Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Fallnummer: | SK.2017.68 |
Datum: | 19.06.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB), Gehilfenschaft zur Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB i.V.m. Art. 25 und Art. 26 StGB) |
Schlagwörter : | Bundes; Dokument; Dokumente; Geheim; Bundesverwaltung; Bundesverwaltungsgericht; Amtsgeheimnis; Schuldig; Beschwerde; Bundesanwaltschaft; Geheimnis; Verletzung; Gericht; Beschuldigte; Amtsgeheimnisses; Verfahren; Verfahren; Hauptverhandlung; Beschuldigten; Unterlagen; Täter;Verfahrens; Verteidigung; Anklage; Vertraulich; Interessierenden; Offenbaren; Gehilfe |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsnorm: | Art. 1 VwVG ; Art. 110 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 19 StPO ; Art. 2 StGB ; Art. 23 StPO ; Art. 25 StGB ; Art. 29 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 32 StGB ; Art. 32 VwVG ; Art. 320 StGB ; Art. 325 StPO ; Art. 355 StPO ; Art. 356 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 4 StGB ; Art. 42 StPO ; Art. 422 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 47 StGB ; Art. 48 StGB ; Art. 5 StGB ; Art. 9 StPO ; |
Referenz BGE: | 104 IV 217; 114 IV 44; 115 IV 162; 129 IV 124; 129 IV 238; 134 IV 216; 135 IV 130; 135 IV 198; 138 IV 13; 141 IV 336; 98 IV 293; ; |
Kommentar zugewiesen: | Oberholzer, Basler Kommentar StGB, Art. 320 StGB, 2018 Stratenwerth, Wohlers, Handkommentar, 3. Aufl., Art. 21 StGB, 2013 Trechsel, Vest, Praxiskommentar StGB, Art. 320 StGB, 2018 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2017.68 |
Urteil vom 19. Juni 2019 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Martin Stupf, Einzelrichter Gerichtsschreiberin Regina Derrer | |
Parteien | 1. Bundesanwaltschaft , vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Johannes Rinnerthaler | |
gegen | ||
1. A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Alexander Kernen 2. B., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Fabrizio Andrea Liechti | ||
Gegenstand | Verletzung des Amtsgeheimnisses, Gehilfenschaft zur Verletzung des Amtsgeheimnisses |
Anträge der Bundesanwaltschaft (gemäss den Strafbefehlen vom 7. September 2017):
A.:
1. A. sei der Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäss Art. 320 StGB schuldig zu sprechen.
2. A. sei mit einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à CHF 410.-, entsprechend CHF 16'400.-, zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren, aufzuschieben.
3. A. sei zudem mit einer Busse von CHF 1'500.- zu bestrafen, bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 4 Tagen.
4. Die Kosten des Verfahrens seien A. zur Hälfte aufzuerlegen.
B.:
1. B. sei der Gehilfenschaft zur Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäss Art. 320 i.V.m. Art. 25 und Art. 26 StGB schuldig zu sprechen.
2. B. sei mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à CHF 390.-, entsprechend CHF 7'800.-, zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren, aufzuschieben.
3. B. sei zudem mit einer Busse von CHF 800.- zu bestrafen, bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen.
4. Die Kosten des Verfahrens seien B. zur Hälfte aufzuerlegen.
Anträge der Verteidigung:
A.:
1. A. sei freizusprechen.
2. Die Verfahrenskosten seien vollumfänglich dem Staat aufzuerlegen.
3. Dem Beschuldigten sei eine Entschädigung im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO in der Höhe von CHF 10'286.70 zuzusprechen.
B.:
1. B. sei vom Vorwurf der Gehilfenschaft zur Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäss Strafbefehl/Anklageschrift vom 7. September 2017 freizusprechen.
2. Die gesamten Verfahrenskosten seien dem Staat aufzuerlegen.
3. Dem Beschuldigten sei eine Parteientschädigung für die Anwaltskosten in der Höhe von CHF 9'553.45 auszurichten.
Prozessgeschichte
A. Mit Eingabe an die Bundesanwaltschaft vom 10. April 2017 erstattete die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) Strafanzeige gegen A. und B. wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB ) und Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Art. 293 StGB ).
B. Der gestützt auf Art. 15 des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten vom 14. März 1958 (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32) am 4. Mai 2017 von der Bundesanwaltschaft gestellte Antrag auf Ermächtigung der Strafverfolgung wurde mit Verfügung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) vom 6. Juli 2017 gutgeheissen.
C. Am 15. Mai 2017 eröffnete die Bundesanwaltschaft gegen A. und B. eine Strafuntersuchung wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB ).
D. A. und B. wurden am 14. Juni 2017 bei der Bundesanwaltschaft getrennt einvernommen.
E. Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 informierte die Bundesanwaltschaft die C. AG und die D. AG darüber, dass A. und B. vorgeworfen werde, interne Dokumente der ESTV, darunter Akten, die die C. AG und die D. AG beträfen, unbefugten Dritten offenbart zu haben. Sie lud die beiden Firmen dazu ein, anzugeben, ob sie sich als Privatklägerinnen im Strafverfahren gegen A. und B. konstituieren wollen. Die Schreiben vom 7. Juli 2017 blieben unbeantwortet.
