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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BG.2020.35
Datum:27.08.2020
Leitsatz/Stichwort:Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).
Schlagwörter : Staatsanwaltschaft; Kanton; Basel; Basel-Land; Basel-Landschaft; Täter; Raubüberfall; Gericht; Tankstelle; Gefährlichkeit; Begangen; Verübt; Kantons; Verfahrensakten; Baden; Opfer; Behörden; Verfahren; Pistole; Verfolgung; Ersuchte; Zuständig; Ordner; Bundesstrafgericht; Lasche; Gerichtsstand; Mittäter
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 139 StGB ; Art. 14 StGB ; Art. 140 StGB ; Art. 31 StPO ; Art. 33 StPO ; Art. 34 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 423 StPO ;
Referenz BGE:117 IV 135; 124 IV 86; 135 IV 158; 86 IV 222; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2020.35

Beschluss vom 27. August 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Cornelia Cova und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

Kanton Basel-Landschaft, Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft ,

Gesuchstellerin

gegen

Kanton Aargau, Oberstaatsanwaltschaft ,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO )


Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft Baden führt gegen A. und B. wegen Raubüberfällen ein Sammelverfahren. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, zwischen dem 16. September 2019 und dem 11. November 2019 zusammen insgesamt vier bandenmässige Raubüberfälle auf Tankstellen im Kanton Aargau begangen zu haben. A. soll zudem am 25. Juli 2019 eine Tankstelle in Z. (BL) überfallen und am 28. Dezember 2019 in Basel eine Gefährdung des Lebens und Drohung sowie Widerhandlung gegen das Waffen- und Heilmittelgesetz begangen haben.

Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt gegen C. ein Strafverfahren. Ihm wird vorgeworfen, am 11. Oktober 2019 mit zwei weiteren Mittätern (wovon einer mutmasslich A. ist) einen versuchten Raum auf die Postfiliale in Z. (BL), einschliesslich Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, sowie am 17. Oktober 2019 als Einzeltäter einen vollendeten Raub auf die Filiale der Bank D. in Y. (SO) begangen zu haben. Zudem soll er sich vom 9. Oktober 2019 bis zu seiner Verhaftung am 13. Januar 2020 rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten haben. Schliesslich wird C. vorgeworfen, an einer versuchten Erpressung Mitte November 2019 in St. Gallen beteiligt gewesen zu sein (act. 1 S. 3 f).

B. Mit Schreiben vom 4. Juni 2020 gelangte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft an die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und ersuchte um Übernahme des Strafverfahrens gegen C., was diese mit Schreiben vom 11. Juli 2020 ablehnte. Gleichzeitig teilte die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg mit, dass die Staatsanwaltschaft Baden ein Sammelverfahren gegen A. und B. führe (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Ordner 3/3, Lasche 9, nicht paginiert und Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Baden, Ordner 4/4, Lasche 9, nicht paginiert).

C. Mit Schreiben vom 24. Juni 2020 gelangte die Staatsanwaltschaft Basel-Land an die Staatsanwaltschaft Baden und ersuchte um Übernahme des Strafverfahrens gegen C. Die Staatsanwaltschaft Baden liess das Gesuch um Verfahrensübernahme der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg zur Beantwortung zukommen. Diese lehnte die Verfahrensübernahme mit Schreiben vom 6. Juli 2020 erneut ab (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Ordner 3/3, Lasche 9, nicht paginiert).

Im abschliessenden Meinungsaustausch zwischen der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verneinten diese ihre jeweilige Zuständigkeit, zuletzt der Kanton Aargau mit Schreiben vom 28. Juli 2020 (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, gelbes Mäppchen; act. 4.1).

D. Mit Gesuch vom 10. August 2020 gelangt die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, es seien die Strafbehörden des Kantons Aargau für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die strafrechtliche Verfolgung und Beurteilung der beschuldigten Personen zu übernehmen (act. 1).

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verneint in ihrer Gesuchsantwort vom 13. August 2020 ihre Zuständigkeit. Ihrer Ansicht nach sei der Kanton Basel-Landschaft zuständig, das Strafverfahren gegen A. und die weitere Beteiligten zu führen (act. 6), was dem Kanton Basel-Landschaft am 18. August 2020 zur Kenntnis gebracht wird (act. 7).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwischen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Frist und Form, vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.7 vom 21. März 2014 E. 1) sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.

