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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BG.2020.34
Datum:27.08.2020
Leitsatz/Stichwort:Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).
Schlagwörter : Kanton; Dossier; Verfahren; Kantons; Verfahrensakten; Wallis; Diebstahl; Waadt; Staatsanwaltschaft; Gerichtsstand; Täter; Delikt; Gesuch; Verübt; Behörden; Waadt; Central; Public; Ministère; Bundesstrafgericht; Verfolgung; Central; Bandenmässige; ISv; Delikte; Bundesstrafgerichts; Mittäter; Z/VS; Verfolgungshandlungen
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 139 StGB ; Art. 31 StPO ; Art. 33 StPO ; Art. 34 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 423 StPO ;
Referenz BGE:123 IV 197; 124 IV 86; 129 IV 253; 135 IV 158; 142 IV 129; 86 IV 222; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2020.34

Beschluss vom 27. August 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Cornelia Cova, Vorsitz,

Giorgio Bomio-Giovanascini und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiberin Inga Leonova

Parteien

Kanton Wallis , Zentrale Staatsanwaltschaft,

Gesuchsteller

gegen

Canton de Vaud , Ministère public central,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO )


Sachverhalt:

A. Am 2. Januar 2020 kam es in Z./VS, in den Büroräumlichkeiten der Garage A., um 18.14 Uhr zu einem Diebstahl von Bargeld in Höhe von ca. Fr. 4'000.-- aus einer Geldkassette. Die zu diesem Zeitpunkt unbekannte Täterschaft hatte zunächst erfolglos versucht, den Tresor zu öffnen. In der Folge stellte die Polizei die Datenträger der Überwachungskamera sicher und stellte die Bilder der Täterschaft, bestehend aus zwei Männern, sämtlichen Kantonen und dem Grenzwachkorps zu (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 02 ff.).

B. Die Waadtländer Kantonspolizei teilte der Walliser Kantonspolizei am 12. Februar 2020 mit, dass es sich beim Haupttäter um B. und bei der zweiten Person um C. handeln könnte (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 04). Weiter teilte die Waadtländer Kantonspolizei mit, dass die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt ein Strafverfahren gegen B. wegen gleichgelagerten Fällen führe und das im Kanton Wallis eröffnete Verfahren im gleichen Sammelverfahren abgehandelt werden könne (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 05).

C. Die Walliser Kantonspolizei hielt ihre Abklärungen im Bericht vom 17. Februar 2020 zuhanden der Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis (nachfolgend «StA VS») zusammenfassend fest. Namentlich führte sie darin aus, dass B. verdächtigt werde, an fünf Eigentumsdelikten mit einem Gesamtdeliktswert von mehreren zehntausend Franken beteiligt gewesen zu sein, die in den Kantonen Waadt (22. Oktober 2019 und 14. Januar 2020), Wallis (2. Januar 2020), Fribourg (13. Januar 2020) und Jura (3. Februar 2020) stattgefunden hätten, und nannte die Adresse des Waadtländer Staatsanwalts, an den das Dossier übermittelt werden könne (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 01). In der Folge übermittelte die StA VS ihr Dossier am 25. Februar 2020 der Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt, Sektion Strada (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 11).

D. Mit Schreiben vom 6. März 2020 lehnte die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt, Sektion Strada, ihre Zuständigkeit ab und führte aus, dass es sich beim Diebstahl vom 22. Oktober 2019 um eine geringfügige Tat handle, die lediglich mit Busse geahndet werde. Das schwerere Delikt habe am 14. Januar 2020 in Y./VD stattgefunden, mithin nach dem Vorfall vom 2. Januar 2020 im Kanton Wallis (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 12 f.).

E. Mit Schreiben vom 12. März 2020 teilte die StA VS der Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt, Ministère public central, mit, dass der Diebstahl vom 22. Oktober 2019 nicht isoliert betrachtet werden könne. Für die Festlegung des Gerichtsstandes sei derjenige Diebstahl mit den ersten Verfolgungshandlungen massgebend und dies unabhängig von der Höhe des Werts der entwendeten Gegenstände und ob der Diebstahl in Einzel- oder Mittäterschaft verübt worden sei (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 14). Am 31. März 2020 teilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt, Ministère public central, der StA VS mit, dass das Dossier ergänzt und der Kanton Freiburg in die Diskussion betreffend den Gerichtsstand miteinbezogen werden sollte (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 15). Die StA VS stellte der Staatsanwaltschaft Waadt, Ministère public central, das ergänzte Dossier am 20. April 2020 zu (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 19 ff.). Mit Schreiben vom 1. Mai 2020 wies die Staatsanwaltschaft Waadt, Ministère public central, die StA VS darauf hin, dass die Abklärungen mit den Behörden des Kantons Freiburg nicht vorgenommen worden seien (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 24).

