. 166 Bst. h ZV unter anderem «Auflagen, namentlich Fristen für die Ausfuhr der Veredelungserzeugnisse und für den Abschluss des Verfahrens der aktiven Veredelung, materielle Kontrollund Verfahrensvorschriften sowie formelle Verfahrensvorschriften». Die Einhaltung dieser individuellen Vorschriften der EZV ist Grundvoraussetzung für den Abschluss des Veredelungsverfahrens und die entsprechende Zollermässigung oder -befreiung (Urteile des BVGer A-6635/2018 vom 7. Januar 2020 E. 3.2.2, A-7140/2017 vom 21. November 2018 E. 2.2.2,

        A-8109/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 2.2, A-510/2011 et al. vom 14. August 2012 E. 2.4; IVO GUT, in: Kocher/Clavadetscher [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar zum Zollgesetz [ZG], 2009 [nachfolgend: Zollkommentar], Art. 59 N. 4).

        Mit der Erteilung der Bewilligung wird das im Rahmen der aktiven Veredelung anzuwendende Verfahren (Art. 59 Abs. 2 ZG i.V.m. Art. 166 Bst. a ZV) bestimmt: In der Regel werden die Einfuhrzollabgaben im sogenannten Nichterhebungsverfahren mit bedingter Zahlungspflicht veranlagt (Art. 59 Abs. 3 Bst. a ZG i.V.m. Art. 167 ZV). Das heisst, die Erhebung der Zollabgaben wird bei der Einfuhr bedingt ausgesetzt.

        Wird die Verfügung, mit welcher die Bewilligung erteilt wird, nicht angefochten, erwächst sie mitsamt den darin aufgeführten Auflagen in formelle Rechtskraft. Der Verfügungsadressat hat damit die entsprechenden Auflagen akzeptiert und in der Folge auch einzuhalten. Vorbringen gegen die in der Bewilligung enthaltenen Auflagen sind mittels Beschwerde gegen die erteilte Bewilligung zu erheben und können später im Abgabeerhebungsverfahren nicht mehr mit Erfolg vorgebracht werden (Urteile des BVGer A-6635/2018 vom 7. Januar 2020 E. 3.2.2, A-7140/2017 vom 21. Novem-

        ber 2018 E. 2.2.2, A-8109/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 2.2, A-510/2011

        vom 14. August 2012 E. 2.4).

      3. Die bedingt ausgesetzten Zollabgaben werden nicht fällig, wenn das Verfahren der aktiven Veredelung ordnungsgemäss abgeschlossen wird. Dies ist dann der Fall, wenn der Bewilligungsinhaber die in der Bewilligung festgehaltenen Auflagen eingehalten hat (Art. 168 Abs. 1 ZV). Gemäss Art. 168 Abs. 2 ZV muss der Bewilligungsinhaber (für einen ordnungsgemässen Abschluss des Verfahrens) bei der in der Bewilligung bezeichneten überwachenden Stelle:

        1. innerhalb der vorgeschriebenen Frist das Gesuch um definitive Zollermässigung oder Zollbefreiung einreichen;

        2. in der vorgeschriebenen Art nachweisen, dass die ins Zollgebiet verbrachten Waren oder die im Äquivalenzverkehr verwendeten inländischen Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist als Veredelungserzeugnisse wieder ausgeführt worden sind; und

        3. die Menge der veredelten Waren und der angefallenen Abfälle oder Nebenprodukte unter Vorlage von Rezepturen, Fabrikationsrapporten und ähnlichen Dokumenten nachweisen.

