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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Strafkammer
Fallnummer:SK.2016.7
Datum:25.02.2016
Leitsatz/Stichwort:Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB) i.V.m. Art. 98 LFG; Rückweisung an BA
Schlagwörter : Bundes; Schuldig; Anklage; Verfahren; Befehl; Beschuldigte; Untersuchung; Gericht; Sachverhalt; Verfahren; Bundesanwaltschaft; Beschuldigten; Vorverfahren; Beschwerde; Beweise; Person; Schuld; Verfahrens; Ausreichend; Kammer; Geklärt; Befehls; Bundesstrafgericht; Rechtlich; Akten; Staatsanwaltschaft; Bundesstrafgerichts; Einvernahme
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 100 BGG ; Art. 141 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 16 StPO ; Art. 182 StPO ; Art. 2 StPO ; Art. 23 StGB ; Art. 299 StPO ; Art. 30 StPO ; Art. 308 StPO ; Art. 309 StPO ; Art. 318 StPO ; Art. 328 StPO ; Art. 329 StPO ; Art. 35 StPO ; Art. 352 StPO ; Art. 356 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 9 BGG ; Art. 95 BGG ; Art. 97 BGG ;
Referenz BGE:116 Ia 455; 120 IV 348; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: SK.2016.7

Verfügung vom 25. Februar 2016
Strafkammer

Besetzung

Bundesstrafrichterin Miriam Forni, Vorsitz,

Gerichtsschreiber Joël Bonfranchi

Parteien

Bundesanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwältin des Bundes Manuela Graber,

gegen

A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Ivo Trüeb,

Gegenstand

Störung des öffentlichen Verkehrs

(Rückweisung)


Die Einzelrichterin erwägt:

I.

1. Am 3. Februar 2016 überwies die Bundesanwaltschaft diesem Gericht im Sinne von Art. 356 Abs. 1 StPO einen Strafbefehl vom 25. Juni 2015, mit welchem sie den Beschuldigten A. der fahrlässig begangenen Störung des öffentlichen Verkehrs gemäss Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt zu vollziehenden Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 100.00 sowie zu einer Verbindungsbusse von CHF 1'000.00 verurteilt hatte. Gleichzeitig teilte sie ihren Verzicht auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung mit (pag. BA 3 100 001 ff.). Das gerichtliche Verfahren wurde unter der Prozessnummer SK.2016.7 eröffnet.

2. Folgende der Überweisung des Strafbefehls vorangegangene Abläufe sind aktenkundig:

2.1 Am 2. Februar 2015 ging bei der Bundesanwaltschaft der Schlussbericht Nr. 1 der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle (SUST; heute Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle; von der Geschäftsleitung der SUST genehmigt) ein (BA pag. 11-01-0001 ff.).

2.2 Am 11. März 2015 ersuchte die Bundesanwaltschaft die SUST um Einsicht in deren Verfahrensakten (BA pag. 18-01-0001). Diese wurden der Bundesanwaltschaft am 18. März 2015 zugestellt (BA pag. 18-01-0002). Sie enthalten unter anderem protokollarische Aussagen von A. (BA pag. B1-18-01-0092 ff.) und von sechs weiteren Personen (BA pag. B1-18-01-0101 ff.).

2.3 Die Bundesanwaltschaft eröffnete formell kein Strafverfahren gegen den Beschuldigten und nahm auch keine materiellen Untersuchungshandlungen vor (Art. 309 Abs. 4 StPO ). Am 25. Juni 2015 erliess sie gestützt auf die Akten den erwähnten Strafbefehl gegen den Beschuldigten (vgl. E. I.1.). Darin wirft die Bundesanwaltschaft dem Beschuldigten zusammenfassend vor, am 26. April 2012, als Pilot eines Kleinflugzeuges, im Zuge eines irrtümlich vorgenommenen und mittels Durchstartverfahren abgebrochenen Anfluges auf den Militärflugplatz Z., einen Helikopter (als Teil eines Helikopterverbandes) mit einem Abstand von ca. 91 Metern (300 ft) überflogen und dadurch eine gefährliche Annäherung vorgenommen bzw. eine Fastkollision verursacht zu haben (BA pag. 03-01-0001 f.). Der (vermutlich postalische) Zustellungsbeleg des Strafbefehls ist nicht aktenkundig.

