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Bundesverwaltungsgericht Urteil B-5660/2018

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung II
Dossiernummer:B-5660/2018
Datum:15.01.2019
Leitsatz/Stichwort:Unerlaubte Tätigkeit (BankG, BEHG, KAG)
Schlagwörter : Schwerde; Beschwerde; Frist; Beschwerdeführer; Verfügung; Vorinstanz; Kostenvorschuss; Anwalts; Urteil; Rechtsvertreter; Bundesverwaltungsgericht; Beschwerdeführers; Sanktion; Unverschuldet; Wiederherstellung; Fristwiederherstellung; Hilfsperson; FINMA; Vorliegenden; Partei; Verfahren; Gesuch; Fristen; Rechtlich; Macht; Anwaltskanzlei; Kanzlei; Kostenvorschusses; Veröffentlichung; Richter
Rechtsnorm: Art. 130 StPO ; Art. 24 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:142 II 243; 143 I 284; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Entscheid bestätigt durch BGer mit Urteil vom 22.07.2019 (2C_177/2019)

Abteilung II B-5660/2018

U r t e i l  v o m  1 5.  J a n u a r  2 0 1 9

Besetzung Richterin Eva Schneeberger (Vorsitz),

Richter Francesco Brentani, Richter Pietro Angeli-Busi, Gerichtsschreiberin Myriam Senn.

Parteien A. ,

vertreten durch B. , Beschwerdeführer,

gegen

Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA,

Vorinstanz.

Gegenstand Unerlaubte Effektenhändlertätigkeit, Liquidation, Konkurs, Unterlassungsanweisung, Publikation.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,

dass die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA (nachfolgend: Vorinstanz) mit Verfügung vom 29. August 2018 A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) anwies, jegliche finanzmarktrechtlich bewilligungspflichtige Tätigkeit unter jeglicher Bezeichnung selbst oder über Dritte sowie die entsprechende Werbung in irgendeiner Form zu unterlassen,

dass sie ihn weiter anwies, den gewerbsmässigen Effektenhandel sowie die entsprechende Werbung ohne Bewilligung in irgendeiner Form zu unterlassen,

dass sie ihn für den Fall der Widerhandlung gegen die Unterlassungsanweisung auf Art. 48 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht vom 22. Juni 2007 (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG, SR 956.1) betreffend die Missachtung von Verfügungen der FINMA sowie die darin vorgesehene Strafdrohung hinwies,

dass sie weiter die Veröffentlichung der gegen den Beschwerdeführer obenerwähnten ergriffenen Massnahmen für die Dauer von 5 Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung auf ihrer Internetseite verfügte,

dass sie den Verfügungsadressaten, darunter auch dem Beschwerdeführer, die Untersuchungskosten im Betrag von CHF 64'000.- solidarisch auferlegte,

dass sie den Verfügungsadressaten, darunter auch dem Beschwerdeführer, die Verfahrenskosten im Betrag von CHF 44'000.- solidarisch auferlegte,

dass der Beschwerdeführer die Verfügung der Vorinstanz mit Beschwerde vom 3. Oktober 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anfocht,

dass er beantragt, die Verfügung der Vorinstanz sei insofern als sie ihn betreffe aufzuheben,

dass er eventualiter beantragt, die Sache sei in Aufhebung der Verfügung der Vorinstanz zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen,

dass er weiter die Zusprechung einer Entschädigung von CHF 8'000.- zzgl. MwSt beantragt,

dass die Instruktionsrichterin mit Verfügung vom 4. Oktober 2018 den Beschwerdeführer aufforderte, bis zum 5. November 2018 einen Kostenvorschuss zu leisten, unter ausdrücklicher Androhung, bei nicht fristgerechter Bezahlung auf das Rechtsmittel nicht einzutreten,

dass, nachdem beim Bundesverwaltungsgericht innert der gesetzten Frist kein Kostenvorschuss einging, dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom

12. November 2018 das rechtliche Gehör gewährt wurde,

dass der Beschwerdeführer am 14. November 2018 den Kostenvorschuss bezahlte und mit Schreiben vom 20. November 2018 um eine Wiederherstellung der Frist für die Leistung des Kostenvorschusses ersucht,

dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zur Begründung darlegt, die Zahlung des Kostenvorschusses sei darum unterblieben, weil weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsvertreter innert der angesetzten Frist Kenntnis von der Fristansetzung erlangt hätten, da - aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen und entgegen den internen Weisungen der Anwaltskanzlei - weder die Verfügung vom 4. Oktober 2018 dem Rechtsvertreter selbst vorgelegt noch die in der Verfügung angesetzte Frist in das Fristenkontrollsystem der Kanzlei eingetragen worden seien,