2.

2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig (Art. 31 Abs. 1 StPO). Der Ausführungsort befindet sich dort, wo der Täter gehandelt hat (BGE 86 IV 222 E. 1).

Ist eine Straftat von mehreren Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO ).

Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo die Verfolgungshandlungen zuerst vorgenommen worden sind (vgl. hierzu u. a. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2011.49 vom 19. Januar 2012 E. 2.1; BG.2011.33 vom 28. September 2011 E. 2.2.1; BG.2011.4 vom 10. August 2011 E. 2.2.2).

2.2 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.10 vom 10. Juni 2014 E. 2.1).

3.

3.1 Unter den Parteien ist zunächst unbestritten, dass A. in der Zeit vom 16. September 2019 bis 11. November 2019 zusammen mit B. in bandenmässiger Begehung vier Raubüberfälle auf Tankstellen im Kanton Aargau verübt hat. Ebenso ist unbestritten, dass C. zusammen mit A. am 11. Oktober 2019 einen versuchten Raub auf die Postfiliale in Z. (BL) verübt hat. Unter den Parteien ist jedoch umstritten, ob der erste Raub der Serie, nämlich der am 25. Juli 2019 verübte Raubüberfall auf eine Tankstelle in Z. (BL), unter den qualifizierten Tatbestand des bandesmässigen Raubes (Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB) und/oder der besonderen Gefährlichkeit (Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB) zu subsumieren ist. Der Kanton Basel-Landschaft stellt sich auf den Standpunkt, A. habe den Raub am 25. Juli 2019 alleine und unter Verwendung eines Feuerzeugs in Form einer Pistole begangen (act. 1 S. 4 f.). Demgegenüber ist der Kanton Aargau der Ansicht, es sei nicht gesichert, dass A. den Raubüberfall auf den Tankstellenshop am 25. Juli 2019 alleine durchgeführt habe. Auch sei nicht geklärt, ob es sich bei der fraglichen Waffe um eine geladene Schusswaffe oder bloss um eine Schreckschusswaffe gehandelt habe. Das vorliegende Tatvorgehen müsse jedoch auch bei blosser Verwendung einer nicht geladenen Schusswaffe oder einer täuschend ähnlich aussehenden Attrappe als besonders kühn, verwegen, heimtückisch oder skrupellos im Sinne der einschlägigen Bundesgerichtspraxis zur Frage der besonderen Gefährlichkeit erachtet werden. Denn die vermeintlich gefährliche Waffe sei dem Opfer von hinten in den Nacken gedrückt worden, sodass diesem der Eindruck vermittelt werden sollte, schon eine kleine abrupte Bewegung werde zu einer tödlichen Schussauslösung führen (act. 6 S. 2 f.).

3.2 Nach Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB ist der qualifizierte Tatbestand des Raubes gegeben, wenn der Täter den Raub als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat.

Nach der Rechtsprechung liegt Bandenmässigkeit vor, wenn zwei oder mehrere Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger Straftaten zusammenzuwirken. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob zwei oder mehrere Täter vorhanden sind. Haben sich nur zwei Personen zur fortgesetzten Begehung von Straftaten zusammengefunden, so kann eine bandenmässige Tatbegehung nicht ausgeschlossen werden, wenn gewisse Mindestansätze einer Organisation und die Intensität des Zusammenwirkens ein derartiges Ausmass erreichen, dass von einem bis zu einem gewissen Grade fest verbundenen und stabilen Team gesprochen werden kann (BGE 135 IV 158). Ist demgegenüber schon die Zusammenarbeit derart locker, dass von Anfang an nur ein sehr loser und damit völlig unbeständiger Zusammenhalt besteht, liegt keine Bande vor (BGE 124 IV 86 E. 2b).