2.4 Am 8. Juli 2015 beauftragte der Beschuldigte Rechtsanwalt Ivo Trüeb mit seiner Verteidigung (BA pag. 16-01-0009). Am 9. Juli 2015 erhob Rechtsanwalt Trüeb namens und im Auftrag seines Mandanten, ohne Angabe von Gründen, Einsprache gegen den Strafbefehl vom 25. Juni 2015 (BA pag. 16-01-0001.).

2.5 Am 14. Juli 2015 verfügte die Bundesanwaltschaft formell die Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten (BA pag. 01-01-0001) und übermittelte am 20. Juli 2015 dem Verteidiger die Akten in elektronischer Form (mittels USB-Stick; BA pag. 16-01-0010).

2.6 Am 20. November 2015 wurde der Beschuldigte, in Anwesenheit seines Verteidigers, bei der Bundesanwaltschaft einvernommen (BA pag. 13-01-0003).

2.7 Im Einvernahmeprotokoll vom 20. November 2015 ist vermerkt, dass dem Beschuldigten ein "Merkblatt für beschuldigte Personen" und ein "Formular Personendaten und finanzielle Verhältnisse" ausgehändigt worden sind (BA pag. 13-01-0016). Letzteres reichte der Beschuldigte durch seinen Verteidiger (BA pag. 16-01-0022) am 21. Dezember 2015 ausgefüllt bei der Bundesanwaltschaft ein (BA pag. 17-01-0001). Der Inhalt des vorgenannten Merkblattes ist hingegen nicht aktenkundig.

II.

1. Die Staatsanwaltschaft kann einen Strafbefehl erlassen, wenn sie eine Busse, eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen, gemeinnützige Arbeit von höchstens 720 Stunden oder eine Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten für ausreichend erachtet und wenn die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt eingestanden hat oder dieser anderweitig ausreichend geklärt ist (Art. 352 Abs. 1 StPO ).

1.1 Der Sachverhalt ist eingestanden, wenn die beschuldigte Person im Rahmen eines glaubwürdigen Geständnisses (Art. 160 StPO ) die Darstellung der im Vorverfahren bis dahin ermittelten objektiven und subjektiven Tatumstände insbesondere in einer polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Einvernahme anerkennt ( Schwarzenegger , Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), 2. Aufl., Zürich 2014, Art. 352 StPO N 4).

1.2 Alternativ zum Geständnis reicht nach Art. 352 Abs. 2 StPO ein anderweitig ausreichend geklärter Sachverhalt für eine Verurteilung mittels Strafbefehl aus.