dass er im Einzelnen darlegt, wie die Bearbeitung von eingehenden Fristsachen in der Anwaltskanzlei geregelt sei und wie die Fristen zur Sicherheit sogar doppelt erfasst und kontrolliert würden,

dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geltend macht, das in der Kanzlei angewandte System der Fristenkontrolle sei sachgerecht ausgestaltet und genüge dem hohen Sorgfaltsmassstab der an eine Anwaltskanzlei gestellt werden könne, und die einmalige Fehlleistung der in Frage stehenden, als sehr erfahren, umsichtig und sorgfältig bekannten Assistentin sei nicht vorhersehbar gewesen,

dass er argumentiert, nicht jede pflichtwidrige Handlung einer Hilfsperson des Rechtsvertreters schliesse eine Wiederherstellung der versäumten Frist aus, weshalb ein einmaliger Ausreisser auf der Stufe einer Hilfsperson im für ihn nicht kontrollierbaren Bereich der Rechtsvertretung dem Beschwerdeführer nicht als schuldhaft zugerechnet werden könne,

dass er weiter geltend macht, in der Lehre und Rechtsprechung werde die Auffassung vertreten, die strenge Praxis zu Fristwiederherstellungen gelte

primär für Verfahren, bei denen es um Vermögensinteressen gehe, während sie nicht unbesehen auch auf strafrechtliche Sanktionen anwendbar sei,

dass es im vorliegenden Fall mit der verfügten Veröffentlichung während fünf Jahren ("naming and shaming") um eine Sanktion gehe, die nicht durch Schadenersatz ausgeglichen werden könne, weshalb aufgrund der Natur der Rechtssache ein krasses Missverhältnis zwischen den Auswirkungen der verhängten Sanktion und dem Rechtsverlust der Überprüfung der Sanktion infolge einer Fehlleistung in der Administration der Anwaltskanzlei bestehe,

dass der Beschwerdeführer weiter geltend macht, analog zur Praxis in Zivilverfahren könnte die verpasste Frist auch dann wiederhergestellt werden, wenn die Vorinstanz als Gegenpartei dazu ihre Zustimmung geben würde, weshalb er die Vorinstanz auch diesbezüglich angefragt habe,

dass gemäss Art. 31 VGG das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG beurteilt, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt,

dass als Vorinstanzen die in Art. 33 VGG genannten Behörden gelten, dass Verfügungen im Bereich der unerlaubten Effektenhändlertätigkeit,

Liquidation, Konkurs, Unterlassungsanweisung und Publikation mit Be-

schwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht anfechtbar sind (Art. 33 Bst. e VGG i.V.m. Art. 54 FINMAG),

dass für die Behandlung eines Gesuchs um Fristwiederherstellung jene Behörde zuständig ist, die bei der Gewährung der Wiederherstellung der Frist über die nachgeholte Parteihandlung zu entscheiden hat (vgl. Urteile des BVGer B-5309/2017 vom 30. Oktober 2017; B-65/2012 vom 11. April 2012 E. 1.4; B-5213/2014 vom 2. Oktober 2014 E. 1.4; STEFAN VOGEL, in:

VwVG, Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Kommentar, 2. Aufl. 2019, Art. 24 N. 19 S. 373),

dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund seiner Zuständigkeit für das Hauptverfahren über die Einhaltung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses zu befinden hat und damit auch für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs um Fristwiederherstellung zuständig ist,

dass eine nicht eingehaltene Frist wiederhergestellt wird, wenn der Gesuchsteller unverschuldeterweise abgehalten wurde, binnen Frist zu handeln, sofern er unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt (Art. 24 Abs. 1 VwVG),

dass der Kostenvorschuss am 14. November 2018 geleistet und das Gesuch um Fristwiederherstellung vom 20. November 2018 unter Angabe des Grundes innerhalb von der Frist von Art. 24 Abs. 1 VwVG gestellt wurden, weshalb auf das Gesuch um Fristwiederherstellung einzutreten ist,

dass gemäss Lehre und Rechtsprechung zur Wiederherstellung der Frist ein Fristversäumnis nur dann als unverschuldet gilt, wenn seitens des Handlungspflichtigen kein Verschulden - auch keine bloss leichte Fahrlässigkeit - vorliegt bzw. die Umstände, welche von der Fristwahrung abhielten, nicht von der handlungspflichtigen Person zu verantworten sind,

dass dabei ein Fehler des Anwalts oder von dessen Hilfspersonen grundsätzlich dem Mandanten zuzurechnen ist und in der Regel keine unverschuldete Säumnis darstellt (vgl. BGE 143 I 284 E. 1; 114 Ib 67 E. 2e; Urteil

