Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BG.2019.24 |
Datum: | 27.11.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO). |
Schlagwörter : | Kanton; Gerichtsstand; Verfahren; Zürich-Sihl; Gesuch; Verfahrens; Eschwerdekammer; Meldung; Behörde; Bundesstrafgericht; MROS-Meldung; Kantons; Beschwerdekammer; Behörden; Bundesstrafgerichts; Gerichtsstands; Verfahrensakten; Wesentlichen; Verpflichtet; Verdacht; Alias; Geldwäscherei; Zuständigkeit; Untersuchung; Akten; Staatsanwaltschaft; Behörden; Erhebungen; Gesuchsteller |
Rechtskraft: | Kein Rechtsmittel gegeben |
Rechtsnorm: | Art. 14 StGB ; Art. 14 StPO ; Art. 148 StGB ; Art. 25 StGB ; Art. 251 StGB ; Art. 3 StPO ; Art. 39 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 423 StPO ; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BG.2019.24 |
Beschluss vom 27. November 2019 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz, Cornelia Cova und Stephan Blättler , Gerichtsschreiber Stephan Ebneter | |
Parteien | Kanton Zürich, Gesuchsteller | |
gegen | ||
Canton de Genève, Gesuchsgegner | ||
Gegenstand | Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO ) |
Sachverhalt:
A. Das Ministère public des Kantons Genf (nachfolgend «MP GE») führte eine Strafuntersuchung gegen A1 alias A2 alias A3 alias A4 (nachfolgend «A.») wegen Betrugs gemäss Art. 146 StGB , Betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 StGB , Check- und Kreditkartenmissbrauchs gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB , Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Abs. 1 StGB , Fälschung von Ausweisen gemäss Art. 252 StGB , rechtswidrigen Aufenthalts gemäss Art. 115 AuG und Täuschung der Behörden gemäss Art. 118 Abs. 1 AuG , das es von der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (nachfolgend «StA Zürich-Sihl») übernommen hatte (vgl. act. 3.1).
B. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2018 erstattete die MROS der StA Zürich-Sihl eine Meldung nach Art. 23 Abs. 4 GwG gegen A. wegen Geldwäscherei gemäss Art. 305 bis Ziff. 1 StGB (Verfahrensakten ZH, pag. 1 ff.). Am 4. Oktober 2018 leitete die StA Zürich-Sihl die MROS-Meldung an das MP GE weiter (act. 1.1, 1.2).
C. Mit Strafbefehl vom 2. November 2018 sprach das MP GE A. des Check- und Kreditkartenmissbrauchs gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB , der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Abs. 1 StGB und der Täuschung der Behörden gemäss Art. 118 Abs. 1 AuG schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 120 Tagen, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 120 Tagen (act. 3.1).
D. Im Zusammenhang mit der am 4. Oktober 2018 von der StA Zürich-Sihl weitergeleiteten MROS-Meldung eröffnete das MP GE mit Verfügung vom 2. November 2018 eine Untersuchung P/21464/2018 gegen B. wegen Verdachts der Geldwäscherei nach Art. 305 [recte: 305 bis] StGB (Verfahrensakten ZH, pag. 250). Gleichentags vernahm sie in diesem Verfahren A. als Auskunftsperson ein (Verfahrensakten ZH, pag. 251 ff.).
E. Mit Schreiben vom 8. November 2018 retournierte das MP GE der StA Zürich-Sihl die MROS-Meldung mitsamt Einvernahmeprotokoll vom 2. November 2018 (act. 1.3; Verfahrensakten ZH, pag. 251 ff.). Es erklärte, es lehne es ab, die MROS-Meldung in Anwendung des Art. 34 StPO oder des Art. 31 StPO anhand zu nehmen (act. 1.3).
F. Am 7. Februar 2019 lehnte die StA Zürich-Sihl die Anerkennung des Gerichtsstands und Übernahme der Untersuchung P/21464/2018 ab und überliess die Akten wiederum dem MP GE (act. 1.4).