1.2.1 Die ausreichende Klärung des Sachverhaltes erfolgt in der Untersuchung. Diese ist Teil des Vorverfahrens, welches aus dem Ermittlungsverfahren der Polizei und der Untersuchung der Staatsanwaltschaft besteht (Art. 299 Abs. 1 StPO ). Die Untersuchung ist somit Aufgabe der Staatsanwaltschaft. In der Untersuchung klärt sie den Sachverhalt tatsächlich und rechtlich so ab, dass sie das Vorverfahren (mit Strafbefehl, Anklage oder Einstellungsverfügung) abschliessen kann (Art. 308 Abs. 1 StPO ; Art. 318 Abs. 1 StPO ). Zur Feststellung, ob gegen eine beschuldigte Person ein Strafbefehl zu erlassen, Anklage zu erheben, oder das Verfahren einzustellen ist, sind im Vorverfahren Erhebungen zu tätigen und Beweise zu sammeln (Art. 299 Abs. 2 StPO ). Die Untersuchung umfasst sämtliche strafprozessualen Erhebungen (vorwiegend Beweiserhebungen), welche nach Einleitung des Untersuchungsverfahrens bis zur Anklageerhebung, Strafbefehlsausfällung oder Verfahrenseinstellung vorgenommen werden ( Omlin , Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 308 StPO N 10). Bei Erhebung einer Anklage hat die Untersuchung dem Gericht die für die Beurteilung von Schuld und Strafe wesentlichen Grundlagen zu liefern (Art. 308 Abs. 3 StPO ). Das ist auch dann zu beachten, wenn ein Strafbefehl als Anklage überwiesen wird. Täterschaft und Schuld müssen durch die (Vor-) Verfahrensakten ausreichend geklärt und belegt sein. Der Sachverhalt wird im Strafbefehlsverfahren grundsätzlich gleich abgeklärt wie im ordentlichen Verfahren und er hat mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit dem wirklichen Sachverhalt zu entsprechen, wie der Sachverhalt, der einem gerichtlichen Urteil zugrunde liegt. Folglich muss neben der Täterschaft auch die Schuld der beschuldigten Person klar belegt sein, damit die Voraussetzung des anderweitig geklärten Sachverhalts erfüllt ist und ein Strafbefehl erlassen werden darf ( Daphinoff , Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, Diss. Freiburg 2012, S. 254 ff., m.w.H.).

1.2.2 Ob ausreichende Beweise für eine Anklage vorliegen, ist vor deren Erhebung und somit im Vorfeld der Gerichtsverhandlung durch die Strafverfolgungsbehörden abzuklären (siehe auch: Omlin , a.a.O., Art. 308 StPO N 9). Auch wenn es dem Gericht unbenommen ist, Beweise zu ergänzen bzw. zu vervollständigen, ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, ein korrektes und vollständiges Vorverfahren durchzuführen und die entsprechenden Erhebungen bzw. Beweissammlungen zu tätigen (Art. 299 Abs. 1 und 2 StPO ). Dies ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Rollentrennung, einem Teilaspekt des Anklageprinzips. Er statuiert die Unvereinbarkeit der Rollen von Ankläger und Gericht (siehe auch: Niggli/Heimgartner , Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 9 StPO N 2, 17). Das Gericht ist nicht der verlängerte Arm der Untersuchungsbehörde. Es kann zwar Beweise ergänzen oder vervollständigen, wohl aber wäre es unzulässig, wesentliche Beweise selbstständig durch dieses zu erheben, sodass ihm eine jedenfalls teilweise staatsanwaltschaftliche Rolle zukäme (siehe auch: Niggli/Heimgartner , a.a.O., Art. 9 StPO N 28). Der Staatsanwaltschaft steht es somit nicht frei, auf Durchführung der Strafuntersuchung zu verzichten und beim Gericht Anklage zu erheben in der Annahme, dass dieses die entsprechende Beweismassnahmen treffen werde, welche die Grundlage der Beurteilung von Schuld und Strafe und somit auch von Schuld- oder Freispruch bilden. Ein solches Vorgehen widerspräche, insbesondere dort wo der ordentliche Aufenthaltsort der Verfahrensbeteiligten sich nicht im Bereich des Sitzes des Gerichtes befindet, auch der Prozessökonomie.

2. Das Anklageprinzip verlangt bei Delikten, die sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden können, dass der Anklageschrift zu entnehmen ist, welche Schuldform sich verwirklicht hat. Es muss immer völlig klar sein, ob dem Beschuldigten Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Begehung vorgeworfen wird, denn die beiden Varianten verlangen durchaus ein unterschiedliches Vorgehen der Verteidigung. Bei Fahrlässigkeitsdelikten sind sämtliche tatsächlichen Umstände aufzuführen, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens sowie die Vorhersehbarkeit und die Vermeidbarkeit des eingetretenen Erfolges ergeben sollen. Es ist dazu insbesondere möglichst genau darzulegen, inwiefern es der Angeklagte an der Beachtung der gebotenen Sorgfalt oder Vorsicht habe fehlen lassen (BGE 120 IV 348 E. 3c; BGE 116 Ia 455 E. 3a,cc; Josi , "Kurz und klar, träf und wahr" - die Ausgestaltung des Anklageprinzips in der Schweizerischen Strafprozessordnung, ZStrR 2009, S. 73 ff., S. 88 ff.).