      4. Werden die Auflagen hingegen nicht eingehalten und wird somit das Verfahren der aktiven Veredelung nicht ordnungsgemäss abgeschlossen, fällt im Nichterhebungsverfahren der Suspensiveffekt für die Erhebung der Einfuhrzollabgaben weg und werden diese fällig. Dies gilt allerdings nicht, wenn die veredelten Waren innerhalb der festgesetzten (Ausfuhr-)Frist nachweislich ausgeführt worden sind. Das entsprechende Gesuch ist innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der festgesetzten Frist zu stellen (Art. 59 Abs. 4 ZG; Urteile des BVGer A-6635/2018 vom 7. Januar 2020 E. 3.2.4,

A-7140/2017 vom 21. November 2018 E. 2.2.4, A-8109/2015 vom 18. Ok-

tober 2016 E. 2.3, A-510/2011 vom 14. August 2012 E. 2.6).

Art. 59 Abs. 4 ZG lautet:

«Wird das Verfahren der aktiven Veredelung nicht ordnungsgemäss abgeschlossen, so werden die Einfuhrzollabgaben fällig; dies gilt nicht, wenn die veredelten Waren innerhalb der festgesetzten Frist nachweislich ausgeführt worden sind. Das entsprechende Gesuch ist innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der festgesetzten Frist zu stellen».

2.3 Das Zollverfahren wird vom Selbstdeklarationsprinzip bestimmt (Art. 21, 25 und 26 ZG). Derjenige, der Waren ins Zollgebiet verbringt, verbringen lässt oder sie danach übernimmt, hat die Waren unverzüglich und unverändert der nächstgelegenen Zollstelle zuzuführen (Art. 21 Abs. 1 ZG). Anmeldepflichtig ist unter anderem die zuführungspflichtige Person (Art. 26 Bst. a ZG). Von den Anmeldepflichtigen wird die vollständige und richtige Deklaration der Ware gefordert. Hinsichtlich ihrer Sorgfaltspflichten werden somit hohe Anforderungen gestellt (vgl. Art. 25 ZG; BGE 135 IV 217 E. 2.1.1 und 2.1.3, vgl. BGE 143 II 646 E. 3.3.3; BARBARA SCHMID, in:

Zollkommentar, Art. 18 N. 4). Die Zollpflichtigen haben sich vorweg über die Zollpflicht sowie die jeweiligen Abfertigungsverfahren zu informieren. Unterlassen sie dies, haben sie dafür prinzipiell selber die Verantwortung zu tragen. Insbesondere hat die zollanmeldepflichtige Person selbst das gewünschte Zollverfahren zu wählen und die Ware entsprechend anzumelden (vgl. Art. 47 Abs. 1 ZG). Zu den wählbaren Zollverfahren zählt unter anderem das Verfahren der aktiven Veredelung (Art. 47 Abs. 2 Bst. e ZG; zum Ganzen: Urteile des BVGer A-6635/2018 vom 7. Januar 2020 E. 3.3, A-7140/2017 vom 21. November 2018 E. 2.3, vgl. auch A-6992/2010 vom 12. Juli 2012 E. 3.4).

Mangels anderweitiger Regelung im MWSTG gelten die Mitwirkungsund Sorgfaltspflichten des Zollverfahrens auch für die Erhebung der Mehrwertsteuer auf der Einfuhr von Gegenständen (vgl. Art. 50 MWSTG; siehe dazu Urteile des BVGer BVGer A-6635/2018 vom 7. Januar 2020 E. 3.3, A-7140/2017 vom 21. November 2018 E. 2.3).

3.

    1. Umstritten ist vorliegend einzig, auf welche Frist sich Art. 59 Abs. 4 Satz 2 ZG bezieht («nach Ablauf der festgesetzten Frist»; E. 2.2.4). Die Vorinstanz hält dafür, dass es sich um die Ausfuhrfrist handelt. Trifft dies zu, waren die 60 Tage, innerhalb derer gemäss Art. 59 Abs. 4 ZG ein nachträgliches Gesuch um definitive Zollbefreiung zu stellen ist, bereits abgelaufen, als die Beschwerdeführerin ihre Abrechnung einreichte. Die Beschwerdeführerin hingegen bringt vor, Art. 59 Abs. 4 Satz 2 ZG müsse sich

      auf die Abrechnungsfrist beziehen, weil sonst der Regelung keine eigenständige Bedeutung zukommen könne. Wenn diese Auffassung zutrifft, waren zumindest einige der Fristen noch nicht abgelaufen.

