Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BP.2011.36 |
Datum: | 14.03.2012 |
Leitsatz/Stichwort: | Kostentragungspflicht und Entschädigung der beschuldigten Person bei Einstellung des Verfahrens (Art. 426 Abs. 2 i.V.m. Art. 310 Abs. 2 StPO; Art. 429 ff. StPO). |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführer; Verfahren; Verfahrens; Genugtuung; Verfahren; Verfügung; Bundesstrafgericht; Bundesanwaltschaft; Eschwerdekammer; Entschädigung; Bundesstrafgerichts; Beschwerdekammer; Einstellung; Gesuch; Beschuldigte; Auferlegt; Verfahrenskosten; Kostenvorschuss; Beschwerdegegnerin; Akten; Widerhandlung; Partei; Person; Einvernahmen; Vernachlässigung; Unterhaltspflichten; Diesbezüglich; Verfügungsdispositivs |
Rechtskraft: | Kein Rechtsmittel gegeben |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ; Art. 217 StGB ; Art. 310 StPO ; Art. 322 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BK.2011.17 |
Beschluss vom 14. März 2012 | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Tito Ponti, Vorsitz, Emanuel Hochstrasser und Patrick Robert-Nicoud , Gerichtsschreiber Stefan Graf | |
Parteien | A. , vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Steiner, Beschwerdeführer | |
gegen | ||
Bundesanwaltschaft, Beschwerdegegnerin | ||
Gegenstand | Kostentragungspflicht und Entschädigung der beschuldigten Person bei Einstellung des Verfahrens (Art. 426 Abs. 2 StPO; Art. 429 ff . StPO ) |
Sachverhalt:
A. Am 29. Januar 2003 eröffnete die Bundesanwaltschaft gegen verschiedene Mitglieder der Vereinigung B. ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an bzw. der Unterstützung einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260 ter StGB (Akten BA, pag. 028 f.). Mit Verfügung vom 1. September 2004 (Akten BA, pag. 044 ff.) dehnte die Bundesanwaltschaft dieses Verfahren auf A. aus. In sachlicher Hinsicht erging gegenüber A. zudem die Ausdehnung des Verfahrens auf den Tatbestand der qualifizierten Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG; SR 812.121). Im Verlaufe der Voruntersuchung übernahm der Eidgenössische Untersuchungsrichter vom Kanton Zürich eine gegen A. geführte Strafuntersuchung wegen des Verdachts der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten im Sinne von Art. 217 Abs. 1 StGB (Akten URA, pag. 2.8/028).
B. Im Hinblick auf die in Aussicht genommene Einstellung des Strafverfahrens meldete A. mit Eingabe vom 15. April 2011 einen Genugtuungsanspruch an (act. 6.2). Mit Verfügung vom 10. August 2011 stellte die Bundesanwaltschaft das gegen A. geführte Strafverfahren vollumfänglich ein (Ziff. 1 des Verfügungsdispositivs), bestimmte die auf A. entfallenden Verfahrenskosten auf Fr. 39'370.60 (Ziff. 2 des Verfügungsdispositivs), auferlegte A. einen Anteil von einem Drittel dieser Kosten, ausmachend Fr. 13'123.50 (Ziff. 3 des Verfügungsdispositivs) und verweigerte ihm sowohl Entschädigung als auch Genugtuung (Ziff. 4 des Verfügungsdispositivs).
C. Hiergegen gelangte A. mit Beschwerde vom 29. August 2011 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt Folgendes (act. 1):
1. Dem Beschwerdeführer seien - unter Aufhebung von Ziffer 2 der vorinstanzlichen Verfügung - lediglich Kosten in der Höhe von Fr. 1'244.50 aufzuerlegen.
2. Dem Beschwerdeführer sei - unter Aufhebung von Ziffer 4 der vorinstanzlichen Verfügung - eine angemessene Genugtuung zuzusprechen.
3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse.
Nachdem er von der Beschwerdekammer zur Leistung eines Kostenvorschusses eingeladen wurde (act. 2), stellte A. am 29. August 2011 sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ( BP.2011.36 , act. 1), bezahlte schliesslich aber doch den verlangten Kostenvorschuss (act. 4).