III.

1. Vor dem Erlass des Strafbefehls gegen den Beschuldigten sind keine strafrechtlichen Untersuchungshandlungen durchgeführt worden.

1.1 Nach erfolgter Einsprache nahm die Bundesanwaltschaft am 20. November 2015 eine Einvernahme des Beschuldigten vor; dabei bestritt dieser (entsprechend seinen Aussagen gegenüber der SUST vom 26. April 2012; BA pag. B1-18-01-0096) u.a. die gefährliche Annäherung bzw. einen ungenügenden Abstand zwischen den Luftfahrzeugen (BA pag. 13-01-0005 Z. 21 ff.; ...0009 Z. 15 ff.). Der Beschuldigte hat den Sachverhalt somit nicht eingestanden.

1.2 Es verbleibt festzustellen, ob der Sachverhalt anderweitig ausreichend geklärt ist.

1.2.1 Zu den Akten erkannt wurden die Unterlagen der abgeschlossenen Untersuchung der SUST.

1.2.2 Selbstverständlich sind die (sicherheitstechnischen) Untersuchungen der SUST und deren Ergebnisse im Rahmen eines parallel geführten (strafrechtlichen) Vorverfahrens zu berücksichtigen. Sie treten aber nicht an dessen Stelle. Die Klärung einer allfälligen Straftat ist denn auch nicht Aufgabe der SUST. Sie ist eine ausserparlamentarische Kommission des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG; Art. 6 VSZV bzw. [vor 1. Februar 2015] Art. 3 Abs. 2 OV-SUST ). Sie untersucht u.a. Ereignisse in der Luftfahrt nach den Vorgaben der VSZV (bzw. bis 1. Februar 2015 nach den Vorgaben der [nunmehr aufgehobenen] VFU). Ihre Untersuchungen bestehen aus einer unabhängigen Abklärung der technischen, betrieblichen und menschlichen Umstände und Ursachen, die zu einem Ereignis bzw. Unfall oder Zwischenfall geführt haben. Die Untersuchungen der SUST haben zum Ziel, die Sicherheit im Verkehrswesen zu verbessern, das heisst, ähnliche Vorfälle in der Zukunft zu vermeiden. Schuld und Haftung sind nicht Gegenstand der Untersuchung der SUST (Art. 24 Abs. 2 Luftfahrtgesetz, LFG ). Ihre Berichte richten sich an Fachleute der betreffenden Branchen und an die interessierte Öffentlichkeit und nicht explizit an Strafverfolgungs- und Administrativbehörden (siehe auch: http://www.sust.admin.ch/de/sust_organisation.html).

1.2.3 Vorliegend wurde eingangs des Schlussberichtes Nr. 1 der SUST ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die durchgeführte Untersuchung auf eine Verbesserung der Sicherheit im Flugverkehr ausgerichtet war, nicht jedoch die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen schwerer Vorfälle zum Gegenstand hatte. Mithin sei es nicht Zweck des Berichts, ein Verschulden festzustellen oder Haftungsfragen zu klären (BA pag. 11-01-0002). Dementsprechend führte die Untersuchung der SUST zu Sicherheitsempfehlungen in Bezug auf die Verfügbarkeit von Randdaten (BA pag. 11-01-0029-0030).

