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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Strafkammer
Fallnummer:SK.2021.47
Datum:13.01.2022
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Bundes; Beschuldigte; Verfahren; Einsprache; Verfahrens; Hinzufügen; Urteil; öffnen; Filter; Befehl; Hauptverhandlung; Gericht; Beschuldigten; Bundesstrafgericht; Privatkläger; Entscheide; Bundesstrafgerichts; Rückzug; Bundesanwaltschaft; Fernbleiben; Privatklägerschaft; Unentschuldigt; Kammer; Urteile; Beschwerde; Person; Bewusst
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 353 StPO ; Art. 354 StPO ; Art. 356 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 422 StPO ; Art. 91 StPO ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

SK.2021.47

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: SK.2021.47 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen

Verfügung vom 13. Januar 2022
Strafkammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Martin Stupf, Einzelrichter

Gerichtsschreiberin Elena Inhelder

Parteien

Bundesanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Johannes Rinnerthaler

und

als Privatklägerschaft:

1.       B.,

2.       C.

gegen

A.

Gegenstand

Rückzug der Einsprache; Abschreibung des Verfahrens


Der Einzelrichter erwägt, dass:

-              die Bundesanwaltschaft mit Strafbefehl vom 20. August 2021 A. (nachfolgend: der Beschuldigte) wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Beschimpfung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 70.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren, zu einer Verbindungsbusse von Fr. 700.-- sowie zur Bezahlung der Verfahrenskosten von Fr. 500.-- verurteilte (pag. BA 03-01-0001 ff.);

-              der Beschuldigte mit Schreiben vom 1. September 2021 Einsprache gegen den Strafbefehl erhob (pag. BA 03-01-0008 f.);

-              die Bundesanwaltschaft am Strafbefehl festhielt, diesen am 8. Oktober 2021 dem Bundesstrafgericht als Anklageschrift zwecks Durchführung eines Hauptverfahrens überwies ( Art. 356 Abs. 1 StPO) und gleichzeitig auf die Teilnahme an derselben verzichtete;

-              das Gericht vorfrageweise über die Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache entscheidet ( Art. 356 Abs. 2 StPO);

-              der Strafbefehl vom 20. August 2021 die in Art. 353 Abs. 1 StPO aufgelisteten Kriterien beinhaltet und gemäss Art. 353 Abs. 3 StPO formgerecht eröffnet wurde;

-              die Einsprache vom 1. September 2021 form- und fristgerecht erfolgte (Art. 354 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 StPO);

-              das Gericht den Beginn der Hauptverhandlung auf den 10. Januar 2022, 09:30 Uhr, festsetzte (pag. TPF 2.310.001) und den Beschuldigten sowie die Privatklägerschaft auf dieses Datum vorlud (pag. TPF 2.331.001 ff.; 2.351.001 ff.; 2.352.001 ff.);

-              dem Beschuldigten die Vorladung ordnungsgemäss zugestellt wurde und er diese nachweislich auch abgeholt hatte (pag. pag. TPF 2.331.005);

-              die Hauptverhandlung am 10. Januar 2022 um 09:30 Uhr in Anwesenheit der Privatklägerschaft eröffnet und festgestellt wurde, dass der Beschuldigte abwesend ist;

-              die Einsprache als zurückgezogen gilt, wenn die Einsprache erhebende Person der Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt und sich auch nicht vertreten lässt ( Art. 356 Abs. 4 StPO);

-              nach der Rechtsprechung ein konkludenter Rückzug der Einsprache nur angenommen werden darf, wenn sich aus dem gesamten Verhalten des Betroffenen der Schluss aufdrängt, er verzichte mit seinem Desinteresse am weiteren Gang des Verfahrens bewusst auf den ihm zustehenden Rechtsschutz, womit der von Art. 356 Abs. 4 StPO an das unentschuldigte Fernbleiben geknüpfte (fingierte) Rückzug der Einsprache voraussetzt, dass sich der Beschuldigte der Konsequenzen seiner Unterlassung bewusst ist und er in Kenntnis der massgebenden Rechtslage auf die ihm zustehenden Rechte verzichtet, weshalb er hinreichend über die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens in einer ihm verständlichen Weise zu belehren ist (Urteil des BGer 6B_1143/2017 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 1. Juni 2018, E. 1.2);

-              bei unentschuldigtem Fernbleiben der Einspruch erhebenden Person der Strafbefehl zum Urteil wird und in Rechtskraft erwächst ( Art. 356 Abs. 4 i.V.m. Art. 354 Abs. 3 StPO);