G. Mit Schreiben vom 25. Februar 2019 an die StA Zürich-Sihl stellte sich das MP GE auf den Standpunkt, sie sei in dieser Sache nicht die ersuchende Behörde, sondern die ersuchte Behörde, weshalb sie das Schreiben der StA Zürich-Sihl vom 7. Februar 2019 als zweites Übernahmeersuchen auffasse, das sie erneut ablehnte (act. 1.5).
H. Am 11. April 2019 ersuchte die Oberstaatsanwaltschaft Zürich (nachfolgend «OStA ZH») das MP GE gestützt auf Art. 33 StPO um Übernahme des Verfahrens in Sachen A., B. und C. (act. 1.7).
I. Am 29. April 2019 lehnte das MP GE eine Verfahrensübernahme ab und wies dabei darauf hin, dass das genferische Verfahren gegen A. mit Strafbefehl vom 2. November 2018 abgeschlossen worden sei (act. 1.8; vgl. act. 3.1).
J. Mit Gesuch vom 10. Mai 2019 gelangt die OStA ZH an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, es seien die Strafbehörden des Kantons Genf für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die A., B. und C. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 1).
K. Mit Gesuchsantwort vom 27. Mai 2019 beantragt das MP GE, es seien die Strafbehörden des Kantons Zürich für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die MROS-Meldung vom 1. Oktober 2018 zu behandeln (act. 3). Die Gesuchsantwort wurde der OStA ZH am 28. Mai 2019 zur Kenntnis gebracht (act. 4).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen Bezug genommen.
Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO ). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu u.a. TPF 2011 94 E. 2.2). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO ).
1.2 Geht in einem Kanton eine Strafanzeige bzw. ein Strafantrag ein, so hat die betroffene Strafverfolgungsbehörde von Amtes wegen zu prüfen, ob nach den Gerichtsstandsbestimmungen die örtliche Zuständigkeit ihres Kantons gegeben ist. Damit diese Prüfung zuverlässig erfolgen kann, muss die fragliche Behörde alle für die Festlegung des Gerichtsstandes wesentlichen Tatsachen erforschen und alle dazu notwendigen Erhebungen durchführen (vgl. zuletzt u.a. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2016.22 vom 25. August 2016 E. 2.2 m.w.H.).
1.3 Unbestritten ist, dass die MROS-Meldung vom 1. Oktober 2018 einen Verdacht auf Geldwäscherei gemäss Art. 305 bis Ziff. 1 StGB begründet. Unbestritten ist auch, dass für die Festlegung des Gerichtsstandes insbesondere wesentlich ist, wer die Bareinzahlungen auf das Konto der D. GmbH tätigte und wer die Zahlungsaufträge in Auftrag gab. Der Gesuchsteller erklärt selbst, dass sich dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht erstellen lasse. Es stelle sich etwa die Frage, wer im Besitz einer Bankkarte war, und zur Verdachtslage müssten zwei ehemalige Gesellschafter förmlich befragt werden. Der Gesuchsteller führte aber keinerlei Erhebungen durch. In den Akten fehlen etwa auch die Strafregisterauszüge der beschuldigten Personen (vgl. hierzu zuletzt u.a. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2019.5 vom 8. Mai 2019 E. 1.2 mit Hinweisen).
Die beteiligten Kantone haben vorliegend nicht alle für die Festlegung des Gerichtsstands wesentlichen Tatsachen erforscht und alle dazu notwendigen Erhebungen durchgeführt. Die bisher getätigten Abklärungen erlauben jedenfalls nicht, den Gerichtsstand zuverlässig festzustellen. Solange die Frage der Zuständigkeit offen oder streitig ist, bleibt jeder Kanton verpflichtet, die sein Gebiet betreffenden Tatsachen so weit abzuklären, als es der Entscheid über den Gerichtsstand erfordert. Das Vorgehen ist, soweit im Interesse des Verfahrens angezeigt, interkantonal abzustimmen. Auf das vorliegende Gerichtsstandsgesuch ist zurzeit nicht einzutreten.
2. Es ist keine Gerichtsgebühr zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO ).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
2. Es wird keine Gerichtgebühr erhoben.
Bellinzona, 27. November 2019
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :
Zustellung an
- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
- Ministère public du canton de Genève
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
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