1.2.4 Die Strafrechtspflege steht einzig den vom Gesetz bestimmten Behörden zu (Art. 2 Abs. 1 StPO ) und Strafverfahren können nur in den vom Gesetz vorgesehenen Formen durchgeführt und abgeschlossen werden (Art. 2 Abs. 2 StPO ). Erkenntnisse der SUST, welche vom Beschuldigten nicht anerkannt sind, können daher im Strafverfahren nicht zu dessen Nachteil herangezogen werden. Entsprechende Beweise sind von der zuständigen Behörde in Beachtung der strafprozessualen Normen zu erheben (Art. 141 Abs. 1 und 2 StPO ). Diese unterscheiden sich von den für die SUST massgebenden Vorgaben (VSZV bzw. VFU) entscheidend. Beispielhaft sei hier lediglich erwähnt, dass im Strafverfahren Teilnahmerechte der Parteien, insb. das Konfrontationsrecht des Beschuldigten, zu beachten sind (Art. 147 Abs. 4 StPO ), oder Gutachten von sachverständigen Personen nach den Vorschriften von Art. 182 ff . StPO einzuholen sind. Beweise, die den gesetzlichen Gültigkeitsvorschriften nicht entsprechen, sind im Strafverfahren unverwertbar (Art. 141 Abs. 1 StPO ).

1.2.5 Eine Untersuchung, welche die Grundlage für den Abschluss des Vorverfahrens bildet (Art. 308 Abs. 1 und 3 StPO) und feststellen lässt, ob ein Strafbefehl, eine Anklage oder eine Einstellungsverfügung zu ergehen hat, ist in casu nicht erfolgt. Im Vorverfahren ist einzig eine Einvernahme des Beschuldigten bei der Bundesanwaltschaft durchgeführt worden, wobei dessen Aussagen die Anklage in entscheidenden Punkten nicht stützt. Weitere strafrechtlich verwertbare Beweiserhebungen in Bezug auf den angeklagten Straftatbestand (z.B. zur Ermittlung der Distanz zwischen den Verkehrsmitteln und zur Feststellung, ob und inwiefern dadurch eine Hinderung, Störung oder Gefährdung erfolgte, sowie - im Sinne von Art. 237 StGB - Menschen an Leib und Leben in Gefahr gebracht wurden) wurden keine getätigt. Es erfolgten weder sachdienliche (Konfrontations-) Einvernahmen noch wurde ein Gutachten erstellt, das sich mit dem strafrechtlichen Aspekt befasst, oder andere Abklärungen vorgenommen. Es liegt nicht eine punktuelle Lückenhaftigkeit vor, sondern eine Absenz der notwendigen Untersuchungen.

1.2.6 Der strafrechtlich relevante Sachverhalt wurde somit nicht rechtsgenügend geklärt.

1.3 Die Voraussetzungen zum Erlass eines Strafbefehles (vgl. E. II.1) sind mithin nicht erfüllt.

2. Weiter erhellt aus Dispositiv-Ziff. 1 des Strafbefehls vom 25. Juni 2015, dass der Beschuldigte der fahrlässig begangenen Störung des öffentlichen Verkehrs gemäss Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB schuldig gesprochen wurde. Der Sachverhaltsumschreibung lässt sich zur Schuldform indes bloss entnehmen, dass der Beschuldigte mangels zureichenden Bewusstseins der Position seines Flugzeuges im Raum den Flugplatz Y. mit dem Militärflugplatz Z. verwechselt haben und diesen unkoordiniert angeflogen sein soll. Dies habe zur gefährlichen Annäherung an einen Helikopterverband geführt.

2.1 Welche individualisierbaren Sorgfaltspflichten dem Beschuldigten oblagen sowie ob und wodurch er welche Sorgfaltspflicht(en) missachtet hat und inwiefern ein allfällig festgestellter Sorgfaltsverstoss eine entsprechende Relevanz für den Erfolgseintritt barg und ob Letzterer für den Beschuldigten vorherseh- und vermeidbar gewesen wäre, ist nicht umschrieben.