-              der Beschuldigte dem hiesigen Gericht am 6. Januar 2022 (Posteingang: 7. Januar 2022) ein Schreiben zustellte, in welchem er insbesondere ausführte «für die Einschränkung der Handlungsfreiheit durch eine 'Zertifikatspflicht' sowie für die Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften in Bezug auf die Maskenpflicht und die Kontaktquarantäne (gemäss Anhang 2 der Covid-19-Verordnung besondere Lage) fehlt somit die erforderliche gesetzliche Grundlage. [...]. Da jede rechtliche Grundlage fehlt, und ich ein Mensch bin werde ich auch nicht erscheinen» (pag. TPF 2.521.003 ff.);

-              diese Ausführungen aus einem im Internet unter […] abrufbaren (anonymen) Aufsatz vom 7. Oktober 2021 stammen (letztmals besucht am 12. Januar 2022), in welchem die Autorenschaft die Meinung vertritt, der Bundesrat sei nicht dazu befugt, unter Berufung auf die besondere Lage gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen vom 28. September 2012 (EpG; SR 818.101), zeitlich unbefristet in eigener Kompetenz Massnahmen anzuordnen;

-              sich der dem Beschuldigten zur Last gelegte Sachverhalt am 12. Mai 2021 ereignete und somit die Verordnung über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie vom 19. Juni 2020, in der Fassung vom 19. April 2021, ( SR 818.101.26; nachfolgend Covid-19-V bL) anwendbar ist;

-              der Bundesrat per 18. Oktober 2020 in der auf Art. 6 EpG gestützten Covid-19-V bL die Maskentragepflicht (Art. 3a und 3b Covid-19 V bL) und per 1. Februar 2021 den Übertretungstatbestand der Widerhandlung gegen dieselbe einführte (Art. 13 lit. f Covid-19-V bL), folglich in den Art. 3a und 3b sowie Art. 13 lit. f Covid-19-V bL eine auf einer formell-gesetzlichen Delegationsnorm ( Art. 6 EpG) basierende Verhaltensnorm (Maskentragepflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln) sowie ein Straftatbestand auf Bundesverordnungsebene und damit entgegen der Auffassung des Beschuldigten eine genügende gesetzliche Grundlage vorliegt;

-              das Bundesgericht in seinem Urteil 1C_143/2021 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 28. Juli 2021 in E. 4 die Kompetenz des Bundesrats, gestützt auf das Epidemiengesetz die Maskenpflicht anzuordnen, bestätigt hat (zur Zulässigkeit der Maskentragepflicht siehe Urteil des Bundesgerichts 2C_793/2020 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 8. Juli 2021 E. 5);

-              nach dem Gesagten eine rechtliche Grundlage für die Maskentragepflicht zum Tatzeitpunkt bestand und eine entsprechende Kontrolle durch die zuständigen Beamten (Privatklägerschaft) zulässig war;

-              der Beschuldigte in der Vorladung vom 2. Dezember 2021 explizit auf die Rechtsfolgen gemäss Art. 356 Abs. 4 StPO, wonach die Einsprache als zurückgezogen gilt, wenn die Einsprache erhebende Person der Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt und sich auch nicht vertreten lässt, aufmerksam gemacht wurde und er sich folglich der Konsequenzen seiner Unterlassung bewusst war;

-              der Beschuldigte dem Gericht mit dem vorgenannten Schreiben vom 6. Januar 2022 unmissverständlich zu erkennen gab, dass er bewusst nicht an der Hauptverhandlung erscheinen werde;

-              der Beschuldigte zudem die Empfangsbestätigung der Vorladung trotz entsprechender Aufforderung dem Gericht nicht retournierte und diesbezügliche Telefonanrufe des Gerichts unbeantwortet liess (pag. TPF 2.521.001 f.), womit er zusätzlich sein Desinteresse am weiteren Gang des Verfahrens manifestierte;

-              aus dem gesamten Verhalten des Beschuldigten und seinem tatsächlichen Fernbleiben von der Hauptverhandlung zu schliessen ist, dass er kein Interesse an der Fortführung des Verfahrens hat;

-              im Falle des Beschuldigten für den Hauptverhandlungstag vom 10. Januar 2022 keine plausiblen Gründe (z.B. Krankheit) feststellbar sind, die vom Gericht als ein entschuldbares Fernbleiben von der Hauptverhandlung hätten akzeptiert werden können;

-              der Beschuldigte demnach der gerichtlichen Vorladung zwingend hätte Folge leisten müssen;