F. Mit Strafbefehl vom 7. September 2017 bestrafte die Bundesanwaltschaft A. wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB) zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen à CHF 410.- und einer Busse von CHF 1'500.-. Mit Eingabe vom 20. September 2017 erhob A. dagegen Einsprache.
G. Mit Strafbefehl vom 7. September 2017 bestrafte die Bundesanwaltschaft B. wegen Gehilfenschaft zur Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB i.V.m Art. 25 und 26 StGB ) zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen à CHF 390.- und einer Busse von CHF 800.-. Mit Eingabe vom 19. September 2017 erhob B. dagegen Einsprache.
H. Die Bundesanwaltschaft hielt an den Strafbefehlen vom 7. September 2017 gegen A. respektive B. fest (Art. 355 Abs. 3 lit. a StPO ) und überwies diese am 23. November 2017 mit den Akten an das Bundesstrafgericht (Art. 356 Abs. 1 StPO ).
I. Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts eröffnete das Verfahren in Sachen gegen A. unter der Geschäftsnummer SK.2017.68 und jenes in Sachen gegen B. unter der Geschäftsnummer SK.2017.69 . In Gutheissung eines entsprechenden Antrages der Verteidigung von A. resp. B. wurde am 1. Dezember 2017 die Vereinigung der beiden Verfahren unter der Geschäftsnummer SK.2017.68 verfügt. Das Verfahren SK.2017.69 wurde als erledigt abgeschrieben.
J. Die Parteien stellten im Vorfeld zur Hauptverhandlung keine Beweisanträge.
K. Mit Verfügung vom 5. Dezember 2017 forderte das Gericht die Bundesanwaltschaft auf, die Zustellungsbelege beider Strafbefehle einzureichen. Dem kam die Bundesanwaltschaft am 11. Dezember 2017 nach.
Auf Auskunfts- und Akteneditionsgesuch vom 5. Dezember 2017 reichte die Anzeigeerstatterin (ESTV) dem Gericht am 3. Januar 2018 Unterlagen zum Arbeitsverhältnis der Beschuldigten bei der ESTV ein und gab Auskunft zu deren Anstellungsdauer, Funktion und Tätigkeitsbereich.
Das Gericht zog sodann von Amtes wegen Auszüge des Betreibungsregisters, Steuerakten sowie aktuelle Strafregisterauszüge der Beschuldigten bei. Auf Anfrage reichten die Beschuldigten ein Formular mit Angaben zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen ein.
L. Die Hauptverhandlung fand am 28. Mai 2019 in Anwesenheit von A. und B. sowie ihrer Verteidigung am Sitz des Bundesstrafgerichts statt. Die Bundesanwaltschaft verzichtete auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung.
M. Anlässlich der Hauptverhandlung reichte die Verteidigung von B. weitere Unterlagen, darunter eine Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2017 sowie ein Rechtsgutachten zur Amtsgeheimnisverletzung von Dr. Niklaus Oberholzer, ein. Der Einzelrichter erkannte diese Unterlagen zu den Akten.
Der Einzelrichter erwägt:
Der Einzelrichter erkennt:
I.
1. A. wird der Verletzung des Amtsgeheimnisses im Sinne von Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen.
2. Von einer Bestrafung wird abgesehen.
3. Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus der Gebühr des Vorverfahrens von CHF 1'000.- und der Gerichtsgebühr von CHF 3'000.-, total CHF 4'000.-, werden A. zur Hälfte auferlegt.
4. Es wird keine Entschädigung zugesprochen.
II.
1. B. wird der Gehilfenschaft zur Verletzung des Amtsgeheimnisses im Sinne von Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 25 und 26 StGB schuldig gesprochen.
2. Von einer Bestrafung wird abgesehen.
3. Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus der Gebühr des Vorverfahrens von CHF 1'000.- und der Gerichtsgebühr von CHF 3'000.-, total CHF 4'000.-, werden B. zur Hälfte auferlegt.
4. Es wird keine Entschädigung zugesprochen.
Im Namen der Strafkammer
des Bundesstrafgerichts
Der Einzelrichter Die Gerichtsschreiberin
Eine vollständige schriftliche Ausfertigung wird zugestellt an
- Bundesanwaltschaft
- Rechtsanwalt Alexander Kernen (Verteidiger von A.)
- Rechtsanwalt Fabrizio Andrea Liechti (Verteidiger von B.)
Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an
- Bundesanwaltschaft als Vollzugsbehörde (vollständig)
Rechtsmittelbelehrung
Berufung an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts
Gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts, die das Verfahren ganz oder teilweise abschliessen, kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts mündlich oder schriftlich Berufung angemeldet werden (Art. 399 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 1 StPO ; Art. 38 a StBOG ).
Mit der Berufung kann das Urteil in allen Punkten umfassend angefochten werden. Mit der Berufung können gerügt werden: Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhaltes sowie Unangemessenheit (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO ).
Die Berufung erhebende Partei hat innert 20 Tagen nach Zustellung des begründeten Urteils der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts eine schriftliche Berufungserklärung einzureichen. Sie hat darin anzugeben, ob sie das Urteil vollumfänglich oder nur in Teilen anficht, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils sie verlangt und welche Beweisanträge sie stellt. Werden nur Teile des Urteils angefochten, ist verbindlich anzugeben, auf welche sich die Berufung beschränkt (Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO ).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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