2.2 Das Anklageprinzip (vgl. E. II.2) ist somit verletzt.

IV.

1. Wird der Strafbefehl infolge Überweisung an das Gericht zur Anklageschrift ( Art. 356 Abs. 1 Satz 2 StPO ), führt dieses - vorbehaltlich der Besonderheiten von Art. 356 StPO - das Verfahren nach Art. 328 ff . StPO durch (siehe auch: Schmid , Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, Art. 356 StPO N 1 f.). Gemäss Art. 329 Abs. 1 StPO prüft die Verfahrensleitung nach Anklageerhebung, ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt, die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob Verfahrenshindernisse bestehen. Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung (oder später im Verfahren), dass ein Urteil nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht das Verfahren und weist die Anklage - falls erforderlich - zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück (Art. 329 Abs. 2 StPO ). Das Gericht entscheidet, ob ein sistierter Fall bei ihm hängig bleibt (Art. 329 Abs. 3 StPO ).

1.1 In Ermangelung einer rechtsgenüglichen und rechtskonformen Sachverhaltsabklärung (vgl. E. III. 1.3), erfüllt der als Anklage überwiesene Strafbefehl nicht sämtliche Prozessvoraussetzungen. Aufgrund der Verletzung des Anklageprinzips (vgl. III. 2.2.) ist die Anklageschrift im Übrigen nicht ordnungsmässig erstellt.

1.2 Aufgrund des Gesagten kann vorliegend kein Urteil ergehen, das Verfahren ist zu sistieren und der Fall - mit Retournierung der Akten - zur Durchführung eines neuen Vorverfahrens an die Bundesanwaltschaft zurückzuweisen (Art. 329 Abs. 2 StPO ). Die Rechtshängigkeit verbleibt nicht beim Gericht (Art. 329 Abs. 3 StPO ).

2. Schliesslich rechtfertigt sich der Hinweis, dass das Gericht auch über die Gültigkeit der Einsprache entscheidet (Art. 356 Abs. 2 StPO ). Zur Beurteilung, ob die Einsprache fristgerecht erfolgt ist, ist der entsprechende postalische Zustellungsbeleg erforderlich. Zustellungsbelege von Strafbefehlen sind daher - zumindest nach erfolgter Einsprache - aktenkundig zu machen. Dasselbe gilt bezüglich schriftlich abgegeben Informationen, ist doch anderenfalls bei Bedarf deren Relevanz nicht beurteilbar.

Die Einzelrichterin verfügt:

1. Das Verfahren SK.2016.7 wird sistiert.

2. Die Anklage (der als Anklageschrift überwiesene Strafbefehl) vom 25. Juni 2015 gegen A. wird an die Bundesanwaltschaft zurückgewiesen.

3. Die Rechtshängigkeit verbleibt nicht beim Gericht, die Akten werden der Bundesanwaltschaft retourniert.

4. Dieser Entscheid wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

5. Es werden keine Kosten erhoben.

Im Namen der Strafkammer

des Bundesstrafgerichts

Die Einzelrichterin Der Gerichtsschreiber


Hinweise betreffend Rechtsmittel

Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht, ausgenommen verfahrensleitende Entscheide, kann innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts geführt werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b und Art. 396 Abs. 1 StPO ; Art. 37 Abs. 1 StBOG ).

Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts führen (Art. 135 Abs. 3 lit. a und Art. 396 Abs. 1 StPO ; Art. 37 Abs. 1 StBOG ).

Mit der Beschwerde können gerügt werden: a. Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung; b. die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts; c. Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 StPO ).

Beschwerde an das Bundesgericht

Gegen verfahrensabschliessende Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts kann beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, innert 30 Tagen nach der Zustellung der vollständigen Ausfertigung Beschwerde eingelegt werden (Art. 78 , Art. 80 Abs. 1 , Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG ).

Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG ). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG ).

Versand: 25. Februar 2016

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