F. Am 6. Juli 2020 erkundigte sich der Kanton Wallis bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg, ob bei ihr ein Verfahren wegen des Einbruchs bei der Pharmacie D. geführt werde (Verfahrensakten, Dossier MPG, pag. 01). Die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg bestätigte mit Schreiben vom 13. Juli 2020, dass gegen B. im Kanton Freiburg kein Strafverfahren geführt werde (Verfahrensakten, Dossier MPG, pag. 02).

G. Die Anfrage des Kantons Wallis betreffend die Verfahrensübernahme vom 17. Juli 2020 lehnte der Kanton Waadt, Ministère public central, am 21. Juli 2020 ab (act. 1.1, pag. 07 ff.; Verfahrensakten, Dossier VD, pag. 01 f.).

H. Mit Gesuch vom 31. Juli 2020 gelangte der Kanton Wallis an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Er beantragt, die Behörden des Kantons Waadt seien für berechtigt und verpflichtet zu erklären, das gesamte Strafverfahren gegen B. und Unbekannt zu führen (act. 1).

I. Die Eingabe des Kantons Waadt, Ministère public central, vom 13. August 2020, worin er die Abweisung des Gesuchs beantragt, wurde dem Kanton Wallis am 17. August 2020 zur Kenntnis gebracht ( act. 3, 4).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwischen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Frist und Form; vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.7 vom 21. März 2014 E. 1) sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.

2.

2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig (Art. 31 Abs. 1 StPO). Der Ausführungsort befindet sich dort, wo der Täter gehandelt hat (BGE 86 IV 222 E. 1).

2.2

2.2.1 Ist eine Straftat von mehreren Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO ). Hat ein Mittäter ausser den in Mittäterschaft verübten Verfehlungen an anderen Orten noch weitere Delikte verübt, die mit gleicher Strafe bedroht sind wie die in Mittäterschaft verübten, so bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde, und dies selbst dann, wenn nur die allein verübten Taten Gegenstand der ersten Untersuchungshandlungen bildeten (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2012. 16 vom 15. Juni 2012 E. 3.1 m.w.H.).

2.2.2 Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo die Verfolgungshandlungen zuerst vorgenommen worden sind (vgl. hierzu u.a. Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2011.49 vom 19. Januar 2012 E. 2.1; BG.2011.33 vom 28. September 2011 E. 2.2.1; BG.2011.4 vom 10. August 2011 E. 2.2.2).

2.3 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.10 vom 10. Juni 2014 E. 2.1).

3.

3.1 Zwischen den Parteien ist umstritten, ob der B. vorgeworfene Diebstahl vom 22. Oktober 2019 gerichtsstandsbegründend ist. Der Gesuchsteller führt im Gesuch aus, dass B. bereits rund einen Monat nach seiner Entlassung aus der Haft am 26. September 2019 erneut delinquiert habe. Aufgrund des der Waadtländer Polizei bekannten modus operandi von B. aus früheren Fällen, könne von einem Gesamtvorsatz ausgegangen werden. Aufgrund der Vorgeschichte von B. könne gewerbs- und bandenmässiges Handeln nicht ausgeschlossen werden (act. 1).

Der Gesuchsgegner hält dem entgegen, es handle sich beim Diebstahl vom 22. Oktober 2019 angesichts des Deliktswertes von Fr. 4.55 um ein geringfügiges Delikt, das mit Busse zu ahnden sei. Die übrigen B. vorgeworfenen Delikte, namentlich der bandenmässige (Einbruch-)Diebstahl in Z./VS weise einen höheren Strafrahmen auf und sei deshalb für die Bestimmung des Gerichtsstandes massgebend (act. 3).

3.2

3.2.1 Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern (Art. 139 Ziff. 1 StGB ).