3.3 Was den Raubüberfall vom 25. Juli 2019 auf die Tankstelle in Z. (BL) anbelangt, ist zunächst festzuhalten, dass A. bestreitet, diese Tat begangen zu haben. Der Verdacht stützt sich auf Aussagen von B. anlässlich seiner Einvernahme durch die Kantonspolizei Aargau vom 19. Februar 2020. Er führte aus, A. habe ihm erzählt, die Tankstelle in Z. (BL) überfallen zu haben. A. habe ihm gesagt, dass er der Angestellten, als sie den Laden geöffnet habe, gefolgt sei. Sie habe ihm das Geld in einer Tasche ausgehändigt; danach sei er direkt nach Hause geflüchtet. Beim Überfall habe sich A. einen Strumpf über den Kopf gezogen und eine Feuerzeugpistole benützt, die metallisch sei. B. wisse nicht mehr genau, wie hoch die Beute gewesen sei, er schätze zwischen CHF 15'000.-- und 20'000.--. Nach dem Überfall sei A. zusammen mit ihm in den Kosovo in die Ferien gefahren. Er habe dabei viel Geld in der Hosentasche gehabt und habe sich sehr spendabel gezeigt. B. führte ferner aus, er vermute, dass A. den Überfall alleine ausgeführt hätte. A. habe ihm gesagt, dass er es hingekriegt habe und dass es mega einfach sei, so etwas zu machen. A. habe ihn wohl überzeugen wollen, bei zukünftigen Raubüberfällen mitzumachen (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Baden, Ordner 3/4, Lasche 12). Die Angestellte der Tankstelle, E., führte gegenüber der Polizei Basel-Landschaft am 25. Juli 2019 und als Auskunftsperson anlässlich der Einvernahme durch Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft vom 26. Juli 2019 aus, sie sei kurz vor 04.30 Uhr mit dem Auto zur Arbeit gekommen. Als sie die Eingangstür am Öffnen gewesen sei, sei eine unbekannte Person erschienen und habe eine Schusswaffe auf sie gerichtet. Der unbekannte Mann habe sie am Nacken/an den Haaren gepackt und sie vor sich hin Richtung Büro/Lager gestossen. Im Büro habe sie den Tresor öffnen und das Notengeld in eine vom Täter mitgebrachte weisse Plastiktüte mit roter Aufschrift packen müssen. Danach habe er sie wieder am Nacken/an den Haaren gepackt und sie zum Ausgang gestossen. Dort habe sie den Türöffner drücken und neben dem Eingang auf dem Boden sitzen müssen. Als die Türe wieder geschlossen gewesen sei, habe sie sich vergewissert, dass der Täter wirklich weg sei (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, grünes Mäppchen, nicht paginiert). Hinweise dafür, dass der Täter den Raub zusammen mit allfälligen Mittätern ausgeführt hätte, ergeben sich gestützt auf die Aussagen des Opfers E. keine. Auch auf den Video-Aufnahmen zum Raubüberfall ist nur ein Täter erkennbar (vgl. Kamera 5). Liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass A. den Raubüberfall vom 25. Juli 2019 in Mittäterschaft ausgeübt haben könnte, besteht auch kein Raum, gestützt auf den Grundsatz in dubio pro duriore vom qualifizierten Tatbestand der bandenmässigen Begehung des Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB auszugehen. Alleine gestützt auf den Umstand, dass A. die weiteren Raubüberfälle in Mittäterschaft verübt hat, zu schliessen, dass er auch den Raubüberfall auf die Tankstelle vom 25. Juli 2019 mit weiteren Tätern begangen hat, erweist sich - zumindest gestützt auf die gegenwärtige Aktenlage - als haltlos. Damit bleibt zu prüfen, ob es sich beim Raubüberfall vom 25. Juli 2019 um einen Fall besonderer Gefährlichkeit im Sinne von Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB handelt.

3.4 Nach Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB ist der qualifizierte Tatbestand des Raubes gegeben, wenn der Täter sonst wie, durch die Art, wie er den Raub begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.