In ihrer Beschwerdeantwort vom 21. Oktober 2011 beantragt die Bundesanwaltschaft, die Beschwerde sei kostenfällig abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei (act. 6). In seiner Replik vom 31. Oktober 2011 hält A. vollumfänglich an seinen Beschwerdeanträgen fest (act. 8). Die Replik wurde der Bundesanwaltschaft am 2. November 2011 zur Kenntnis gebracht (act. 9).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gegen die Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft können die Parteien innert zehn Tagen bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erheben (Art. 322 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ). Voraussetzung zur Beschwerdeerhebung ist dabei auf Seiten der Partei ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung (Art. 382 Abs. 1 StPO ). Mit der Beschwerde gerügt werden können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c).
1.2 Der vormals beschuldigte Beschwerdeführer ist sowohl durch die ihm auferlegte Pflicht zur Tragung der Kosten für Teile des eingestellten Verfahrens (vgl. u. a. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BK.2011.3 vom 18. Oktober 2011, E. 1.3) als auch durch die im Rahmen der Einstellungsverfügung ergangene Verweigerung der beantragten Genugtuung (vgl. u. a. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BK.2011.8 vom 2. September 2011, E. 1.2) ohne weiteres zur Beschwerdeführung berechtigt. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
2.1 Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig oder schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO ; siehe hierzu u. a. das Urteil des Bundesgerichts 1B_12/2012 vom 20. Februar 2012, E. 2.1 und 2.2, sowie die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BK.2011.5 vom 24. August 2011, E. 2.1; BK.2011.11 vom 15. Juli 2011, E. 2.1).
2.2 Vorliegend unbestritten liess der Beschwerdeführer den Grundsatz, dass er hinsichtlich der zwei der ihm gemachten strafrechtlichen Vorwürfe der Widerhandlung gegen das BetmG sowie der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten für die darauf entfallenden Verfahrenskosten aufzukommen hat. Diesbezügliche Weiterungen erübrigen sich daher an dieser Stelle. Der Beschwerdeführer kritisiert primär die Höhe des auf die beiden erwähnten Vorwürfe ausgeschiedenen Anteils von einem Drittel der auf ihn entfallenden Verfahrenskosten (act. 1, Ziff. II.1, S. 3 f., Ziff. II.4 und II.5, S. 5; act. 8, S. 2 f.). Weiter erachtet er die Kostenauferlegung grundsätzlich als unzulässig, soweit er mit ihr auch für die Kosten der amtlichen Verteidigung aufkommen muss (act. 1, Ziff. II.2 und II.3, S. 4 f.; act. 8, S. 3).
Im Rahmen der Einstellungsverfügung hielt die Beschwerdegegnerin fest, die Untersuchungshandlungen zur Abklärung des Verdachts der Widerhandlung gegen das BetmG und der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten hätten rund ein Drittel aller in der vorliegenden Strafuntersuchung angefallenen Aufwendungen und Auslagen verursacht (siehe act. 1.1, Rz. 76). Im Rahmen ihrer Beschwerdeantwort erläuterte sie, ihrer Berechnung u. a. die Anzahl der Einvernahmen zu Grunde gelegt zu haben; so hätten von den sechs mit dem Beschwerdeführer durchgeführten Einvernahmen je zwei die Vorwürfe der Widerhandlung gegen das BetmG bzw. der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten betroffen (act. 6, S. 3). Diese Begründung der Beschwerdegegnerin erweist sich als sachlich gerechtfertigt. Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich rügt, dass eine solche Berechnungsweise der Dauer der Einvernahmen bzw. dem Umfang der Protokolle nicht genügend Rechnung trage, ist festzuhalten, dass die Einvernahmen als solche ohnehin nur eines der mitberücksichtigten Kriterien darstellten. Sofern er andererseits den Vorwurf der Beteiligung an bzw. der Unterstützung einer kriminellen Organisation von seiner Bedeutung her als den Hauptvorwurf darstellt (act. 8, S. 2), verkennt er, dass seine eigene Rolle hinsichtlich dieses Deliktsvorwurfs von eher geringer Bedeutung war (siehe u. a. act. 1.1, Rz. 31, S. 12). Sofern er mit dem Hinweis auf den grossen Lauschangriff" auf die verschiedenen Überwachungsmassnahmen anspielt, verkennt er, dass er hiervon vorerst überhaupt nicht betroffen war (act. 1.1, Rz. 8).