3.2.2 Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen bestraft, wenn er gewerbsmässig stiehlt (Art. 139 Ziff. 2 StGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt der Ansatzpunkt für die Definition der Gewerbsmässigkeit im berufsmässigen Handeln. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. Wesentlich für die Annahme der Gewerbsmässigkeit ist, dass sich der Täter, wie aus den gesamten Umständen geschlossen werden muss, darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Zudem muss er die Tat bereits mehrfach begangen haben ( BGE 129 IV 253 E. 2.1 S. 254; Urteile des Bundesgerichts 6B_290/2016 vom 15. August 2016 E. 1.2; 6B_550/2016 vom 10. August 2016 E. 2.3).

3.2.3 Der qualifizierte Tatbestand des Diebstahls ist ferner gegeben, wenn der Dieb den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat (Art. 139 Ziff. 3 Abs. 2 StGB). Nach der Rechtsprechung ist Bandenmässigkeit gegeben, wenn zwei oder mehrere Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger Straftaten zusammenzuwirken. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob zwei oder mehrere Täter vorhanden sind. Haben sich nur zwei Personen zur fortgesetzten Begehung von Straftaten zusammengefunden, so kann eine bandenmässige Tatbegehung nicht ausgeschlossen werden, wenn gewisse Mindestansätze einer Organisation und die Intensität des Zusammenwirkens ein derartiges Ausmass erreichen, dass von einem bis zu einem gewissen Grade fest verbundenen und stabilen Team gesprochen werden kann (BGE 135 IV 158 E. 2 und E. 3). Ist demgegenüber schon die Zusammenarbeit derart locker, dass von Anfang an nur ein sehr loser und damit völlig unbeständiger Zusammenhalt besteht, liegt keine Bande vor (BGE 124 IV 86 E. 2b).

3.2.4 Richtet sich das Vermögensdelikt nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter mit Busse bestraft (Art. 172 ter Abs. 1 StGB ). Gemäss Art. 172 ter Abs. 2 StGB gelangt die Vorschrift in Abs. 1 beim qualifizierten Diebstahl i.S.v. Art. 139 Ziff. 2 und 3 StGB nicht zur Anwendung. Das Bundesgericht setzte die Grenze für den geringen Vermögenswert i.S.v. Art. 172 ter Abs. 1 StGB bei Fr. 300.-- fest ( BGE 142 IV 129 E. 3.1 S. 133; Urteil des Bundesgerichts 6B_1318/2015 vom 18. November 2016 E. 1.1). Für die Anwendung von Art. 172 ter StGB ist der Vorsatz des Täters entscheidend und nicht der eingetretene Erfolg. Art. 172 ter StGB ist nur anwendbar, wenn der Täter von vornherein bloss einen geringen Vermögenswert oder einen geringen Schaden im Auge hatte. War der (Eventual-) Vorsatz des Täters auf eine den Grenzwert übersteigende Summe gerichtet, kommt Art. 172 ter StGB deshalb auch dann nicht zur Anwendung, wenn die Deliktssumme unter dem Grenzwert von Fr. 300.-- liegt ( BGE 123 IV 197 E. 2a S. 199; Urteil des Bundesgerichts 6B_1318/2015 vom 18. November 2016 E. 1.1).

3.3

3.3.1 Für die Bestimmung des gesetzlichen Gerichtsstandes entscheidend ist die Frage, wo anhand der vorliegenden Akten vom erstmaligen Vorliegen des qualifizierten Diebstahls - als mit der schwersten Strafe bedrohe Tat i.S.v. Art. 34 Abs. 1 StPO - auszugehen ist.

3.3.2 B. wird verdächtigt, mehrere Diebstähle an verschiedenen Orten begangen zu haben. Unter anderem wird ihm vorgeworfen, am 22. Oktober 2019 in X./VD, am 2. Januar 2020 in Z./VS und am 14. Januar 2020 in Y./VD Diebstähle begangen zu haben.

3.3.3 Die Auswertung des am Tatort in Z./VS sichergestellten Videomaterials hat ergeben, dass B. den Diebstahl vom 2. Januar 2020 im Umfang von rund Fr. 4'000.-- mutmasslich zusammen mit C. begangen hat (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 3). Weiter wird B. verdächtigt, am 14. Januar 2020 in der Tankstelle E. in Y./VD Bargeld in Höhe von Fr. 21'915.-- gestohlen zu haben. Auch hier soll der Beschuldigte nicht alleine gehandelt haben (Verfahrensakten, Dossier SAO, pag. 27).