Nach der Rechtsprechung ist diese Qualifikation nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Dies ergibt sich daraus, dass bereits der Grundtatbestand des Raubes einen Angriff auf das Opfer und damit begriffsnotwendig dessen mehr oder weniger grosse Gefährdung voraussetzt. Die besondere Gefährlichkeit ist nur zu bejahen, wenn die konkrete Tat nach ihrem Unrechts- oder Schuldgehalt besonders schwer wiegt. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund der gesamten Tatumstände. Die besondere Gefährlichkeit lässt sich namentlich begründen mit der professionellen Vorbereitung der Tat, dem Überwinden moralischer und technischer Hindernisse sowie der ausgeprägt kühnen, verwegenen, heimtückischen, hinterlistigen oder skrupellosen Art ihrer Begehung (BGE 117 IV 135 E. 1a; 116 IV 312 E. 2e zu aArt. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB; Urteile des Bundesgericht 6B_296/2017 , 6B_330/2017 vom 28. September 2017 E. 8.2; 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.4.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt zur Erfüllung der besonderen Gefährlichkeit nach Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB , dass der Täter eine konkrete Gefahr für das Opfer schafft, auch wenn es dadurch keine Verletzungen davonträgt. Wer aus kurzer Distanz eine Pistole auf den Kopf des Opfers richtet, schafft beispielsweise eine solche Gefahr, auch wenn die Waffe dabei gesichert bzw. nicht durchgeladen ist. Eine besondere Gefährlichkeit liegt sodann vor, wenn das Opfer erheblich verletzt wird, so dass die Schwelle für das Vorliegen einer schweren Körperverletzung knapp nicht erreicht wird oder wenn dem Opfer erhebliche Schmerzen zugefügt werden, ohne dass eine grausame Behandlung vorliegt (Niggli/Riedo , Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, N. 110 f. zu Art. 140 StGB ). Im Rahmen der Qualifikation der besonderen Gefährlichkeit berücksichtigt die Rechtsprechung auch das Zusammenwirken mehrerer Täter sowie einen allfälligen Konsum von Alkohol oder Betäubungsmitteln und die sich daraus ergebende Möglichkeit unkontrollierter Handlungen (Urteil 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.4.1 mit Hinweisen).

3.5 Gemäss Aussagen von B. habe A. ihm erzählt, beim Raubüberfall vom 25. Juli 2019 eine Feuerzeugpistole verwendet zu haben. Eine solche hätten sie auch bei den Überfällen vom 16. und 20. September 2019 in X. (AG) und W. (AG) verwendet. Dabei soll es sich um ein Feuerzeug in Form einer Pistole gehandelt haben. Sie sei schwarz und aus Metall und soll vom Gewicht her ähnlich schwer wie eine richtige Pistole sein. Nach dem Überfall in W. (AG) habe B. die Pistole in die Lüssel geworfen, wo sie später von einem Kind aufgefunden und von den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Landschaft sichergestellt worden sei (vgl. Einvernahmen von B. vom 19. Februar 2020 und 11. Juni 2020; Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Baden, Ordner 3/4, Lasche 12). A. gab anlässlich der Hafteinvernahme vom 17. Februar 2020 zu, im Jahre 2019 wiederholt im Besitze einer Schreckschusspistole gewesen zu sein (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Baden, Ordner 2/4, Lasche 6). Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Aktenlage bestehen gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass A. beim Raubüberfall 25. Juli 2019 eine echte Schusswaffe verwendet haben könnte. Vielmehr berechtigen die Aussagen von B. und A. zur Annahme, beim Überfall sei eine Pistolenattrappe (Feuerzeugpistole) verwendet worden. Schliesslich finden sich in den Akten auch keinerlei Hinweise für ein besonders skrupelloses oder brutales Vorgehen im Sinne der zitierten Rechtsprechung noch hat sich E. dahingehend geäussert, dass ihr durch das Packen am Nacken und an den Haaren erhebliche Schmerzen oder Verletzungen zugefügt worden wären. Derartiges ist auch nicht ohne Weiteres anzunehmen.

3.6 Damit ist der zeitlich erste Raubüberfall vom 25. Juli 2019 als einfacher Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zu qualifizieren und für die Beurteilung des Gerichtsstandes der Raubserie folglich nicht relevant. Vielmehr ist der (versuchte) Raubüberfall vom 16. September 2019 in X. (AG) als bandenmässig begangener Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB der erste qualifizierte Raub der Serie und daher im Sinne von Art. 34 Abs. 1 StPO gerichtsstandsbestimmend.

4. Nach dem Gesagten liegt der gesetzliche Gerichtsstand hinsichtlich der vorliegenden Delikte im Kanton Aargau. Der Antrag des Gesuchstellers ist daher gutzuheissen, und es sind die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Aargau für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die A., C. und B. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.

5. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO ).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Aargau sind berechtigt und verpflichtet, die A., C. und B. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bellinzona, 27. August 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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