Die dem Beschwerdeführer auferlegte und von diesem angefochtene Pflicht zur Rückerstattung eines Teils der Kosten der amtlichen Verteidigung stützt sich auf Art. 422 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 426 Abs. 2 StPO sowie Art. 21 Abs. 3 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR, SR 173.713.162). Der vom Beschwerdeführer angeführte Art. 135 Abs. 4 StPO sieht diesbezüglich keine Befreiung von der Rückerstattungspflicht vor. Der weitere Einwand des Beschwerdeführers, wonach die Aufwendungen des amtlichen Verteidigers ausschliesslich den Vorwurf der Beteiligung an bzw. der Unterstützung einer kriminellen Organisation betroffen hätten, weshalb sich die Auferlegung der Kosten an den Beschwerdeführer nicht rechtfertigen liesse (act. 1, Ziff. II.3, S. 4 f.), ist - wie die Beschwerdegegnerin aufzeigt - klar aktenwidrig (siehe act. 6, S. 4, mit Hinweis auf act. 6.1). Beim entsprechend angepassten Vorbringen, dass der diesbezügliche Aufwand vernachlässigbar klein sei (act. 8, S. 3), handelt es sich um eine unbelegte Behauptung.
2.3 Soweit mit ihr die teilweise Auferlegung von Verfahrenskosten an den Beschwerdeführer angefochten wird erweist sich die Beschwerde als unbegründet. In diesem Punkt ist sie daher abzuweisen.
3.
3.1 Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 StPO Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (lit. a), auf Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die ihr aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind (lit. b) sowie auf Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug (lit. c). Die Strafbehörde prüft den Anspruch von Amtes wegen. Sie kann die beschuldigte Person auffordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen (Art. 429 Abs. 2 StPO ).
3.2 Der Beschwerdeführer unterbreitete der Beschwerdegegnerin auf entsprechende Aufforderung hin vor der Einstellung des Verfahrens ein Gesuch um Ausrichtung einer symbolischen Genugtuung von Fr. 81'000.-- (act. 6.2). Um Ausrichtung einer Entschädigung im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO ersuchte der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich. Allfällige in seinem Gesuch oder in seiner Beschwerde erwähnte wirtschaftliche Einbussen wurden weder im Rahmen des Gesuchs noch im vorliegenden Beschwerdeverfahren konkret substantiiert oder in irgendeiner Form belegt. Hinsichtlich des angemeldeten Genugtuungsanspruchs ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nie in Untersuchungshaft versetzt worden ist, bei ihm keine Hausdurchsuchung vorgenommen wurde und auch keine seiner Gegenstände oder Vermögenswerte beschlagnahmt wurden (siehe act. 1.1, Rz. 6 und 7). Diesbezüglich ist keine, einen Genugtuungsanspruch begründende Persönlichkeitsverletzung ersichtlich. Wenig einleuchtend sind auch die für eine Genugtuung vorgetragenen Argumente im Zusammenhang mit der medialen Behandlung der Angelegenheit (act. 1, Ziff. III.4 ff., S. 8 ff.). Einerseits wurde der Beschwerdeführer persönlich offenbar in den Medien gar nicht erwähnt, und soweit die B. und der Beschwerdeführer als deren Mitglied betroffen sind, hatte diese Vereinigung bereits vor der hier zur Debatte stehenden Angelegenheit zumindest den - schlechten - Ruf einer hart zuschlagenden Rockergruppe (dies scheint auch der Beschwerdeführer selbst so einzuräumen; siehe hierzu act. 6.2, S. 13). Eine Genugtuung gestützt auf die medialen Sachverhalte ist deshalb in keiner Weise einsehbar.
3.3 Die Beschwerde erweist sich somit auch hinsichtlich der mit ihr angefochtenen Verweigerung einer Genugtuung als unbegründet und ist auch in diesem Punkt abzuweisen.
4. Mit Eingabe vom 29. August 2011 ersuchte der Beschwerdeführer sinngemäss um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren ( BP.2011.36 , act. 1). In der Folge verzichtete er aber darauf, die angeforderten, zur Begründung seiner Bedürftigkeit erforderlichen Belege einzureichen, sondern bezahlte den verlangten Kostenvorschuss. Bei dieser Sachlage ist das diesbezügliche Gesuchsverfahren zufolge Gegenstandslosigkeit als erledigt von der Geschäftskontrolle abzuschreiben.
5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Diese werden auf Fr 1'500.-- festgesetzt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss in derselben Höhe verrechnet (Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 1 BStKR ).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuchsverfahren betreffend unentgeltliche Rechtspflege wird zufolge Gegenstandslosigkeit als erledigt von der Geschäftskontrolle abgeschrieben.
3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
Bellinzona, 14. März 2012
Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts
Der Vorsitzende: Der Gerichtsschreiber :
Zustellung an
- Rechtsanwalt Bruno Steiner,
- Bundesanwaltschaft,
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
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