B-65/2012 E. 3-4),

dass für Anwälte strenge Sorgfaltsmassstäbe gelten und sie ihren Kanzleibetrieb entsprechend organisieren müssen, um in der Lage zu sein, die fristund termingerechte Wahrnehmung der prozessualen Rechte ihrer Klienten sicherzustellen, wozu die sorgfältige Erfassung und Prüfung eingehender und mit eingeschriebener Post versandter Gerichtskorrespondenz gehört (vgl. Urteil des BGer 2C_534/2016 vom 21. März 2017 E. 3.2),

dass im vorliegenden Fall unbestritten ist, dass die fristauslösende Verfügung vom 4. Oktober 2018 am 5. Oktober 2018 in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers einging und die Zahlung des Kostenvorschusses deswegen unterblieb, weil die Assistentin des Rechtsvertreters weder diese Verfügung dem Rechtsvertreter selbst übergab noch die Frist in die kanzleiinterne Fristenkontrolle eintrug,

dass es sich dabei offensichtlich um einen Fehler einer Hilfsperson handelt, der nicht als unverschuldet im Sinne der Rechtsprechung zur Wiederherstellung von Fristen eingestuft werden kann,

dass das Bundesgericht vom dargelegten Grundsatz, dass ein Fehler des Anwalts oder von dessen Hilfspersonen grundsätzlich dem Mandanten zuzurechnen ist und in der Regel keine unverschuldete Säumnis darstellt, dann eine Ausnahme macht, wenn es sich um eine notwendige Verteidigung in einem Strafverfahren handelt, das Fehlverhalten des Anwalts grob fahrlässig, qualifiziert unrichtig oder mit den Regeln der Anwaltskunst gänzlich unvereinbar erscheint, den Vertretenen selbst kein Verschulden trifft und die Folgen der Fristversäumnis nicht durch eine Schadensersatzleistung wiedergutgemacht werden könnten (vgl. BGE 143 I 284 E. 1.3, 2.2.3 mit Hinweisen aus der Lehre; Urteil des BGer 6B_1111/2017 vom 7. August 2018 E. 2),

dass diese Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssen,

dass der Beschwerdeführer geltend macht, die im vorliegenden Fall in Frage stehenden Sanktion habe eine "ähnliche Qualität wie die Freiheitsstrafe im Strafrecht",

dass die Sanktionen gemäss Art. 33 und 34 FINMAG (Berufsverbot und Veröffentlichung "naming and shaming") als verwaltungsrechtlich und nicht als strafrechtlich im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Ziff. 3 Bst. g UNO-Pakt II einzustufen sind (vgl. BGE 142 II 243 E. 3.4; Urteil des BGer 2C_860/2017 E. 8.2.1; Urteil des BVGer B-4066/2010 vom 19. Mai 2011 E. 8.2),

dass dem Beschwerdeführer daher nicht gefolgt werden kann, soweit er sinngemäss geltend machen will, die vorliegend in Frage stehende Sanktion einer Veröffentlichung für die Dauer von 5 Jahren sei qualitativ vergleichbar mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr im Sinne von Art. 130 Bst. b StPO,

dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Grundsatz, dass ein Fehler des Anwalts oder von dessen Hilfsperson grundsätzlich dem Mandanten zuzurechnen ist und in der Regel keine unverschuldete Säumnis darstellt, im vorliegenden Fall daher nicht gegeben sind,

dass auf die Argumentation des Beschwerdeführers, wonach Art. 24 Abs. 1 VwVG lückenhaft sei und zur Lückenfüllung analogieweise die Praxis in Zivilverfahren anzuwenden sei in dem Sinn, dass die verpasste Frist wiederhergestellt werden könnte, wenn die Vorinstanz als Gegenpartei dazu ihre Zustimmung geben würde, nicht weiter einzugehen ist, da die

Vorinstanz eine derartige Zustimmung trotz Anfrage des Beschwerdeführers nicht erteilt hat,

dass das Fristwiederherstellungsgesuch des Beschwerdeführers daher abzuweisen ist,

dass der Kostenvorschuss somit nicht fristgerecht geleistet wurde, weshalb androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht einzutreten ist,

dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1 ff. des Reglements vom

21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]),

dass keine Parteientschädigung zuzusprechen ist (Art. 64 Abs. 1 VwVG; Art. 7 Abs. 1 und 3 VGKE).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Das Wiederherstellungsgesuch des Beschwerdeführers vom 20. November 2018 wird abgewiesen.

2.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

3.

Die Verfahrenskosten von CHF 1'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und dem geleisteten Kostenvorschuss entnommen. Der Restbetrag von CHF 4'000.- wird dem Beschwerdeführer nach der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.

4.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

5.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde; Beilage: Rückerstattungsformular)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. GO1178080; Gerichtsurkunde)

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Eva Schneeberger Myriam Senn

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand: 17. Januar 2019

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