    2. Das Bundesgericht hat diese Frage in BGE 143 II 646 (insb. E. 3.3.6 f.), auf den die Beschwerdeführerin selbst verweist, entschieden. Es kam zum Schluss, dass die Ausfuhrfrist gemeint ist. Weder die Abrechnungsfrist noch das Datum der konkreten Ausfuhr seien relevant.

    3. Es sind keine Gründe ersichtlich, die ein Abweichen von dieser erst kürzlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung als notwendig erscheinen lassen würden. Insbesondere vermag das Vorbringen der Beschwerdeführerin, im konkreten Fall bestehe für Art. 59 Abs. 4 ZG keine eigenständige Anwendung mehr, nichts daran zu ändern. Mit Hinweis auf das genannte Urteil des Bundesgerichts erübrigt es sich, auf die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen.

    4. Die letzte Ausfuhrfrist für die hier umstrittenen Einfuhren verstrich am

      11. März 2019 (Tabelle im Sachverhalt Bst. A.c). Selbst unter Berücksichtigung des Friststillstandes lief damit die Frist zur Einreichung eines Gesuchs im Sinne von Art. 59 Abs. 4 ZG für diese Ausfuhr am 27. Mai 2019 ab, wie die Vorinstanz zu Recht festhält. Damit muss auf die Frage, ob der Friststillstand überhaupt zu berücksichtigen wäre, nicht eingegangen werden, weil die Frist auf jeden Fall am 4. Juni 2019 (oder später), als die Beschwerdeführerin den Abrechnungsantrag stellte (Sachverhalt Bst. B), abgelaufen war. Ebenfalls nicht zu klären ist daher, wann der Antrag der Post übergeben wurde. Für früher erfolgte Einfuhren bzw. Wiederausfuhren wurde die Frist erst recht verpasst.

    5. Kurz einzugehen bleibt noch auf das Argument der Beschwerdeführerin, die Ausfuhrfrist sei ihr auf 12 Monate zu verlängern, wie dies üblich sei. Hier ist hingegen mit der Zollverwaltung festzuhalten, dass die Ausfuhrfrist in der der Beschwerdeführerin erteilten Bewilligung festgesetzt ist und jene diese Auflage akzeptiert hat (E. 2.2.2, letzter Absatz). Zwar nicht entscheidwesentlich, aber dennoch erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Vorinstanz der Beschwerdeführerin gar eine längere Ausfuhrfrist gewährte, als von dieser beantragt worden war (Sachverhalt Bst. A.a). Aus dem Umstand, dass eine am 4. November 2019 ausgestellte Bewilligung eine Ausfuhrfrist von nunmehr 12 Monaten vorsah, kann die Beschwerdeführerin für den vorliegenden Fall nichts zu ihren Gunsten ableiten, wurde

      doch mit dieser neuen Bewilligung nur ihrem diesbezüglichen Antrag für die konkrete, in der Bewilligung festgehaltene Zeit stattgegeben.

    6. Die Beschwerde ist abzuweisen.

4.

    1. Ausgangsgemäss sind die Verfahrenskosten, die auf Fr. 2'200.-- festzusetzen sind, der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG

      i.V.m. Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der einbezahlte Kostenvorschuss in derselben Höhe ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.

    2. Der Beschwerdeführerin ist ebenso wie der Vorinstanz keine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG sowie Art. 7 Abs. 1 VGKE e contrario und Art. 7 Abs. 3 VGKE).

(Das Dispositiv befindet sich auf der nächsten Seite.)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 2'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der von der Beschwerdeführerin einbezahlte Kostenvorschuss in derselben Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. …; Gerichtsurkunde)

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Riedo Susanne Raas

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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