-              der Beschuldigte ohne weiteres im Rahmen der Hauptverhandlung vom 10. Januar 2022 seine Argumente hätte vorbringen und sich hätte verteidigen können;

-              das gesamte, von Desinteresse geprägte Verhalten des Beschuldigten nicht anders gedeutet werden kann, als dass er in Kenntnis der massgebenden Rechtslage bewusst auf seine Rechte verzichtet hat;

-              im Ergebnis ein konkludenter Rückzug der Einsprache gegen den Strafbefehl vorliegt ( Art. 356 Abs. 4 StPO);

-              der Strafbefehl der Bundesanwaltschaft vom 20. August 2021 somit zum Urteil wird und in Rechtskraft erwächst;

-              das Verfahren SK.2021.47 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen infolgedessen als gegenstandslos abzuschreiben ist;

-              sich die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und deren Verlegung grundsätzlich nach den Art. 422 ff. StPO bestimmen;

-              zur Regelung der Kostenfolge bei der Gegenstandslosigkeit des Verfahrens grundsätzlich auf das allgemeine Kriterium abzustellen ist, wonach die entstandenen Verfahrenskosten von jener Partei zu tragen sind, die das gegenstandslos gewordene Verfahren verursacht hat ( vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_237/2009 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 28. September 2009, E. 3.3);

-              der Beschuldigte durch das unentschuldigte Fernbleiben an der Hauptverhandlung die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens SK.2021.47 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen verursacht hat;

-              die den Rückzug erklärende Person die Kosten zu tragen hat, wenn der Einspracherückzug nach Überweisung der Akten an das erstinstanzliche Gericht erfolgt (Urteil des Bundesgerichts 6B_516/2016 Weitere Urteile BGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 4. August 2016, E. 2.4.2 in fine, Verfügung des Bundesstrafgerichts SN.2012.25 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 2. Oktober 2012; SK.2015.33 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 11. Dezember 2015; SK.2016.49 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 20. Januar 2017; Daphinoff, Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, Diss., 2012, S. 626);

-              der Beschuldigte demnach die Kosten des Verfahrens zu tragen hat;

-              neben den im (nun rechtskräftigen) Strafbefehl auferlegten Kosten für das Strafbefehlsverfahren zusätzlich die Kosten für die nach der Einspracheerhebung vorgenommenen Verfahrensschritte hinzukommen ( Daphinoff, a.a.O., S. 626);

-              infolge der Anreise der Privatklägerschaft, die zwecks Wahrung des Konfrontationsanspruchs des Beschuldigten zur Hauptverhandlung vorgeladen wurden, Auslagen in der Höhe von je Fr. 59.--, insgesamt somit Fr. 118.--, entstanden sind (pag. TPF 2.871.001; 2.872.001);

-              in Anwendung von Art. 73 Abs. 1 lit. a und b des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes vom 19. März 2010 (StBOG; SR 173.71) i.V.m. Art. 1 Abs. 4, Art. 5, Art. 7 lit. a und Art. 17 f. des Reglements des Bundesstrafgerichts über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren vom 31. August 2010 (BStKR; SR 173.713.162) eine Gebühr von Fr. 500.-- und Auslagen für die Privatklägerschaft von Fr. 118.--, entsprechend insgesamt Fr. 618.--, festzusetzen und dem Beschuldigten aufzuerlegen sind.


Der Einzelrichter verfügt:

1.              Das Verfahren SK.2021.47 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen wird infolge Rückzugs der Einsprache als gegenstandslos abgeschrieben.

2.              Die Verfahrenskosten von Fr. 618.-- werden A. auferlegt.

3.              Diese Verfügung wird den Parteien schriftlich eröffnet.

Im Namen der Strafkammer

des Bundesstrafgerichts

Der Einzelrichter                                                               Die Gerichtsschreiberin

Zustellung an:

-              Bundesanwaltschaft

-              A. (Beschuldigter)

-              B. (Privatkläger)

-              C. (Privatkläger)

Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an

-              Bundesanwaltschaft als Vollzugsbehörde (vollständig)

Rechtsmittelbelehrung

Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht, ausgenommen verfahrensleitende Entscheide, kann innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts geführt werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b und Art. 396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG).

Mit der Beschwerde können gerügt werden: a. Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung; b. die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts; c. Unangemessenheit ( Art. 393 Abs. 2 StPO).

Einhaltung der Fristen

Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben werden ( Art. 91 Abs. 2 StPO).

Versand: 13. Januar 2022

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