3.3.4 In Bezug auf den Ladendiebstahl vom 22. Oktober 2019 wird B. vorgeworfen, in der Filiale F. in X./VD Artikel in den Einkaufswagen gelegt und das Geschäft verlassen zu haben, ohne diese zu bezahlen. Gemäss Polizeibericht vom 22. Januar 2020 sei auf der sichergestellten Videoaufnahme zu sehen, wie B. die Ware in ein Fahrzeug mit der Nummer 1 geladen habe und anschliessend in unbekannte Richtung weggefahren sei. Gestützt auf die Videoaufnahme habe festgestellt werden können, dass es sich bei der entwendeten Ware um eine Flasche Orangesaft und eine Packung Vollmilch im Wert von total Fr. 4.55 handelte. Die übrigen in den Einkaufwagen gelegten Artikel konnten nicht identifiziert werden (Verfahrensakten, Dossier VD, pag. 23, 34). Die als Auskunftsperson einvernommene G. gab gegenüber der Waadtländer Kantonspolizei am 10. Dezember 2019 an, ihr Fahrzeug mit der Nummer 1 an B. ausgeliehen zu haben (Verfahrensakten, Dossier VD, pag. 12).

3.4 Dass es sich bei den Vorwürfen vom 2. und 14. Januar 2020 um bandenmässigen Diebstahl i.S.v. Art. 139 Ziff. 3 Abs. 2 StGB handelt, ist zwischen den Parteien unbestritten und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Zwar ist der Gesamtwert der am 22.Oktober 2019 entwendeten Artikel in X./VD nicht bekannt. Jedoch ist gestützt auf die vorliegenden Akten davon auszugehen, dass B. in der Filiale F. vorwiegend Lebensmittel im Wert von unter Fr. 300.-- in den Einkaufwagen gelegt hatte. Zudem ist anzunehmen, dass sich sein Vorsatz auf einen Vermögenswert unter Fr. 300.-- richtete. Damit wäre dieser Vorwurf einzeln betrachtet als geringfügiger Diebstahl i.S.v. Art. 139 Abs. 1 i.V.m. Art. 172 ter Abs. 1 StGB zu qualifizieren. Entgegen der Ansicht des Gesuchstellers lassen die vorliegenden Akten den Schluss nicht zu, dass B. bereits seit Ende Oktober 2019 auf einem bandenmässigen «Streifzug» durch die Schweiz unterwegs gewesen sein soll. Der Ladendiebstahl in X./VD vom 22. Oktober 2019 richtete sich wohl auf das Entwenden von Lebensmitteln und B. handelte mutmasslich allein. Die bandenmässigen (Einbruch-)Diebstähle fanden erst ab Januar 2020 statt und richteten sich - soweit gestützt auf die vorliegenden Akten beurteilt werden kann - hauptsächlich auf das Entwenden von Bargeld aus Tankstellen bzw. deren Büroräumlichkeiten. Hinweise, dass sich die Bande bereits Ende Oktober 2019 zur Verübung einer Vielzahl von Delikten zusammengefunden hat, sind den bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht zu entnehmen. Angesichts der fehlenden Häufigkeit bzw. der zeitlichen Distanz zwischen Ende Oktober 2019 und Anfang Januar 2020 ist auch gewerbsmässiges Handeln zu verneinen. Unter diesen Umständen ist der Ladendiebstahl vom 22. Oktober 2019 nicht als Teil der ab Januar 2020 erfolgten, qualifizierten Diebstähle zu werten, weshalb diesbezüglich Art. 172 ter Abs. 1 StGB zur Anwendung gelangt (vgl. supra E. 3.2.4).

3.5 Aus dem Gesagten folgt, dass die mit der schwersten Strafe bedrohten Taten am 2. Januar 2020 in Z./VS und am 14. Januar 2020 in Y./VD stattgefunden haben, weshalb diese für die Bestimmung des Gerichtsstandes massgebend sind. Da die ersten Verfolgungshandlungen in Z./VS vorgenommen worden sind, liegt der gesetzliche Gerichtsstand i.S.v. Art. 34 Abs. 1 StPO im Kanton Wallis.

4. Nach dem Gesagten liegt der gesetzliche Gerichtsstand im Kanton Wallis. Der Antrag des Gesuchstellers ist daher abzuweisen und es sind die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Wallis für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die B. und Unbekannt zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.

5. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Wallis sind berechtigt und verpflichtet, die B. und Unbekannt zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und beurteilen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bellinzona, 31. August 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Die Vizepräsidentin: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Zentrale Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis

- Ministère public central du canton de Vaud, Cellule for et entraide

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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